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Gabriele Schwarz-Eckart

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Gabriele Schwarz-Eckart (geb. 24. Mai 1937 in Marktoberdorf; gest. Februar 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau; auch Gabriele Schwarz und erzwungenermaßen Gabriele Sara Schwarz) war ein deutsches Mädchen halbjüdischer Herkunft, das in seinem 5. Lebensjahr im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau Opfer des Holocaust wurde.

Herkunft

Die Mutter Gabrieles hieß Charlotte Margarete (genannt Lotte) und war eine von drei Töchtern des jüdischen Ehepaares Karl und Anna Schwarz, die in Augsburg ein Geschäft für Eisenwaren und Haushaltsartikel führten. Der Vater von Charlotte starb als Kriegsinvalide 1926, die Mutter 1939.

Charlotte Schwarz wurde 1936 in Liechtenstein schwanger, konnte jedoch dort nicht bleiben und kehrte 1937 nach Deutschland zurück. Weil Verbindungen von Juden und „Ariern“ verboten waren, verschwieg sie den Namen des Vaters Gabrieles [1]. Auch sonst ist über die Identität des Vaters, der schon vorher verstorben sein soll, nichts dokumentiert. Einige Quellen sprechen von einem deutschen Gestapo-Mann, andere von einem Schweizer oder Liechtensteiner „Arier“.[2]

Der mit ihr bekannte Kardinal Faulhaber aus München sorgte persönlich dafür, dass Charlotte Schwarz getauft wurde und stellte ihr darüber hinaus eine Empfehlung nach Amerika aus [1]. Töchterchen Gabriele wurde am 25. Mai 1937, einen Tag nach der Geburt, in der Marktoberdorfer Krankenhauskapelle ebenfalls katholisch getauft.[3] [4].

Der Hof der Aicheles in Stiefenhofen-Moos

Bei Pflegeeltern in Stiefenhofen

Gabriele kam überraschenderweise nach etwa einem Monat als Pflegekind auf den Einödshof von Josef und Theresa Aichele in Stiefenhofen-Moos (Westallgäu). Überbringerin war Rosalia, die Schwester der Bäuerin, die bei der Familie Schwarz in Augsburg als Köchin gearbeitet hatte. Bei der Frage warum Charlotte Eckart, geb. Schwarz ihr Kind in Pflege abgab, ist man auf Vermutungen angewiesen. Möglicherweise war es trotz christlicher Taufe die Sorge um einen sicheren Platz für ein Kind jüdischer Abstammung. Ein weiterer Grund könnte auch die berufliche Inanspruchnahme gewesen sein, denn Charlotte Eckart hielt sich als Atemlehrerin für Schauspieler viel im Ausland auf, so in den USA und in Liechtenstein, kehrte aber immer wieder nach Deutschland zurück.[3]

Die kleine Gabriele erlebte auf dem Hof in Stiefenhofen-Moos eine unbeschwerte Kindheit [2]. Die Aicheles nahmen die kleine Gabriele als fünftes Kind auf, die sie später „Papa“ und „Mama“ nannte. Die „Mutti“ genannte Charlotte Eckart kaufte den Pflegeeltern einen Fotoapparat und bat sie, alle paar Wochen Bilder des Kindes zu schicken [3]. Auch von Besuchen der Mutter Charlotte und der Großmutter aus Augsburg sind Fotos erhalten [4]. Der damalige Dorflehrer Johann Pletzer, ein strafversetzter Sozialist, kümmerte sich ebenfalls um das Mädchen und beschrieb sie als „ein selten schönes, liebenswertes und begabtes Kind“.[2]

Die Nationalsozialisten verfügten im Anschluss an die 1935 erlassenen Nürnberger Gesetze, dass alle Juden, die andere Vornamen als die vom Reichsinnenministerium festgelegten führten, ab 1. Januar 1939 zusätzlich den Namen „Israel“ bzw. „Sara“ hinzuzufügen hätten. Frau Eckart befolgte dies acht Tage zuvor am 22. Dezember durch einen Antrag beim Standesamt Marktoberdorf, um der angedrohten Strafe zu entgehen.[3]

Daraufhin gab es einen ersten Versuch, Gabriele den Pflegeeltern wegzunehmen, den die Aicheles glücklicherweise abwehren konnten. Sie bemühten sich nicht aufzufallen und lösten die mit einem „J“ für „Jude“ gekennzeichneten Lebensmittelmarken für Gabriele vorsichtshalber nicht ein.[2]

Gewaltsamer Tod der Mutter

In der immer bedrohlicher werdenden Lage versuchte Charlotte Eckart mehrfach, jedoch vergeblich, nach Amerika auszuwandern [4]. Schließlich kam sie im Rahmen der sogenannten Endlösung ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück (nach anderer Quelle in die NS-Tötungsanstalt Bernburg an der Saale [1]) und wurde dort am 8. Mai 1942 umgebracht. Einige Tage zuvor am 27. April war schon an gleicher Stelle das Leben ihrer Schwester Johanna zu Ende, die zwar einen Christen geheiratet hatte, deren Sohn aber dennoch in ein Konzentrationslager in Jugoslawien geriet, erblindete und erst nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte. Lediglich Schwester Emmi war zuvor ausgewandert und entging so dem Holocaust.[3]

