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Geplante Obsoleszenz

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Die Geplante Obsoleszenz, auch geplanter Verschleiß oder eingebaute Schwachstelle, ist eine Spezialform der Obsoleszenz.

Dabei wird die Lebensdauer von Produkten von Seiten der Hersteller absichtlich reduziert. Das Phänomen war schon mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Debatten, ist aber nach wie vor nicht klar definiert. Insbesondere der Nachweis der Absichtlichkeit und die Abgrenzung zur Sollbruchstelle fällt schwer.

Definition

Datei:London (1932) Ending the depression through planned obsolescence.pdf

Der Begriff geht zurück auf die Veröffentlichung Ending the Depression Through Planned Obsolescence von Bernard London aus dem Jahre 1932.[1]

Gemeint ist mit ihm heute ein Teil einer Produktstrategie, bei der schon während des Herstellungsprozesses bewusst Schwachstellen in das betreffende Produkt eingebaut, Lösungen mit absehbarer Haltbarkeit und/oder Rohstoffe von minderer Qualität eingesetzt werden, die dazu führen, dass das Produkt schneller schad- oder fehlerhaft wird und nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden kann.

Zur geplanten Obsoleszenz gehören auch Maßnahmen, die nicht auf die direkte (Zer-)Störung der eigentlichen Funktionalität abzielen, sondern bewusst Möglichkeiten der Abnutzung einbauen. So kann durch entsprechende Materialauswahl das Aussehen und die Haptik eines Produkts derart beeinflusst werden, dass (etwa) nach Ablauf der Gewährleistungsfrist ein direkter Vergleich mit Neuprodukten Letztere erheblich besser dastehen lässt, als es bei einem bloßen Vergleich ihrer Funktionalität der Fall wäre. So werden etwa bei Mobiltelefonen bewusst leicht einzudrückende Schalen oder Gehäuse mit Kunstlederanteilen eingesetzt, die nach einiger Zeit deutlich abgegriffen erscheinen.

Möglich ist auch der Einbau von Mechanismen, die nach einer gewissen Betriebsstundenzahl (die dabei größer als die Garantiezeit sein sollte) entweder eine Zerstörung wichtiger Funktionskomponenten hervorrufen oder zumindest eine Betriebsstörung vortäuschen. Das Gerät kann dann nur noch durch eine in der Gebrauchsanleitung nicht dokumentierte, allein den Servicetechnikern bekannte Aktion wieder in Gang gebracht werden. Letzteres war (und ist womöglich immer noch) bei manchen PC-Druckern der Fall.[2][3] Auch durch falsche oder mangelhafte Angaben bei Gebrauchs- und Reparaturhinweisen kann die Langlebigkeit von Produkten verkürzt werden.[4]

Abgrenzung zur Sollbruchstelle

Eine Sollbruchstelle ist ein definiertes Sicherheitsmerkmal eines Produktes, das bewusst integriert wird, um Sicherheitsanforderungen für den Fall des Betriebs außerhalb vorher definierter Betriebsparameter zu erfüllen. Der Duden beschreibt als Sollbruchstelle eine „Stelle in einem Bauteil o. Ä., die so ausgelegt ist, dass in einem Schadensfall nur hier ein Bruch erfolgt.“[5] Dieses Merkmal wird geplant und als Ausstattungsmerkmal oder Teil des Sicherheitskonzepts offen dokumentiert. Von anderen Sicherheitsmaßnahmen, wie z.B. den meisten Überdruckventilen, unterscheiden sich Sollbruchstellen insofern, als nach dem Auslösen das Produkt nicht mehr verwendbar ist. Eine Sollbruchstelle hat die Eigenschaft des Fail-Safe. Das bedeutet, dass das Produkt im Falle einer Überlastung oder eines technischen oder menschlichen Versagens ("failure") auf eine definierte Weise versagt, die weder Menschen gefährdet noch weitere technische Kollateralschäden nach sich zieht. Sollbruchstellen sind bei komplexen Geräten idealerweise so ausgelegt, dass das betroffene Bauteil leicht und günstig ersetzbar ist.

