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Eva Warburg

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Führerschein von Eva Warburg, ausgestellt am 19. Mai 1933 (courtesy Yad Vashem)
Eva Unger (um 2015)
Evas Vater: Fritz M. Warburg
Evas Mutter: Anna Warburg
Von Eva Unger in Schweden erstellte Kinderlisten (Auszug)
Ein Foto aus dem Kinderheim in Hamburg
Das Kinderheim in Schweden
Kinder von Eva Ungers Heim in Schweden
Nahum Pur, Eva Ungers Schwiegersohn, am Bahnhof Berlin Moabit, von wo die Angehörigen der Elterngeneration nach Auschwitz deportiert wurden

Eva Warburg / Eva (Chava) Amalie Unger, geborene Warburg, genannt die Frau mit dem grossen Herzen (geb. 31. Januar 1912 in Hamburg; gest. 24. November 2016 in Rehovot in Israel), war eine deutsche Kindergärtnerin, die nach den Novemberpogromen 1938 mithalf, mehrere Hundert jüdische Kinder aus Deutschland nach Schweden zu retten, von wo aus sie nach Palästina auswandern sollten. Nach ihrer Heirat im Jahre 1946 trug sie den Namen Unger-Warburg. Ihr Ehemann war der 1909 geborene Naftali Unger (gest. 1987)[1], der einer der Direktoren der "Hechalutz"-Organisation in Deutschland war sowie der Mitorganisator der sogenannten Seefahrts-Hachschara.[2]

Evas Ungers Lebensgeschichte und ihr eindrucksvolles Schicksal wurden weiter bekannt durch Fotos und Dokumente, die sie Yad Vashem vermacht hatte.[3]

Leben

Eva Warburg war eine von drei Töchtern des Ehepaares Anna Warburg und Fritz Warburg und Teil des sogenannten Mittelweg-Zweiges der Hamburger Warburg-Familie.

Eva Unger wurde in eine wohlhabende Bankiersfamilie (die Inhaber der M.M. Warburg Bank) geboren, die sich seit Generationen der Philanthropie verpflichtet fühlte. Die Familie, die eher säkular war, aber eine Affinität zur jüdischen Tradition hatte, war in die deutsche Mehrheitsgesellschaft um sie herum gut integriert und lebte in einem großen Haus in Hamburg, und sie besaßen auch ein Sommerhaus außerhalb der Stadt. Evas Vater, Fritz Warburg (1878–1964), war Bankier, und ihre Mutter, Anna Warburg (1881–1967), war die erste Kindergarten-Lehrerin bzw. Kindergärtnerin in Schweden und setzte dann ihre Erziehungsarbeit in Deutschland fort. Eva Unger erzählte über ihre Kindheit, dass sie damals engen Kontakt zur Großfamilie unterhielt: zu den Eltern ihres Vaters, die ebenfalls in Hamburg lebten, sowie zu den Eltern ihrer Mutter, die in Schweden lebten und jeden Sommer mehrere Wochen zu Besuch kamen.

Während des Ersten Weltkriegs verbrachte die Familie viereinhalb Jahre in Stockholm, wo ihr Vater Fritz als deutscher Handelsattaché an der Botschaft diente. Nach Kriegsende kehrte die Familie nach Hamburg zurück.

Nach dem Abitur studierte Eva zwei Jahre am Pestalozzi-Froebel-Haus-Seminar in Berlin mit Abschluss Kindergarten-Lehrerin, absolvierte ein Praktikum in ihrer Heimatstadt Hamburg und wurde Kindergärtnerin der zweiten Generation in ihrer Familie. Über ihre schwedische Großmutter mütterlicherseits sagte Eva Warburg, sie sei "Ursprung und Ausgangspunkt aller Kindergärtnerinnen in der Familie". Auch Evas jüngere Schwester setzte die Tradition fort und wurde ebenfalls Kindergärtnerin.

Der Aufstieg der Nazi-Partei an die Macht in Deutschland hatte zunächst keinen Einfluss auf die Familie: Eva sagte, dass ihr Vater, der sehr engagiert in der Gemeinde war, glaubte, dass das Böse vorübergehen würde; er lehnte die Empfehlung seiner nichtjüdischen Freunde ab, Deutschland zu verlassen, und blieb optimistisch. Im Rahmen der deutschen Arisierungsverbrechen wurde ihnen jedoch die Bank, die im Besitz der Familie war und von Evas Vater und seinen Brüdern geführt wurde, entrissen und an den deutschen Partner weit unter ihrem wirklichen Wert übertragen.