Die Verwaltung wird tätig

Nach der Reichskristallnacht 1938 wurde die zweijährige Gabi damit als Volljüdin amtsbekannt. Nach der Ermordung der Mutter 1942 brachte ausgerechnet die Hausbank der jüdischen Familie Schwarz, Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, Zweigstelle Augsburg, einen verhängnisvollen Vorgang in Bewegung, [1] Charlotte Eckart hatte dort ein Konto, von dem sie regelmäßig monatlich 30 Reichsmark an die Pflegeeltern ihres Kindes in Stiefenhofen überweisen ließ. Als die Bank am 17. Juni 1942 Nachricht vom Ableben der Kontoinhaberin erhielt, unterrichtete sie noch am gleichen Tag die Dienststelle für Vermögensverwaltung beim Oberfinanzpräsidium in München und fragte, ob die Überweisung weiterhin getätigt werden solle. Diese leitete die Anfrage am 11. Januar 1943 an die Gestapo weiter. Dort kümmerte sich ein Johann Pfeuffer weiter um die Angelegenheit. In einem Schreiben vom 10. Februar 1943 wies er den Landrat in Sonthofen darauf hin, dass es nicht angängig sei, dass ein Kind jüdischer Abstammung von deutschblütigen Eltern erzogen wird. Schon drei Tage später, am 13. Februar wurde Gabriele abholt. Wiederum kurz danach, am 27. Februar 1943, schrieb der Oberfinanzpräsident an die Bank, dass keine Unterhaltsbeiträge mehr bezahlt werden müssen.[3]

Deportationsbestätigung der Gestapo München für Gabriele Sara Schwarz

Weiterer Weg

Die fünfjährige Gabriele Schwarz-Eckart kam zuerst nach Immenstadt, dann nach München. Kurz darauf erhielten die Aicheles den Koffer ihres Schützlings einschließlich aller mitgegebenen Gegenstände zurück. In München war das Mädchen kurze Zeit im Jüdischen Sammellager Berg am Laim (im Kloster der Barmherzigen Schwestern in Bayern) untergebracht. [3]

Pflegevater Josef Aichele wollte das Mädchen nicht kampflos aufgeben. Er fuhr zusammen mit dem Vormund Gabrieles, dem Rechtsanwalt Ludwig Dreifuß (ab Februar 1945 selbst Häftling im Ghetto Theresienstadt und nach dem Krieg Bürgermeister von Augsburg), nach München und versuchte bei mehreren Verwaltungsstellen Gabriele frei zu bekommen [5]. Er kam sogar bis in ihre Nähe und konnte sie durch das Schlüsselloch mit anderen Kindern spielen sehen. Doch der verzweifelte Rettungsversuch scheiterte. Kurz danach ging ein Transport nach Auschwitz ab und die fünfjährige Gabriele wurde unmittelbar nach dem Eintreffen ermordet.[2]

In den offiziellen Dokumenten liest sich dieser Vorgang makabrerweise so: Gabriele Sara Schwarz „wanderte“ am 16. März 1943 nach Auschwitz „aus“. Ihr Vermögen, dreitausend von der Mutter ererbte Reichsmark in Wertpapieren, wurde an die Reichshauptkasse überwiesen.[1]

Gedenktafel Gabriele Schwarz
Pestkapelle Stiefenhofen, Glasbild

Erinnerung

An das Schicksal der Gabriele Schwarz erinnert eine Gedenktafel, die ursprünglich in der Pfarrkirche angebracht werden sollte und die jetzt in der kleinen Spinnerkapelle des Nachbarortes Oberstaufen hängt. Bei ihrer Renovierung erhielt die Pestkapelle bei Stiefenhofen in der Nordwand einen fünfteiligen Glasbilderzyklus der Franziskanerin Sr. Maria Ludgera Haberstroh aus dem Kloster Reute bei Bad Waldsee, aus dem ein Werk der Gabriele Schwarz und dem ebenfalls in Auschwitz ermordeten Pater Maximilian Kolbe gewidmet ist.

Regisseur Leo Hiemer, dessen Mutter die kleine Gabriele selbst gekannt hatte, verfilmte 1983 nach akribischer Recherche den Stoff unter dem Titel Leni... muss fort. Der Film erhielt das Prädikat „besonders wertvoll“ und viele in- und ausländische Preise[2]

Literatur

  • Gernot Römer: Ein verfolgtes Kind: Gabriele - Die Spur eines Mädchens aus: Für die Vergessenen, Presse-Druck-Verlag Augsburg, S. 222-225

Weblinks

 Commons: Gabriele Schwarz-Eckart – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 siehe Weblink Erich Neumann: Weil nicht Alles rechtens ist, was Recht ist!
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 siehe Weblink Theodor Frey: Zug der Erinnerung
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 siehe Literatur Gernot Römer: Ein verfolgtes Kind: Gabriele - Die Spur eines Mädchens aus: Für die Vergessenen
  4. 4,0 4,1 4,2 siehe Weblink vhs Kaufbeuren: Aus dem Paradies in die Hölle, Gabriele Schwarz (* 1937 Marktoberdorf † 1943 Auschwitz)
  5. nach Gernot Römer war auch Oberlehrer Pletzer dabei
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Gabriele Schwarz-Eckart aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.