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Familie Emrich in Mühlacker

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Dieser Artikel befasst sich mit der jüdischen Familie Emrich und deren Leben und Wirken in der Gemeinde Mühlacker.

Familie Emrich

Isidor Emrich

Familienoberhaupt war Isidor Emrich (* 5. August 1848, † 15. August 1930), verheiratet mit Berta Emrich, geborene Aberle (* 2. April 1855, † 16. November 1921). Gemeinsam hatte das Ehepaar drei Kinder: Alfred Emrich, Richard Emrich und Alice Bach, geborene Emrich (* 1886, † 1984). Isidor Emrich gründete 1878 in Pforzheim die Marke Emrich und war ab 1899 auch in Mühlacker tätig. Trotz Aufblühen des Nationalsozialismus in Deutschland konnte sich Isidor Emrich nicht von seinem Lebenswerk trennen. Erst nach seinem Tod 1930 und der Enteignung des Besitzes der Familie entschloss sich diese zur Flucht.

Alfred Emrich

Alfred Emrich (* 1876, † 1943) war der älteste Sohn von Isidor und Berta Emrich. Er leitete die Firma von 1899 bis 1912 gemeinsam mit seinem Vater und übernahm danach die alleinige Firmenleitung. Mit seinem unternehmerischen Geschick erweiterte er das Unternehmen in den Folgejahren. Gemeinsam mit seiner Frau Laura, geborene Horkheimer (* 1885, † 1942) hatte er eine gemeinsame Tochter namens Marianne (* 30. März 1915, † 1942). Laura Emrich war eine Pianistin und unterrichtete ihre Tochter Marianne als Musiklehrerin. Sie feierte Auftritte bei öffentlichen Festivitäten und pflegte enge Kontakte zu berühmten Musikern. Ihre Tochter Marianne ging auf das Hilda-Gymnasium Pforzheim. Nach einem Besuch 1938 in den USA kehrte sie nach Mühlacker zurück.

Besonders die Familie Alfred Emrich litt unter den Schikanen und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Nach der Liquidierung und dem Zwangsverkauf des Firmensitzes floh die Familie Ende August 1939 vermutlich über Paris nach Le Mans. Am 21. August 1942 wurde Alfred Emrich verhaftet. Am 23. Juni 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Frau Laura und seine Tochter Marianne wurden zwei Tage nach ihm verhaftet. Ihre Deportation erfolgte bereits am 11. September 1942. Beide überlebten das Konzentrationslager Auschwitz nicht. Seit Mai 2009 erinnern drei Stolpersteine vor dem Personaleingang der Villa Emrich an das Schicksal der Familie. Es waren die ersten Stolpersteine, die in Mühlacker verlegt wurden[1]. In Mühlacker hat Alfred Emrich das Ortsbild durch den Uhlandbau sowie den Bau der Villa Emrich geprägt. In Erinnerung geblieben sind aber auch sein soziales Engagement für seine Mitarbeiter, für das Bezirkskrankenhaus und auch die jüdische Gemeinde in Freudental.

Richard Emrich

Richard Emrich (* 17. September 1878, † 1947) war der zweitgeborene Sohn und verwaltete das Verkaufsbüro der Firma in Pforzheim. Er emigrierte 1934 nach London, wo er auch verstarb. Er hatte einen Sohn namens Kurt Emrich (* 16. Februar 1910, † 16. Dezember 1967), der bereits ein Jahr vor seinem Vater nach London ging.

Alice Emrich

Alice Bach, geborene Emrich (* 1886; † 1984) war das dritte Kind des Ehepaars Isidor und Berta Emrich. Sie war verheiratet mit Karl Bach (* 1885; † 1942). Bis 1938 lebten die Beiden in München. Alice verstarb in den USA.

Villa Emrich und Uhlandbau

Villa Emrich

Die Villa Emrich wurde 1912 von dem Architekten Christian Aichelin aus Mühlacker erbaut. Besondere Merkmale des Gebäudes sind Erker, Gauben und Krüppelwalmdächer sowie Butzenscheiben und Fachwerk und die Verwendung von regionalen Baumaterialien wie Holz und Sandstein. Diese Merkmale entsprechen in der Kunstgeschichte dem Stil des Historismus bzw. Traditionalismus. Von der Fertigstellung bis 1938 bewohnte Alfred und Laura Emrich gemeinsam mit ihrer Tochter Marianne das Gebäude. Aufgrund der Enteignung wurde die Familie bis August 1939 in den Keller des Hauses verfrachtet. Die Villa Emrich ist heute ein denkmalgeschütztes Gebäude, das seit September 1999 einen Kooperationskindergarten mit der Lebenshilfe Vaihingen-Mühlacker beherbergt. Vor dem Personaleingang der Villa findet man die drei Stolpersteine der Familienmitglieder Alfred, Laura und Marianne Emrich.

