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Zentrifugalkraft

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Die Passagiere in einem rotierenden Kettenkarussell werden durch die Zentrifugalkraft nach außen gedrängt.

Die Zentrifugalkraft (von lateinisch centrum, Mitte und fugere, fliehen), auch Fliehkraft, ist eine Trägheitskraft, die bei Dreh- und Kreisbewegungen auftritt und radial von der Rotationsachse nach außen gerichtet ist. Sie wird durch die Trägheit des Körpers verursacht. Die Auswirkungen der Zentrifugalkraft sind im Alltag vielfach erlebbar, beispielsweise wenn beim Kettenkarussell die Sitze nach außen gedrängt werden, in der Salatschleuder das Wasser nach außen geschleudert wird, oder sich ein Zweiradfahrer „in die Kurve legen“ muss.

In der klassischen Mechanik bezeichnet Zentrifugalkraft …

  • … eine Kraft, die immer dann berücksichtigt werden muss, wenn man die Bewegung eines Körpers bezüglich eines rotierenden Bezugssystems beschreibt.[3] Diese Trägheitskraft tritt auch bei Abwesenheit einer Zentripetalkraft auf, jedoch nie in einem Inertialsystem. Die Zentrifugalkraft ergibt sich aus der Zentrifugalbeschleunigung durch Multiplikation mit der Masse.

Die Zentrifugalkraft ist eine „Scheinkraft“. Sie genügt nicht dem Prinzip von Actio und Reactio.

Geschichte

Eine qualitative Beschreibung der Zentrifugalkraft findet sich bereits in den 1644 erschienen Prinzipien der Philosophie von René Descartes.[4] Quantitativ wurde sie erstmals 1669 in einem Brief von Christian Huygens an den Sekretär der Royal Society Henry Oldenbourg abgeleitet, auch in dessen Horologium Oscillatorium von 1673 ohne Ableitung erwähnt und ausführlich in dessen nachgelassener Schrift von 1703 De Vis Centrifuga (aus dem Jahr 1659). Isaac Newton beschrieb die Zentrifugalkraft erst nach Huygens, aber unabhängig von diesem.[5]

Die sich durch die Zentrifugalkraft ausbildende Form der Flüssigkeitsoberfläche in einem rotierenden, offenen Wassereimer wurde von Isaac Newton als Nachweis der Existenz eines absoluten Raumes gedeutet.

Trägheitswiderstand

Formeln

Zentrifugalkraft bei einer Kreisbewegung

Für eine Kreisbahn ist die Zentrifugalkraft radial vom Mittelpunkt nach außen gerichtet. Ihre Stärke kann mithilfe der Masse , dem Radius des Kreises und der Winkelgeschwindigkeit berechnet werden. Es gilt:

Die Bahngeschwindigkeit hängt mit der Winkelgeschwindigkeit und dem Radius des Kreises zusammen durch . Daher kann die Zentrifugalkraft auch in Abhängigkeit von der Bahngeschwindigkeit angegeben werden:

Der Betrag der Zentrifugalbeschleunigung ergibt sich aus der Zentrifugalkraft durch Division durch die Masse des Probekörpers. Es gilt daher

und

.

Diese Gleichungen gelten ganz allgemein, wenn ein Körper eine Bahn durchläuft. Dabei ist der Krümmungsradius der Radius des minimalen Kreises, der sich am jeweiligen Ort des Körpers an die Bahn anschmiegen lässt. Und ist die Winkelgeschwindigkeit, die der Körper in Bezug auf den Mittelpunkt dieses Kreises hat. Die Zentrifugalkraft zeigt dann nach „außen“, vom Mittelpunkt des Kreises weg.

Dieselben Formeln werden auch zur Berechnung der Stärke der Zentripetalkraft eingesetzt. Sie ist gleich stark wie die Zentrifugalkraft und ist ihr exakt entgegen gerichtet. Die Vorstellung, dass man deshalb aus der Kurve „getragen“ wird, weil die Zentrifugalkraft größer als die Zentripetalkraft sei, ist falsch. Eine andere Deutung des Vorgangs wird durch die Einführung eines speziellen Bezugsystems möglich, in dem die Zentrifugalkraft nicht an die Zentripetalkraft gekoppelt ist.

Herleitung für Kurvenfahrt

Kurvenabschnitt (Länge L, gestrichelt), Änderung der Geschwindigkeit , Krümmungsradius

Ein Körper mit der Masse befährt mit konstanter Geschwindigkeit einen Kurvenabschnitt mit dem Krümmungsradius und ändert dabei seine Bewegungsrichtung (siehe Abb.). Damit die Bewegungsrichtung sich wie angegeben ändert, muss im rechten Winkel zur Bewegungsrichtung eine Kraft einwirken. Dies ist die Zentripetalkraft.

Der Betrag der Geschwindigkeit bleibt gleich, aber der Geschwindigkeitsvektor ändert sich um . Wenn den Betrag dieser Änderung bezeichnet, dann ist die dazu nötige Kraft

(2. Newtonsches Gesetz oder Grundgesetz der Mechanik).

Während der Zeit legt der Körper die Strecke zurück. Für den Winkel (im Bogenmaß) gilt , also ist . Setzt man den Ausdruck für in die Formel für ein, ergibt sich die Zentripetalkraft .

[6]

Die Kreisfahrt kann auch als Rotation um den Krümmungsmittelpunkt mit der Winkelgeschwindigkeit aufgefasst werden. Mit gilt für die Zentripetalkraft genauso

Zahlenbeispiel

Ein Autofahrer (Masse 70 kg) fährt mit 15 m/s (54 km/h) durch eine Rechtskurve mit einem Radius von 75 m.

Die Zentripetalkraft ist dann

Diese Kraft wirkt von links auf den Fahrer ein und bringt ihn von seiner geradlinigen Trägheitsbewegung ab, gerade so, dass er im Auto seine Position beibehält. Die Kraft hat eine Stärke von ca. 30 % der Gewichtskraft ( 700 N). Sie wird vom Fahrersitz auf den Fahrer ausgeübt und er spürt sie dadurch, dass er sich von einer Kraft in den Sitz gedrückt fühlt. Diese Kraft hat dieselbe Größe, aber die umgekehrte Richtung wie die Zentripetalkraft. Es ist die Zentrifugalkraft , vektoriell: .

D’Alembertsche Trägheitskraft

Beschreibt der Schwerpunkt eines Körpers mit der Masse in einem Inertialsystem eine gekrümmte Bahn, so ist dafür eine Kraft erforderlich, die an jedem Punkt eine zur Bahnkurve senkrechte Komponente besitzt. Diese Komponente wird Zentripetalkraft genannt. Gemäß dem zweiten newtonschen Gesetz ergibt sich eine dazu proportionale Zentripetalbeschleunigung , die zum Krümmungsmittelpunkt der Bahn gerichtet ist:

Diese Grundgleichung der Mechanik kann auf die Form:

gebracht werden.

Das negative Produkt aus Masse und Zentripetalbeschleunigung wird formal als Kraft aufgefasst[7] und als Zentrifugalkraft bezeichnet.[8] Ein dynamisches Problem kann somit auf ein statisches Gleichgewicht aus äußerer Kraft und Trägheitskraft zurückgeführt werden:[9]

Im Sinne des dynamischen Gleichgewichts ist die Zentrifugalkraft stets entgegengesetzt gleich groß wie die Zentripetalkraft.[10][11] Die Summe der Kräfte ist somit null, wenn man die (d’Alembertsche) Trägheitskraft mit einschließt.

Daraus ergibt sich die Definition der Zentrifugalkraft als Trägheitswiderstand in Bezug auf die Zentripetalkraft:

Der Trägheitswiderstand quantifiziert eine Eigenschaft der Trägheit, die sich dadurch äußern soll, dass ein Körper sich durch eine Trägheitskraft („vis inertiae“) jeder Änderung einer bestehenden Bewegung widersetzt.

Die Zentrifugalkraft im d’Alembertschen Sinn ist immer an die Zentripetalkraft gekoppelt, gewissermaßen deren Spiegelbild. Sie wird daher in manchen Texten als „Gegenkraft“ oder „Reaktionskraft“ zur Zentripetalkraft beschrieben;[1][2] dabei wird ein Bezug zum dritten newtonschen Gesetz nahegelegt. Andere Autoren wenden jedoch ein, dass diese Kraft nicht mit den in rotierenden Bezugssystemen auftretenden Trägheits- bzw. Scheinkräften verwechselt werden darf und verweisen auf einen Widerspruch zum dritten newtonschen Gesetz, da Zentripetalkraft und Zentrifugalkraft am selben Körper angreifen, dagegen müssen Kräftepaare, die als „Actio und Reactio“ bezeichnet werden, an verschiedenen Körpern angreifen.[12]

Im Unterschied dazu ist diejenige Zentrifugalkraft, die nur dann berücksichtigt werden muss, wenn man die newtonsche Bewegungsgleichung in einem beschleunigten und rotierenden Bezugssystem formuliert[9] von der Zentripetalkraft unabhängig.

Zentrifugalpotential

Da die Zentrifugalkraft, genau wie die Gravitationskraft proportional zur Masse des Körpers ist, lässt sich die Zentrifugalbeschleunigung ähnlich wie die Erdbeschleunigung als Ortsfaktor deuten. Dieser Ortsfaktor gibt die Beschleunigung an, die ein Körper aufgrund der Zentrifugalkraft an diesem Ort erfährt.

     (weil die Geschwindigkeit ist, wenn Winkelgeschwindigkeit und Radiusvektor senkrecht aufeinander stehen).

Die Energie im Zentrifugalpotential ist gleich der kinetischen Energie:

Mit einem anderen Zentralpotential (z. B. Gravitation, Coulomb-Kraft) kann das Zentrifugalpotential zum effektiven Potential zusammengefasst werden.

Bezugssystemabhängige Scheinkräfte

Allgemein beschleunigtes Bezugssystem

Funken eines Winkelschleifers

Scheinkräfte müssen immer dann berücksichtigt werden, wenn man eine Bewegungsgleichung in einem Bezugssystem aufstellt, das selbst gegenüber dem Inertialsystem beschleunigt wird. Betrachtet man z. B. die Funken, die sich von einer Schleifscheibe lösen, in einem Inertialsystem, so bewegen sich diese geradlinig, da sie kräftefrei sind. Im rotierenden Bezugssystem der Schleifscheibe wird die Relativbeschleunigung der Teilchen dagegen mit einer Scheinkraft erklärt.

Herleitung

Um zwischen den Größen eines Objektes (Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung) in zwei Bezugssystemen zu unterscheiden, wird die normale Notation im Inertialsystem verwendet und das nichtinertiale Bezugssystem erhält den gleichen Buchstaben mit einem Apostroph (engl. prime).[13] Letzteres wird dann auch als „gestrichenes Bezugssystem“ bezeichnet.[14]

Bedeutung
Position des Objektes in S (Inertialsystem).
Relativposition des Objektes in S' (Nicht-Inertialsystem).
Geschwindigkeit des Objektes in S
Relativgeschwindigkeit des Objektes in S'
Beschleunigung des Objektes in S
Relativbeschleunigung des Objektes in S'
Position des Ursprungs von S' in S
Geschwindigkeit des Ursprungs von S' in S
Beschleunigung des Ursprungs von S' in S
Winkelgeschwindigkeit des Systems S' in S
Winkelbeschleunigung des Systems S' in S

Das zweite newtonsche Gesetz gilt in seiner ursprünglichen Form nur im Inertialsystem. Die Impulsänderung ist in diesem Bezugssystem proportional zur äußeren Kraft :

Möchte man eine analoge Bewegungsgleichung in einem Bezugssystem aufstellen, das kein Inertialsystem ist, müssen Scheinkräfte berücksichtigt werden. Mit Hilfe kinematischer Beziehungen wird die Beschleunigung im Inertialsystem durch Größen ausgedrückt, die in einem beschleunigten Bezugssystem gegeben sind:[3]

Einsetzen in die Newtonsche Bewegungsgleichung und Umstellung nach dem Term mit der Relativbeschleunigung ergibt:

Das Produkt aus Masse und Relativbeschleunigung entspricht der Summe der in diesem Bezugssystem wirkenden Kräfte. Diese setzen sich aus den äußeren Kräften und den Scheinkräften zusammen.

Der Term ist die Zentrifugalkraft, die berücksichtigt werden muss, wenn der Impulssatz im beschleunigten Bezugssystem angewandt wird. Diese Kraft ist unabhängig davon, ob eine Zentripetalkraft vorhanden ist oder nicht. Die Zentrifugalkraft ist senkrecht zur Winkelgeschwindigkeit im Bezugssystem radial nach außen gerichtet. Die Zentrifugalkraft ist auf einer Achse, die durch den Ursprung des Bezugssystems geht und in Richtung der Winkelgeschwindigkeit zeigt, Null, selbst wenn der Ursprung des Bezugssystems eine Kreisbewegung ausführt. Die weiteren Scheinkräfte sind zuweilen Einsteinkraft genannt, die Eulerkraft und die Corioliskraft.

Stehen Radiusvektor und Winkelgeschwindigkeit senkrecht aufeinander so ergibt sich mit für den Betrag der Zentrifugalkraft:

Rotierendes Bezugssystem

Rotationen werden häufig in einem Bezugssystem beschrieben, bei dem der Ursprung im ortsfesten oder momentanen Krümmungsmittelpunkt liegt. Der Ursprung des Bezugsystems ist nicht beschleunigt. Nimmt man an, dass als äußere Kraft nur die Zentripetalkraft wirkt, lautet die Bewegungsgleichung im rotierenden Bezugssystem:

Für den Spezialfall, dass ein Körper im rotierenden Bezugssystem ruht, sind Corioliskraft und die Relativbeschleunigung Null. Die Eulerkraft verschwindet ebenfalls, da die Winkelbeschleunigung ebenfalls Null wird.

Es ergibt sich dieselbe Beziehung wie beim dynamischen Gleichgewicht. Dennoch ist das Ergebnis an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft. Während sich die d'Alembertsche Trägheitskraft als negatives Produkt aus Masse und Absolutbeschleunigung ergibt, wird hier ein spezielles Bezugssystem vorausgesetzt.

In diesem Bezugssystem kompensieren sich Fliehkraft und die nach innen gerichtete Zentripetalkraft. Anschaulich formuliert: Wenn ein Objekt auf einer rotierenden Scheibe „stehen bleiben“ soll, muss etwas das Objekt festhalten. Die Fliehkraft und die Zentripetalkraft addieren sich zu null, sodass der Körper „in Ruhe“, also an derselben Stelle der Scheibe bleibt. Beschreibt man das Objekt auf einer rotierenden Scheibe dagegen in einem Inertialsystem, so möchte sich der Körper gemäß dem Trägheitsprinzip nicht auf einer Kreisbahn, sondern unter Beibehaltung seiner Geschwindigkeit geradeaus weiterbewegen; es wirkt auf ihn aber weiter dieselbe „nach innen“ gerichtete Zentripetalkraft. Diese ist im Gegensatz zur Fliehkraft keine Trägheitskraft, sondern eine in jedem Bezugssystem zu berücksichtigende äußere (reale) Kraft, die bewirkt, dass der Körper ständig nach innen beschleunigt und damit auf eine Kreisbahn gezwungen wird.

Beispiele:

  • Wird ein Insasse zum Beispiel durch einen Sicherheitsgurt, durch Haftreibung auf dem Sitz, durch Kontaktkräfte etc. in einem Auto festgehalten, so übt das im fahrzeugfesten rotierenden Bezugssystem eine der Zentrifugalkraft entgegengesetzte, gleich große Kraft auf ihn aus. Diese Kraft dient gerade als Zentripetalkraft, um den Insassen auf derselben gekrümmten Bahn zu halten, die das Auto durchläuft. In diesem Sinne sind Zentrifugalkraft und Zentripetalkraft einander entgegengesetzte, gleich große Kräfte.
  • Bei einem Astronauten, der in einem Satelliten die Erde umkreist, ist die Gravitationsbeschleunigung für die Raumkapsel und ihn gleich groß und sorgt als Zentripetalbeschleunigung dafür, dass beide die gleiche Kreisbahn um die Erde durchlaufen. Bei Beschreibung dieser Kreisbahn in einem Satellitensystem mit dem Ursprung im Erdmittelpunkt wirken zwei Kräfte auf den Astronauten: die Gravitationskraft und die Zentrifugalkraft. Dabei hebt die Zentrifugalkraft gerade die Schwerkraft auf.[15]
Um einen Pfosten rotierender Ball, der von einer Feder (einfaches Modell eines Fadens) gehalten wird. Kraft (1) ist die Zentrifugalkraft. Alle anderen Kräfte sind entweder die Zentripetalkraft oder deren Reactio, da sie auf einer Wirkungslinie liegen.
  • Der Faden, der einen Körper auf einer Kreisbahn hält, wird durch die Reaktionskraft zur Zentripetalkraft (Kraft (3) im nebenstehenden Bild) und die Kraft (4) (Zentripetalkraft) gespannt. Dies kann z. B. auch mit einer Federwaage unabhängig vom Bezugssystem gemessen werden. Nur im Spezialfall eines mit dem betrachteten Körper mitrotierenden Bezugssystems sind die Reaktion der Zentripetalkraft (3) und die Zentrifugalkraft (1) in Betrag und Richtung gleich, sonst jedoch nicht. Ihre Angriffspunkte sind dagegen immer verschieden.
In dieser Sichtweise übt die Feder eine Zentripetalkraft auf den Ball aus, sodass dieser auf eine Kreisbahn gezwungen wird, und umgekehrt zieht auch der Ball an der Feder.
Überträgt man nebenstehendes Bild auf einen Menschen, der um einen Pfosten rotiert (die Feder symbolisiert den Arm, der Ball den Körper), so entspricht es der Alltagssprache, dass man eine nach außen ziehende Fliehkraft spürt und man diese durch das Festhalten an dem Pfosten ausgleichen muss. Wenn man die Kräfte (1) und (3) nicht unterscheidet und mögliche Widersprüche zum Wechselwirkungsprinzip ignoriert, ist eine solche Aussage auch möglich. Das Gefühl, nach außen gezogen zu werden, ist allerdings nicht Resultat der „wirkenden Fliehkraft“ – die Dehnung im Arm wird durch die Zentripetalkraft (4) und deren Reactio (3) hervorgerufen und erweist sich damit als unabhängig vom Bezugssystem.

Fehlt die äußere Kraft, z. B. bei den Funken, die sich ablösen, unterscheiden sich die Definitionen:

Die Zentrifugalkraft ist nach dieser Definition an das Bezugssystem gekoppelt, aber unabhängig davon, ob eine äußere Kraft vorhanden ist oder nicht. Die Relativbewegung kann in diesem Fall aber nur durch eine Kombination mehrerer Scheinkräfte interpretiert werden, von denen z. B. auch die Corioliskraft eine radiale Richtung haben kann.

Beispiel:

Liegt auf dem Beifahrersitz ein Apfel, so sieht der Fahrer in jeder Kurve, wie der Apfel im Auto zur Seite beschleunigt wird. Hier wird die Beschleunigung des Apfels mit einer Scheinkraft erklärt, der keine gleich große Zentripetalkraft entgegensteht.

Flugbahn

Wenn bei einem Körper auf einer Kreisbahn schlagartig die Zentripetalkraft wegfällt, so beschreibt er im mitrotierenden Bezugssystem eine Kreisevolvente als Flugbahn, während er im nicht rotierenden Bezugssystem geradlinig in Richtung der Tangente weiterfliegt. Die Kreisevolvente zeigt nur in ihrem ersten Teilstück genau von der Rotationsachse weg.

Praktische Beispiele

Rotierende Flüssigkeit

Wasseroberfläche in einem rotierenden Gefäß
Rühren in einem Wasserglas

Bei einem mit Wasser gefüllten zylinderförmigen Gefäß, das um seine senkrechte Achse rotiert, nimmt die Wasseroberfläche eine gekrümmte Form an, wobei der Wasserstand außen höher ist als in der Mitte. Die Wasserteilchen werden durch eine Zentripetalkraft auf eine Kreisbahn gezwungen. Im stationären Zustand muss die Vektorsumme von Zentrifugalkraft und Gewichtskraft an jedem Punkt der Oberfläche auf dieser senkrecht stehen. Bezeichnet die Erdbeschleunigung, den Abstand von der Rotationsachse () und den Winkel der Wasseroberfläche gegenüber der Waagrechten, so gilt:

Der Tangens des Winkels ist die Steigung der Wasseroberfläche:

Da die Zentrifugalkraft proportional zum Abstand von der Achse ist, hat die Oberfläche die Form eines Rotationsparaboloides und deren Querschnitt durch Integration die Gleichung:[16]

Aus der Volumenkonstanz ergibt sich für den Anstieg des Wasserstands am Rand des Glases:

Die parabolische Form einer Licht reflektierenden Flüssigkeitsoberfläche findet Anwendung bei den flüssigen Spiegeln astronomischer Spiegelteleskope, die im einfachsten Fall aus Quecksilber bestehen.