1933 gründete Eva Unger eine Kindertagesstätte für jüdische Kinder, deren Familien sich in einer schwierigen Situation befanden und die einen erzieherisch-therapeutischen Rahmen benötigten. Die Kindertagesstätte begann mit sieben Kindern und wurde nach und nach auf etwa 60 Kinder ausgeweitet. Insgesamt besuchten etwa 250 Kinder die Kindertagesstätte bis zu deren Auflösung gegen Ende 1938. Die Kosten für die Kindertagesstätte wurden von Evas wohlhabenden Eltern getragen. Eva sagte, dass "die Kinder nach der Schule kommen, zu Mittag essen, Hausaufgaben machen und dann spielen würden." Um ihre Rolle als Erzieherin für jüdische Kinder besser ausfüllen zu können, beschloss Eva Unger, ihr Wissen über das Judentum zu vertiefen, und erhielt Unterricht im Rahmen einer Talmud Torah תלמוד תורה-Schule, um u. a. mehr über die jüdischen Feiertage zu erfahren. Zusätzlich lernte sie Hebräisch, studierte die Bibel und jüdische Geschichte. Zu dieser Zeit verstärkte sich auch ihre zionistische Einstellung durch Kontakte mit jüdischen Persönlichkeiten aus dem Jischuv, die sie hebräische Lieder lehrten und von Erez Jisrael berichteten, darunter Naftali Unger, Evas zukünftiger Ehemann.

Aufgrund der politischen Situation in Deutschland in diesen Jahren konnten Eva Unger und das Kita-Personal nicht mit den Kindern in der Stadt spazieren gehen: Im Park in der Nähe der Kindertagesstätte wurden Schilder aufgestellt, die es Juden untersagten, auf den Bänken zu sitzen, und viele Orte in der Stadt durften Juden nicht betreten. Eva Unger, die entschlossen war, den Kindern zu ermöglichen, Erholung in freier Wildbahn zu erleben, damit sie Abstand gewinnen konnten von der harten Realität, organisierte mit ihrer Familie Campinglager außerhalb Deutschlands. Die von der Familie und durch weitere Spendengelder finanzierten Camps fanden in Dänemark und den Niederlanden statt. "Für die Kinder war es eine großartig Sache", berichtete Eva Unger später. Für sie wurde es zu einer wichtigen Erfahrung, "denn dort waren wir frei."

Gegen Ende November 1938, nach der Pogromnacht, der sogenannten "Kristallnacht", emigrierte Eva Unger von Deutschland nach Stockholm, Schweden. Ihre Eltern, die vor ihr dorthin gereist waren, um eine Wohnung für die Familie zu finden, kehrten nach Deutschland zurück, um ihre Ausreisevorbereitungen abzuschließen und nach Stockholm zurückzukehren, aber Evas Vater wurde während der Kristallnacht verhaftet und sein Pass wurde beschlagnahmt. Evas Eltern gelang es schließlich, im Mai 1939 nach Stockholm zurückzukehren.

Eva Unger hatte geplant, nur eine kurze Zeit in Schweden zu bleiben und von dort nach Palästina auszuwandern, aber nach den schrecklichen Ereignissen der Kristallnacht traf sie die Entscheidung zu helfen: "Als die Situation der Juden in Deutschland immer gefährlicher wurde, intervenierte Eva tapfer. Nach rigorosen Verhandlungen gelang es ihr, 500 jüdischen Kindern zu ermöglichen, Deutschland zu verlassen und sie bei schwedischen Familien unterzubringen. Viele dieser Kinder haben ihre Eltern nie wieder gesehen. Für sie blieb Eva viele Jahre eine Art Adoptivmutter in einem fremden Land." (Aus einem Glückwunschschreiben, das von Vertretern der geretteten Kinder zu Ehren von Eva Ungers 90. Geburtstag im Jahr 2002 geschrieben wurde).