Ein Beispiel aus der Mechanik sind Brechbolzen, die im Falle einer Überbelastung abscheren und damit den Kraftfluss unterbrechen. Dieses Verhalten ist sicherer als der Weiterbetrieb mit einer Beschädigung oder ein Bruch in der Anlage an einer nicht vorhersehbaren Stelle, mit unabsehbaren Folgen.

Auch alle Sicherungen in Stromversorgungen sind Sollbruchstellen. Sie sind in den Konstruktionsschaltplänen der Geräte dokumentiert und sollten auch in der dem Anwender zugänglichen Dokumentation aufgeführt sein. Grenzwertig sind Sicherungen gegen Überhitzung des Motors beispielsweise von Küchengeräten, die in der Anwenderdokumentation weder dokumentiert noch austauschbar sind und von daher zumeist das Lebensende des Gerätes bedeuten, die aber andererseits klar dem Brandschutz dienen und in Folge unsachgemäßer Verwendung oder eines Defekts ansprechen. Der Einbau einer geringfügig aufwendigeren Lösung wie z.B. einer Automatiksicherung oder einer austauschbaren Sicherung und deren Dokumentation würde sowohl den Schutz des Gerätes als auch seine Weiterverwendung gewährleisten. Hier ist Obsoleszenz nicht unmittelbar geplant, wird aber bewusst zugunsten niedriger Herstellungskosten in Kauf genommen.

Eine gut entworfene Sollbruchstelle führt nicht zur Verringerung der Haltbarkeit oder Brauchbarkeit eines Produktes, sondern dient ausschließlich der Produktsicherheit. Der Einbau sicherheitstechnisch unnötiger oder überempfindlicher Sollbruchstellen kann durch übertriebene Vorsicht motiviert sein oder einfach Ergebnis einer fehlerhaften Dimensionierung sein. Geplante Obsoleszenz ist in solchen Fällen von regulären Sollbruchstellen nicht immer eindeutig unterscheidbar, Anhaltspunkte um dies einzuschätzen bieten jedoch manchmal die Dokumentation und ggf. Reparaturfähigkeit derartiger Sollbruchstellen.

Entwicklung

Als Erfinder der „geplanten Obsoleszenz“ gilt Alfred P. Sloan, welcher in den 1920er Jahren in seiner Funktion als GM-Präsident jährliche Konfigurationsänderungen und Veränderungen an Automobilen einführte.[6][7][8] Mit dieser Strategie wollte er die Verbraucher dazu bringen, alle drei Jahre ein neues Auto zu kaufen.[9]

Ein häufig zitierter Fall ist der des 1924 gegründeten Phoebuskartells, in dem die nominale Brenndauer von Glühlampen international auf nicht mehr als 1000 Stunden begrenzt wurde.[10]

Häufig wird gleichzeitig dafür gesorgt, dass eine Reparatur übermäßig teuer wäre oder gar nicht erst möglich ist, so dass der Kunde das Produkt durch ein neues ersetzen muss oder will. Die geplante Obsoleszenz ist dabei unabhängig vom Produktlebenszyklus, der sich nicht auf die Haltbarkeit des einzelnen Produkts, sondern den gesamten Zeitraum von der Entwicklung bis zum Verkaufsende bezieht.

