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Ersitzung

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Ersitzung (lat. usucapio[1]) ist der Erwerb an Sachen im Sinn des bürgerlichen Rechts durch Zeitablauf und Eigenbesitz.

Allgemeines

Eigentum kann auf verschiedene Weisen erworben werden. Die Ersitzung ist eine davon. Wer eine Sache „ersitzt“, der hat sie vorher über eine bestimmte Zeit hinweg in einer bestimmten Weise besessen (daher die Bezeichnung: qualifizierter Besitz). Besitz und Eigentum sind aus juristischer Sicht nicht dasselbe.

Folgendes Beispiel mag die Ersitzung verdeutlichen: Wenn sich herausstellt, dass der Veräußerer einer Sache weder deren Eigentümer war noch sonst über die Sache verfügungsbefugt gewesen ist, so kann der Erwerber aus einem Rechtsgeschäft mit dem „Veräußerer“ an dem Gegenstand des Rechtsgeschäfts zwar bestenfalls den Besitz erlangen, nicht aber das Eigentum daran. Ist also ein von dem vorherigen Eigentümer abgeleiteter (derivativer) Eigentumserwerb misslungen, so kann der Besitzer trotzdem unter bestimmten Voraussetzungen Eigentum an der Sache erwerben. Dabei handelt es sich dann um einen eigenständigen (originären) Erwerb.

Nach Ablauf der Ersitzungsfrist gehört die Sache dem Ersitzenden. Der bisherige Eigentümer verliert sein Recht. Ihm steht auch kein Wertersatzanspruch gegen den Erwerber zu.

Deutsches Recht

Die Ersitzung ist eine Art des Rechtserwerbs, insbesondere des Eigentumserwerbs an Sachen im rechtlichen Sinne. Ihre Bedeutung ist im deutschen Recht im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen herabgesetzt, weil das deutsche Recht den gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen kennt, siehe auch Übereignung. Der Anwendungsbereich der Ersitzung beschränkt sich daher nahezu auf dem Eigentümer abhandengekommener beweglicher Sachen.[2] So kann der gutgläubige Besitzer auch das Eigentum an gestohlenen Sachen erwerben.[3] Dies war nach den Zwölftafelgesetzen im Römischen Recht nicht möglich, wie bei den Institutionen des Gaius, 2.45 Tafel XII 8.17, nachgewiesen. Gestohlene Sachen waren nach römischem Recht „unersitzbar“.[4]

Bewegliche Sachen (§§ 937–945 BGB)

Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre lang redlich in Eigenbesitz (§ 872 BGB) hat, erwirbt nach deutschem Recht das Eigentum (§ 937 BGB). Die Ersitzung verschafft also demjenigen, der sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes redlich für den Eigentümer hält, ohne dies wirklich zu sein, etwa weil die erworbene Sache beispielsweise einem anderen abhandengekommen war, das Eigentum, wenn er die Sache die ganze Zeit als ihm gehörig besessen hat.

Das Gesetz beseitigt damit nach dem Ablauf der Ersitzungsfrist die Diskrepanz zwischen vermeintlicher und wahrer Rechtslage und trägt der Tatsache Rechnung, dass nach Ablauf langer Zeit erhebliche Beweisschwierigkeiten bestehen werden, die Umstände des Besitzverlustes beim früheren Eigentümer noch aufzuklären.[5]

Der Erwerb des Eigentums entspringt dem sogenannten „Beharrungs-“ oder „Kontinutätsinteresse“ des Eigenbesitzers.[5] Redlich handelt der Ersitzer nur, wenn er sowohl beim Erwerb des Besitzes als auch während der Ersitzungsfrist in gutem Glauben an sein Eigentum war. Dabei schadet beim Besitzerwerb schon die grob fahrlässige Unkenntnis, dass er kein Eigentum erworben hat.[6]

Die Ersitzung führt zum Erwerb lastenfreien Eigentums (§ 937 BGB).[7]

Streitig ist, ob die Ersitzung zu bereicherungsrechtlichen Ansprüchen führt. Problematisch ist dabei, ob der Eigentumserwerb ohne Rechtsgrund im Sinne von § 812 BGB erfolgt. Das Gesetz enthält keine Verweisung auf das Bereicherungsrecht wie in § 951/§ 977 BGB. Einer anderen Ansicht zufolge bestehe ein Anspruch aus Leistungskondiktion, wenn der Eigenbesitz nach einer fehlgeschlagenen Leistungsbeziehung zum Voreigentümer erlangt worden war. In diesem Fall soll über § 818 I BGB die Herausgabe der Sache verlangt werden können.[8] Streitig ist ebenfalls, ob eine Eingriffskondiktion, die lediglich auf den Eigentumsverlust gestützt wird, in Betracht komme.[9] Die praktische Bedeutung der auf die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 130, 69 zurückgehenden Literaturstreite ist nur gering.[10]

