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Gender Studies

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(Weitergeleitet von Feministische Forschung)
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Die Gender Studies (deutsch Geschlechterstudien, Geschlechterforschung) sind eine interdisziplinäre Forschungsrichtung, die nach der Bedeutung des Geschlechts für Kultur, Gesellschaft und Wissenschaften fragt. Die Gender Studies sind vor allem in den Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften beheimatet, gelangen mitunter jedoch auch in anderen Forschungsbereichen – beispielsweise in Verbindung mit Medizin oder Biologie – zur Anwendung. Untersucht werden die Konstruktion des Begriffes Geschlecht in den verschiedenen Zusammenhängen, seine Bedeutung und seine Auswirkungen auf die Verteilung von politischer Macht, auf die sozialen Strukturen und auf die Produktion von Wissen, Kultur und Kunst.[1] Für das englische Wort gender (social gender) im Sinne von soziokulturellem im Gegensatz zum biologischen Geschlecht (englisch anatomical sex) gibt es im deutschen Sprachgebrauch keine Entsprechung. Die Definitionen und impliziten Festschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit im Alltag wie in den Wissenschaften sind selbst Gegenstand der inter- wie transdisziplinären Gender Studies. Der Fokus liegt dabei auf Fragen nach Hierarchie, Differenz, Rollen und Stereotypen von, zwischen und über Geschlechter.

Die verschiedenen Forschungsrichtungen der Gender Studies sind auf einen feministischen Ansatz der neuen Frauenbewegung zurückzuführen und haben somit einen politischen Ursprung. Allerdings bestehen Unterschiede hinsichtlich der Prämissen, der Forschungsschwerpunkte und der Forschungsziele. Frauen- und Geschlechterforschung und Gender Studies sind nicht klar voneinander abzugrenzen. Im ersten Fall werden primär Forschungszusammenhänge, im zweiten Ausbildungszusammenhänge angesprochen.

Geschichte des Fachs

Die Gender Studies entwickelten sich aus den Women’s Studies, die in den 1960er und 70er Jahren in einigen US-amerikanischen Universitäten im Zusammenhang mit der Frauenbewegung entstanden waren. Die Women’s Studies beschäftigten sich mit der wissenschaftlichen Betrachtung von Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft, dies zum ersten Mal aus feministischer Sicht.

Mit ihrem Aufsatz Gender: A Useful Category of Historical Analysis von 1986 trug Joan Wallach Scott dazu bei, dass Gender als kritische Analysekategorie zu einem zentralen Begriff in der Wissenschaftsforschung des 20. Jahrhunderts wurde.[2] Mit der Einführung der Kategorie Geschlecht in den wissenschaftlichen Diskurs wandelte sich die Frauenforschung zur Geschlechterforschung, die nun auch Männer umfasst. Sie untersucht interdisziplinär die zentrale Bedeutung von Geschlecht in Wissenschaft und Gesellschaft, da es kaum einen Bereich gibt, in dem Geschlecht keine Rolle spielt. Vorerst sollten die Unterschiede und Beziehungen von biologischem und soziokulturellem Geschlecht untersucht werden. Dabei wurde Geschlecht nicht primär als individuelle Eigenschaft betrachtet, sondern als soziales Verhältnis einer politisch und historisch gewachsenen Gesellschaftsstruktur. Das Geschlechterverhältnis stand also im Mittelpunkt.[3]

Mitte der 1980er Jahre entwickelte sich auch im deutschsprachigen Raum die Geschlechterforschung als eigene Disziplin. Carol Hagemann-White stellte 1984 die Herleitung der Zweigeschlechtlichkeit aus einer biologischen Geschlechterunterscheidung in Frage. Die deutsche Debatte wurde in den 1990er Jahren am stärksten von Judith Butlers Buch Das Unbehagen der Geschlechter (1991) beeinflusst, in dem Geschlecht vor allem als Ergebnis von Diskursen gesehen wird. Ab Mitte der 1990er Jahre bestimmten die Theoretikerinnen Evelyn Fox Keller, Sandra Harding, Nancy Fraser, Anne Fausto-Sterling und Donna Haraway die Gender-Debatte in Deutschland mit. Gender Studies erforschen Geschlechtsrollen in der Gesellschaft und insbesondere auch in der wissenschaftlichen Forschung (siehe Ideologiekritik sowie Kritische Theorie).[4]

