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Gelassenheit

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(Weitergeleitet von Gemütsruhe)
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Gelassenheit, Gleichmut, innere Ruhe oder Gemütsruhe ist eine innere Einstellung, die Fähigkeit, vor allem in schwierigen Situationen die Fassung oder eine unvoreingenommene Haltung zu bewahren. Sie ist das Gegenteil von Unruhe, Aufgeregtheit, Nervosität und Stress.

Während Gelassenheit den emotionalen Aspekt betont, bezeichnet Besonnenheit die überlegte, selbstbeherrschte Gelassenheit, die besonders auch in schwierigen oder heiklen Situationen den Verstand die Oberhand behalten lässt, also den rationalen Aspekt innerer Ruhe.

Wortherkunft und Bedeutungsgeschichte

Das Wort Gelassenheit stammt vom mittelhochdeutschen Wort gelāʒenheit (Gottergebenheit) ab,[1] dieses von gelāʒen, Partizip Perfekt von gelāʒen. Laut Sprachforschung bedeute der mittelhochdeutsche Ausdruck gelāʒen sich niederlassen,[2] sich gottergeben, später maßvoll, ruhig benehmen[1] oder gottergeben, später maßvoll in der Gemütsbewegung sein.[2]

Aktuell bedeutet es abgeklärtes Wesen, Ruhe, Gleichmut.[2]

Gelassenheit wird auch durch die Bedeutungen des Adjektivs gelassen näher bestimmt: gelassen heißt „das seelische Gleichgewicht bewahrend; beherrscht, ruhig, gefasst“[1] und „unerschüttert, leidenschaftslos, gleichmütig“.[2] Umgangssprachlich kann sich das gelassen sein oder etwas gelassen (hin)nehmen lediglich auf eine konkrete Situation, auf eine gewohnheitsmäßige innere Einstellung oder Lebenssicht beziehen.

Aufschlussreich für das Bedeutungsspektrum sind folgende Synonyma und ähnliche Begriffe: Abgeklärtheit, Bedacht, Bedachtsamkeit, Beherrschung, Beschaulichkeit, Besinnlichkeit, Besonnenheit, Contenance, Dickfelligkeit, Fassung, Gemessenheit, Geduld, Gefasstheit, Gemütsruhe, Gleichgewicht, Gleichmut, Kaltblütigkeit, Kühle, Langmut, Mäßigung, Muße, Ruhe, Seelenruhe, Selbstbeherrschung, Stille, Stoizismus, Überlegenheit, Umsicht, Zurückhaltung.[3] Gelassenheit bewegt sich semantisch im Spannungsfeld wünschenswerter Gemütsruhe und bedenklicher Gleichgültigkeit.

Fachsprachliche Bedeutungen

Antike Philosophie

Hauptartikel: Athaumasie

Bei Platon erscheint als sokratische Tugend die besonnene Gelassenheit, die Sophrosyne (Mythologie). Während Platon das Staunen als erstes Pathos der Philosophie rühmt, betonen u. a. Demokrit, Horaz, dass der Weise, weil er die Gründe kenne, nicht wie der Alltagsmensch staune, vielmehr sich nicht ob vermeintlich Ungewöhnliches wundere.

„Si fractus inlabatur orbis, inpavidum ferient ruinae. „Selbst wenn die zerborstene Welt einstürzt, werden die Trümmer einen Furchtlosen treffen.““

Horaz

Die sprichwörtliche „stoische Ruhe“ besteht in der Affektfreiheit, wobei Affekte unreflektierte Gefühlsregungen sind.[4] Ob sie im Sinne der stoischen Ataraxis und Apatheia der Gelassenheit entspricht, wird unterschiedlich gesehen und hängt von der genauen Erfassung des jeweils Gemeinten ab. Ataraxie und Apathie sind – „sofern diese auf ein unbewegtes Ertragen der unverfügbaren Ereignisse und Situationen hinauslaufen“ – von der Gelassenheit zu unterscheiden.[5]

Siehe auch: Seneca und Mark Aurel

Angesichts der Gefahr, dass Gelassenheit mit Stumpfheit, Trägheit, Gleichgültigkeit oder Fatalismus gleichgesetzt werde oder dazu führen könne, bedürfe es einer vernünftigen Begründung und Rechtfertigung der Gelassenheit.

