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Fridericianum (Kassel)

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Das Fridericianum am Friedrichsplatz

Das Fridericianum ist ein Museumsgebäude in Kassel. Das 1779 vollendete Gebäude diente von Anfang an als eines der ersten öffentlichen Museen auf dem europäischen Kontinent für die von den hessischen Landgrafen gesammelten Kunstgegenstände und beherbergte die fürstliche Bibliothek. Im Königreich Westphalen war das Fridericianum von 1810 bis 1813 Ständepalast mit Parlamentssaal. Heute wird das Fridericianum alle fünf Jahre zum Mittelpunkt der documenta und ist ein Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst, die „Kunsthalle Fridericianum“. Das Gebäude steht am Friedrichsplatz zwischen der ehemaligen Altstadt und der Oberneustadt.

Konzeption

Nachdem im Siebenjährigen Kriege die alte Befestigungsanlage der Stadt Kassel überflüssig wurde, begann man unter Landgraf Friedrich II. 1768 mit der Schleifung. Auf der freigewordenen Fläche zwischen der Altstadt und der Oberneustadt wurde der Friedrichsplatz als städtebauliches Verbindungsglied angelegt. An seiner Hauptseite begann man 1769 mit dem Bau des Museums, um im Sinne der Aufklärung eine öffentliche Aufstellung der landgräflichen Kunstsammlungen zu ermöglichen. Auch wenn das Fridericianum nicht das erste öffentliche Museum ist, gilt es doch als das erste Gebäude, das von Anfang an als Museum konzipiert wurde.

Architektur

Entwurf des Erdgeschosses von Simon Louis du Ry, 1769

Das Fridericianum wurde von 1769 bis 1779 unter der Leitung des Architekten Simon Louis du Ry errichtet. Ein während der Bauzeit aufgestelltes Gegenkonzept von Claude-Nicolas Ledoux kam nicht zur Ausführung. Neben dem Wörlitzer Schloss (1769–1773) ist das Fridericianum der erste rein klassizistische Bau Deutschlands. Die Bauarbeiten zogen sich über zehn Jahre hin, weil es durch den schwierigen Untergrund und dem steilen Gefälle immer wieder zu Verzögerungen kam. Der 1330 errichtete Zwehrenturm, ein Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung Kassels und zeitweilig Sternwarte, wurde gemäß den Plänen du Rys umgebaut und mit dem Fridericianum verbunden. In westphälischer Zeit erfuhr das Gebäude einige Umbauten.

Äußeres

Das Fridericianum auf einem Gemälde Tischbeins von 1783

Das Fridericianum bildet eine symmetrische Dreiflügelanlage. Der Vorderbau an der Platzfront hat eine Länge von fast 80 Metern und ist durch 19 Achsen gegliedert. Die Front wird durch einen von sechs ionischen Säulen getragen Portikus geprägt. Die gesamte Fassade wird durch ionische Pilaster gegliedert. Die sich rückseitig anschließenden 41 Meter langen Flanken umgeben einen kleinen Hof mit dem ehemaligen Treppenhaus. Die Attika hinter dem Portikus ist von sechs allegorischen Statuen bekrönt, die die Philosophie, Astronomie, Geschichte, Baukunst, Malerei und Skulptur darstellen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt, aber im Äußeren wiederhergestellt. Die Dachform wurde etwas ungünstig erhöht.

Inneres

Grundriss des neuen Ständesaals von 1810

Ursprünglich besaß das Gebäude nur zwei Geschosse. Im Erdgeschoss erstreckten sich zu beiden Seiten des Vestibüls zwei große Säle für die Sammlungen. Das Obergeschoss beherbergte die Bibliothek in einem Saal der die ganze Länge des Gebäudes einnahm und über eine umlaufende Galerie verfügte. In den Nebenflügel befanden sich verschieden kleinere Sammlungs- und Arbeitsräume. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Gebäude aus und wurde später komplett entkernt und neu mit drei Geschossen ausgebaut.

Geschichte

Sammlung

Museum

Der Zwehrenturm

Bereits unter Landgraf Moritz bestand in der Renaissance ein eigenes Kuriositätenkabinett im neuerbauten Marstall. Mit dem Anwachsen der Sammlung und der immer größer werdenden Hofbibliothek wurden neue Sammlungsräume notwendig. Das neue Museum nahm die Kunstsammlungen des Landgrafen auf. Eine Beschreibung der Sammlungen ist durch einen Brief von Hector Wilhelm von Günderrode aus dem Jahr 1781 überliefert. Im Erdgeschoss befand sich die von Landgraf Friedrich II. begonnene Antikensammlung, so auch der Kasseler Apollon. Die heute im Ottoneum untergebrachte Naturkundesammlung mit dem ausgestopften Elefanten aus der Menagerie fand hier auch ihren Platz. Auch eine umfangreiche Sammlung von Korkmodellen antiker Bauwerke war vorhanden. Neben der umfangreichen Bibliothek befanden sich im Obergeschoss die Waffensammlung sowie Wachsfiguren historischer hessischer Landgrafen. Der Zwehrenturm bekam mit dem oktogonalen Aufsatz einen neuen Observatoriumsraum und beherbergte die astronomisch-physikalische Sammlung. Die meisten Exponate befinden sich jetzt im Bestand der Museumslandschaft Hessen Kassel (mhk). Bereits 1888 wurden die naturkundlichen Objekte ausgelagert, die restlichen Bestände 1913 in das neuerbaute Hessisches Landesmuseum Kassel überführt. Seitdem und bis zum Zweiten Weltkrieg wurde das Haus als Landesbibliothek genutzt.