Eva wurde Leiterin der Jugend-Aliyah in Schweden. Sie sagte später aus: "Wir begannen, Kinder aus Deutschland, Österreich und Tschechien nach Schweden zu bringen und sie unter den jüdischen Familien aufzuteilen, solange dies möglich war, und als wir keine jüdischen Familien mehr fanden, gaben wir die Kinder in christliche Familien. Es gab auch zwei Gruppen von von Kindern und Jugendlichen für die Jugend-Alija. Für diese haben wir spezifische Ausbildungen und Trainings durchgeführt. Wir mieteten ein Haus und die Kinder arbeiteten für Bauern in der Umgebung. Es war wirklich ein qualifiziertes Training, und es gab Instruktoren. Daran war ich intensiv beteiligt. Dann hatten wir einen etwas kleineren Platz, wo wir religiöse Kinder unterbrachten. Insgesamt hatten wir fünf Einrichtungen für Kinder, die wir nicht in geeigneten Familien hatten platzieren können."

Ununterbrochen war Eva Unger maßgeblich daran beteiligt, die Kinder zu retten und sie dann großzuziehen, und bis 1941 konnte sie Visa für viele Jungen und Mädchen ausstellen, die nach Israel einwanderten; 1943 war sie an der Rettung von mehr als 200 Juden aus Dänemark beteiligt, indem sie Geld in Schweden sammelte und ein kleines Fischerboot finanzierte, das hin und her segelte und die Jungen von Dänemark an die Küste Schwedens brachte. 1944 meldete sie sich freiwillig, um nach Finnland zu gehen, um dort Flüchtlingen zu helfen.

Gegen Ende des Krieges assistierte sie jüdischen Mädchen, die den Holocaust überlebt hatten und aus den Konzentrationslagern Ravensbrück und Theresienstadt im Rahmen der vom Schwedischen Roten Kreuz organisierten Operation "Weiße Busse" unter der Leitung von Folke Bernadotte aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gestapo-Chef Heinrich Himmler nach Schweden kamen.

Während des Holocaust diente sie als Adresse für die Versendung von Postkarten mit Lebenszeichen aus dem Inferno in Auschwitz an eine Gruppe von Jungen und Mädchen, die im April 1943 auf einen Transport Nr. 37 von Berlin nach Auschwitz geschickt wurden (darunter Ora Borinsky, Hilda Simcha, Esther Pur, Hannah Engel und andere, die den Holocaust überlebten), die sie später im Kibbuz Netzer Sereni kennenlernte, wo sie ihnen die Originalpostkarten zurückgeben konnte, die sie von ihnen aus Auschwitz erhalten hatte).

Während all ihrer Tätigkeit während des Krieges strebte Eva die Einwanderung nach Palästina an und verfügte sogar über ein entsprechendes Zertifikat, blieb aber schließlich bis Ende 1945 in Schweden. All diese Jahre hindurch hielt sie Kontakt zu ihrem zukünftigen Ehemann Naftali, der fast 6 Jahre in der britischen Armee und in der jüdischen Brigade diente. Nach ihrer Einwanderung nach Palästina, also ihrer Aliyah im Januar 1946, traf sie zehn Jahre nach der Trennung von ihrem Partner im Kibbuz Givat Brenner wieder mit ihm zusammen.

Drei Monate später heirateten sie und hatten dann bald eine Tochter (namens Dvora, jetzt verheiratet mit Nahum Pur, der später Kibbuzsekretär von Netzer Sereni war) und zwei Jahre später einen Sohn, Gabi. 1952, nach der Spaltung der Kibbutz-Bewegung, wechselten sie in den Kibbuz Netzer Sereni. In Israel kümmerte sich Eva Unger um Bildung und Kinderbetreuung und blieb die "Frau mit dem großen Herzen", diejenige, die in ihrer Heimatstadt mit der Einrichtung einer Kindertagesstätte für jüdische Kinder begann, sie mit großer Sorgfalt umsorgte und Hunderte von Kindern mit Mut und Einfallsreichtum und unter grosser Gefahr vor dem Nazi-Regime rettete. Die Verbindung zu den Kindern in Hamburg und zu den Jungen und Mädchen, die sie nach Schweden holen konnte, wurde über viele Jahre aufrechterhalten, und mit einigen von ihnen blieb sie bis zu ihrem letzten Tag in Kontakt.

