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Fritz Mordechai Kaufmann

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Fritz Mordechai Kaufmann

Fritz Mordechai Kaufmann (geb. 13. Dezember 1888 in Eschweiler; gest. Anfang März 1921 [1] in Berlin) war ein deutsch-jüdischer Essayist und Publizist, der hauptsächlich über jüdische Kultur schrieb.

Vita

Kindheit und Jugend

Sein 1846 in Weisweiler geborener Vater Hermann Naftali Kaufmann zieht um 1880 nach Eschweiler und gründet dort zusammen mit seinem Bruder Isidor das Manufakturwarengeschäft Gebrüder Kaufmann. Hermann Kaufmann wird als sehr religiöser Mensch geschildert und gehört als Manufakturwarenhändler zur gehobenen Mittelschicht von Eschweiler.

Am 13. Dezember 1888 wird dann Fritz Mordechai Kaufmann als zweites von drei Kindern seines Vaters Hermann Naftali Kaufmann und dessen Ehefrau Rosa Kaufmann geboren. Fritz Mordechai besucht eine jüdische Volksschule. Mit christlichen Gleichaltrigen haben er und seine Geschwister kaum Kontakt. Die jüdische Minderheit und christliche Mehrheit in Eschweiler lebt in friedlicher und toleranter Koexistenz bei der man aber privat in der jeweiligen Gruppe bleibt. 1894 wechselt Fritz Mordechai auf das Realgymnasium. Er und sein Bruder erhalten Klavier- und Violinunterricht. Fritz Mordechai besteht dann 1908 als einer der ersten Kinder von Eschweiler die Reifeprüfung. [2]

Studium

Danach studiert er in Genf zwei Semester Medizin, wechselt danach aber zur Geschichtswissenschaft und Nationalökonomie, die er in Genf, München und ab 1910 in Leipzig studiert. Er empfindet die kleinbürgerliche Heimat und das von Diskriminierungen geprägte Leben als Jude zunehmend als beengend.

Kontakt mit dem Zionismus

In Leipzig kommt er das erste mal mit Ostjuden in Kontakt und tritt einer zionistischen Studentengruppe bei. Er ist begeistert von der ostjüdischen Volkskultur und lernt Jiddisch. [3] Ebenfalls in Leipzig lernt er den bedeutenden jüdisch-österreichischen Schriftsteller und anfänglich in der zionistischen Bewegung aktiven Nathan Birnbaum kennen. Ab 1911 nimmt Fritz Mordechai Kaufmann auch regelmäßig an Veranstaltungen einer von seinem Bruder in Eschweiler gegründeten zionistischen Ortsgruppe teil.

Berufliches Leben und publizistische Tätigkeiten

1912 heiratet Kaufmann die russich-stämmige Jüdin Rachel Kaganoff. Nach der Hochzeit zieht das Paar nach Berlin, wo Kaufmann seine Dissertation anstrebt, welche er aber nie abschließt. In Berlin beginnt er seine publizistische Tätigkeit: Sein erster Artikel erscheint am 29. März 1912 in der Jüdischen Rundschau. Vier weitere Artikel in der Jüdischen Rundschau folgen.

Kaufmann empfand den politischen Zionismus inzwischen zunehmend als Verengung der national-jüdischen Idee und trat 1913 aus der zionistischen Bewegung aus. [4] Er wendet sich nun verstärkt dem osteuropäischen, jiddischsprachigen Judentum zu, welches nach seiner Überzeugung im Gegensatz zu den assimilierten Juden in West- und Mitteleuropa noch nicht seine authentischen jüdischen Wurzeln verloren habe. [5] Ab Frühjahr 1913 gibt er zusammen mit seinem Bruder Julius die Zeitschrift Die Freistatt - Alljüdische Revue heraus. Diese nur bis 1915 bestehende Zeitschrift ist dem Jiddischismus [6] und dem Alljudentum [7] verpflichtet. In der Alljüdischen Revue veröffentlichen Autoren wie Nathan Birnbaum, Max Brod, Nachum Goldmann, Morris Rosenfeld, Chaim Nachman Bialik, Abraham Reisen,Leon Chasanowitsch, Gustav Landauer, Ber Borochov, Benzion Rubstein, Arnold Zweig, Ludwig Strauß, Else Lasker-Schüler, Shalom Asch und Fritz Mordechai Kaufmann selber zu nationalen und sozialen Bewegungen, Ökonomie, Politik, Religion, Philosophie und jiddischer Sprache und Kultur. [8]

Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs meldet sich Kaufmann in Leipzig beim Leibgrenadierregiment 8 in Frankfurt an der Oder. Als erster seines Bataillions wird er später mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Kurz darauf erkrankt er jedoch an Typhus und wird zu Archivarbeiten an den Standort seines Bataillions in Frankfurt an der Oder versetzt und später als Zivilist nach Berlin versetzt. [9]

Ab 1916 publiziert Kaufmann - der nun für die brandenburgische Kriegsbeschädigtenfürsorge arbeitet - wieder in jüdischen Zeitschriften. Sein erster Artikel nach dem Krieg lautet Grenzsperre - Ein Kapitel vom Versagen der deutschen Judäologie und erscheint im April 1916 in der ersten Ausgabe der von Martin Buber und Salman Schocken gegründeten Monatsschrift Der Jude. Einige seiner Essays wurden nach dem Krieg in Vier Essais ueber ostjüdische Dichtung und Kultur (1919) und Die Einwanderung der Ostjuden - Eine Gefahr oder ein sozial-politisches Problem (1920) herausgegeben. [10]

1920 wird Fritz Mordechai Kaufmann Mitglied der USPD und Generalsekretär des Jüdischen Arbeiterfürsorgeamtes in Berlin. [11] Dieses bemühte sich einen Ausgleich zwischen den unter Umständen widerstrebenden Interessen des Staates, der deutschen Juden und der ostjüdischen Flüchtlinge zu schaffen. [12] Kaufmann habe mit seiner Arbeit erreicht, "mit verhältnismäßig kleinen Mitteln ein ganzes Netz von Fürsorgestellen im Reiche zu schaffen, die der Fürsorge der jüdischen Arbeiterschaft dienen." [13]

Mitte Februar 1921 reist Kaufmann, der seit seiner Studienzeit wiederholt unter Depressionen litt und zu dieser Zeit durch die Belastungen im Amt nervlich überlastet ist, nach München, Neubeuren bei Rosenheim und danach nach Berlin. Dort beendet er Anfang März durch eigene Hand sein Leben. Am 4. März 1921 wird Julius Kaufmann telefonisch informiert, dass der Leichnam seines Bruders auf den Eisenbahnschienen bei Köpenick im Osten Berlins gefunden wurde. Am 1. März hatte Fritz Mordechai Kaufmann seiner Schwester noch einen Abschiedsbrief geschrieben, der auch folgende Worte an seine Ehefrau enthielt:

"Verlange von mir und auch von dir keine Erklärungen meiner Tat. Sie war beschlossen und fest in mir eingegraben längst, bevor ich dich kannte, und du warst es, die mich in all den Jahren, die durch dich süß, fruchtbar, gefüllt und erleuchtet waren, immer wieder freute, einfach durch dein Dasein, das Liebe, Freundschaft und immer neue Entzückungen um mich breitete. Du warst wohl der einzige Mensch, der solches vermochte! mich, einen anarchischen Menschen der schicksalhaften Vereinzelung am Leben zu halten, das mir keine Werte mehr enthielt." [14]

Literatur

  • Martina Willemsen: Fritz Mordechai Kaufmann und »Die Freistatt« - Zum 'alljüdischen Literaturkonzept einer deutsch-jüdischen Monatsschrift, Walter de Gruyter, 2012
  • Encyclopaedia Judaica, Band XII (Kat-Lie), 2. Aufl., Keter Publishing House Ltd., 2007, Seite 31 und 32

