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Friedrich Kellner

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Friedrich Kellner, 1923

August Friedrich Kellner (geb. 1. Februar 1885 in Vaihingen an der Enz; gest. 4. November 1970 in Lich) war ein deutscher Sozialdemokrat, Justizinspektor und Autor dokumentarischer Aufzeichnungen in der Zeit des Naziregimes in Deutschland. Im Geheimen hatte er während der Zeit des Nationalsozialismus Tagebücher geführt. Er sagte später dazu:

„Ich konnte die Nazis damals nicht in der Gegenwart bekämpfen. Also entschloss ich mich, sie in der Zukunft zu bekämpfen. Ich wollte kommenden Generationen eine Waffe gegen jedes Wiederaufleben solchen Unrechts geben. Meine Augenzeugenberichte sollten die barbarischen Akte aufzeichnen und auch zeigen, wie man sie beenden konnte.“[1]

Leben

Familie und Ausbildung

August Friedrich Kellner wurde am 1. Februar 1885 in Vaihingen an der Enz geboren. Er war das einzige Kind von Georg Friedrich Kellner, einem Bäcker aus dem thüringischen Arnstadt, und Barbara Wilhelmine Vaigle aus Bissingen an der Enz. Kellners Eltern gehörten – wie auch deren Vorfahren – dem evangelischen Glauben an.

Als August Friedrich vier Jahre alt war, zog die Familie nach Mainz, sein Vater arbeitete dort als Bäckermeister in „Goebels Zuckerwerk“.

Im Dezember 1902, im Alter von 17 Jahren, erlangte Friedrich Kellner den Oberrealschulabschluss an der Mainzer Goetheschule. Er begann seine berufliche Laufbahn beim Amtsgericht Mainz als Büroangestellter. Dort arbeitete er von 1903 bis 1933, wurde Justizsekretär, dann Buchhalter und schließlich Justizinspektor.

Militärdienst und Ehe

Friedrich Kellner, 1914

Friedrich Kellner leistete in den Jahren 1907 und 1908 seinen militärischen Reservedienst in der 6. Kompanie des Infanterie-Leibregiment Großherzogin (3. Großherzoglich Hessisches) Nr. 117 in Mainz.

1913 heiratete Friedrich Kellner Pauline Preuss aus Mainz. Ihr einziges Kind, Karl Friedrich Wilhelm Kellner, wurde einige Jahre später geboren.

Als 1914 der erste Weltkrieg begann, wurde Friedrich Kellner als Offiziers-Stellvertreter in das Infanterie-Regiment Prinz Carl (4. Großherzoglich Hessisches Regiment) Nr. 118, Worms, einberufen und kämpfte im September zunächst in der Schlacht an der Marne in Frankreich. Einige Monate später wurde er während der Kämpfe nahe Reims verwundet und aus diesem Grunde zur Genesung ins Mainzer St. Rochus-Hospital geschickt.

Politische Aktivitäten

Trotz seiner offensichtlichen Loyalität gegenüber dem Kaiserreich begrüßte Friedrich Kellner die Geburt der deutschen Demokratie nach dem Krieg. Er wurde zum eifrigen politischen Organisator für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Seit den ersten Tagen der Weimarer Republik bezog er gegen den nach seiner Ansicht gefährlichen Extremismus der Kommunisten und der Nationalsozialisten Stellung. Bei Kundgebungen zeigte er wiederholt Adolf Hitlers Mein Kampf und rief der versammelten Zuhörerschaft dann folgende Worte zu: „Gutenberg, deine Druckpresse ist von diesem bösen Buch entehrt worden”.[2] Mehr als einmal wurde Kellner von Nazischergen verprügelt und bedroht, weil er sich öffentlich und in aller Deutlichkeit gegen sie wandte.

Zwei Wochen vor Adolf Hitlers Antritt als Reichskanzler und vor dem Beginn der ernsthaften und unbarmherzigen Verfolgung von politischen Gegenspielern des Nationalsozialismus, brachte Friedrich Kellner seine Ehefrau und seinen Sohn nach Laubach in Sicherheit. Dort arbeitete er auch selbst beim Amtsgericht. 1935 emigrierte der Sohn August Friedrich Kellners in die USA, um der Einberufung in die Wehrmacht zu entgehen. Während der Novemberpogrome 1938 versuchten die Kellners, ihren jüdischen Nachbarn zu helfen.