Forschungsstand, Rezeption, mediale Aufarbeitung

Obwohl es viele Hinweise auf Eva Warburgs Aktivitäten zum Überleben jüdischer Kinder gibt, waren biografische Daten über sie lange nur vereinzelt vorhanden. Anne E. Dünzelmanns kurzer Abriss aus dem Jahr 2015 war fast schon das Komplexeste, was man über Eva Warburgs Leben in Erfahrung bringen konnte: „Tochter von Anna und Fritz Warburg [..] aus Hamburg und von Beruf Kindergärtnerin. Reiste nach der Pogromnacht 1938 nach Stockholm und arbeitete dort für die Jüdische Gemeinde. War Mitarbeiterin des Hilfsvereins deutscher Juden und kümmerte sich um die Kinderalijah bzw. Kindertransporte nach Schweden (vgl. Klas Back). Lebte zum Schluss in Rehovot/Israel.“[4] Aus dem Nachruf (siehe Weblinks) ist zu entnehmen, dass sie nach ihrem Abitur eine Kindergärtnerinlehre absolviert oder ein Kindergarten-Lehrerin-Seminar besucht haben soll. In der Yad-Vashem-Dokumentation (siehe Werke und Nachlass) sind auch nur rudimentäre biografische Daten enthalten: „Eva Warburg nahm ihre Tätigkeit für die Jugend-Alijah im Jahre 1938 in Schweden auf, u. a. weil sie seit ihrer Kindheit Schwedisch sprach. Eva Warburg hatte bis dahin in Hamburg ein Kinderheim geleitet.“ Auch in der umfangreichen Familien-Biografie von Ron Chernow finden sich nur vereinzelte Hinweise auf Eva. Unter anderem berichtet er, dass sie Mitte der 1930er Jahre unter antisemitischen Schmähungen ihre Anstellung in einem Kindergarten verloren und darauf eine eigene Kindertagesstätte eingerichtet habe. Er sei vor allem von Kindern orthodoxer Juden besucht worden, Eva habe sich dem Zionismus zugewandt und die koschere Küche eingeführt.[5] Diese Darstellung von Chernow wird auch von ihrer Schwester Ingrid in deren Buch Erinnerungen bestätigt:

„Inzwischen war der Druck auf unsere Familie unerträglich stark geworden. Meine Mutter war schon 1933 vom Vorsitz des Fröbelvereins zurückgetreten und hatte ihre Arbeit in den Vorständen vieler Hamburger Kindergärten sowie im Amt für Jugend aufgeben müssen. Sie half meiner Schwester Eva bei ihrer Arbeit im jüdischen Kindergarten. Diesen Hort hatte Eva gegründet, als sie nicht mehr in ihrem Kindergarten am Hafen arbeiten konnte. Die Kinder kamen jetzt nicht mehr aus der Hafengegend, sondern aus dem Viertel um die Hamburger Synagoge. Viele von ihnen waren orthodox erzogen. [..] Mit Unterstützung meiner Mutter wurde Eva in diesem Kindergarten mehr als eine Erzieherin: Sozialarbeiterin und Auswanderungshilfe. Beide lernten in dieser Zeit vieles über die jüdische Geschichte und Religion, um den Ansprüchen der Eltern und der Kinder gerecht werden zu können. Eva begann, sich sehr intensiv mit dem Zionismus zu beschäftigen und für die Auswanderer zu arbeiten. Sie hat sogar eine Zeitlang versucht, unseren Haushalt koscher zu machen, was ihr aber nicht gelang. [..] Als die Familie dann 1939 nach Schweden emigrierte, hat Eva alle Kinder ihres Kindergartens mit nach Stockholm genommen und ihnen bei der Emigration geholfen. In Schweden hat sie sie in jüdisch-schwedischen Familien untergebracht. Von Stockholm aus arbeitete Eva dann für die Jugend Alijah, die Auswanderung nach Palästina.[6]

Zu Eva Warburgs Übersiedelung nach Schweden schreibt Rudberg, dass diese auf Einladung der „Mosaiska församlingen i Stockholm (The Jewish Community of Stockholm)“ erfolgt sei. Eva Warburg habe diese Einladung auf ausdrücklichen Wunsch von Henrietta Szold angenommen und sei die Repräsentantin der Kinder- und Jugend-Alijah in Stockholm geworden. Wieviele ihrer Kindergarten-Kinder sie mit nach Schweden gebracht habe, sei allerdings unklar: Von den ungefähr 45 Kindern aus ihrem Hamburger Kindergarten seien vermutlich die meisten in andere Länder emigriert und lediglich neun mit ihr nach Schweden gekommen.[7] Chernow und ihre Schwester Ingrid berichten übereinstimmend, dass Eva Warburg eigentlich damals schon nach Palästina hätte auswandern wollen, dies aber auf Wunsch von Henrietta Szold unterlassen habe.[8]