Bibliothek

Fridericianum mit Zwehrenturm

Die hessische Landesbibliothek wurde bereits 1580 von Landgraf Wilhelm IV. gegründet. Von 1779 bis in den Zweiten Weltkrieg fand sie ihren Platz im Fridericianum. Jacob und Wilhelm Grimm fanden in ihrer Kasseler Zeit beide Anstellung in der Bibliothek. Jacob Grimm war von 1808 bis 1814 Privatbibliothekar des westphälischen Königs Jérôme Bonaparte, sein Bruder war von 1814 bis 1829 Sekretär in der Bibliothek. Sie arbeiteten hier an ihrem Werk der „Deutschen Grammatik“ und legten den Grundstein der Germanistik.

Nachdem 1913 die Bibliothek auf das gesamte Gebäude erweitert wurde, verblieben die Bücher auch im Zweiten Weltkrieg im Fridericianum und verbrannten dort bei einem Bomberangriff im September 1941 fast vollständig. Rund 350.000 Bände gingen verloren.[1] Die geretteten Exemplare befinden sich heute im Bestand der Kasseler Universitätsbibliothek, wie zum Beispiel das Hildebrandslied.

Ständepalast

In der Zeit des Königreichs Westfalen wurde das Fridericianum von Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte und seinem Architekten Auguste Henri Victor Grandjean de Montigny 1810 zum „Palast der Stände“ umgebaut. Daher ist es zugleich das erste deutsche Parlamentsgebäude.

Museum der Moderne

"Stadtverwaldung": Eiche von Joseph Beuys vor dem Fridericianum

Nach starker Beschädigung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau ist das Fridericianum heute wieder ein Museumsgebäude. Im Eigentum des Landes Hessen wird das Gebäude von der documenta und Museum Fridericianum gGmbH verwaltet und für Wechselausstellungen des Fridericianum und von der documenta genutzt.

documenta

Seit der ersten documenta 1955 ist das Fridericanum Mittelpunkt jeder weiteren documenta gewesen. Der beschädigte Bau wurde unter Arnold Bode durch den Museumsexperten Werner Haftmann notdürftig aber funktional wieder hergerichtet. Die erste documenta beschränkte sich noch ganz auf das Gebäude. Mit dem Anwachsen der Ausstellung verteilten sich die Ausstellungsflächen auf das ganze Stadtgebiet. Vor dem Hintergrund der Starfighter-Affäre wollte Wolf Vostell zur documenta 6 einen Starfighter auf das Dach des Fridericianum stellen, was ihm nicht erlaubt wurde.[2]

Kunsthalle Fridericianum

Seit 1988 präsentiert das Fridericianum kontinuierlich wechselnde Ausstellungen der Gegenwartskunst. Gezeigt werden Einzelausstellungen junger internationaler Künstler, die oft raumgreifende Aspekte betonen. Teilweise gehören auch Retrospektiven zum Programm. Inhaltlich stehen zeit- und gesellschaftskritische Stellungnahmen von Künstlern im Vordergrund.

Nach Rein Wolfs Berufung zum neuen Intendanten der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland nach Bonn wählte 2013 der Aufsichtsrat der documenta und Museum Fridericianum gGmbH die Kuratorin Susanne Pfeffer zur neuen künstlerischen Leiterin.[3]

Direktoren und Ausstellungen

Veit Loers

Veit Loers eröffnete das Fridericianum als Ausstellungsort für Gegenwartskunst mit der Gruppenausstellung "Schlaf der Vernunft" (1988). Weitere Ausstellungen widmete Loers u.A. Pierre Soulages (1989), Paul Klee (1989), Günther Förg (1990), Cady Noland und Félix González-Torres ("Im Zeichen der Gewalt", 1991), László Moholy-Nagy (1991), Franz West (1994) und Tobias Rehberger (1995).[4]