Uhlandbau

Der Uhlandbau basiert auf einer gemeinsamen Idee des damaligen Bürgermeisters Richard Woerner und des Vorstands der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Alfred Emrich. Der Regierungsbaumeister Richard Bihl wurde 1921 mit dem Bau beauftragt. Die Finanzierung in der Höhe von 750.000 Reichsmark übernahm Alfred Emrich, unter der Bedingung, dass der Bau in weniger als 100 Tagen fertig gestellt werden musste. In nur 99 Tagen war der Uhlandbau im Oktober 1921 fertiggestellt und bezugsfertig. Als Turn- und Festsaal konzipiert, beherbergte der Uhlandbau auch eine Bibliothek, Büroräme und ein Tagungszimmer. Für Veranstaltungen bot der Veranstaltungssaal Platz für 800 Besucher, besaß einen Orchestergraben für ein 45 Mann starkes Orchester und eine Bühne mit den damals modernsten Beleuchtungsanlagen.

Von 1921 bis 1930 fanden Theater, Opern- und Konzertaufführungen mit bekannten Künstlern im Festsaal des Uhlandbaus statt. Laura Emrich ließ ihre Kontakte spielen und konnte unter anderem Fritz Busch und Rudolf Serkin für Konzerte engagieren. Auf dem Programm standen folgende Schauspiele und Opernaufführungen [2]: Der zerbrochene Krug; Der eingebildete Kranke; Der Wildschütz; Kabale und Liebe; Faust; Die Entführung aus dem Serail; Der Biberpelz; Zar und Zimmermann; Rigoletto, Wilhelm Tell sowie viele andere Theaterstücke der Weltliteratur und Konzerte.

Zur Zeit des Nationalsozialismus fanden im Uhlandbau Veranstaltungen der NSDAP statt. Unter anderem veranstalteten sie dort Wahlversammlungen, Kundgebungen, deutsche Abende und weitere Zusammenkünfte. Im Sommer 1938 wurde das Gebäude durch einen Anbau an der Nordseite erweitert. Dort befand sich auch ein Balkon mit einem in Stein gehauenem Hakenkreuz [3]. Heute steht der Uhlandbau unter Denkmalschutz. Der Bau ist immer noch Austragungsort großer Konzerte und dient gleichzeitig als Schulmensa. Die Volkshochschule Mühlacker präsentiert dort jedes Jahr ein abwechslungsreiches Programm.

Soziales Engagement

Soziales Engagement in der Firma Emrich

Die Familie Emrich engagierte sich sehr für die Angestellten ihrer Firma. So konnten die Mitarbeiterinnen ihre Kinder kostenlos in den von 1911 bis 1922 geöffnetem Betriebskindergarten bringen. Zur Mittagszeit gab es eine Kantinenverpflegung mit warmen Mahlzeiten für die Belegschaft. Zudem wurden Betriebswohnungen (unter anderem in der Hindenburgstraße) zum Kauf oder zur Miete angeboten[4].

Soziales Engagement in Mühlacker

Alfred Emrich unterrichtete an der damaligen Gewerbeschule eine Klasse für Bijouterielehrlinge. Zudem ging die Schulbibliothek auf eine Spende des Lehrers von 40 Büchern zurück. Im Jahre 1926 hatte die Bibliothek bereits 300 Exemplare vorzuweisen.

Soziales Engagement für das Bezirkskrankenhaus

Das Krankenhaus in Dürrmenz unterstütze Alfred Emrich mit der Stiftung eines Hühnerstalls. Er setzte sich ebenfalls dafür ein, dass ein Wöcherinnenheim für die Arbeiterinnen errichtet werden sollte[5].

Finanzielle Unterstützung der jüdischen Gemeinde in Freudental

Obwohl die Familie Emrich selbst nicht Teil der jüdischen Gemeinde in Freudental war, unterstützte Alfred Emrich die Gemeinde in Freudental von 1936 bis 1938 finanziell. Er trug ebenfalls dazu bei, dass sich die Schulkinder dort selbstständig um die Beheizung und die Sauberkeit der Klassenzimmer kümmerten[6].

Nationalsozialistische Zeit – Verfolgung der Familie und Niedergang der Firma

Verfolgung der Familie und Niedergang der Firma

Im Jahre 1933 gelangte in Deutschland der Nationalsozialist Adolf Hitler an die Macht. Am 4. November desselben Jahres erfolgte eine Wahlkundgebung der NSDAP in der Firma Emrich. Redner war der Parteigenosse Brodenbeck. Einen Tag vor dem Jahreswechsel 1933/1934 unterschrieben Laura und Alfred Emrich auf der Neujahreswunschenthebungsliste des Braunen Senders. Zu Beginn des Jahres 1936 erschien in der Zeitung Der Stürmer ein Hetzartikel namens „Jud Emrich“. Durch die „Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen“ der Namensänderungsverordnung am 17. August 1938 trugen die Mitglieder der Familie Emrich nun entweder den Namenszusatz „Sara“ oder „Israel“. Kurz darauf sorgten weitere Verordnungen für die Liquidation der Firma Emrich. Sie wurde zwangsverkauft und von den Parteigenossen Hans Vonessen und Weinmeyer übernommen.