Eva Warburgs Schwestern waren Ingrid Warburg Spinelli und Noni Warburg Shalmon, die 1939 an der Quäkerschule Eerde ihr Examen abgelegt hatte und anschließend in einem von den Quäkern betreuten Kindergarten in Stockholm arbeitete. Im Gegensatz zu Ingrid, die bis zu ihrem Tod in Rom lebte, übersiedelten die beiden anderen Schwestern nach Israel.

Die Kinder von Blankenese ist ein deutsches TV-Dokudrama aus dem Jahr 2010. Ort der Handlung ist das sogenannte „Weiße Haus“ der Familie Warburg in Hamburg-Blankenese. „Der gesamte Besitz auf dem Kösterberg in Blankenese wurde während der nationalsozialistischen Herrschaft requiriert. [..] Nach Beendigung des 2. Weltkrieges erhielt Erik Warburg, zurückgekehrt aus dem Exil, die Besitztümer auf dem Kösterberg wie u. a. das Weiße Haus zurück. Für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, die als Überlebende in den Konzentrationslagern (insbesondere Bergen-Belsen) durch die alliierten Truppen befreit worden waren, stellte die Familie Warburg von 1946–1948 das Weiße sowie das Rote Haus zur Verfügung.“[9] Im Weißen Haus, auch bekannt als Warburg Childrens Health Home, erfuhren die aus dem KZ befreiten Kinder „Zuwendung und Wärme. Ihre Erzieher und Erzieherinnen umarmten sie, küßten sie, kämmten ihnen ihre Haare, umhegten und versorgten die verängstigten Kinder. Die meisten von ihnen haben diese Zärtlichkeit nie vergessen. In Israel gründeten sie einen Verein und hielten immer Kontakt zu Eva Warburg-Unger, der Cousine von Eric Warburg, die sie betreute und heute in Israel lebt.“[10]

Hilfe für verfolgte jüdische Kinder in Schweden

Die schwedische Politik gegenüber Juden, die nach Schweden einreisen wollten, war eher restriktiv:

„Until 1939, the care and support of refugees was seen entirely as the responsibility of the organization or individual who had provided authorities with the guarantees made on behalf of the refugees. [..] Jewish refugees were seen primarily as the responsibility of Sweden’s small Jewish communities. In 1933, there were approximately 7,000 Jews in Sweden, 4,000 of whom lived in Stockholm. Because membership in a religious congregation was mandatory according to Swedish law, all Jews with Swedish citizenship belonged to one of the official Jewish communities. All of the major communities created their own relief committees to raise and distribute funds for Jewish victims of Nazi persecution.
Despite Sweden’s restrictive immigration policy, local Jewish representatives managed to negotiate a few concessions. The first was a transmigration quota that allowed for temporary residence permits to be given to young Jews who did their agricultural re-training on Swedish farms. The program was run by the Zionist Hechaluz movement and gave the youth the work experience required to obtain immigration certificates to Palestine. The second was a similar quota for German Jewish school children who attended the Landschulheim Kristinehov boarding school.[11]

Gleichwohl war noch 1938 der damalige schwedische Außenminister der Meinung, der Zuzug jüdischer Menschen „könnte ‚die öffentliche Meinung im Land negativ beeinflussen.‘ Darin unterstützt wurde er durch die Jüdische Gemeinde in Stockholm, ‚die mit ihren, als minderwertig angesehenen Glaubensgenossen aus dem Osten nichts zu tun haben wollte‘, so Weiss. Trotzdem durfte nach 1939 ein Kontingent von 400 Juden in Schweden einreisen, ausgehandelt von Cora Berliner von der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. Ebenso konnten dank der Bemühungen von Eva Warburg 450-500 deutsch-jüdische Kinder aufgenommen werden.“[12]