Einer der ersten Studiengänge für Gender Studies wurde zum Wintersemester (WS) 1997/98 an der Humboldt-Universität zu Berlin eingerichtet (siehe auch Susanne Baer und Helga Hörz), zugleich eröffneten zwei Studiengänge zur Frauen- und Geschlechterforschung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg: Kulturwissenschaftliche Geschlechterstudien als Aufbaustudiengang und Frauen- und Geschlechterstudien als Magisternebenfach. Hieraus entwickelten sich später der Promotionsstudiengang „Kulturwissenschaftliche Geschlechterstudien“, Bachelorstudium der Gender Studies (Zwei-Fächer-Bachelor) und das Masterstudium Kulturanalysen: Repräsentation, Performativität, Gender (Fach-Master). In Deutschland ist an verschiedenen Universitäten eine vielfältige Forschungskultur der Gender Studies entstanden; einen Überblick hierzu bietet der Marburger Studienführer.[5]

In Österreich bietet die Universität Wien seit dem WS 2006/07 ein Magister- bzw. inzwischen Masterstudium Gender Studies an, ebenso die Karl-Franzens-Universität Graz seit dem WS 2007/08.[6] Die Johannes Kepler Universität Linz verpflichtet ihre Studenten in nahezu allen Studienplänen zum Besuch von Lehrveranstaltungen zum Thema Gender Studies. Diese Lehrveranstaltungen variieren inhaltlich je nach Studienrichtung. So wird zum Beispiel bei den rechtswissenschaftlichen Studienrichtungen neben einem Überblick über die Gender Studies auch Fachwissen über die entsprechenden Rechtsquellen der Gender Studies vermittelt.

Über das österreichische Hochschulgesetz werden die Pädagogischen Hochschulen dazu angehalten, die Strategie des Gender Mainstreaming anzuwenden und die Ergebnisse im Bereich der Gender Studies und der gendersensiblen Didaktik zu berücksichtigen.[7]

Feministischer Ansatz

Die Freiburger Soziologin Nina Degele (2008) nennt in Gender studies / Queer studies unter Rückgriff auf Janet Saltzman Chafetz drei den verschiedenen Forschungsperspektiven der Fachrichtung gemeinsame Postulate:

  1. Postulat des Geschlechts als „zentraler Fokus der Theoriebildung“
  2. Postulat der Problematik gegenwärtiger Geschlechterverhältnisse
  3. Postulat, dass diese gegenwärtigen Geschlechterverhältnisse weder „naturgegeben noch […] unveränderlich“ seien.

Danach basieren die verschiedenen Forschungsrichtungen der Gender Studies in der Theoriebildung auf einem gemeinsamen feministischen Ansatz.[8]

Die Trierer Germanistin und Gender-Forscherin Franziska Schößler (2009) erklärt in Einführung in die Gender Studies ebenfalls, dass Gender Studies „dasjenige Projekt [fort]setzen, das feministische Ansätze seit den 1970er Jahren verfolgen: die Analyse und Kritik asymmetrischer Geschlechterverhältnisse.“ Sie weist allerdings, unter Bezugnahme auf eine Untersuchung von Luise Angerer und Johanna Dorer aus dem Jahr 1994 zum Vergleich von Frauenforschung und Geschlechterforschung, auf „markante Unterschiede“ zwischen feministischen Theorien einerseits und Gender Studies andererseits hinsichtlich Prämissen, Fokus der Forschung und Forschungszielen hin.[9]