Weil er nicht weiter offen politisch tätig sein konnte, vertraute Friedrich Kellner ab dieser Zeit seine Gedanken einem geheimen Tagebuch an. Er wollte seinem Sohn in Amerika sowie kommenden Generationen vermitteln, wie wichtig es sei, dass sich der demokratische Gedanke Diktaturen entgegenstellt. Er wollte alle davor warnen, Tyrannen jemals besänftigen zu wollen, ihrem Terrorismus nachzugeben oder gar ihrer Propaganda Glauben zu schenken.[3] Als der Krieg endete, hatte Friedrich Kellner 861 Seiten in zehn Bänden seines Tagebuchs gefüllt.

Kellner beschränkte seine Aktivitäten jedoch nicht nur auf das Tagebuchschreiben. Er machte seine Meinung auch weiterhin öffentlich verlautbar. Daraufhin wurde er im Februar 1940 vor das Amtsgericht Gießen geladen, wo ihn der Gerichtspräsident, Hermann Colnot, aufforderte, seine politischen Ansichten zu mäßigen.[4] Ein paar Monate später wurde Kellner auch vom Büro des Bürgermeisters von Laubach vorgeladen und vom Bürgermeister gewarnt, dass er und seine Frau in ein Konzentrationslager kommen würden, sollten sie weiterhin einen schlechten Einfluss auf die Bevölkerung der Stadt ausüben.[5] Ein Bericht des NSDAP-Ortsgruppenleiters Hermann Engst zeigt, dass auch die örtliche Parteiführung darüber nachdachte, Kellner nach Kriegsende in ein Konzentrationslager zu schicken.[6][7]

Nach dem Krieg

Nach dem Ende des Krieges half Friedrich Kellner beim Wiederaufbau der SPD in Laubach und fungierte dann dort auch für einige Zeit als Parteivorsitzender. In den Jahren 1945 und 1946 war er Beigeordneter der Stadt Laubach. Von 1956 bis 1960 war er erster Stadtrat der Stadt Laubach und damit Vertreter des Bürgermeisters.

Friedrich Kellner war von 1933 bis 1947 Geschäftsleiter am Amtsgericht Laubach. Von 1948 bis zum Eintritt in den Ruhestand 1950 arbeitete er als Bezirksrevisor beim Landgericht Gießen. Anschließend wurde er für drei Jahre als Prozessagent und Rechtsbeistand beim Amtsgericht Laubach zugelassen.

1968 gab Friedrich Kellner sein zehnbändiges Tagebuch aus den Jahren 1939 und 1945 seinem amerikanischen Enkel Robert Scott Kellner, um es übersetzen und veröffentlichen zu lassen.

Am 4. November 1970 starb Friedrich Kellner. Er wurde an der Seite seiner Frau und seiner Eltern auf dem Hauptfriedhof Mainz beerdigt.

Tagebuch des Friedrich Kellner

Das Tagebuch besteht aus zehn Bänden und insgesamt 861 Seiten. Es enthält 676 einzeln datierte Eintragungen in Sütterlinschrift und mehr als 500 Zeitungsausschnitte.

Friedrich Kellners Tagebücher

Im August 2011 brachte der Göttinger Wallstein Verlag es unter dem Titel „Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne - Tagebücher 1939-1945“ heraus. Herausgeber der zweibändigen Ausgabe mit rund 1200 Seiten sind der Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur der Justus-Liebig-Universität Gießen, Sascha Feuchert, der ehemalige Leiter, Erwin Leibfried, Jörg Riecke und Markus Roth sowie Friedrich Kellners Enkel Robert Martin Scott Kellner.[8]

Zuvor wurden die Tagebücher ausgestellt:

Der Gießener Anzeiger und der Heimatkundliche Arbeitskreis Laubach hatten im September 2005 im Laubacher Heimatmuseum eine Ausstellung über die Tagebücher gezeigt.[13].

Eine kanadische Filmgesellschaft drehte im Jahr 2006 einen Dokumentarfilm über Friedrich Kellners Aufzeichnungen mit dem Titel „My Opposition: the Diaries of Friedrich Kellner“[14].

Literatur

  • Markus Roth: Chronist der Verblendung - Friedrich Kellners Tagebücher 1938/39 bis 1945. Beiheft zur Ausstellung „Die Last der ungesagten Worte“. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2009, ISBN 978-3-86872-241-3.
  • Friedrich Kellner (Autor), Sascha Feuchert, Robert Martin Scott Kellner, Erwin Leibfried, Jörg Ricke, Markus Roth (Hrsg.): „Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne.“ Tagebücher 1939-1945. Wallstein Verlag, Göttingen 2011, ISBN 978-3835306363.

Weblinks

 Commons: Friedrich Kellner – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Friedrich Kellner aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.