Eva Warburg lebte 1938 bereits in Schweden und kümmerte sich insbesondere um die Minderjährigen im Rahmen der Kinder- und Jugendalija. Wie bei den Kindertransporten nach England hatten sich auch in Schweden „jüdische Spender und die jüdische Gemeinde als Bürgen für die Kinder zur Verfügung gestellt. Den Eltern sollte dadurch die Ausreisemöglichkeit in ein Exilland erleichtert werden. Die Jugendlichen der Kinder- und Jugendalija waren zwar auf der Kinderquote ins Land gekommen, sollten jedoch, anstatt in einem Exilland mit ihren Eltern wiedervereint zu werden, zusammen mit anderen Jugendlichen in Kibbuzim nach Palästina auswandern. Ein großer Teil von ihnen war in einem von Eva Warburg initiierten Heim in der Nähe der Stadt Falun untergebracht worden. Dort arbeiteten die meisten bei den Bauern der Umgebung. Sie wohnten und lernten allerdings gemeinsam im Heim, was dadurch einem Kibbuz glich.“[13]

Doch nicht für alle dieser etwa 500 Kinder und Jugendlichen, die mit Eva Warburgs Unterstützung nach Schweden gekommen waren, gab es auch die Perspektive einer Auswanderung nach Palästina. Gleichwohl grenzte es bereits an ein Wunder, „dass die Jewish Agency die gesteigerte Gefahr für die Kinder in Schweden realisiert hatte und entgegen ihrer bisherigen Politik insgesamt großzügig 95 der von ihr im Auftrag der Mandatsregierung verwalteten Zertifikate für die Einreise nach Palästina auf einmal für die Jugendlichen in Schweden erteilte.“[13] Doch damit war die tatsächliche Ausreise noch immer nicht gesichert.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte nämlich weitreichende Folgen für die Auswanderung aus Schweden. Kommunikations- und Reisewege waren plötzlich drastisch eingeschränkt und verursachten hohe Kosten, denn faktisch stand „nur noch der sehr beschwerliche und zudem sehr teure Landweg über die Sowjetunion“ offen, und die dafür benötigten Mittel von jüdischen Netzwerken in Westeuropa oder den USA konnten nach dem deutschen Westfeldzug nicht mehr transferiert werden.[13] Eva Warburg versuchte, diesen Wegfall der ausländischen finanziellen Unterstützungen durch eine erhöhte Spendenbereitschaft der jüdischen Gemeinde in Stockholm zu kompensieren. Allerdings waren deren finanzielle Ressourcen schon ziemlich erschöpft, weshalb Eva Warburg argumentierte, durch die Ausreise der Kinder und Jugendlichen würden eben auch Mittel frei, die bisher für deren Unterbringung in Schweden benötigt worden seien. Durch diese Gegenrechnung – eingesparte Aufenthaltskosten in Schweden versus Reisekosten für den Transfer nach Palästina – konnte Eva Warburg überzeugen.[13]

Nachdem die Finanzierung der Ausreise nach Palästina gesichert war, taten sich andere schwerwiegende Hindernisse auf. „Neben den Kosten gestaltete sich die Visaerteilung als größtes Hindernis. Auf der geplanten Route wurden Visen für Litauen, die Sowjetunion, die Türkei und Syrien benötigt. Insbesondere die türkische Regierung schien zögerlich gewesen zu sein. In Ankara bestand man auf schriftlichen Garantien, dass alle anderen Länder Durchgangsvisen erstellt hatten. Das syrische Visum hing jedoch vom türkischen ab. Nicht nur Chaim Weizmann, der Präsident der Zionistischen Weltorganisation, setzte sich persönlich beim türkischen Botschafter in London ein, die Jewish Agency schickte einen eigenen Vertreter nach Istanbul.“[13] Entsprechend „den seit 1938 geltenden türkischen Bestimmungen war Juden aus Ländern mit judenfeindlicher Gesetzgebung (das waren inzwischen die meisten Staaten Ost- und Südosteuropas) eine Einreise in oder der Transit durch die Türkei generell verboten. Ausnahmegenehmigungen bedurften einer Entscheidung der türkischen Regierung. [..] Die Tatsache, dass jede Transitgenehmigung einen eigenen Beschluss des gesamten türkischen Kabinetts erforderte, unterstreicht, wie schwierig der Transit für größere Zahlen von Flüchtlingen durch die Türkei war.“[14]

Guttstadt erwähnt, dass im August 1940 von der türkischen Regierung „ein Transitvisum für die Durchreise einer Gruppe von 450 deutsch-jüdischen Kindern und Begleitern [gewährt worden sei], die im Dezember stattfand“[15], die von Eva Warburg betreuten Kinder und Jugendlichen aus Schweden waren aber offensichtlich nicht darunter. Ende September 1940 lag in Stockholm noch kein Transitvisum für die Türkei vor, und bis heute herrscht keine Klarheit darüber, ob die Gruppe Schweden tatsächlich noch verlassen hat.