Die als notwendig empfundene Eingrenzung auf jene Teile des Geschlechtsverständnisses, die sich nicht allein auf biologische Faktoren zurückführen lassen, wurde vor der Etablierung der Genderforschung nicht in einer eigenständigen universitären Disziplin untersucht. Tradierte Vorstellungen von universaler, als „natürlich“ eingeschätzter „Geschlechterdifferenz“, wurden wissenschaftlich bis dahin nicht oder nur unsystematisch bzw. überdisziplinär analysiert. Die Gender Studies entstanden in der historischen Folge der von der Zweiten Frauenbewegung politisch kritisierten Idee (oder auch Ideologie) einer Geschlechterdifferenz.

Forschungsinhalte

  • die Geschlechterzuweisung durch Kultur und andere gesellschaftliche Organisationsformen,
  • die Machtverhältnisse, die aus der Unterscheidung von „männlich“ und „weiblich“ resultieren,
  • der Prozess des Unterscheidens zwischen den Geschlechtern sowie dessen Hintergründe und Auswirkungen.
  • soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern (systematische Benachteiligung im Beruf und in Sozialpolitik usw. wegen des Geschlechts), insbesondere durch Androzentrik[10]
  • soziale Stellung der Geschlechter innerhalb der Gesellschaft (Patriarchat, Matriarchat, Frauenwahlrecht)
  • vergeschlechtlichte Arbeitsteilung als Gesellschaftsstruktur (etwa durch die kapitalistische Unterscheidung von Produktion und Reproduktion)
  • Praktiken der Erzeugung der Geschlechterdifferenz („doing gender“)
  • mediale Präsentationen und Repräsentationen von Geschlecht, z. B. in Film, Literatur, Kunst, Werbung usw.
  • Verschränkung der Differenzachsen Geschlecht, Klasse (oder Schicht, Milieu usw.), Ethnizität/Hautfarbe, Sexualität.
  • Geschlechterpädagogik[11]
  • Queer-Theorie[10]
  • Frauen- und Männerforschung gemeinsam und getrennt.[10]

Die Gender Studies behandeln Geschlecht und Geschlechterverhältnis nicht als naturgegebene, sondern als überwiegend gesellschaftliche Phänomene, die durch soziale sowie kulturelle Praktiken und Strukturen konstruiert werden.[12] Sie sehen keinen deterministischen Zusammenhang zwischen dem biologischen Geschlecht und der Rolle der Geschlechter in der Gesellschaft. Während das biologische Geschlecht in der Regel feststehe, sei Gender dementsprechend variabel und veränderbar.

Die Vielfalt der Bedeutungen von „männlich“ und „weiblich“ wird in den Gender Studies hervorgehoben; zugleich werden bestimmte Vorstellungen vom natürlichen Wesen der Geschlechter, von Idealen von Männlichkeit und Weiblichkeit hinterfragt. Als Folge dieser Überlegungen wird die Beziehung der Geschlechter als veränderbar angesehen. Da die Geschlechterbeziehung nicht als natürliche oder statische Ordnung angesehen werden könne, wird sie als Repräsentation kultureller Regelsysteme gedeutet. Dabei sei der Aspekt der Wertung des Geschlechts wichtig; der Wert, der innerhalb einer Kultur einem Geschlecht zugeordnet wird, wirke sich auch auf das Verständnis des soziokulturellen Geschlechts innerhalb des gesellschaftlichen Systems aus.

Ein Schwerpunkt der Gender Studies ist die Aufdeckung der Mechanismen, die hinter diesen Auf- bzw. Abwertungen von Geschlechtern stehen. Im Gegensatz zu den Women’s Studies ist es möglich, auch Differenzen zu betrachten, durch die sich Frauen selbst voneinander unterscheiden, insbesondere unter dem Gesichtspunkt von gesellschaftlichen Minderheiten.

