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Franz Wunsch

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Franz Wunsch (* 21. März 1922 in Drasenhofen[1]; † 23. Februar 2009) war ein österreichischer Aufseher im KZ Auschwitz-Birkenau.

Leben

Franz Wunsch[2] trat noch vor seinem achtzehnten Lebensjahr der SS bei, die er – nach eigener Aussage – für eine Elitetruppe hielt. Bei Kriegsausbruch ging er an die Front. Nach einem Knieschuss an der Ostfront wurde er der Stabskompanie der SS-Standortverwaltung Auschwitz zugeteilt. Im September 1942 wurde er zum SS-Unterscharführer befördert und als Aufseher und Kommandoführer in der SS-Wachmannschaft des KZ Auschwitz-Birkenau und dort in der Abteilung Kanada als Leiter des Effektenlagers, in der Lederfabrik und im Sonderkommando eingesetzt.[3] Zeugen berichteten später, er sei ein „Judenhasser“ gewesen, habe mindestens einmal wöchentlich im Dienst an der Bahnrampe Selektionen vorgenommen[4] und Männer wie Frauen brutal geschlagen.

Wunsch habe sein brutales Verhalten erst geändert, als er sich in die slowakische Jüdin Helena Citrónová verliebt habe. Sie hatte an ihrem ersten Arbeitstag in der Kanada-Abteilung dem SS-Mann ein Geburtstagsständchen singen müssen.[5] Helena und ihre zehn Jahre ältere Schwester Rožinka konnte Wunsch vor der Gaskammer retten und nach den gegebenen Möglichkeiten versorgen, nicht aber Rožinkas zwei Kinder.[6][7] Er habe sich dank Helenas Einfluss in „einen anderen Menschen“ verwandelt, so die späteren Zeugenaussagen.[8][9]

Am 18. Juli 1944 wurde Wunsch von dem SS- und Polizeigericht XV, Zweigstelle Kattowitz, wegen Diebstahls einiger kleiner Gegenstände aus dem Effektenlager im Gesamtwert von 30 Reichsmark zu fünf Wochen strengem Arrest in Einzelhaft verurteilt.[10][11]

Franz Wunsch, nach dem Krieg als Reisender berufstätig, kam am 25. August 1971 in Wien in Haft. Er wurde im zweiten Wiener Auschwitz-Prozess vom 25. April bis 27. Juni 1972 gemeinsam mit Otto Graf, ebenfalls SS-Wachmann im KZ Auschwitz, nach einer zweimonatigen Verhandlung durch das Schwurgericht „trotz erdrückender Schuldbeweise“[12] am 27. Juni 1972 wegen Verjährung freigesprochen (Urteil: LG Wien 20 Vr 3805/64).[3][13] Die Anklage lautete „Teilnahme an Massenmorden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Verbringung der für die Vergasung Vorgesehenen mittels Gewaltanwendung zur Gaskammer, Mitarbeit beim Rampendienst, Werfen des Blausäurepräparates Zyklon B in die Gaskammern) und Gewaltverbrechen an jüdischen Häftlingen während seines Dienstes in Auschwitz“. Diese Mordanklage wurde nach dem zur Tatzeit geltenden §211 RStGB vorgenommen, jedoch konnte letztlich nur Totschlag nach §212 RStGB zweifelsfrei nachgewiesen werden, der inzwischen verjährt war.[14] Der Vorwurf des Gewaltverbrechens basierte auf Aussagen, wonach Franz Wunsch am 7. Oktober 1944, als im Sonderkommando ein Aufstand stattgefunden hatte, einen 20-jährigen griechischen Juden, Arbeiter des Aufräumungskommandos, erschossen haben soll.[15]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. SS: éléments biographiques
  2. Im Jahr 1930 gab es in seinem Geburtsort Drasenhofen einen gleichnamigen Postkartenverlag; war es sein Vater? – Quelle: Der Bezirk Mistelbach. Alte Ansichten und Bücher. St. Pölten 2005, Seite 13, Nr. 22 und 23 (PDF; 5,4 MB)
  3. 3,0 3,1 Ludwig Eiber, Robert Sigel (Hrsg.): Dachauer Prozesse – NS-Verbrechen vor amerikanischen Militärgerichten in Dachau 1945–1948. Wallstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0167-2, S. 252 (Digitalisat)
  4. Zwei brutale Schlägertypen
  5. Auschwitz: Ashes and Gold, S. 61–72
  6. Citrónová-Interview in der BBC-Dokumentation Auschwitz: The Nazi and the Final Solution (Minute 6:40)
  7. Citrónovás Aussagen (mit Foto)
  8. Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Europaverlag, Wien 1972, ISBN 3-203-50414-6
  9. History. Bände 33–34, Helen Dwight Reid Educational Foundation, HELDREF Publications, 2004, Seite 19
  10. Jürgen Illigasch, Karl Stuhlpfarrer: Das Eigene und das Fremde (= Zeitgeschichte, Jahrgang 26, Heft 1). Studien-Verlag, Innsbruck und Wien 1999, ISBN 3-7065-1353-6
  11. Israel Gutman, Michael Berenbaum (Hrsg.): Anatomy of the Auschwitz death camp. Indiana University Press, Bloomington 1998, ISBN 0-253-20884-X, S. 257 (Digitalisat)
  12. Joachim Perels (Hrsg.): Auschwitz in der deutschen Geschichte (= Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts, Band 25), Verlag Offizin, Hannover 2010, ISBN 978-3-930345-72-4
  13. Justiz und Erinnerung Nr. 12/Dezember 2006, S. 20 (PDF; 712 kB)
  14. Darstellung auf Nachkriegsjustiz.at, abgerufen am 16. Dezember 2011
  15. Sabine Loitfellner: Auschwitz-Verfahren in Österreich. Hintergründe und Ursachen eines Scheiterns. in: Thomas Albrich, Winfried R. Garscha, Martin F. Polaschek (Hrsg.): Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht. Der Fall Österreich. StudienVerlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2006, ISBN 3-7065-4258-7, S. 183–197
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