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Fahrradkurier

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Fahrradkurier in London

Fahrradkuriere (Schweiz: Velokuriere) sind Kurierdienste, die Kleintransporte mit Hilfe von Fahrrädern durchführen. Ihr hauptsächliches Einsatzgebiet sind Mittel- und Großstädte, in denen das Fahrrad eines der schnellsten Transportmittel ist.

Grundlagen

Zumeist erhalten mehrere selbständige Fahrradkuriere von einer oder mehreren Zentralen ihre Aufträge, es existieren jedoch auch klassische Arbeitsverhältnisse. Diese Fahrradkurierdienste behalten vom Auftragswert in der Regel zwischen 20 % und 35 % für die Büroorganisation und Rechnungsstellung ein.

Die Dokumente und Kleinsendungen mit einem Durchschnittsgewicht von in der Regel unter zwei Kilogramm werden meist in einer großvolumigen wasserdichten Rückentasche oder speziellen Kurierrucksäcken transportiert. Aber auch Lastenfahrräder und Räder mit Anhängern sind in einigen Städten im Einsatz. Viele Kuriere fahren Fahrräder, die sie nach eigenen Vorstellungen für die Stadt optimiert haben. Manche haben ein Eingangrad oder Fixie, andere haben normale Rennräder oder Mountainbikes mit Slick-Reifen. Außerdem sind auch ganz „gewöhnliche“ Fahrräder im Einsatz.

Arbeitsbedingungen

Ein hauptberuflicher Fahrradkurier legt bei 10 bis über 35 Aufträgen pro Tag zwischen 50 und mehr als 100 Kilometer zurück. Der Energiebedarf liegt im Schnitt bei ca. 6.000 kcal und kann je nach Konstitution des Fahrers im Winter auf über 12.000 kcal ansteigen. Hauptberufliche Fahrradkuriere fahren im Jahr oftmals über 20.000 Kilometer und haben deshalb einen sehr hohen Erholungsbedarf.

Inzwischen gibt es kaum noch reine Fahrradkurierdienste. Die meisten Firmen nutzen Kraftfahrzeuge und die Netzwerke der Over-Night-Dienstleister als Ergänzung und Erweiterung ihres Angebots.

In Deutschland sind Fahrradkuriere in der Regel selbständige Unternehmer. Sie arbeiten als Subunternehmer für eine oder mehrere Kurierzentralen, von denen sie mit Aufträgen versorgt werden. Auch eigene Rechnungsstellung oder Barzahlung ist bei manchen Kundenverhältnissen möglich. Seltener finden sich auch klassische Arbeitsverhältnisse zwischen Kurier und Kurierdienst.

In der Schweiz sind selbständige Fahrradkuriere selten, die meisten sind bei kleineren und mittleren lokalen Kurierunternehmen angestellt.

Geschichte

Während in den Jahren nach der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert der Botendienst per Fahrrad weitgehend üblich war, wurde er im Laufe der Zeit mehr und mehr durch motorisierte Boten ersetzt. Erst Mitte der 1980er Jahre und im Zuge der zunehmenden Überlastung der Straßen, der Verteuerung der Energie und des daraus resultierenden ökologischen Bewusstseins wurden Fahrradkuriere für die Wirtschaft wieder interessant.

Vor dem Beginn der zunehmenden Motorisierung

Der vermutlich erste Fahrradkurier der deutschen Geschichte war Johann Baptist Ruhdorfer aus Hohenlinden. Er fuhr mit seinem 1896 selbstgebauten Hochrad täglich nach München und Rosenheim, um dort Ersatzteile für seine Kunden zu besorgen.

Einen noch früheren Bericht gibt es von San Francisco, wo am 7. Juli 1894 der „pullman rail strike“ stattfand, ein Eisenbahnerstreik, der die Auslieferung von Postsendungen verhinderte. Durch die Idee eines Fahrradherstellers wurde mit einer Fahrradkurier-Transport-Kette die gesamte Eisenbahnstrecke in acht Bereiche eingeteilt, über die die Kuriere die Waren transportierten. Dieses Ereignis kann als Geburt des amerikanischen „bicycle messengers“ betrachtet werden.[1]

Rote Radler

Als Beispiel für deutsche Radkurierdienste der ersten Stunde können die Firmen Rote Radler aus München, Stuttgart, Freiburg und Regensburg dienen, die um 1910 mit Dreirädern Sendungen auslieferten und allseits bekannt waren. Sogar heute noch können sich alteingesessene Münchner an die freundlichen Radler erinnern, die für ihren mutigen Fahrstil bekannt waren. Die Roten Radler gibt es heute noch, sie haben sich jedoch im Laufe der Jahre zu Umzugsunternehmen entwickelt, die keine Radkuriere mehr beschäftigen. Die tiefe Verwurzelung dieser Kuriere in der Münchner Kultur zeigt sich durch ihr Vorkommen in der Erzählung Der Münchner im Himmel des Schriftstellers Ludwig Thoma.[2]

Die Kuriere der neueren Zeit

Während die Bike-Messenger in New York schon in den 1970er Jahren unterwegs waren, wurde der erste europäische Fahrradkurierdienst im neueren Sinne 1985 in München gegründet. Es war die Firma Fahrrad Kurier München von Kurt Wolfram.[3] In der Folgezeit entstanden in beinahe allen Großstädten Deutschlands Fahrradkurierdienste. Die Möglichkeit, das auf der Kurzstrecke schnellere und flexiblere Fahrrad mit der Bahn als schneller und ökologischer Alternative zwischen den Städten zu kombinieren, wurde Mitte der 1990er Jahre mit der Firma Ökourier in Köln versucht und scheiterte nach wenigen Jahren. 1996 gründete sich der Bundesverband der Fahrradkurierdienste mit dem Ziel, die einzelnen Fahrradkuriere im deutschsprachigen Raum zu vernetzen.