Zentren für Geschlechterforschung und Professuren

Deutschland

Aus den Lehrstühlen für Frauenforschung und Zentren zur Förderung der Frauen- und Geschlechterforschung entstanden ab Ende der 1990er Jahre interdisziplinäre oder transdisplizinäre Zentren für Geschlechterforschung mit Studienangeboten für Gender Studies.

Eine der ältesten Einrichtungen dieser Art existiert an der Universität Bielefeld, das „Interdisziplinäre Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung“ IFF, eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität. An der FU Berlin gibt es das Margherita-von-Brentano-Zentrum, das mit Beginn des Jahres 2016 aus der „Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung“ und dem „Interdisziplinären Zentrum Geschlechterforschung“ entstanden ist.[13][14] An der Humboldt-Universität zu Berlin gibt es das Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien; an der Universität Kassel seit 1987 die „Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Frauen- und Geschlechterforschung“, an der Universität Greifswald das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung,[15] an der Universität Bremen das „Zentrum für feministische Studien – Gender Studies“ (ZfG), in Hildesheim das „Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung“ (ZIF) als gemeinsame Einrichtung der Universität und der Fachhochschule (HAWK), an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg das „Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung“ (ZFG) und an der Philipps-Universität Marburg das „Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung“. In Frankfurt am Main wurde 1997 auf Initiative von Ute Gerhard das „Zentrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse“ gegründet, das 2000 den Namen Cornelia Goethe Centrum erhielt.

An der Charité Berlin wurde 2003 das interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung in der Medizin (GIM) gegründet, das 2007 unter der Leitung von Vera Regitz-Zagrosek in ein Institut umgewandelt wurde mit dem Ziel, Geschlechterunterschiede in der Medizin systematisch zu untersuchen und in die Lehre einzuführen. Es widmet sich in speziellen Forschungsprojekten den Fragestellungen, warum bei Männern und Frauen zahlreiche Krankheiten unterschiedlich häufig auftreten, anders verlaufen oder signifikant verschiedene Symptome zeigen. 2011 gab es unter dem Titel Sex and Gender Aspects in Clinical Medicine das erste und bis dahin einzige Lehrbuch zu Gendermedizin heraus. Es gibt einen Überblick über Genderaspekte in wichtigen klinischen Disziplinen und Pharmakologie.[16]


An deutschen Universitäten und Fachhochschulen gab es 2014 188 Professuren für Geschlechterforschung, so genannte Genderprofessuren. Es handelte sich fast ausschließlich um Denominationen in über 30 Fachgebieten von Literaturwissenschaft über Soziologie bis Medizin und Sport. Viele dieser Stellen sind befristet, 17,6 Prozent sind Professuren in der hochdotierten Besoldungsgruppe W3.[17]

Mit Ende 2017 wurde die Arbeitsstelle Gender Studies der Justus-Liebig-Universität nach einer Evaluation durch Sabine Hark, Kerstin Palm, Norbert Ricken und Paula-Irene Villa vorerst geschlossen. Die Gutachter bemängelten, dass die Forschungsleistung in mittelbarer Zukunft nicht erkennbar steigerbar wäre und die AGS „als Organisationseinheit von außen kaum wahrnehmbar“ sei weshalb ein Neustart empfohlen wurde.[18]

Skandinavien

Der Nordische Ministerrat gründete 1995 das Nordische Gender-Institut (Nordic Gender Institute, NIKK), das in Norwegen an der Universität Oslo angesiedelt war. Es wurde zum 31. Dezember 2011 als eigenständiges Institut geschlossen. Im Herbst 2012 wurde NIKK als „Nordic Information for Gender Knowledge“ reorganisiert und in das Swedish Secretariat for Gender Research an der Universität Göteborg in Schweden eingegliedert.[19][20] NIKK initiiert, koordiniert und führt zentrale Projekte und Studien durch, in denen der Stand der Geschlechtergleichheit in den nordischen Ländern untersucht wird. So wurde zum Beispiel 2008 eine groß angelegte Studie für die „Ministerien für Geschlechtergleichheit“ der nordeuropäischen Länder zum Thema Prostitution präsentiert.[21][22]