René Block

1998 übernahm René Block die Direktion. Neben Ausstellungen zur Fluxus-Bewegung zeigte er thematische Ausstellungen sowie groß angelegte Gruppenausstellungen wie "In den Schluchten des Balkans" (2003). Mit dem Ausstellungsformat "Rundgang" gab Block dem künstlerischen Nachwuchs europäischer Akademien eine Bühne. Einzelausstellungen waren u.A. Joan Brossa (1998), Robert Watts (1999), Sophie Calle (2000), Richard Hamilton (2000), Rolf Julius (2001), Christian Marclay (2003), Jalal Toufic (2006), Marina Abramovic (2006) und Yael Bartana (2006) gewidmet.Archiv Website Fridericianum

Rein Wolfs

Blocks Nachfolger Rein Wolfs leitete das Fridericianum von 2008 bis 2011. Wolfs zeigte Einzelausstellungen junger, internationaler Gegenwartskünstler, wie etwa Christoph Büchel (2008), Klara Lidén (2009), Cyprien Gaillard (2009), Ririkrit Tiravanija (2009), Meschac Gaba (2009), Thomas Zipp (2010), Monica Bonvicini (2010), Teresa Margolles (2011) und Danh Vo (2011).[5]

Susanne Pfeffer

Seit Juni 2013 ist die Kuratorin Susanne Pfeffer Direktorin des Fridericianum. Als Trilogie konzipiert, präsentierte sie die Gruppenausstellungen "Speculations on Anonymous Materials" (2013), "nature after nature" (2014) und "Inhuman" (2015). Dem amerikanischen Experimentalfilmer Paul Sharits widmete sie außerdem die weltweit erste umfassende Retrospektive. Eine weitere Einzelpräsentation zeigte Arbeiten der britischen Künstlerin Helen Marten. 2015 zeigte Pfeffer in einer großen Retrospektive Werke des belgischen Künstlers Marcel Broodthaers.[6] 2016 zeigte Pfeffer eine Einzelausstellung der Künstlerin Anicka Yi.

Kasseler Kunstverein

Der 1835 gegründete Kasseler Kunstverein (Genossenschaft) gilt als einer der ältesten bürgerlichen Kunstvereine Deutschlands. Der Verein veranlasste im Jahr 1868 zusammen mit zwei weiteren in Kassel ansässigen Kunstvereinen den Bau eines Hauses für Gemäldeausstellungen und für gesellige künstlerische Zwecke. Die Stadt hatte das Baugrundstück unentgeltlich zur Verfügung gestellt und einen Gestaltungswettbewerb organisiert. Von den eingegangenen sieben Entwürfen wählte ein Komitee die Vorschläge des Architekten Scholtz zur Realisierung, die 1869 begann. Die Baukosten lagen bei etwa 20.000 Mark. Das Gebäudeäußere wurde mit Figurengruppen geschmückt: auf der Attika die Allegorien für Musik, Poesie und Historie, Karyatiden am Haupteingang und neun Medaillon-Porträts direkt an der Fassade. Die Skulpturen und Medaillons teils aus Sandstein, teils aus Keramik, stammen aus der Werkstatt des Bildhauers Hassenpflug und vom Künstler O. Müller aus Berlin.[7]

In der documenta-freien Zeit nutzt der Verein seit 1993 im Erdgeschoss eine 500 m² große Ausstellungsfläche. Hier werden vorwiegend junge Künstler der Gegenwart präsentiert. Vorsitzender des Kunstvereins ist seit 2013 Joel Baumann, Rektor der Kunsthochschule Kassel. Während der Ausbreitung und zur Verfügungstellung der Räume für die Zeiten der Kunstausstellung wurden in den Jahren 2007 und 2012 externe Räume, das KasselerKunstVereinsheim angemietet und als Vermittlungsort für verschiedene Projekte angeboten.

Literatur

  • Dehio-Handbuch Hessen. Deutscher Kunstverlag, München 1982, S. 480 f.
  • Cornelius Steckner: Ledoux, Kassel und der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg. In: XXVIIe Congrès International d'Histoire de l'Art. L'Art et les Révolutions. Strasbourg 1992, S. 345–372. (mit Abbildungen der eigenhändigen Fridericianum-Korrekturen von Ledoux)
  • Alois Holtmeyer: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel. Band VI. Marburg an der Lahn 1923.
  • Andrea Linnebach: Das Museum der Aufklärung und sein Publikum. Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel im Kontext des historischen Besucherbuches (1769–1796). Kassel 2014.

Weblinks

 Commons: Fridericianum – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Klaus Garber: Das Gomorrha der deutschen Bibliotheken. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. Mai 2015, S. N3.
  2. Wolf Vostell documenta 6
  3. Stadt Kassel documenta-Stadt Aktuelles: Aufsichtsrat der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH gibt Personalentscheidungen bekannt, abgerufen am 15. April 2013
  4. http://dirkschwarze.net
  5. http://archiv2.fridericianum-kassel.de/ausstellungen
  6. http://www.fridericianum.org
  7. Das Kunst - Vereinshaus in Cassel. In: Zeitschrift für Bauwesen (26)1876; VIII-X; S. 343/344; abgerufen am 23. April 2015.
51.3136111111119.4975
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