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Ernst Herz (Kaufmann)

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Ernst Herz (geb. 20. Oktober 1892 in Butzheim; gest. 1944 in Kandrzin-Cosel) war ein deutscher Kaufmann jüdischer Herkunft. Er kam im KZ Blechhammer, einem Außenlager von Auschwitz, ums Leben. Mindestens 19 Angehörige seiner engeren Familie wurden Opfer des Holocaust.

Vor 1933

Ernst Herz nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg und kam anschließend in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1921 nach Butzheim zurückkehrte. 1923 heiratete er, ein eher ernsthafter und wortkarger Mann, die acht Jahre jüngere Lily Jacobsohn aus Stommeln. Beide stammten aus in Stommeln und Umgebung alteingessenen jüdischen Familien. Das Paar bekam sechs Kinder, fünf Jungen und ein Mädchen. Das jüngste Kind, ein Junge namens Jona, kam noch 1942 im Israelitischen Krankenhaus in Köln zur Welt. Die Familie praktizierte den jüdischen Glauben. Nach dem Tod seines Vaters Max Herz betrieb Ernst Herz gemeinsam mit seinem Schwager Ludwig Spier einen Landhandel. Vor 1930 verlegte er sein Geschäft nach Eckum, wo er auch ein neues Haus für die Familie baute. Er musste jedoch seinen Handel schon 1931 wegen den Folgen der Weltwirtschaftskrise und einem Boykott durch die schon von Nationalsozialisten dominierten Landwirtschaftsverbände wieder einstellen. Er geriet in wirtschaftliche Not, auch weil er Hypotheken für das neue Haus aufgenommen hatte.[1]

In der NS-Zeit

Noch 1929 wurde der Geburtstag der 99-jährigen Amalie Kappel, der Großmutter von Lilly Herz, groß gefeiert. Ihr Haus wurde von der Nachbarschaft bekränzt, und in der Kölner Zeitung erschien ein Bericht über „Weisheit und Würde“ der Jubilarin.[2] Doch schon Anfang der 1930-er Jahre kam es zu ersten antisemitischen Anfeindungen der Familie Herz bis hin zu verleumderischen Anzeigen gegen Ernst Herz wegen angeblich „unlauterer Manipulationen“ in seinem Geschäftsgebaren. Man werde „die Schädlinge am deutschen Volk zu vernichten“ wissen, so wurde gedroht.[3] 1936 beschloss die Familie Herz, nach Köln zu ziehen, da sie hoffte, in der Anonymität einer großen Stadt und einer größeren jüdischen Gemeinde mehr Schutz zu finden als in der dörflichen Umgebung. Der Sohn Rudy Herz erinnerte sich:

Mit einem Möbelwgen wurden unsere Möbel nach Köln geschafft, und als ich in den Möbelwagen einstieg, hörte ich als letztes Wort in Eckum: „Tschüss, Jüd! Tschüss, Jüd!“

Josef Wißkirchen: Rudy Herz, S. 48

In Köln lebte die Familie gemeinsam mit der Großmutter Henriette Jacobsohn (Mutter von Lily Herz) im Haus Neue Maastrichter Str. 8, das in jüdischem Besitz und hauptsächlich von jüdischen Mietern bewohnt war. Ernst Herz übernahm ein kleines Transportunternehmen.[4] Gleichzeitig plante er die Emigration nach Argentinien und besuchte eine landwirtschaftliche Schulung für auswanderungswillige Juden in der Nähe von Berlin. Die Jewish Colonization Association (JCA) bewilligte die Auswanderungspläne und alle erforderlichen Papiere lagen vor, jedoch nicht für die 74jährige Henriette Jacobsohn, da sie kränklich war und zudem nicht auswandern wollte. Hermann Jacobsohn, ein Bruder von Lily Herz, der mit einer katholischen „arischen“ Frau verheiratet war, konnte die Mutter nicht aufnehmen, da er und seine Familie selbst unter schwierigsten Bedingungen lebten. Ernst und Lily Herz beschlossen deshalb, in Köln zu bleiben.[5] Ein späterer Versuch, in die Vereinigten Staaten auszuwandern, scheiterte am fehlenden, aber notwendigen Affidavit.[6]

Nach der Reichspogromnacht 1938 packte die Familie ihre Sachen auf einen Kleintransporter, um zu Verwandten nach Belgien zu flüchten, aber Ernst Herz verließ unterwegs der Mut, und man kehrte nach Köln zurück. Seine Mutter und zwei seiner Schwestern, die weiterhin in Butzheim im Elternhaus lebten, wurden von SA-Leuten überfallen, die das Haus verwüsteten und ein Wasserrohr zerschlugen. Das Haus wurde überschwemmt, und die gehbehinderte Helene Herz wäre beinahe im Keller ihres Hauses ertrunken, wäre sie nicht von zwei Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr gerettet worden. Weil sie einer Jüdin geholfen hatten, wurden die beiden Helfer angezeigt und aus der Feuerwehr ausgeschlossen.[7] Auch andere Verwandte der Familie in Butzheim und Nettesheim wurden Opfer von Ausschreitungen. Einige wurden in Arbeitslager „umgesiedelt“, andere zogen weg.

1942 musste die Familie Herz in eine jüdische Massenunterkunft an der Synagoge St. Apern-Straße ziehen; dort war sie Wohnnachbar der Familie von Erich Klibansky, dem Leiter und Lehrer der „Jawne“, des ersten jüdischen Gymnasiums des Rheinlandes. Viele Angehörige waren zu diesem Zeitpunkt bereits deportiert und ermordet worden.[8] Die Familie von Ernst Herz genoss einen gewissen einstweiligen Schutz, weil er im Ersten Weltkrieg als Soldat gekämpft hatte.