Mediale Debatte

Die Gender Studies werden von einigen Naturwissenschaftlern und in der Öffentlichkeit teils kontrovers, mitunter polemisch diskutiert. Der Autor und Historiker Vojin Saša Vukadinović meinte dazu in der NZZ: „Die Gender-Studies befinden sich in einer Legitimationskrise: Die Öffentlichkeit begegnet dem Fach mit Ablehnung, Biologen fechten ihre Wissenschaftlichkeit an, und politische Gruppierungen mobilisieren wahlweise gegen einen «Wahn» oder eine «Ideologie». Alle beanstanden Sinn und Zweck eines Studienfachs, das mit zwanzig Jahren noch relativ jung ist, gleichwohl aber eine Vielzahl an Kontroversen durchlaufen hat.“[23]

Der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera bezeichnete 2015 in einem Interview mit dem RBB die Gender Studies als „unwissenschaftlichen Unsinn“. Die akademischen Gender Studies seien eine „fundamentalistische feministische Ideologie, die von einer kompletten sozialen Konstruiertheit des biologischen Geschlechts ausgingen“. Catherine Newmark ordnete in Die Zeit seine Äußerungen in die „antifeministische Rhetorik, den sogenannten ‚Backlash‘“, ein und die im Internet „kursierenden maskulinistische(n) Verschwörungstheorien von der feministischen Weltherrschaft“.[24] Mit seinem Buch Gender-Paradoxon, das 2016 erschien, wollte Kutschera die „letzten Nägel in den Sarg der Gender-Ideologie schlagen“.[25] Axel Meyer, ebenfalls Evolutionsbiologe, bezeichnet in seinem Buch Adams Apfel und Evas Erbe die Gender Studies gemeinsam mit Fächern wie Anthroposophie und Homöopathie als „leider weit verbreiteten antiwissenschaftlichen Hokuspokus“.[26] In seiner Besprechung des Buchs in der FAZ kritisierte Thomas Weber Meyers „verzerrende Attacken auf fast alles, was „gender“ im Namen führt“.[27] Philipp Gut zitierte in der Weltwoche den Neurowissenschaftler und Psychiater Raphael M. Bonelli, der in der „Gender-Theorie“ „einen versteckten Sexismus am Werk“ sehe.[28]

Es gibt allerdings auch eine kritische Debatte innerhalb der Disziplin selbst: Stefan Hirschauer, Professor für Gender Studies an der Universität Mainz, attestierte dem Fach 2017 ein Übermaß an Politisierung und ideologischen Scheuklappen. Geschlechterforschung dürfe nicht "als Vehikel der Frauenförderung" instrumentalisiert werden. Wenn Gender Studies sich selbst zum Teil eines politischen emanzipatorischen Projekts machten, weiche man der wissenschaftlichen Beantwortung der Frage "Wozu Gender Studies?" aus und erwecke "chronisch den Verdacht, nicht die intellektuelle Substanz zu ihrer Beantwortung" zu haben.[29]

Laut Antje Schrupp unterstellten Rechtspopulisten und Maskulinisten dem Fach „eine feministische Agenda zu betreiben, also nicht wissenschaftlich objektiv zu sein, sondern eine Ideologie zu verfolgen“. Dabei hätten die Gender Studies gar nichts mit Feminismus zu tun, sondern untersuchten „das, was wir alle ständig tun: Geschlecht darstellen, Geschlechterbilder konstruieren oder untergraben“.[30]

Die Vorwürfe an die akademischen Gender Studies, die medial geschürt würden, zeugen laut den Geschlechterforscherinnen Sabine Hark und Paula-Irene Villa von Statusängsten. Die Soziologinnen ziehen eine historische Analogie zu deutschen Naturwissenschaftlern, die sich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts „mit dem Rekurs auf die Natur gegen das Recht von Frauen, zu studieren, stellten“ und „einen irreversiblen Eingriff in die Naturgesetze“ fürchteten, sollten Frauen als Gleiche in die Akademie einziehen.[31]

