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Diskussion:Abraham B. Jehoshua

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tachles, Nachruf auf A. B. Yehoshua, 17. Jun 2022

Zauber des Einfachen

Das lebenslange Thema des kürzlich verstorbenen grossen Autors A. B. Yehoshua war das Exil.

Der israelische Schriftsteller A. B. Yehoshua ist mit 85 Jahren in Tel Aviv gestorben – ein Nachruf. Als ich vor Jahren in Jerusalem Hebräisch zu lernen begann, fiel mir durch Zufall in einer Buchhandlung ein schmales grünes Heft in die Hände: «Schloscha jamim wejeled», («Drei Tage und ein Kind»), eine Erzählung von A. B. Yehoshua über einen Dichter, der sich in Schweigen hüllt und doch den Verstrickungen des Lebens nicht entgeht, die der Autor vor uns entfaltet. Die schmale Erzählung wurde in einfaches Hebräisch gesetzt, um Neuankommenden in Israel das Erlernen der fremden Sprache zu erleichtern. Aber Yehoshuas Text war schon in seinen Figuren, Motiven und Themen, in seinen Bildern «eine einfache Geschichte», um Agnons Wort zu zitieren: präzis, bei aller Vielfalt klar und linear.

Die warme Stimme des Zuhörenden

Mit Yehoshua lernte ich Hebräisch (oder versuchte es zumindest), doch ich lernte zugleich Israel kennen, nämlich Eli, Shai und Noa, die Figuren jener Erzählung, die mir auf wundersamen Wegen später wieder begegneten, als ich mich einlebte, verliebte, Freundschaften schloss. Die Figuren kehrten in der Wirklichkeit wieder. Jahre später besuchte ich eine Lesung von Yehoshua, den in Israel alle nur Bulli nennen, in Jerusalem und erlebte, wie dieser Autor zugewandt, aufmerksam, mit einer warmen Stimme die Zuhörenden in dem Saal an sich band. Vielleicht erging es ihnen wie mir: Für einen Augenblick wurde das komplizierte, zerrissene, das komische, traurige, auch heitere Leben hörbar, sichtbar, einfach erzählbar.

Mit seinen frühen Büchern, «Der Liebhaber» und «Angesichts der Wälder», mit Ruth Achlama und Jakob Hessing, die ihn ins Deutsche übersetzten, hat er auch in der Schweiz, in Österreich und Deutschland viele Leserinnen und Leser gefunden, erst recht in Frankreich, über vier Jahre lebte er in Paris, in Italien, in den USA.

Exil als Lebensthema

Das lebenslange Thema von Yehoshua war das Exil, das Leben zwischen Israel und der Diaspora, auch in seinen späten Romanen, etwa in «Spanische Barmherzigkeit», kehrt es wieder. Über «Das Exil der Juden» veröffentlichte er eine Sammlung von Aufsätzen darüber.

1936 in Jerusalem als Spross einer sephardischen Familie – der Vater stammte aus Saloniki, die Mutter aus Marokko – geboren, besuchte er das legendäre Gymnasium in Rehavia, wo er dem drei Jahre jüngeren Amos Oz begegnete, mit dem er eine Freundschaft fürs Leben schloss. Beide waren die «bnei adama» der israelischen Literatur, schon im Land geboren, aber die Erfahrung von Flucht und Vertreibung noch lebhaft im Gedächtnis, beide wohl auch gerade darum mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Über Jahrzehnte stritt Yehoshua, dessen Eltern fliessend Arabisch sprachen, für einen eigenen palästinensischen Staat, um am Ende seines Lebens eher resigniert für einen Staat mit einer Koexistenz von Israelis und Palästinensern zu plädieren. Wie Amos Oz war Yehoshua ein leidenschaftlicher Lehrer, er unterrichtete an der Universität Haifa vergleichende Literaturwissenschaft und hatte etliche Gastprofessuren in Amerika wie Europa inne. Sein letzter, zuletzt auf Deutsch erschienener Roman «Der Tunnel» galt dem Alter, der Krankheit, dem Vergessen, der Demenz.

Der Tod seiner Frau Ika, einer Psychoanalytikerin, 2016 hatte Yehoshua tief getroffen. Beide waren unzertrennlich, wenn man beide zusammen sah, wurde man einer tiefen Liebe gewahr. A. B. Yehoshua ist am 14. Juni in Tel Aviv mit 85 Jahren gestorben. Eli, Shai und Noa und wie seine Figuren alle heissen, werden uns auf den Strassen von Jerusalem, von Paris, von Kiew, New York, Zürich oder Berlin wieder begegnen. Sie gehören zur Weltliteratur.