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Ernest Michel

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Ernest Michel

Ernest Michel (19232016), Auschwitz-Überlebender und jüdische Führungspersönlichkeit. Der gebürtige Mannheimer hat Auschwitz überlebt, von den Nürnberger Prozessen berichtet und wurde in den USA ein prominenter Kämpfer für jüdische Anliegen.

Leben

Nachdem er wegen seiner jüdischen Herkunft Mitte der 1930er Jahre die Schule verlassen musste, folgte Ernst Wolfgang Michel dem Rat seines Vaters und besuchte in Mannheim einen Kalligrafie-Kurs. Sein Talent als Schreiber rettete ihm einige Jahre später im Vernichtungslager Auschwitz das Leben. Die SS setzte Michel in der Verwaltung ein, wo er Formulare mit erfundenen Todesursachen ausfüllen musste. Am Kriegsende floh Michel aus einem «Todesmarsch» und kehrte nach Mannheim zurück. Wie er tachles Ende der 1990er Jahre erzählte, fand er keine Überlebenden mehr vor. Aus seiner Familie konnte sich nur seine Schwester Lotte retten. Sie entkam nach Palästina.

Michel blieb zunächst im besetzten Deutschland und wurde für eine Nachrichtenagentur als Berichterstatter bei den Nürnberger Prozessen gegen die Nazi-Elite tätig. Bei einer persönlichen Begegnung mit Hermann Göring überkam ihn das Grauen und er verliess wortlos dessen Zelle. Bald danach emigrierte Michel in die USA und begann eine lange Laufbahn bei jüdischen Organisationen. Der United Jewish Appeal (UJA) wurde seine professionelle Heimat und kam in den Genuss der erstaunlichen Energie Michels.

Die Organisation wusste die Verdienste ihres langjährigen «Executive Vice President» wohl zu schätzen. Bei dem Interview mit tachles führte Michel durch einen grossen Raum im New Yorker UJA-Hauptquartier, wo Vitrinen und zahlreiche Fotos seine Arbeit dokumentierten. Von Harpo Marx bis Golda Meir liess sich jüdische Prominenz aus allen Lebensbereichen gerne mit «Ernie» ablichten. Er war auch als Brückenbauer zu Deutschland aktiv und führte wiederholt hochkarätig besetzte UJA-Delegationen in die Bundesrepublik. Das eindrücklichste Stück der Ausstellung war ein schmaler, brüchiger Ledergürtel unter Glas: der einzige Gegenstand, den Michel aus Auschwitz mitgenommen hatte.

Weniger bekannt ist Michels Rolle in dem historisch bedeutsamen Prozess des Überlebenden Norbert Wollheim gegen den Industriekonzern I.G. Farben, der in Auschwitz Zwangsarbeiter unter brutalsten Umständen ausgebeutet hatte. Dabei hatte sich das Unternehmen im Februar 1957 verpflichtet, insgesamt 30 Millionen Mark für ehemalige Zwangsarbeiter in Auschwitz zu zahlen.

Zu der Verteilung der Entschädigungs-Gelder gründeten Überlebende einen Prüfungsausschuss, dem auch Michel angehörte. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis das Geld vollständig verteilt werden konnte, denn zunächst mussten die aus aller Welt eintreffenden Anträge der ehemaligen KZ-Häftlinge überprüft werden. Das Komitee arbeitete damals mit der Jewish Claims Conference zusammen. Michel erklärte dazu, man habe es nicht den Überlebenden allein überlassen können, über Entschädigungen zu verhandeln und Zahlungen aufzuteilen: Viele von ihnen seien durch ihre Erfahrungen in den Lagern traumatisiert worden. Auch habe ihnen die Erfahrung für die Auseinandersetzung mit organisatorischen und rechtlichen Fragen gefehlt.

Michel hat um die Jahrtausendwende mit öffentlichen Auftritten und Leserbriefen aktiv in die Zwangsarbeits-Debatte eingegriffen. Er hat zudem lesenswerte Memoiren veröffentlicht (Ernest W. Michel, Promises to Keep: One Man's Journey Against Incredible Odds, 2004) .

Er starb am 7. Mai 2016 im Alter von 92 Jahren in New York.

Weblinks

Hinweis

Obiger Text entstammt im Wesentlichen einer entsprechenden Mitteilung im tachles-Newsletter vom 16. Mai 2016.