Einzelnachweise

  1. Anm.: Das genaue Todesdatum ist unbekannt. Fritz Mordechai Kaufmann beging Anfang März 1921 Suizid. Seine Leiche wurde auf den Eisenbahnschienen im Osten Berlins gefunden. Am 4. März 1921 erhielt Julius Kaufmann telefonisch die Nachricht von Fritz Mordechai Kaufmanns Tod. Ein Abschiedsbrief von ihm an seine Schwester datiert auf den 1. März 1921. Sein Todesdatum muss also zwischen dem 1. und 4. März 1921 liegen.
  2. Martina Willemsen: Fritz Mordechai Kaufmann und »Die Freistatt« - Zum 'alljüdischen Literaturkonzept einer deutsch-jüdischen Monatsschrift, Walter de Gruyter, 2012, S. 12-21
  3. Encyclopaedia Judaica, Band XII (Kat-Lie), 2. Aufl., Keter Publishing House Ltd., 2007, S. 31 und 32
  4. Jascha Nemtsov: Der Zionismus in der Musik - Jüdische Musik und nationale Idee, Otto Harrassowitz Verlag, 2008, S. 85
  5. Encyclopaedia Judaica, Band XII (Kat-Lie), 2. Aufl., Keter Publishing House Ltd., 2007, S. 32
  6. Anm.: Der Jiddischismus wurde ab dem 19. Jahrhundert zu einer zentralen Bewegung“ im Ostjudentum. Die jiddische Sprache und Kultur wurden als dabei als rechtmäßige Erben und direkte Fortsetzung der hebräischen und aramäischen und als Grundlagen einer nationalen aschkenasischen Identität gesehen. (nach [Armin Eidherr: Der Jiddischismus in Handbuch der jüdischen Kulturgeschichte])
  7. Anm.: Mit dem Begriff Alljudentum ist hier die von Nathan Birnbaum und den Gebrüdern Kaufmann geprägte positive Bedeutung im Sinne einer Stärkung jüdischer Kultur in der gesamten Diaspora gemeint, und nicht die antisemitische Verwendung des Begriffs wie sie z.B. um den Ersten Weltkrieg in Artikeln über einen angeblichen Versuch der Errichtung einer "jüdischen Ochlokratie" aufkam. Siehe dazu auch Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, Walter de Gruyter, 2010, S. 22 und 23 sowie den Wikipediaartikel Golus nationalism.
  8. Dieter Herde: Ludwig Strauß und die jiddische Literatur; in Hans Otto Horch: Ludwig Strauß, 1892–1992 - Beiträge zu seinem Leben und Werk, Walter de Gruyter, 2019, S. 55
  9. Martina Willemsen: Fritz Mordechai Kaufmann und »Die Freistatt« - Zum 'alljüdischen Literaturkonzept einer deutsch-jüdischen Monatsschrift, Walter de Gruyter, 2012, S. 38-41
  10. Encyclopaedia Judaica, Band XII (Kat-Lie), 2. Aufl., Keter Publishing House Ltd., 2007, S. 32
  11. Gregor Brand über Fritz Mordechai Kaufmann in der Eifel-Zeitung
  12. Martina Willemsen: Fritz Mordechai Kaufmann und »Die Freistatt« - Zum 'alljüdischen Literaturkonzept einer deutsch-jüdischen Monatsschrift, Walter de Gruyter, 2012, S. 53
  13. zitiert nach Jüdische Arbeiterstimme - Organ der jüdischen sozialdemokratischen Arbeiterorganisation Poale Zion in Deutschland, Heft 2, 15. März 1921, S.7
  14. zitiert nach Martina Willemsen: Fritz Mordechai Kaufmann und »Die Freistatt« - Zum 'alljüdischen Literaturkonzept einer deutsch-jüdischen Monatsschrift, Walter de Gruyter, 2012, S. 56

Weblinks

Andere Wikis

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