Literatur

Diskurs

Einführungen

Gender-Studien in einzelnen Disziplinen (Auswahl)

  • Dörte Kuhlmann: Raum, Macht & Differenz: Genderstudien in der Architektur. Edition Selene, Wien 2005, ISBN 3-902373-73-3.
  • Robin Bauer, Helene Götschel (Hrsg.): Gender in Naturwissenschaften. Ein Curriculum an der Schnittstelle der Wissenschaftskulturen. Talheimer, Mössingen-Talheim 2006, ISBN 978-3-89376-119-7 (= Talheimer Sammlung kritisches Wissen. Band 53).
  • Ursula Hennigfeld/ Fernand Hörner/ Ursula Link-Heer (Hrsg.): Literarische Gendertheorie. Eros und Gesellschaft bei Proust und Colette. Transcript, Bielefeld 2006, ISBN 978-3-89942-557-4.
  • Bettina Engels: Gender und Konflikt. Die Kategorie Geschlecht in der Friedens- und Konfliktforschung. VDM, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-6527-4.
  • Corinna Schlicht (Hrsg.): Genderstudies in den Geisteswissenschaften: Beiträge aus den Literatur-, Film- und Sprachwissenschaften. Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg 2010, ISBN 978-3-940251-70-1.
  • Mechthild Koreuber (Hrsg.): Geschlechterforschung in Mathematik und Informatik. Nomos, Baden-Baden 2010, ISBN 978-3-8329-4537-4.
  • Sabine Oertelt-Prigione, Vera Regitz-Zagrosek (Hrsg.): Sex and Gender Aspects in Clinical Medicine. (Lehrbuch). Springer, London 2011, ISBN 978-0-85729-831-7 (englisch).
  • Meike Sophia Baader, Johannes Bilstein, Toni Tholen (Hrsg.): Erziehung, Bildung und Geschlecht. Männlichkeiten im Fokus der Gender-Studies. Springer VS, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-531-18552-1 (Rezension in querelles-net)
  • Hilge Landweer, Catherine Newmark, Christine Kley, Simone Miller (Hrsg.): Philosophie und die Potenziale der Gender Studies. transcript Verlag, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-8376-2152-5.
  • Ricarda Drüeke, Elisabeth Klaus, Martina Thiele, Julia Elena Goldmann (Hg.): Kommunikationswissenschaftliche Gender Studies. Zur Aktualität kritischer Gesellschaftsanalyse, transcript, Bielefeld 2018, ISBN 978-3-8376-3837-0.

