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Diebe im Gesetz
Diebe im Gesetz (russisch воры в законе, wory w sakone) ist die Bezeichnung für eine bestimmte Gruppe von Kriminellen, die meist aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion kommen und der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind. Die „Diebe im Gesetz“ sind nicht Mitglieder einer zusammengehörigen Organisation, sondern sind jeweils Anführer eines regionalen Verbands. Sie gehören jedoch zu einer gemeinsamen Subkultur, die zu Zeiten der Sowjetunion eigene Organisationsstrukturen, Kommunikationsformen und Verhaltenskodizes entwickelt haben.
Hintergrund
Entstehung
Die „Diebe im Gesetz“ gingen aus den Gefangenenlagern der Stalin-Ära hervor, den sogenannten GULag. Die in Stalins Amtszeit rigide durchgesetzte Repressionspolitik bedeutete in den 1920er Jahren für Gegner des Regimes und Kriminelle oftmals gleichermaßen Haft. Manche von ihnen formierten sich zu dieser Organisation, die bald schon großen Einfluss innerhalb der Gefangenenlager hatte.
Gegenwart
Diese Organisationsform gibt es noch heute. Sie ist spätestens seit der Wende ab 1992 auch international aktiv und hat in der organisierten Kriminalität weltweit großen Einfluss. Beachtlich ist, dass die „Diebe im Gesetz“ früher in der sozialistischen wie auch heute in der bürgerlichen Gesellschaft ein hohes Ansehen genießen, was auf ihre Geschichte als Widerständler in der Stalin-Zeit zurückzuführen sei. Die „Diebe im Gesetz“ kommen nicht nur aus Russland, viele von ihnen kommen auch aus Aserbaidschan, Armenien, Georgien oder anderen ehemaligen Sowjetrepubliken.
Das „Diebesgesetz“
Die „Diebe“ lebten damals mehr als heute nach eigenen sozialen Regeln, dem „Diebesgesetz“, das es ihnen unter anderem verbietet, mit den Behörden in irgendeiner Weise zusammenzuarbeiten, eine Familie zu gründen oder einer regulären Arbeit nachzugehen. Dabei zahlen die Mitglieder in eine gemeinsame Kasse („Abschtschjak“) ein, die zentral verwaltet wird und mit deren Geldern gemeinsame Interessen und der Lebensstil der höherrangigen Mitglieder finanziert werden. Auch für die finanzielle Unterstützung von inhaftierten Mitgliedern und deren Familien ist das Geld bestimmt. Die „Diebe“ halten regelmäßige Treffen ab (S’chodka), deren Beschlüssen Folge zu leisten ist. Den Abschtschjak gibt es auch in den Vollzugsanstalten (auch in Deutschland). Er ist auch dafür vorgesehen, neue Gefangene für die erste Haftzeit bis zu Einkauf mit Nahrungsmitteln, und Tabak zu versorgen.
Tätowierungen
Ein wichtiges Erkennungsmerkmal der Diebe im Gesetz sind ihre markanten Tätowierungen. Sie geben Auskunft über den Status des „Diebes“ aber auch z.B. über seine Verurteilungen und Gefängnisaufenthalte. Zu Sowjetzeiten war in den Zeichnungen auch die Verhöhnung des Staates, z.B. durch Verunglimpfung des Textes der sowjetischen Nationalhymne, gängig. Die Tätowierungen wurden durch Danzig Baldajew ausgiebig erforscht.[1]
Heute sei es zu beobachten, dass Mitglieder der Organisation neue Tätowierungen meiden bzw. sich sogar alte entfernen lassen – vermutlich um in der bürgerlich gehobenen Gesellschaft, in der einige durch ihren Reichtum Eingang finden, nicht weiter negativ aufzufallen, auch wenn sie damit streng genommen gegen das eigene „Diebesgesetz“ verstoßen.