Immobilien

Das Eigentum an einem Grundstück kann ebenfalls ersessen werden. Hier spricht man von der sogenannten „Buch-“ oder „Tabularersitzung“.[5] Nach deutschem Recht (§ 900 BGB) ist dazu notwendig, dass die Person, zu deren Gunsten die Ersitzung wirksam werden soll, 30 Jahre lang

  • im Grundbuch – unberechtigt – als Eigentümer eingetragen ist, und
  • das Grundstück auch tatsächlich in Eigenbesitz hatte. Auf einen guten Glauben kommt es dabei – anders als bei beweglichen Sachen – nicht an. Unter gleichen Voraussetzungen ist eine Ersitzung bei zum Besitz berechtigenden Grundstücksrechten möglich (z. B. bei Grunddienstbarkeit).

Nach § 927 BGB kann ein Eigenbesitzer im Aufgebotsverfahren ein Ausschlussurteil erwirken, das den Eigentümer aus seinem Recht ausschließt, und es sich durch Eintragung im Grundbuch aneignen (Kontratabularersitzung).

Österreichisches Recht

Die Ersitzung ist im österreichischen Recht sowohl eine Art des originären Eigentumserwerbs als auch eine Möglichkeit des Rechtserwerbs an einer Servitut.

Die Ersitzung kommt in folgenden Formen vor:

Eigentliche Ersitzung

Sie ist die „klassische“ Form der Ersitzung, die „Ersitzungsbesitz“ (also rechtmäßigen, redlichen und echten Besitz) erfordert. Sie ist dadurch charakterisiert, dass sie das fehlende Eigentum des Vormannes durch den Ablauf der Zeit ersetzt. Die Ersitzungsfrist ist für bewegliche Sachen 3 Jahre, für unbewegliche 30 Jahre.

Der durch Rechtmäßigkeit, Redlichkeit und Echtheit qualifizierte Besitz ist durch die Actio Publiciana besonders geschützt.

Uneigentliche Ersitzung

Sie erfordert bloß redlichen und echten Besitz. Ein Titel (beispielsweise Kauf, Tausch, Schenkung), also rechtmäßiger Besitz, ist nicht erforderlich. Die Ersitzungsfrist beträgt hier, unabhängig von der Beweglichkeit der Sache, 30 Jahre.

Auf diese Art können auch Servituten, wie beispielsweise Wege- oder Fahrrechte, ersessen werden. Verhindert der Eigentümer einer Liegenschaft 30 Jahre hindurch nicht beispielsweise die Benützung eines Weges durch den Nachbarn, so kommt es zum (außerbücherlichen) Rechtserwerb an der Servitut. Um gutgläubigen lastenfreien Erwerb entsprechend dem negativen Publizitätsprinzip – was nicht eingetragen ist, gilt nicht – zu verhindern, ist hier eine möglichst baldige Eintragung zu empfehlen.

„Freiheitsersitzung“

Wenn eine Dienstbarkeit („Servitut“) im obigen Sinn ersessen worden ist, der Eigentümer des dadurch belasteten („dienenden“) Grundstücks aber die Ausübung der Dienstbarkeit tatsächlich behindert (indem er zum Beispiel den Servitutsweg absperrt oder unbefahrbar macht), erlischt diese Dienstbarkeit nach drei Jahren. Um das zu verhindern, muss vor Ablauf der Frist eine Klage bei Gericht einlangen.

Auch Dienstbarkeiten, die nicht durch Ersitzung erworben wurden, erlöschen durch Freiheitsersitzung. Wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist, wird nach Ablauf von drei Jahren ab Errichtung des Hindernisses der Grundbuchsstand unrichtig (weil die eingetragene Dienstbarkeit durch Freiheitsersitzung untergegangen ist). Der Eigentümer des dienenden Grundstücks kann auf Löschung der unrichtig gewordenen Eintragung klagen.

Solange eine erloschene Dienstbarkeit im Grundbuch noch eingetragen ist, kann sie im Vertrauen auf den Grundbuchsstand gutgläubig erworben werden. Gutgläubigkeit setzt aber voraus, dass für den Erwerber nicht erkennbar ist, dass der Ausübung tatsächlich ein Hindernis entgegensteht.

Praktische Bedeutung

Da die eigentliche Ersitzung rechtmäßigen Besitz, also einen Titel wie Kauf, Tausch oder Schenkung erfordert, ist sie da von Bedeutung, wo ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten nicht erfolgen konnte (beispielsweise weil nicht vom Gewerbsmann erworben wurde): Der beispielsweise Käufer einer beweglichen Sache hat weder primär derivativ erworben, noch sekundär gutgläubig erworben, kann aber letztlich doch – Redlichkeit während der gesamten Frist freilich vorausgesetzt – nach Ablauf der 3 Jahre durch Ersitzung Eigentum erwerben.

Bei Liegenschaften kann es vorkommen, dass die Liegenschaft zwar übergeben wird, die Einverleibung ins Grundbuch jedoch unterbleibt. Dadurch hat der Übernehmer zwar Besitz (Naturalbesitz), jedoch noch kein Eigentum erworben. Nach Ablauf der 30-jährigen Frist wird er durch Ersitzung (außerbücherlich) Eigentümer. In der Zwischenzeit ist er, vorausgesetzt er ist rechtmäßiger Besitzer, durch die Actio Publiciana (Österreich) vindikatorisch wie negatorisch geschützt.

Schweizer Recht

Die Ersitzung beweglicher Sachen ist in Artikel 728 des Zivilgesetzbuches geregelt, dieser hält fest:

1 Hat jemand eine fremde bewegliche Sache ununterbrochen und unangefochten während fünf Jahren in gutem Glauben als Eigentum in seinem Besitze, so wird er durch Ersitzung Eigentümer. (…)

Für Haustiere ist eine Ersitzungsfrist von zwei Monaten festgelegt, für bestimmte Kulturgüter 30 Jahre.

Die Ersitzung von Grundeigentum regeln die Artikel 661-663 des ZGB, welches dabei zwischen der Ordentlichen Ersitzung und der Ausserordentlichen Ersitzung unterscheidet:

5. Ersitzung
a. Ordentliche Ersitzung
Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
b. Ausserordentliche Ersitzung
1 Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde. (…)

Diese Fälle der Ersitzung von Grundeigentum (inklusiver der Ersitzung von dauernden und selbstständigen Rechten gem. Art. 655 II 2 ZGB und Dienstbarkeiten gem. Art. 731 III ZGB) sind abschließend aufgeführt. Das Schweizer Recht sieht also im Gegensatz zum Deutschen Recht keine Kontratabularersitzung von Grundeigentum vor.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Ersitzung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Schweizer Recht:

Einzelnachweise

  1. Max Kaser: Römisches Privatrecht. 15., verbesserte Auflage, 1989, ISBN 3-406-33726-0, § 25 II = S. 118 ff.
  2. Fritz Baur: Lehrbuch des Sachenrechts. 14., neubearbeitete Auflage, 1987, § 53h I = S. 528: „… heute nur noch in atypischen Fallgruppen wirksam…“.
  3. Hans Josef Wieling: Sachenrecht. Band 1: Sachen, Besitz und Rechte an beweglichen Sachen. 2., vollst. überarb. Aufl., Springer, Berlin/Heidelberg 2006, ISBN 978-3-540-29869-4, S. 422.
  4. Max Kaser: Römisches Privatrecht. 15., verbesserte Auflage, 1989. ISBN 3-406-33726-0, § 25 I 2b = S. 118.
  5. 5,0 5,1 5,2 Fritz Baur: Lehrbuch des Sachenrechts. 14., neubearbeitete Auflage, 1987, § 53h I = S. 529.
  6. Fritz Baur: Lehrbuch des Sachenrechts. 14., neubearbeitete Auflage, 1987, § 53h II = S. 530: Gleich § 950 BGB.
  7. Fritz Baur: Lehrbuch des Sachenrechts. 14., neubearbeitete Auflage, 1987, § 53h III = S. 531.
  8. Peter Bassenge, in: Palandt, BGB, 67., neubearbeitete Aufl., München 2008, ISBN 978-3-406-56591-5, Vor § 937 BGB Rn. 2 mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand.
  9. Othmar Jauernig, in: Ders., BGB, 11., neubearbeitete Auflage, München 2004, ISBN 3-406-51820-6, Vor § 937 BGB Rn. 4 mit weiteren Nachweisen.
  10. Zum ganzen ausführlich: Werner Lorenz, in: Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung, Dezember 1993, Vor §§ 812 ff. BGB Rn. 38.
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