Die Familie wurde aus den Räumlichkeiten der Villa Emrich vertrieben und musste in den Keller ziehen. Zudem war es ihnen verboten, das Gelände und die Gesellschaftsräume der Firma zu betreten. Dadurch isolierte man die Familie zusehends von der Öffentlichkeit. 1939 wurde das Firmengrundstück an die Stadt Mühlacker verkauft. Der Erlös wurde als „Ausgleichszahlung“ abgeführt oder als Judenvermögensabgabe einbehalten. Von den Mitarbeitern der Firma wurden circa 100 Frauen in der Rüstung eingesetzt [7].

Flucht und Ermordung der Familie Emrich

Nach der totalen Enteignung des eigenen Hab und Gutes floh die Familie Ende August 1939 vermutlich über Paris nach Le Mans. Am 21. August 1942 wurde Alfred Emrich verhaftet. Er wurde am 23. Juni 1943 über das Sammellager Drancy nach Auschwitz transportiert, wo er starb. Seine Tochter und seine Frau wurden zwei Tage nach Alfred Emrich verhaftet. Ihre Deportation erfolgte am 11. September 1942 in das KZ Auschwitz.

Die Hinterbliebenen und der Wiederaufbau der Firma

Die Geschwister von Alfred Emrich überlebten den zweiten Weltkrieg. Richard Emrich und sein Sohn Kurt emigrierten 1933 und 1934 nach London, England. Alice Emrich starb 1984 in den USA. Kurt Emrich übernahm den Wiederaufbau und die Leitung der Firma nach dem Ende des Weltkrieges. 1962 wurde Hanns Born alleiniger Geschäftsführer. Der Enkel des Gründers verkaufte Grundstücke und Gebäude in Mühlacker. Heute ist die Firma Teil der B+E Bechtold GmbH und vertreibt immer noch Beauty-Produkte.

Literatur

  • Marlis Lippig (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Stadt Mühlacker, Band 1. Bis zum bitteren Ende (Der 2. Weltkrieg in Mühlacker). Jan Thorbeck GmbH und Co. KG, Sigmaringen 1995, ISBN 9783931189303, S. 181.
  • Elisabeth Brändle-Zeile: Beiträge zur Geschichte der Stadt Mühlacker, Band 2. Historiesche Streiflichter (Opfer der NS-Herrschaft in Mühlacker). Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1997.
  • Elisabeth Brändle-Zeile: Beiträge zur Geschichte der Stadt Mühlacker, Band 5. Historiesche Streiflichter Teil 2 (Von der urzeitlichen Landwirtschaft über die Gastwirtschaft zum Stadtjubiläum). Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2005.

Einzelnachweise

  1. Homepage der jüdischen Gemeinde Mühlacker Jüdische Geschichte in Mühlacker. Abgerufen am 16. Februar 2017.
  2. Alfred Emrich, Leben und Werk des Mühlacker Fabrikanten PDF zur Ausstellung mit Exponaten aus der Bijouteriefabrik, S. 17, Historisch-Archäologischer Verein Mühlacker e.V.. Abgerufen am 07. Februar 2017.
  3. Alfred Emrich, Leben und Werk des Mühlacker Fabrikanten PDF zur Ausstellung mit Exponaten aus der Bijouteriefabrik, S. 18, Historisch-Archäologischer Verein Mühlacker e.V.. Abgerufen am 07. Februar 2017.
  4. Fabrikantenfamilie Emrich Homepage des HAV Mühlackers, Historisch-Archäologischer Verein Mühlacker e.V.. Abgerufen am 07. Februar 2017.
  5. Alfred Emrich, Leben und Werk des Mühlacker Fabrikanten PDF zur Ausstellung mit Exponaten aus der Bijouteriefabrik, S. 15, Historisch-Archäologischer Verein Mühlacker e.V.. Abgerufen am 07. Februar 2017.
  6. Alfred Emrich, Leben und Werk des Mühlacker Fabrikanten PDF zur Ausstellung mit Exponaten aus der Bijouteriefabrik, S. 16, Historisch-Archäologischer Verein Mühlacker e.V.. Abgerufen am 07. Februar 2017.
  7. Alfred Emrich, Leben und Werk des Mühlacker Fabrikanten PDF zur Ausstellung mit Exponaten aus der Bijouteriefabrik, Seite 19, Historisch-Archäologischer Verein Mühlacker e.V.. Abgerufen am 07. Februar 2017.

Weblinks

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