„Darüber, ob die Kinder letztlich wirklich nach Palästina gelangten, gibt uns die Quelle selbst keinen Aufschluss. In den Aufzeichnungen der jüdischen Gemeinde Stockholm und ihres Hilfskomitees finden sich für die Zeit nach Oktober 1941 keine Berichte über die Ausreise einer so großen Anzahl von Kindern und Jugendlichen und Hälsinggården wurde nicht aufgelöst. Im Gegenteil, der Kibbuz wuchs sogar weiter an, als die Chaluzim aus Dänemark im Oktober 1943 nach Schweden kamen. [..] Es ist zu hoffen, dass es einigen nach der Befreiung Europas 1945 gelang, doch noch nach Palästina auszuwandern.[13]

Das in dem Zitat erwähnte Kibbuz Hälsinggården war ein Projekt, das Eva Warburg in der Zeit des Wartens auf das Transitvisum gestartet hatte. Es sollte eine Zweiganstalt der Jugendalija werden und war vermutlich auch zu einem Teil der Resignation über die sich hinziehenden Visaverhandlungen geschuldet.[13][16]

In memoriam

Ein wenig über Eva Warburgs Leben nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weiß Chernow zu berichten: „Eva führte ihre durch das Dritte Reich unterbrochene Arbeit mit kleinen Kindern fort und kümmerte sich um fünfzig Kinder in einem Kibbuz. Weil sie eintausendsiebenhundert auf Zypern internierte jüdische Waisenkinder nach Palästina bringen wollte, wandte sie sich 1947 mit der Bitte um Hilfe an Elenor Roosevelt, die ihren Brief an Präsident Truman weiterleitete.“[17] Wie erfolgreich diese Initiative war, ist nicht überliefert.

Am 31. Januar 2012 feierte Eva Warburg ihren einhundertjährigen Geburtstag.[18] An dieses Ereignis erinnerte die Schule, die in Hamburg den Namen ihrer Mutter trägt und der Eva Unger-Warburg eng verbunden blieb.[19]

Eva Warburg-Unger ist am 24. November 2016 im Alter von 104 Jahren gestorben. Auf einer israelischen Webseite ist der Nachruf der „Frau mit dem großem Herzen“ gewidmet. Der Artikel in hebräischer Sprache enthält viele Details über Eva Warburgs Leben.[20]

Werke und Nachlass

  • Eva Unger Warburg; Philip Warburg: From Mittelweg to the Middle East. Warburg family migrations to Israel. Warburg family reunion, Mohonk Mountain House, Rehovot, 1999. Nachweis ausschließlich im WorldCat: From Mittelweg to the Middle East. Der Titel spielt an auf die Wohnung Mittelweg 17 in Hamburg, in der Eva Warburg einen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbrachte.
  • In der „Digital Collection“ von Yad Vashem gibt es die Documentation regarding the activities by Eva Warburg in rescuing children before the outbreak of the war, 1938–1966. Dazu zählen:
    • 1. Interview with Eva Warburg regarding her activities in Sweden in rescuing children through Youth Aliyah, from 1938, 1966
    • 2. Report regarding the journey Warburg made to Germany 14 years later;
    • 3. Letters by Hamburg Jewish community members to Dr. Warburg in Sweden, 1942;
    • 4. Correspondence regarding the establishment of a DP camp in Koesterberg-Blankenese that would be under the jurisdiction of the JDC;
    • 5. Miscellaneous items: Lists of children, poems, newspaper clippings of photographs and articles, booklets regarding the Jewish hospital in Hamburg, Youth Aliyah and more.
      Der Bestand ist komplett als pdf-File downloadbar.[21] Leider ist das ausführliche Interview (Punkt 1) mit ihr aus dem Jahre 1966 nur in hebräischer Schrift dokumentiert. Die im Punkt 3 dokumentierten Briefe sind spannend, betreffen aber weniger sie, sondern die Aktivitäten zur Errichtung eines Displaced-Person-Camps in dem oben schon erwähnten „Weißen Haus“ in Hamburg-Blankenese.