Wer sich Tätowierungen anbringt, die ihm nicht zustehen, oder sich mit Straftaten schmückt, die er nicht begangen hat fällt im Ansehen auf die unterste Stufe. Er wird von den anderen Gefangenen gemieden und verachtet, meist werden solche Tätowierungen zwangsweise entfernt.
Die Diebe im Gesetz und die Schattenjustiz
Hierbei handelt es sich um inoffizielle Gerichtsbarkeiten in der Russischen Föderation, die vor allem dazu angerufen werden, um Vermögensstreitigkeiten zu regeln. Hierbei ist es für das „Gericht“ unerheblich, ob dem Streit legale oder illegale Tatsachen zu Grunde liegen. In beiderlei Fällen kann der Richter angerufen werden. Die „Richter“ sind stets kriminelle Autoritäten und in vielen Fällen Wory w sakone. Ihr Urteil muss befolgt werden. Weigert sich eine der Parteien, das Urteil anzuerkennen, wird dies gegebenenfalls auch mit Gewalt durchgesetzt.
Bei einer Umfrage unter Angehörigen des staatlichen und privaten Rechtsschutzes stellte sich heraus, dass knapp 30% der Befragten die Hilfe einer kriminellen Autorität in einem Vermögensstreit für am effizientesten hielt. Weniger als ein Viertel der Befragten vertraute auf die legalen Gerichtsorgane.
Bekannte Wory
- Semjon Judkowitsch Mogilewitsch
- Dschaba Iosseliani
- ((Leonied Bilunov))
Film
- Der 2008 in die Kinos gekommene Film Tödliche Versprechen – Eastern Promises mit Viggo Mortensen, Armin Müller-Stahl, Naomi Watts, u.a. beleuchtet die Hintergründe einer Wory-Familie im gegenwärtigen London.
- Alexander Gentelev (Regie): Die Ehre der Diebe. Deutschland, 2008, 89 Min. Dokumentation, in der einige „Autoritäten“ ausführlich interviewt werden, die heute u. a. in Israel oder Frankreich Millionäre und erfolgreiche Geschäftsleute sind.
- Im Angesicht des Verbrechens. Deutschland 2010. 10-teilige TV-Serie von Dominik Graf zum Thema Russenmafia in Berlin, welche unter anderem auch die Ehrenkodices der agierenden Banden thematisiert.
Literatur
- Danzig Baldaev: Russian Criminal Tattoo Encyclopedia. 3 Bände. Steidl, Göttingen 2003–2008, Band 1 ISBN 978-0-9558620-7-6, Band 2 ISBN 978-0-9550061-2-8, Band 3 ISBN 978-0-9550061-9-7.
- Der Präsident des Landtags Rheinland-Pfalz (Herausgeber): Russlanddeutsche im Strafvollzug. Heft 19 der Schriftenreihe des Landtags Rheinland-Pfalz, 2002 ISSN 1610-3432
- Alix Lambert: Russian Prison Tattoos, Codes of Authority, Domination and Struggle, Schiffer Publishing Ltd., 2003, ISBN 0-7643-1764-4
- Paul Erich Roth: Organisierte Kriminalität in Russland. In: Kriminalistik. Band 54, 2000, ISSN 0023-4699, S. 725–730.
- Peter Skoblikow: Vermögensstreitigkeiten und Schattenjustiz im postsowjetischen Russland (1991-2001). In: Kriminalistik. Band 59, 1, 2005, ISSN 0023-4699, S. 19–25
- Jürgen Roth, Mafialand Deutschland (Kapitel: Russische Mafia), Eichborn-Verlag 2009, ISBN 978-3821856322
Weblinks
- Alexander Rahr, Philipp Pachomow: Die Geschichte der russischen Kriminalität. Konferenz Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik (DGAP) 1998.
Einzelnachweise
- ↑ Danzig Baldaev: Russian Criminal Tattoo Encyclopedia. 3 Bände. Steidl, Göttingen 2003–2008.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Diebe im Gesetz aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |