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Fernmeldegeheimnis

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Das Fernmeldegeheimnis ist ein in der Verfassung vieler Staaten geschütztes Grundrecht. Es wird meist ergänzt durch das Briefgeheimnis, in Deutschland außerdem durch das Postgeheimnis. Es wird in neuerer Terminologie auch als Telekommunikationsgeheimnis bezeichnet und verbietet das unbefugte Abhören, Unterdrücken, Verwerten oder Entstellen von Fernmelde-, Fernschreib-, Fernsprech-, Funk- und Telegrafie-Botschaften.

Deutschland

Bereits die Weimarer Reichsverfassung von 1919 garantierte den Bürgern im Artikel 117 das Fernsprechgeheimnis.

Bundesrepublik Deutschland

Die deutsche Legaldefinition findet sich in § 88 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) sowie in § 206 Abs. 5 Strafgesetzbuch (StGB). Demnach unterliegen dem Fernmeldegeheimnis „der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war“ sowie „die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche“.

Es schützt daher die unkörperliche Vermittlung von Informationen an individuelle Empfänger und mithin auch die sogenannten Verkehrsdaten. Zu beachten gilt weiter, dass die Daten nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zum Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses zählen. Diese Daten sind dann in den Herrschaftsbereich des Teilnehmers übergegangen und eine Gefahrenlage aufgrund der Kommunikation über eine räumliche Distanz besteht nicht mehr. Jedoch kommt dann der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zum Tragen.

Das Fernmeldegeheimnis im Grundgesetz von 1949 gehört zu den Grundrechten (Art. 10 GG), allerdings besteht die Möglichkeit, das Fernmeldegeheimnis durch ein einfaches Gesetz einzuschränken, d. h. der Staat darf sich in bestimmten gesetzlich geregelten Situationen Kenntnis von Inhalt oder Umständen der Kommunikation verschaffen. Solche gesetzliche Einschränkungen existieren zum Zwecke der Strafverfolgung mit den §§ 100a bis 100j der Strafprozessordnung (StPO).

Im Strafrecht betrifft das Fernmeldegeheimnis vor allem Bedienstete von Telekommunikationsanbietern (§ 206 Abs. 1 bis 3 StGB, Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses), aber auch jedermann (§ 206 Abs. 3 StGB sowie § 148 Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004).

Der Art. 10 GG a.F. lautete ursprünglich:

Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.

Durch Gesetz vom 24. Juni 1968, als Teil der Notstandsgesetze von 1968, erhielt der Art. 10 GG n.F. diese Fassung:

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

Zur Einschränkung von Art. 10 GG siehe auch Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses.

Tatsächlich betrug die Anzahl der Anordnungen zur Überwachung von Telekommunikation im Jahr 2006 35.816 Anschlüsse, zuzüglich 7432 Verlängerungsanordnungen.[1] Allein in Berlin wurden im Jahr 2008 mehr als 1,1 Millionen Telefonate überwacht.[2]

2015 speicherte der Bundesnachrichtendienst täglich 220 Millionen Telefondaten.[3] Außerdem überwachten 2010 die drei deutsche drei Nachrichtendienste des Bundes 37 Millionen E-Mails und Datenverbindungen.[4]

Nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes ist auch eine staatliche Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver eines Providers ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG.[5] Jedoch könne ein solcher Eingriff durch die allgemeinen Vorschriften über Sicherstellung und Beschlagnahme im Strafverfahren (§§ 94 ff. StPO) gerechtfertigt werden[5] (verfassungsrechtliche Schranke). Hierbei seien allerdings wiederum das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und Besonderheiten im Ablauf des Verfahrens zu berücksichtigen[5] (vgl. Schranken-Schranken). Erforderlich könne es insbesondere sein, den „Betroffenen“ (also Träger des Grundrechts) über die Maßnahmen zu informieren und E-Mails später zu löschen oder zurückzugeben.[6]

DDR

Die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses war in der DDR formal in §202 StGB (DDR) unter Strafe gestellt[7]. Dennoch erfolgte eine systematische Kontrolle aller Telefongespräche aus oder in den Westen sowie vieler Gespräche innerhalb der DDR durch die Abteilung 26 der Stasi. Diese arbeiteten mit der Deutschen Post der DDR zusammen.

Die Telefonüberwachung des MfS begann 1950. Die Hauptabteilung S (Technische Sicherheit) bestand am Anfang aus zwei Einheiten mit weniger als 20 Mitarbeitern. Mitte der 80er Jahre waren ca. 1000 Mitarbeiter beschäftigt. 1986 wurden 2.030.130 Gespräche abgehört[8].