In den 1980ern und 1990ern entwickelte sich innerhalb der Kurierszene dann ein bestimmter Lebens- und Kleidungsstil, der die urbane Fahrradkultur beeinflusste und die Szene immer mehr auch zu einer Freizeitszene und Subkultur werden ließ. Ausgehend von Metropolen wie New York, San Francisco und London verbreitete sich in den Großstädten weltweit ein deutlich zu erkennender Kurierstil, so auch in deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München. So werden etwa praktische Fahrradsportbekleidung und wetterfeste Jacken mit kurzen Militärhosen (mit praktischen Seitentaschen), Fußballstutzen und verschiedenen Elementen der Skater-, Punk- und Hip Hopkultur gemischt.[4] In Bezug auf die Räder entwickelte sich mehr und mehr ein betont minimalistischer Stil, der ursprünglich vom Zwang zur Kostenminimierung bei den Verschleißteilen der Räder herrührte, bald aber ein eigenes ästhetisches Dogma für viele Kuriere darstellte. So verbreitete sich in der Szene die Verwendung von Eingangrädern, oder gar Bahnrädern mit starrem Gang und ohne Bremsen. Das Fahren ohne Bremsen ist jedoch illegal, da gemäß der deutschen Straßenverkehrsordnung Fahrräder mit mindestens zwei unabhängigen Bremsen ausgerüstet sein müssen. Zudem erfordert der Umgang mit derartigen Rädern einige Übung. Dennoch erweisen sich minimalistisch ausgerüstete Räder langfristig als kostengünstiger als die Schaltungen üblicher Rennräder und Mountainbikes und werden von vielen Kurieren als „stilechter“ empfunden. Somit lassen viele Kuriere ihre Räder individuell fertigen und/oder bauen sie selbst um, in vielen Städten haben sich einige Fahrradläden auf Kuriere als Kunden spezialisiert, oftmals solche Läden, deren Inhaber einst selbst als Kuriere gearbeitet haben. Im Umfeld dieser Läden treffen sich regelmäßig Kuriere, außerdem findet sich die Szene bei gemeinsamen Freizeitaktivitäten wie Radpolo und Alleycat-Rennen, bis hin zu internationalen Kuriermeisterschaften (siehe unten) zusammen.

Inzwischen ist in Städten wie New York und London dieser Stil auch unter Nichtkurieren und Freizeitfahrern auf breite Nachahmung gestoßen, so dass dort Bahnräder und die typische Kurierkleidung zum üblichen Straßenbild gehören.

Schweiz

Auch in der Schweiz gehören Fahrradkuriere seit Jahren zum Straßenbild. Erste Fahrradkurierdienste wurden zwischen 1988 und 1989 in Luzern, Bern, Basel und Zürich gegründet. Deren Erfolg führte zu einer raschen Expansion auch in kleinere Städte. Heute sind Fahrradkuriere in rund 30 Städten täglich unterwegs. Die meisten Fahrradkurierdienste der Schweiz sind über die gemeinsame Firma Swissconnect und in Zusammenarbeit mit den SBB logistisch vernetzt und führen so auch Lieferungen zwischen verschiedenen Städten aus.

Meisterschaften

Checkpunkt beim Hauptrennen während der CMWC 2008 in Eindhoven, Niederlande.
Trackstand während der Deutschen Meisterschaften der Fahrradkuriere 2007 in Frankfurt a.M.

Kuriermeisterschaften dienen der Kontaktpflege unter den Kurieren, sind aber in erster Linie sportliche Anlässe, bei denen sich die Kuriere in verschiedenen Disziplinen messen. Die Disziplinen orientieren sich an der täglichen Arbeit der Fahrradkuriere. Die Hauptrennen (mainraces) ähneln meist einem Orientierungslauf und werden auf einer abgesperrten Strecke ausgetragen. Daneben gibt es aber noch weitere Wettkampfformen: Stehend auf dem Fahrrad balancieren (Trackstand; wird mit Fahrrädern mit starrem Gang, sogenannten Fixies ausgetragen), möglichst lange Bremsspur auf den Asphalt legen (Trackskid; wird mit Fixies ausgetragen) oder nächtliche Schnitzeljagden in städtischer Umgebung (Alleycat-Rennen).

Literatur

  • Sabine Eggmann: Velokuriere in der Schweiz. Postmoderne Beweglichkeit im Alltag. (Dissertation, phil. Liz.-Arb.), Basel 1995.
  • Sabine Eggmann: Velokuriere in der Schweiz. Kulturelle Aspekte eines wirtschaftlichen Phänomens. In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 94. (1998), Heft 2, S. 137–158.

Weblinks

 Commons: Fahrradkurier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Fahrradkurier – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. http://www.messengers.org/resources/history/sf-fresno.html (Memento vom 12. Oktober 2008 im Internet Archive)
  2. Ludwig Thoma: Der Engel Aloisius – Ein Münchner im Himmel: [1]
  3. Video-Dokumentation Fahrrad-Kurier-München Der Anfang „1985“ [2]
  4. http://flickr.com/photos/59878729@N00/24899967/
  5. http://www.messmedia.org/CMWC.html vom 4. Februar 2008
  6. http://cmwc2015.com/ vom 1. Oktober 2014
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Fahrradkurier aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.