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Eduard Gans

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Eduard Gans (Lithographie, 1839)

Eduard Gans (geb. 22. März 1798, nach anderen Quellen 1797, in Berlin; gest. 5. Mai 1839 ebenda) war ein deutscher Jurist, Rechtsphilosoph und Historiker.

Leben

Gans war der Sohn des Bankiers Abraham Isaak Gans und dessen Ehefrau Zippora Marcus. Sein Vater gehörte zum liberalen, assimilierten Judentum und war einer der Finanzberater des Staatskanzlers Karl August Fürst von Hardenberg. Sein Neffe war der spätere Chemiker und Großindustrielle Leo Ludwig Gans.

Nachdem Gans seine Schulzeit am Grauen Kloster absolviert hatte, begann er ab 1816 Jura, Philosophie und Geschichte in Berlin zu studieren. Im darauffolgendem Jahr wechselte er mit denselben Fächern an die Universität Göttingen. 1819 beendete Gans sein Studium erfolgreich (Summa cum laude) mit einer Promotion über römisches Obligationenrecht in Heidelberg. Dort war er meistenteils Schüler von Anton Friedrich Justus Thibaut und Georg Friedrich Hegel, dessen Gedankengebäude er in die Geschichts- und Rechtswissenschaft einarbeitete. Besonders interessierten ihn dabei Theorien von der Entstehung des Besitzes.

Gemeinsam mit anderen orthodoxen Hegelianern gründete er die Jahrbuecher fuer wissenschaftliche Kritik. Auf Empfehlung Hegels, der dort bereits seit zwei Jahren lehrte, bekam Gans 1820 eine Anstellung als Privatdozent an der Universität Berlin. Bereits ein Jahr zuvor hatte Gans zusammen mit gleichgesinnten Freunden, unter anderem Leopold Zunz und Moses Moser, den Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden gegründet, dem er in den Jahren 1821 bis 1824 auch als Präsident vorstand. Den jungen Reformern ging es dabei in erster Linie darum, jüdische Jugendliche aus der geistigen Abschottung herauszuholen und in die Gedankenwelt Europas einzubinden; im Frühjahr 1825 löste sich der Verein allerdings auf. 1820 traten Gans, Moser und Zunz gemeinsam der Gesellschaft der Freunde bei.

Trotz des preußischen Emanzipationsedikts von 1812 war Juden die Beamtenlaufbahn nach wie vor verwehrt: eine Ausnahmeregelung für besonders fähige Akademiker war 1822 durch eine königliche Kabinettsorder aus Anlass der Bewerbung Gans’ um eine ordentliche Hochschulprofessur wieder rückgängig gemacht worden und ging als sogenannte Lex Gans in die preußische Rechtsgeschichte ein. Auch ein Vermittlungsversuch Hardenbergs richtete in diesem Fall nichts aus. Deshalb konvertierte Gans 1825 zum evangelischen Glauben und ließ sich taufen.

Bereits 1826 wurde Gans zum a.o. Prof., kurz darauf o. Prof. der Rechte an der Universität von Berlin ernannt. 1832 avancierte er zum Dekan der juristischen Fakultät.

Den Ideen des Vormärz stand Gans äußerst positiv gegenüber. Er empfing studentische Fackelzüge und organisierte eine Unterschriftenaktion für die ihrer Ämter enthobenen Göttinger Sieben. Als Historiker sah er in der Französischen Revolution den entscheidenden Wendepunkt in der europäischen Geschichte und begrüßte 1830 die Julirevolution als notwendige Entwicklung im Sinne des liberalen Bürgertums. Ein Republikaner war er allerdings nicht, und die radikale Dialektik der jungheleglianischen Klubwesen lehnte er ebenso ab wie die Bestrebungen der Restauration.

Als Staatsideal galt ihm der preußische Staat als konstitutionelle Monarchie unter Führung eines aufgeklärten, starken Souverän; Demokratie und Republik misstraute er. Als einer der ersten hatte er die politische Vision eines vereinten Europa, in dem deutsches, französisches, lateinisches, griechisches und jüdisches Erbe zusammenfließen sollten. Nationalist war er nicht, und die romantische Mittelalter-Schwärmerei seiner Zeit blieb ihm fremd - sein politischer Blick ging in die Zukunft und nach Westen.

Als Lehrender verstand es Gans im Gegensatz zu anderen Professoren, seine Theorien publikumswirksam zu verpacken und Abstraktes am konkreten Tagesgeschehen lebendig werden zu lassen. Seine Vorlesungen waren äußerst beliebt – teilweise strömten bis zu eintausend Studenten und interessierte Laien in die Hörsäle, sodass die preußischen Behörden die Veranstaltungen abbrechen ließen; unter den Zuhörern saß ab 1836 auch der junge Karl Marx. Dass dieser allerdings von Gans beeinflusst gewesen sein soll und sogar eine Doktorarbeit bei Gans geplant habe, ist Kolportage.

Eduard Gans war auch als Autor populärwissenschaftlicher historischer Bücher und als Journalist tätig: als Berlin-Korrespondent der Cottaschen Allgemeinen Zeitung in Augsburg und als politischer Reisejournalist. Er pflegte einen regen gesellschaftlichen Umgang und war unter anderem mit Heinrich Heine und Karl August Varnhagen von Ense befreundet.