Österreich

Im § 119 Strafgesetzbuch wird jede „im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems übermittelten“ Nachricht geschützt.

Weitere Bestimmungen finden sich im Fernmeldegesetz vom 13. Juli 1949.

Schweiz

In der Schweiz regelt der Art. 13 Abs. 1 der Bundesverfassung das Fernmeldegeheimnis und gewährt jeder Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. Dieser Artikel wird konkretisiert in Art. 43 des Fernmeldegesetzes.[9]

Sieh auch

Literatur

  • Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens; 2. Auflage; 1. Band A–F; S. 436–439.
  • J. Aubert (Ministerialrat); Fernmelderecht; 2. Auflage; S. 44 ff;
  • J. Aubert (Ministerialrat); Gibt es übergesetzliche Ausnahmen vom Post- und Fernmeldegeheimnis? Jahrbuch des Postwesens, 1956/57; S. 35
  • F. Bardua; in Bonner Kommentar zum GG Art. 10. Lengning (Hrsg.), Post- und Fernmeldegeheimnis. 3. Auflage
  • Marc Störing: Alles bleibt anders – Karlsruhe urteilt über die Grenzen des Fernmeldegeheimnisses. In: c’t. 8, 2006, S. 58–59.
  • Josef Foschepoth: Postzensur und Telefonüberwachung in der Bundesrepublik Deutschland (1949–1968). In: ZfG. 57, 2009, S. 413–426.
    dazu auch Peter Mühlbauer: Postzensur und Telefonüberwachung, Telepolis, 5. Juni 2009, unter heise.de
  • Josef Foschepoth: Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012. ISBN 978-3-525-30041-1
  • Ilko-Sascha Kowalczuk, Arno Polzin (Hrsg.): Fasse dich kurz! Der grenzüberschreitende Telefonverkehr der Opposition in den 1980er Jahren und das Ministerium für Staatssicherheit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. ISBN 978-3-525-35115-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bundesnetzagentur
  2. Berliner Senat
  3. Kai Biermann: BND speichert jeden Tag 220 Millionen Metadaten. In: Zeit Online. 6. Februar 2015, abgerufen am 15. September 2015.
  4. Schlagwort-Fahndung: Geheimdienste überwachten mehr als 37 Millionen E-Mails. In: Spiegel Online. 25. Februar 2012, abgerufen am 9. Juni 2018.
  5. 5,0 5,1 5,2 Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -: Pressemitteilung Nr. 79/2009 vom 15. Juli 2009 : Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers nicht verfassungswidrig. Abgerufen am 19. Juli 2009 (zum Beschluss vom 16. Juni 2009 – 2 BvR 902/06 –): „Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, die sich gegen die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers wendete. Zwar greifen diese Maßnahmen in das verfassungsrechtlich gewährleistete Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG ein. Die allgemeinen strafprozessualen Vorschriften der §§ 94 ff. StPO rechtfertigen jedoch diesen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, wenn dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den sachlichen Erfordernissen einer entsprechenden Ausgestaltung des strafprozessualen Verfahrens Rechnung getragen wird...“
  6. Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -: Pressemitteilung Nr. 79/2009 vom 15. Juli 2009 : Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers nicht verfassungswidrig. Abgerufen am 19. Juli 2009 (zum Beschluss vom 16. Juni 2009 – 2 BvR 902/06 –): „... Soweit E-Mails von den Ermittlungsbehörden gespeichert und ausgewertet werden, kann es erforderlich sein, den Betroffenen Auskunft über die Datenerhebung zu erteilen, um sie in den Stand zu versetzen, etwaige Grundrechtsbeeinträchtigungen abzuwehren. Dem wird durch die besonderen strafprozessualen Auskunftsregelungen gemäß § 147, § 385 Abs. 3, § 397 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 385 Abs. 3, § 406e und § 475 StPO sowie bei Nichtverfahrensbeteiligten durch § 491 StPO Rechnung getragen. Der begrenzte Zweck der Datenerhebung gebietet grundsätzlich die Rückgabe oder Löschung aller nicht zur Zweckerreichung benötigten kopierten E-Mails. § 489 Abs. 2 StPO enthält entsprechende Schutzvorkehrungen.“
  7. StGB (DDR)
  8. Angela Schmole: MfS-Handbuch, Teil III/19: Telefonkontrolle, Abhörmaßnahmen und Videoüberwachung; Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik; Berlin 2006 (Link nicht mehr abrufbar)
  9. Fernmeldegesetz.
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