Schleudern von Wäsche

Eine Waschmaschine mit einem Trommeldurchmesser von 50 cm macht im Schleudergang 1200 Umdrehungen pro Minute. Die Zentrifugalbeschleunigung für ein mitrotierendes Wäschestück ergibt sich zu

Hierbei ist die Winkelgeschwindigkeit.

Das Ergebnis entspricht etwa dem 400-fachen der Erdbeschleunigung. Auf ein Kleidungsstück an der Trommelwand wirkt somit eine Zentrifugalkraft, die 400-mal so groß ist wie seine Gewichtskraft.

Achterbahn

Die Zentrifugalkraft ist für die Konstruktion von Achterbahnen von Bedeutung, bei denen für den menschlichen Körper unangenehme Kräfte möglichst vermieden werden sollen, aber solche, die der Schwerkraft entgegenwirken und somit ein Gefühl der Schwerelosigkeit erzeugen, erwünscht sind.[17] Beispielsweise ergibt sich bei kreisförmigen Loopings, bei denen im höchsten Punkt gerade Schwerelosigkeit erzeugt wird, am Einstiegspunkt ein abrupter Anstieg der Beschleunigung um , sodass für den mitbewegten Körper plötzlich die fünffache Gewichtskraft als Trägheitskraft auftritt. Deshalb wurde vom Achterbahnkonstrukteur Werner Stengel für Loopings eine Klothoiden-Form (Cornu-Spirale) der Bahnkurve entwickelt, bei der der Krümmungsradius umgekehrt proportional zur Bogenlänge ist, was zu einem sanften Anstieg der im Fahrzeug auftretenden Trägheitskräfte führt. Die Klothoide war zuvor schon im Straßenbau benutzt worden.

Technische Anwendungen

Technische Anwendungen der Zentrifugalkraft sind die Zentrifuge, der Fliehkraftabscheider, der Schneckentrieur, das Fliehkraftpendel und der Fliehkraftregler.

Zentrifugalkraft als Ersatz für die Schwerkraft

Für künftige Raumstationen unterschiedlicher Größe hat man geplant, die Zentrifugalkraft als Ersatz für die Schwerkraft zu verwenden, weil längere Schwerelosigkeit der Gesundheit des Menschen schaden kann. Der erste Versuch, in einem bemannten Raumfahrzeug Zentrifugalkraft zu nutzen, fand im Jahre 1966 statt. Dabei hat man die Gemini 11-Kapsel mit der Agena-Raketenstufe durch ein 30 Meter langes Sicherheitsband verbunden und beide Objekte mit etwa einer Umdrehung alle sechs Minuten um den gemeinsamen Schwerpunkt rotieren lassen.

In einer rotierenden Raumstation zeigt ein Lot an jedem Ort von der Rotationsachse weg. Frei „fallende“ Gegenstände entfernen sich immer mehr von der Lotrichtung in einer entgegen der Rotationsrichtung der Raumstation gerichteten Richtung. Diese Abweichung kann als eine Folge der Corioliskraft aufgefasst werden. Die Bahnkurve eines frei fallenden Gegenstands hat im rotierenden Bezugssystem die Form einer Kreisevolvente. Sie ist von der Rotationsgeschwindigkeit der Raumstation unabhängig. Jedoch hängt der Größenmaßstab der Kreisevolvente vom Radius der anfänglichen Kreisbahn ab. Von einem nicht rotierenden Bezugssystem aus gesehen, bewegen sich frei „fallende“ Gegenstände mit konstanter Geschwindigkeit auf einer geraden Linie, die tangential zu ihrer vorherigen Kreisbahn liegt.