Grab von Eduard Gans auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin

Sein größter akademischer Widersacher an der juristischen Fakultät in Berlin war Friedrich Carl von Savigny. Anders als der konservative Staatsrechtler, der die Entstehung und Entwicklung von Menschen gemachter Gesetze als naturgegebene Phänomene nur betrachten und auslegen wollte, da er sie gleichsam dem Menschen als „ewig“ gegeben und göttlich ansah, forderte der Hegelianer Gans eine Betrachtung rechtlicher Tatbestände, vor allem solcher des Besitzes, aus dem Geist philosophischer Spekulation und historischer Zuordnung. Den Rechtshistorikern um Savigny warf er mangelnde intellektuelle Schärfe und fehlende historische Kenntnisse vor. Der teilweise erbittert und mit harten verbalen Attacken geführte akademische Kleinkrieg zwischen dem mächtigen Savigny und dem populären Gans sollte bis zum frühen Tod des letzteren 1839 andauern: Noch auf dem Sterbebett soll er ein Pamphlet gegen seinen alten Feind verfasst haben.

Im Alter von knapp über 40 Jahren starb Eduard Gans.

Eduard Gans gilt heute als einer der Begründer der Vergleichenden Rechtswissenschaft in Deutschland. Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung (vier Bände erschienen 1824–1835) wurde 1845 teilweise ins Französische übersetzt, wo sein Werk außer in Deutschland die größte Beachtung fand. Es liegen auch englische und italienische Übersetzungen in Auszügen vor.

Eduard Gans hat sich auch als Herausgeber der Werke Hegels einen Namen gemacht: 1833 erschien Band acht (Grundlinien der Philosophie des Rechts) und 1837 Band neun (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte) unter seiner Federführung.

Der Hegelianer Gans – geistig ein Kind des Vormärz und doch ein eigener Kopf – war von der Rechtsphilosophie lange Zeit vergessen, da er nur als epigonales Bindeglied zwischen Hegel und Marx betrachtet wurde. Heute beginnt die wissenschaftliche Forschung allmählich ihn wiederzuentdecken – als einen liberalen Pragmatiker mit einem sehr frühen Blick auf ein in Frieden geeintes Europa.

Schriften (Auswahl)

  • Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung,
    • Band 1–2 (1824–1825)
    • Band 3–4 (1829–1835)
  • System des römischen Civilrechts. Keip, Goldbach 1999 ISBN 3-8051-0699-8 (Repr. d. Ausg 1827)
  • Vorlesungen über die Geschichte der letzten fünfzig Jahre (1833–1834)
  • Rückblicke auf Personen und Zustände. Frommann-Holzberg, Bad Cannstatt 1995, ISBN 3-7728-1481-6 (Repr. d. Ausg. 1836)
  • Über die Grundlage des Besitzes (1839)
  • Naturrecht und Universalrechtsgeschichte. Vorlesungen nach G. W. F. Hegel. Herausgegeben und eingeleitet von Johann Braun, Mohr Siebeck, Tübingen 2005
  • Philosophische Schriften. Auvermann, Glashütten/Taunus 1971

Literatur

  • Warren Breckman: Eduard Gans and the Crisis of Hegelianism. In: Journal of the History of Ideas 62/3 (Juli 2001), S. 543–564.
  • Corrado Bertani: Eduard Gans (1797–1839) e la cultura del suo tempo. Scienza del diritto, storiografia, pensiero politico in un intellettuale hegeliano. Guida, Neapel 2004, ISBN 88-7188-787-5.
  • Corrado Bertani: „Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwickelung (1824-35)“ von Eduard Gans. Das erste Zeugnis vom Einfluss Hegels auf die Privatrechtsgeschichtsschreibung. In: Rechtsgeschichte 11, 2007, S. 110–138.
  • Reinhard Blänkner: Eduard Gans (1797–1839). Politischer Professor zwischen Restauration und Vormärz. Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2002, ISBN 3-934565-33-6
  • Johann Braun: Judentum, Jurisprudenz und Philosophie. Bilder aus dem Leben des Juristen Eduard Gans (1797–1839). Nomos, Baden-Baden 1997, ISBN 3-7890-4818-6
  • Angela von Gans, Monika Groening: Die Familie Gans 1350–1963. Verlag Regionalkultur, Heidelberg 2006, ISBN 978-3-89735-486-9
  • Michael H. Hoffheimer: Eduard Gans and the Hegelian philosophy of law. Kluwer, Dordrecht 1995, ISBN 0-7923-3270-9
  • Hermann Lübbe: Gans, Eduard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, S. 63.
  • Emil Julius Hugo Steffenhagen: Gans, Eduard. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 8, Duncker & Humblot, Leipzig 1878, S. 361 f.
  • Norbert Waszek (Hrsg.): Eduard Gans (1797–1839). Hegelianer – Jude – Europäer. Texte und Dokumente. Lang, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-631-43883-4
  • Norbert Waszek: L’émergence d’une théorie de l’opposition dans l’école hégélienne. In: Revue française d’histoire des idées politiques 25.1, 2007, ISBN 978-2-7084-0797-8, S. 89–107.
  • Norbert Waszek: Eduard Gans on Poverty and on the Constitutional Debate. In: Douglas Moggach (Hrsg.): The New Hegelians.Politics and Philosophy in the Hegelian School. Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 0-521-85497-0, S. 24–49
  • Reinhard Mocek: Eduard Gans: Denker zwischen Hegel und Marx. In: Berlinische Monatsschrift 3/1998 beim Luisenstädtischen Bildungsverein. Ausführliche Würdigung

Weblinks

 Commons: Eduard Gans – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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