Häufigkeit des Phänomens

Das deutsche Umweltbundesamt hat im April 2013 ein Forschungsprojekt ausgeschrieben, das das „Phänomen Obsoleszenz“ bei Elektrogeräten für Privatverbraucher untersuchen soll.[11]

Einem Gutachten für die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen aus dem Frühjahr 2013 zufolge geben die Haushalte in Deutschland pro Jahr schätzungsweise 101 Milliarden Euro mehr aus als nötig, weil die Haltbarkeit vieler Produkte künstlich reduziert wurde. Das Gutachten nennt keine Zahlen über den Umfang des Phänomens.[12]

Die Stiftung Warentest fand 2013 in Tests keine Anzeichen von geplanter Obsoleszenz im Sinne von Sollbruchstellen, bemängelte aber mangelnde Qualität. Untersucht wurden u.a. Waschmaschinen und LED-Lampen in Kerzenform.[13]

Die Technische Prüforganisation Halbleiter Test- & Prüf GmbH (HTV) verlautbarte im Juni 2013, dass sie eine „Vielzahl von Beispielen für Produkte“ fand, auf die die unternehmensinterne Definition von eingebauten Sollbruchstellen zuträfe. Auffällig sei „die Verwendung besonders hitzeempfindlicher Bauteile (z.B. Elektrolytkondensatoren) in direkter Nähe zu Hitzequellen“.[14] Das Unternehmen zertifiziert seit April 2013 auch Produkte ohne „geplante, lebensdauerbegrenzende Sollbruchstellen“ mit dem Gütesiegel HTV-life.[15]

Computer und Mikroelektronik

Vorwürfe, Geplante Obsoleszenz zu betreiben, trafen 2013 auch den Prozessor-Hersteller Intel, bei der neuen CPU-Generation der Intel-Haswell-Mikroarchitektur. Bei dieser wird die thermischen Verbindung von DIE und Heatspreader zur Wärmeableitung nur noch durch eine einfache Wärmeleitpaste hergestellt. Vorher wurde dieser Bereich verlötet. Daraus ergeben sich für Intel in der Produktion zwar Einsparungen von wenigen Cent pro CPU. Diese stehen Kritikern zufolge jedoch in keinem Verhältnis zum Endkundenpreis von über 250 Euro für die Performance-CPUs wie z.B. den i7-4770K und dessen Anfälligkeit gegen Ausfälle wegen Überhitzung.

Andererseits gibt es auch gegensätzliche Entwicklungen in Branchen der Computerindustrie, die von einem starken Wettbewerb geprägt ist. So sind die zehn großen Mainboard-Hersteller nach imageschädigenden Serienausfällen durch defekte Elektrolytkondensatoren[16] fast durchgehend dazu übergegangen, nur noch Festkondensatoren bzw. sogenannte "All Solid Capacitors" statt Flüssigelektrolyten auf ihren Mainboards neuerer Sockel zu verbauen.[17][18]

Auch die stark im Wettbewerb stehenden Hersteller der RAM-Speicher und Netzteile werben mit Qualitätsverbesserungen. So sind Garantiezeiten von zehn Jahren bis lebenslang bei DDR3-RAM Riegeln heute eher normal. Die Netzteilhersteller erfüllen zunehmend die strengen Anforderungen der 80 PLUS-Zertifizierung in Bronze, Silber, Gold oder Platinum nach der ENERGY-STAR-Richtlinie der US-Umweltbehörde EPA.

Ökonomische Theorie der geplanten Obsoleszenz

Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen widmeten sich der Frage, unter welchen Bedingungen Produkte mit ineffizient kürzerer Lebensdauer angeboten werden.

Die Fachzeitschrift Zeitschrift für Verbraucherpolitik (heute Journal of Consumer Policy) widmete sich ab 1975 mit mehreren Aufsätzen dem Themenkomplex. Beteiligt waren u.a. Burkhardt Röper, Karl-Heinz Hillmann, Gerhard Bodenstein, Hans Leuer Hans Raffée und Klaus Peter Wiedmann.[19]

Der Ökonom Jeremy Bulows untersuchte 1986 das Phänomen modelltheoretisch. Er kam zu dem Schluss, dass geplante Obsoleszenz von der Marktform abhänge. Einen Anreiz hätten nur Monopolisten auf nicht-bestreitbaren Märkten, während dagegen Wettbewerber eines Cournot-Oligopols zur Produktion von Produkten mit höherer Lebensdauer tendieren würden.[20]