Wirft man in der Raumstation einen Gegenstand mit der ihm entsprechenden Rotationsgeschwindigkeit entgegen der Rotationsrichtung, so würde der Gegenstand von einem nichtrotierenden Bezugssystem aus gesehen stillstehen, während sich die Raumstation an ihm vorbeidreht. Im Bezugssystem der Raumstation gesehen, vollführt der Gegenstand also eine Kreisbahn um die Drehachse und kommt, wenn es längs der Bahn keinen Reibungswiderstand gibt, nach einer Umrundung wieder am Ausgangspunkt an.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Hans J. Paus: Physik in Experimenten und Beispielen. 3., aktualisierte Auflage. Hanser, München 2007, ISBN 3-446-41142-9, S. 33–35 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  2. 2,0 2,1 Bruno Assmann, Peter Selke: Kinematik und Kinetik. 15., überarbeitete Auflage. Band 3, Oldenbourg, München 2011, ISBN 978-3-486-59751-6, S. 252 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche). „Die Zentrifugalkraft ist die Reaktionskraft der Zentripetalkraft, die die gekrümmte Bahn erzwingt.“
  3. 3,0 3,1 Martin Mayr: Technische Mechanik. Hanser, 2008, ISBN 978-3-446-41690-1 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  4. René Descartes: Die Prinzipien der Philosophie, übersetzt von Artur Buchenau. 7. Auflage. Felix Meiner Verlag, Hamburg 1965, S. 86 ff.
  5. John Herivel: The Background of Newton’s Principia, und John Herivel: Newton’s Discovery of the law of Centrifugal Force. In: The Isis. Band 51, 1960, S. 546.
  6. Szabo: Einführung in die Technische Mechanik. Springer, 2003, ISBN 3-540-44248-0 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  7. Dietmar Gross, Werner Hauger, Jarg Schrader, Wolfgang A. Wall: Technische Mechanik: Band 3: Kinetik. 10. Auflage. Gabler Wissenschaftsverlage, 2008, ISBN 978-3-540-68422-0, S. 191 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche). „Wir schreiben nun und fassen das negative Produkt aus der Masse und der Beschleunigung formal als eine Kraft auf, die wir […] D'Alembertsche Trägheitskraft nennen: . Diese Kraft ist keine Kraft im Newtonschen Sinne, da zu ihr keine Gegenkraft existiert (sie verletzt das Axiom actio=reactio!); wir bezeichnen sie daher als Scheinkraft.“
  8. Martin Mayr: Technische Mechanik: Statik, Kinematik - Kinetik - Schwingungen, Festigkeitslehre. 6. überarbeitete Auflage. Hanser, 2008, ISBN 978-3-446-41690-1.: (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche) „Bei der Bewegung auf einer gekrümmten Bahn tritt zusätzlich die Normal- oder Zentripetalbeschleunigung auf. Die zugehörige Trägheitskraft nennen wir Zentrifugalkraft“
  9. 9,0 9,1 Cornelius Lanczos: The Variational Principles of Mechanics. Courier Dover Publications, New York 1986, ISBN 0-486-65067-7, S. 88–110. (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche). S. 88: „We now define a vector I by the equation I = -m A. This vector I can be considered as a force created by the motion. We call it the "force of inertia". With this concept the eqation of Newton can be formulated as follows: F + I = 0.“
  10. Mahnken: Lehrbuch der Technischen Mechanik. Dynamik. Springer, 2012, ISBN 978-3-642-19837-3 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche). „Wir bemerken noch, dass die Zentrifugalkraft jeweils mit der Zentripetalkraft im Gleichgewicht ist, welche zum Mittelpunkt hin gerichtet ist“
  11. Alfred Böge, Wolfgang Böge, Klaus-Dieter Arnd u.a.: Handbuch Maschinenbau: Grundlagen und Anwendungen der Maschinenbau-Technik Gebundene Ausgabe – 22. Auflage. Springer Verlag, 2014, ISBN 978-3658065973.Vorschau
  12. Ludwig Bergmann, Clemens Schaefer; Thomas Dorfmüller (Hrsg.): Mechanik, Relativität, Wärme. 11., völlig neubearbeitete Auflage. Band 1, de Gruyter, Berlin 1998, ISBN 3-11-012870-5, S. 240ff (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  13. Notation hauptsächlich nach Karl Schilcher: Theoretische Physik kompakt für das Lehramt. S. 89.
  14. Ekbert Hering, Rolf Martin, Martin Stohrer: Physik für Ingenieure. 11. Auflage. Springer, 2012, ISBN 978-3-642-22568-0., S. 51–52. (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)
  15. Walter Greiner: Klassische Mechanik I. Harri Deutsch, 2007, ISBN 978-3-8171-1815-1 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  16. Peter R. Hakenesch: Skript zur Vorlesung Fluidmechanik. S. 51 ff. (PDF; 7.19 MB).
  17. Verena Heintz, Ann-Marie Martensson-Pendrill, Anette Schmitt, Klaus Wendt: Achterbahn fahren im Physikunterricht. In: Physik in unserer Zeit. 2009, Heft 2

Weblinks

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