Diese werden unter anderem darin gesehen, dass[5]

  • es unvernünftig erscheine, Unverfügbares und Unverrückbares ändern zu wollen (Beispiel: der eigene Tod);
  • das Unverfügbare/Unbeeinflussbare nicht grundsätzlich die Möglichkeit eines vernünftigen Lebens berühre;
  • Glück nicht planbar sei;
  • es darum gehe, in der Gegenwart zu leben – „das Leben in Gelassenheit ist das Leben in der Gegenwart“.

Gelassenheit wird philosophisch traditionell als Selbstlösung und Selbstfindung interpretiert. [5]

Christentum

In einigen mittelhochdeutschen Texten der christlichen geistlichen Literatur wird der Ausdruck gelāʒen(heit) als technischer Terminus verwendet, so beispielsweise in etlichen Predigten Meister Eckharts[6] und anderer Autoren der sogenannten rheinländischen Mystik wie Heinrich Seuse, Johannes Tauler u. v. m. Eckhart spricht in ganz ähnlichem Sinne auch von abegescheidenheit (Abgeschiedenheit), ein Loslassen von der Ichbezogenheit bezüglich des Willens meinend: Richte sich der Mensch nicht auf dieses oder jenes Seiende, sondern löse sich von jeglicher Besonderheit, sei er beim Sein und damit Gott selbst. Eckhart spricht sogar davon, der Mensch möge Gott selbst „lassen“, um gefunden zu werden: „Ez enist kein rât als guot, got ze vindenne, dan wâ man got læzet.“ [7]

Etwas unspezifischer kommt die Rede von Gelassenheit im Sinne einer allgemeinen Gottergebenheit, eines „vertrauensvollen Sich-Ergebens in den Willen Gottes“ in geistlicher Literatur vor.[5] Öfters als Entsprechung des Bekenntnisses fiat voluntas tua (Dein Wille geschehe) des Vaterunsers interpretiert, schreibt Thomas von Kempen von resignatio.[8]

In der Gegenreformation spricht Ignatius von Loyola von der Indifferenz im Sinne von Gelassenheit.[9]

Buddhismus

Ein zentraler Begriff der buddhistischen Geistesschulung ist Upekkhā (skr. Upekṣā), Gleichmut, einer der Vier Grenzenlosen Geisteszustände (Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut). Zum Bedeutungsspektrum dieses Begriffs gehören auch Gelassenheit, Nicht-Anhaften, Nicht-Unterscheiden, Loslassen. Diese Art von Gelassenheit soll die "Weisheit der Gleichheit" zum Ausdruck bringen, d.h. die Fähigkeit, alle Menschen als gleich zu betrachten und keine Unterschiede zwischen sich selbst und anderen zu machen. Der Geisteszustand der Gelassenheit hat also zur Voraussetzung, die dualistische Unterscheidung zwischen sich selbst und anderen zu unterlassen. [10]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. (2003), ISBN 3-411-05505-7
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Wahrig: Deutsches Wörterbuch (1986, 1991), ISBN 3-570-03648-0
  3. Wortschatz Lexikon
  4. Pfister: Philosophie (2006), ISBN 3-15-018433-9, S. 36
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Fr. Kambartel
  6. Beispielsweise in den deutschen Predigten 6, 10, 12, 28, 29, 38, 43.
  7. „Keine Empfehlung ist so nützlich, Gott aufzufinden, wie jene, dass man Gott lassen möge.“ Rede der Unterscheidungen, in: Josef Quint (Hg.): Deutsche Werke, Bd. 5 (Meister Eckharts Traktate), Stuttgart: Kohlhammer 1963, S. 225, 3
  8. Thomas von Kempen: Imitatio Christi, Buch III, Kap. 37: De pura et integra resignatione sui ad obtinendam cordis libertate
  9. Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (2005), ISBN 3-7873-1738-4
  10. Thich Nhat Hanh: Das Herz von Buddhas Lehre. Freiburg i. Br. 1999, S. 175.

Literatur

  • Otto Friedrich Bollnow: Wesen und Wandel der Tugenden. Ullstein, Frankfurt 1958, S. 91, 115-121.
  • Friedrich Kambartel: Gelassenheit, in: Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, 2. Aufl., Bd. 3 (2008), ISBN 978-3-476-02102-1 (mit weiteren Nachweisen).
  • Erik A. Panzig: „Gelâzenheit und Abegescheidenheit“. Eine Einführung in das theologische Denken des Meister Eckhart. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2005. ISBN 3-374-02268-5.
  • Thomas Strässle: Gelassenheit. Über eine andere Haltung zur Welt., Edition Akzente. Carl Hanser Verlag, München 2013.

Weblinks

Wiktionary: Gelassenheit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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