Im Juli 1942 kam schließlich doch der Deportationsbefehl für den 27. desselben Monats; die Familie Klibansky war inzwischen schon deportiert worden. Die Familie Herz ging zu Fuß zum Messelager Köln, von wo aus sie am Tag darauf in einem Sonderzug nach Theresienstadt transportiert wurde. Unterwegs wurden sie von der Großmutter Henriette Jacobsohn getrennt (sie starb im März 1944 in einer Krankenstation), vor Ort in Theresienstadt auch die Familie, in Männer einerseits sowie Frauen und Kinder andererseits. Im Mai 1944 wurde die Familie nach Auschwitz transportiert.[9] Im Juli 1944 wurden die beiden Söhne Rudolf und Alfred als Zwangsarbeiter zu Aufräumarbeiten in das deutsche Reich zurückgebracht. Nur wenige Tage später wurden die Mutter Lilly Herz und die drei jüngsten Kinder in die Gaskammern geschickt.[10]

Ernst Herz selbst war kurz zuvor in das KZ Blechhammer verlegt worden. Dort starb er, Umstände und genauer Todestag sind unbekannt. Von seinen Kindern überlebten nur Rudolf und Karl-Otto, nach weiteren Lageraufenthalten. Rudy Herz plante zunächst, nach Palästina auszuwandern, als er aber erfuhr, dass sein Bruder schon in die USA ausgewandert war, folgte er diesem. Dort starb er 2011.

Opfer des Holocaust aus dem Kreis der Familie

  • Ernst Herz (20. Oktober 1982–1944), gestorben im KZ Blechhammer
  • Lilly Herz, geb. Jacobsohn, (5. März 1901–11. Juli 1944), gestorben in einer Gaskammer des KZ Auschwitz, gemeinsam mit ihren drei jüngsten Kindern

Ihre Kinder:

  • Alfred Herz (29. April 1924–28. März 1945), gestorben im KZ Bergen-Belsen
  • Walter Herz (9. April 1930–11. Juli 1944), gestorben im KZ Auschwitz
  • Johanna Herz (25. April 1938–11. Juli 1944), gestorben im KZ Auschwitz
  • Jona Herz (2. Januar 1942–11. Juli 1944), gestorben im KZ Auschwitz

Mutter von Lilly Herz:

  • Henriette Jacobsohn, geb. Kappel, (23. Juli 1864–17. März 1944), gestorben im KZ Theresienstadt

Geschwister von Ernst Herz:

  • Paula Spier, geb. Herz, (23. August 1884)
Ihr Mann:
  • Ludwig Spier (3. Januar 1888)
Ihre Kinder:
  • Edith Spier (24. März 1923)
  • Alfred Spier (18. September 1924), wurde im Lager wegen eines Vergehens erhängt[11]
  • Max Spier (28. September 1927)

Die gesamte Familie Spier wurde am 7. Dezember 1941 nach Riga deportiert und kam dort ums Leben.

  • Meta Herz (27. Juni 1888), am 30. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt deportiert und in Auschwitz ums Leben gekommen
  • Selma Herz (29. Dezember 1890), am 30. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt deportiert und in Auschwitz ums Leben gekommen
  • Henriette Kaufmann, geb. Herz, (21. November 1895)
Ihr Mann:
  • Moritz Kaufmann (8. Dezember 1892)
Ihre Kinder:
  • Klara Kaufmann (5. Juli 1926)
  • Günther Kaufmann (20. Dezember 1928)
  • Manfred Kaufmann (10. September 1932)
  • Hilde Kaufmann (4. August 1933)

Die Familie Kaufmann wurde am 20. Juli 1942 zunächst nach Minsk deportiert und von dort aus in Richtung des Vernichtungslagers Maly Trostinez, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft vor schon ausgehobenen Gruben erschossen wurde.[12] Das Schicksal einer weiteren, 1924 geborenen Tochter namens Else ist ungeklärt.

  • Siegfried Herz (23. Januar 1901–30. September 1942), gestorben im KZ Auschwitz[13]

Zwei Söhne von Ernst Herz, Rudolf und Karl-Otto, überlebten den Holocaust.

Gedenken

Vor dem Haus Neue Maastrichter 8 in der Kölner Neustadt-Nord sind Stolpersteine für Mitglieder der Familie Herz verlegt.

Am „Löwenbrunnen“ auf dem Erich-Klibansky-Platz in Köln ist zur Erinnerung an die rund 1100 aus Köln deportierten jüdischen Kindern eine Tafel mit Namen angebracht. Darauf befinden sich auch die Namen der Kinder von Ernst Herz, irrtümlicherweise aber auch der seiner Schwiegermutter Henriette Jacobsohn.[14]

Literatur

  • Josef Wißkirchen: Rudy Herz. Ein jüdischer Rheinländer. Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2012, ISBN 978-3-941037-85-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 35f.
  2. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 24
  3. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 37
  4. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 49
  5. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 49f.
  6. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 53
  7. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 55.
  8. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 87f.
  9. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 127
  10. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 139 u. 143
  11. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 66
  12. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 70
  13. Wißkirchen, Rudy Herz, S. 236 u. 237
  14. Wißkirchen, Rudy Herz, BT 30
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Ernst Herz (Kaufmann) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.