Kritik

Andreas Hirstein bezeichnete in der NZZ am Sonntag „geplante Obsoleszenz im Sinne einer gezielten Produkte-Selbstzerstörung zur Ankurbelung des Konsums“ als eine moderne Legende. Er argumentierte darin, dass Hersteller eine Abwägung zwischen Lebensdauer und Preis bzw. Zahlungsbereitschaft der Kunden auf der anderen Seite treffen müssten.[21] Dem steht entgegen, dass oftmals kostenneutrale oder mit sehr geringem Aufwand (Kosten) realisierbare Änderungen eine deutliche Lebensdauerverlängerung von Produkten bewirken (siehe Beispiel Anordnung Elektrolytkondensatoren in der Nähe von Wärmequellen).[3]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bernard London: Ending the depression through planned obsolescence, 1932
  2. geplante-obsoleszenz-der-motor-der-wirtschaft
  3. 3,0 3,1 Dokumentarfilm von Cosima Dannoritzer, Kaufen für die Müllhalde, 75 Minuten, 2010. (Online) (Min.: 0-1:40, 12:05-13:02, 25:08-25:59, 51:36-52:08)
  4. Lebensdauer von Produkten (german) konsument.at. 24. Januar 2013. Abgerufen am 30. Januar 2013.
  5. Sollbruchstelle in duden.de, abgerufen am 24. Juni 2013
  6. Dr. Hans-Arthur Marsiske: Verstecktes Verfallsdatum: Wirkprinzipien der geplanten Obsoleszenz, in: c’t 15/2012, S. 75.
  7. Lawrence B. Glickmann: Consumer Society in American History: A Reader. Cornell University Press, 1999, ISBN 0801484863, S. 347 (Auszug (Google))
  8. John M. Dobson: Bulls, Bears, Boom, And Bust: A Historical Encyclopedia of American Business Concepts. ABC-CLIO, 2007, ISBN 9781851095537, S. 234 (Auszug (Google))
  9. Dokumentarfilm von Cosima Dannoritzer, Kaufen für die Müllhalde, 75 Minuten, 2010. (Online) (Min.: 19:11–20:10)
  10. Dokumentarfilm von Cosima Dannoritzer, Kaufen für die Müllhalde, 75 Minuten, 2010. (Online) (Min.: 6:00-11:56, 31:25-33:00)
  11. Aufstand gegen geplante Obsoleszenz, Heise online, 2. April 2013; Anzeigentext (PDF; 47 kB), öffentliche Ausschreibung des Umweltbundesamtes
  12. Studie: „Geplante Obsoleszenz“, gruene-bundestag.de Webseite der Bundestagsfraktion der Grünen. Abgerufen am 18. April 2013.
  13. Geplante Obsoleszenz: „Tests zeigen keine Sollbruchstellen“. test.de, 20. März 2013, abgerufen am 24. Juni 2013.
  14. Wo die Sollbruchstellen in der Elektronik liegen. golem.de, 21. Juni 2013, abgerufen am 27. Juni 2013.
  15. Fuer ein langes Leben. Gütesiegel gegen den geplanten Frühausfall. htv-gmbh.de, 30. April 2013, abgerufen am 5. Juli 2013.
  16. heise.de, 2. Juli 2010: Hardware-Defekte: Schwere Vorwürfe gegen Dell, aufgerufen 2. Oktober 2013
  17. http://geizhals.at/eu/?cat=mbp4_2011
  18. http://geizhals.at/eu/?cat=mbp4_1150
  19. Hillmann: Geplante Obsoleszenz. Bemerkungen zu Burkhardt Röper: »Gibt es geplanten Verschleiß?«, 1977.
  20. Bulow: An Economic Theory of Planned Obsolescence, 1986.
  21. Andreas Hirstein: Moderne Märchen der Konsumkritik. NZZ am Sonntag, 18. November 2012, abgerufen am 24. Juni 2013.
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