Zeitschriften

Einzelnachweise

  1. Inge Stephan, Christina von Braun: Einleitung In: Christina von Braun, Inge Stephan (Hrsg.): Gender-Studien: Eine Einführung., 2. Auflage, J.B. Metzler 2006; S. 3. ISBN 978-3-476-02143-4.
  2. Astrid Deuber-Mankowsky: Gender - ein epistemisches Ding?, in: Rita Casale, Barbara Rendtorff (Hrsg.): Was kommt nach der Genderforschung? Zur Zukunft der feministischen Theoriebildung. Transcript, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-748-6, S. 185
  3. Katrin Hönig: Historische Rekonstruktion. In: Therese Frey Steffen, Caroline Rosenthal, Anke Väth: Gender Studies. Wissenschaftstheorien und Gesellschaftskritik. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, ISBN 3-8260-2739-6, S. 45 f.
  4. Therese Frey Steffen, Caroline Rosenthal, Anke Väth: Gender Studies. Wissenschaftstheorien und Gesellschaftskritik. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, ISBN 3-8260-2739-6, S. 10 f.
  5. Studienführer Gender - Philipps-Universität Marburg, Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung
  6. Geschlechterstudien uni-graz.at
  7. § 9 Abs. 8 Hochschulgesetz 2005
  8. Der BibISBN-Eintrag Vorlage:BibISBN/9783825229863 ist nicht vorhanden. Bitte prüfe die ISBN und lege ggf. einen neuen Eintrag an.
  9. Franziska Schößler: Einführung in die Gender Studies, Berlin 2009, S. 9.
  10. 10,0 10,1 10,2 Der BibISBN-Eintrag Vorlage:BibISBN/3826027396 ist nicht vorhanden. Bitte prüfe die ISBN und lege ggf. einen neuen Eintrag an.
  11. Richard J. Utz: Typisch stereotypisch: Zur Darstellung von Mann und Frau in Lehrwerken des Englischen. In: Fremdsprachenunterricht 4/92, 233–236.
  12. Therese Frey Steffen, Caroline Rosenthal, Anke Väth: Gender Studies: Wissenschaftstheorien und Gesellschaftskritik, Verlag: Königshausen u. Neumann (2004), S. 11ff
  13. mvbz.fu-berlin.de
  14. fu-berlin.de
  15. phil.uni-greifswald.de (Memento vom 18. Januar 2016 im Internet Archive)
  16. Institute of Gender in Medicine, Charité Universitätsmedizin
  17. Anna-Lena Scholz: Über die Anfänge der Frauenforschung. Die Gender-Rebellinnen, Der Tagesspiegel, 22. Januar 2016
  18. Eva Pfeiffer: „Gender Studies“ vor Neustart. In: Gießener Anzeiger. 2018-01-06 S. 36 (Online).
  19. NIKK moves to Sweden, Mitteilung des Nordic Council of Ministers
  20. Evaluation of the Swedish Secretariat for Gender Research NIKK, September 2014
  21. Nordic Co-operation Programme for Gender Equality 2011, Nordic Council of Ministers, 2012, ISBN 978-92-893-2337-6, S. 12f.
  22. NIKK Assignment, Stand 1. Oktober 2012
  23. Vojin Saša Vukadinović: Der Kampf um Gender, NZZ, 7. September 2017
  24. Catherine Newmark: Gender Studies. Aus Angst vor einem anderen Leben, Zeit Online, 17. Juli 2015
  25. Armin Himmelrath: Professor gegen Genderforschung: "Jung, attraktiv, muss gut kochen können", Spiegel Online, 24. Spetmber 2015
  26. Der BibISBN-Eintrag Vorlage:BibISBN/9783570102046 ist nicht vorhanden. Bitte prüfe die ISBN und lege ggf. einen neuen Eintrag an.
  27. Thomas Weber: Fortpflanzungsbiologie. Man soll uns nicht mit Wühlmäusen vergleichen, FAZ, 8. November 2015
  28. Philipp Gut: Geschlechter. Ideale Ergänzung, Die Weltwoche, Nr. 8, 25. Februar 2016, S. 14–17 (Online [abgerufen am 2. Januar 2018]).
  29. Faktenfinder Tagesschau
  30. Antje Schrupp: Gender-Studies: Bist du gender oder was?, Zeit Online, 11. September 2017
  31. Sabine Hark, Paula Villa: Attacken auf die Geschlechterforschung. Das dubiose Gender. Gastbeitrag in Der Tagesspiegel, 17. Dezember 2014
  32. Rezension von Martin Spetsmann-Kunkel: Eine Einführung in die Gender Studies. In: Querelles. Rezensionszeitschrift für Frauen- und Geschlechterforschung Nr. 23 (2007), online
  33. Rezension von Heike Kahlert, in: Querelles Rezensionszeitschrift für Frauen- und Geschlechterforschung Jg. 10, Nr. 1 (2009), online
  34. Kurzrezension von Andreas Eis. In: Die Annotierte Bibliografie – Portal für Politikwissenschaft

Weblinks


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