Literatur

Weblinks (Auswahl)

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Eva Warburg & Naftali Unger
  2. Zur Geschichte der Seefahrts-Hachschara siehe auch: Ina Lorenz: Seefahrts-Hachschara in Hamburg (1935–1938). Lucy Borchardt: „Die einzige jüdische Reederin der Welt.“
  3. Im Rahmen des Yad-Vashem-Projekts "Collecting the Fragments" reichte Eva Unger Fotografien, Dokumente und Briefe ein. Zu den Gegenständen, die sie zur Verfügung stellte, gehörten eine Liste mit Namen von Kindern, die nach Schweden entkommen konnten; weitere von ihr erstellte Listen, um die Verbindung zwischen den Kindern und ihren Eltern und das Schicksal ihrer Eltern zu dokumentieren; Briefe und Zeichnungen von Kindern der Kindertagesstätte; Fotografien, die in Hamburg und Schweden aufgenommen wurden; Familienfotos, eine Abschlussarbeit über den Status der Frau, die Eva Unger 1928 im Rahmen ihrer Ausbildung geschrieben hatte, und vieles mehr. -- Die nationale Operation zur Sammlung der Stücke wurde in zeitlicher Nähe zum Holocaust-Gedenktag 2011 (April) gestartet und wird seitdem in großem Umfang fortgesetzt. Seit Beginn der Kampagne wurden über 202.000 Gegenstände, die gespendet wurden, von mehr als 9.300 Holocaust-Überlebenden und ihren Familien gesammelt und eingereicht, darunter 115.000 Dokumente, 80.600 Fotografien, 3.900 Objekte, 615 Kunstwerke, 176 Originalfilme und mehr. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit und Unterstützung des Landmark-Projekts der Heritage Division im Ministerium für Absorption sowie mit Unterstützung des Ministeriums für soziale Gleichheit und des Bildungsministeriums durchgeführt.
  4. ANNE E. DÜNZELMANN: STOCKHOLMER SPAZIERGÄNGE (Memento vom 19. Mai 2015 im Internet Archive), S. 64. Auf youtube gibt es – in hebräischer Sprache – ein über einstündiges Interview mit Eva Unger-Warburg aus dem Jahre 2014.
  5. Ron Chernow: Die Warburgs. Odyssee einer Familie, S. 515
  6. Ingrid Warburg Spinelli: Erinnerungen, S. 150–151.
  7. Pontus Rudberg: The Swedish Jews and the victims of Nazi terror, 1933–1945, S. 48–49.
  8. Ron Chernow: Die Warburgs. Odyssee einer Familie, S. 573; Ingrid Warburg Spinelli: Erinnerungen, S. 151. Auf die Frage, wieviele Kinder aus dem früheren Kindergarten zusammen mit Eva Warburg zuerst nach Schweden und später nach Israel gegangen seien, gibt auch Warburg Spinelli keine präzise Antwort und spricht nur „von fast allen“.
  9. Geschichte des Weißen Hauses in Blankenese
  10. Die Kinder von Blankenese
  11. Pontus Rudberg: Sweden and Jewish Refugees from Nazi Germany, 1933–1939, S. 68–69
  12. ANNE E. DÜNZELMANN: STOCKHOLMER SPAZIERGÄNGE (Memento vom 19. Mai 2015 im Internet Archive), S. 6
  13. 13,0 13,1 13,2 13,3 13,4 13,5 13,6 Clemens Maier-Wolthausen: Eine unmögliche Reise (Weblink)
  14. Corry Guttstadt: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, S. 237
  15. Corry Guttstadt: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, S. 237
  16. Die Geschichte des Kibbuz Hälsinggården war Gegenstand des Films „Der Kibbuz in Falun“, über den die Zeitung DAGEN am 29. Januar 2009 berichtete und in dem auch Eva Warburg zu Wort kam. Kibbutzen i Falun blev en fristad för 60 judiska barn (Der Kibbuz in Falun wurde ein Hafen für 60 jüdische Kinder)
  17. Ron Chernow: Die Warburgs, S. 728
  18. Auf den Spuren der Namenspatronin
  19. Anna-Warburg-Schule gratuliert Eva Unger-Warburg zum 100. Geburtstag
  20. Eva Warburg, die Frau mit dem großen Herzen (in hebräischer Sprache).
  21. Digitale Sammlung Eva Warburg

Andere Wikis

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