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Deutsch-Französischer Krieg

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Deutsch-Französischer Krieg
Das preußische 7. Kürassier-Regiment greift die französischen Stellungen in der Schlacht von Mars-la-Tour am 16. August 1870 an. Zeitgenössische Darstellung aus Canadian Illustrated News, 19. November 1870, vol.II, no. 21, 336.
Das preußische 7. Kürassier-Regiment greift die französischen Stellungen in der Schlacht von Mars-la-Tour am 16. August 1870 an. Zeitgenössische Darstellung aus Canadian Illustrated News, 19. November 1870, vol.II, no. 21, 336.
Datum 19. Juli 187010. Mai 1871
Ort Frankreich und Rheinpreußen
Ausgang Sieg des Norddeutschen Bundes und seiner Verbündeten
Territoriale Änderungen Frankreich tritt den Großteil des Elsass und einen Teil von Lothringen ab
Folgen Der Norddeutsche Bund und drei süddeutsche Staaten schließen sich zum Deutschen Reich zusammen;
Ende des Zweiten Kaiserreiches in Frankreich,
Gründung der Dritten Republik
Friedensschluss Friede von Frankfurt
Konfliktparteien
Norddeutscher BundNorddeutscher Bund Norddeutscher Bund
Vorlage:Bayern-1806
Vorlage:Württemberg
Vorlage:Baden
Vorlage:FRA-1852
Befehlshaber
Norddeutscher BundNorddeutscher Bund Wilhelm I. Vorlage:FRA-1852 Napoleon III.
Truppenstärke
300.000 Mann bei Kriegsbeginn (insgesamt mobilisiert: 1.400.000 Mann) 400.000 Mann bei Kriegsbeginn
Verluste
44.781 Gefallene
89.732 Verwundete[1]
138.871 Gefallene[2]
143.000 Verwundete
474.414 Gefangene[3]
Das schwarze Gespenst der jeweilig andere, Kladdaradatsch 20. Juni 1869

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 bis 1871 war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits.

Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ließ die Emser Depesche, mit der er darüber informiert worden war, dass König Wilhelm I. französische Forderungen abgelehnt hatte, in provokant verkürzter Form veröffentlichen. Dies erregte auf beiden Seiten nationalistische Empörung und veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen.

Entgegen Napoléons Erwartung traten die vier süddeutschen Staaten in Erfüllung ihrer so genannten Schutz- und Trutzbündnisse mit dem Norddeutschen Bund auf dessen Seite in den Krieg ein. Währenddessen blieb das übrige Europa neutral, da es Frankreichs Angriff als unbegründet ansah. Innerhalb weniger Wochen des Spätsommers 1870 wurden die französischen Armeen besiegt und Napoléon III. gefangen genommen. Die „Dritte Republik“, die sich daraufhin in Frankreich bildete, führte den Krieg fort und fand sich erst im Februar 1871, nach dem Fall von Paris, zum Vorfrieden von Versailles bereit. Offiziell endete der Krieg am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt, der hohe Reparationen sowie die Abtretung Elsass-Lothringens durch Frankreich vorsah.

Nach dem Deutsch-Dänischen und dem Deutschen Krieg von 1864 und 1866 gilt der Konflikt mit Frankreich als dritter und letzter der Deutschen Einigungskriege. Noch während seines Verlaufs traten Baden, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt dem Norddeutschen Bund bei, der sich mit Wirkung vom 1. Januar 1871 Deutsches Reich nannte. Der preußische König Wilhelm I. nahm den Titel „Deutscher Kaiser“ an, Otto von Bismarck wurde erster Reichskanzler. In Frankreich hatte der Krieg nicht nur die endgültige Abschaffung der Monarchie zur Folge. Vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich. Beides belastete die deutsch-französischen Beziehungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Der Krieg wird in Frankreich und im englischen Sprachraum auch – nach der dortigen Gewohnheit, den Angreifer zuerst, den Angegriffenen als zweiten zu nennen – Französisch-Deutscher Krieg (Guerre Franco-Allemande bzw. Franco-Prussian War) genannt.

Vorgeschichte

Deutscher Krieg 1866

Der französische Kaiser Napoleon III. hatte bereits im Vorfeld des Deutschen Krieges (1866) versucht, Vorteile aus der Rivalität zwischen dem Kaisertum Österreich und den anderen süddeutschen Ländern einerseits und dem Königreich Preußen andererseits zu schlagen, indem er mit beiden Seiten über eine mögliche Intervention oder eine französische Neutralität verhandelte. Der preußische Ministerpräsident Bismarck erweckte in Geheimverhandlungen gegenüber der französischen Regierung den Eindruck, Preußen würde als Gegenleistung für französisches Stillhalten während des Deutschen Kriegs hinnehmen, dass Frankreich sich Teile Belgiens und Luxemburgs aneigne. Auch der schnelle Sieg Preußens beugte einer französischen Intervention vor. Österreich hatte seine Armee nach französischem Vorbild aufgebaut und eine unerwartet klare und schnelle Niederlage erlitten. Weiterhin hätte Frankreich auch Zeit für eine eigene Mobilmachung benötigt, während eine einsatzbereite preußische Armee bereits am Main stand. Zum Zeitpunkt des deutschen Krieges waren Teile der französischen Armee außer Landes, so waren 28.000 Soldaten in Mexiko, 63.000 in Algerien, 8.000 in Rom und 2.000 in Cochinchina stationiert. Somit blieben Napoleon nur etwa 100.000 Mann gegen sofort einsatzbereite 300.000 Preußen.[4] Als Bismarck dann die Annexionspläne Frankreichs verhinderte (etwa in der Luxemburgkrise 1867), sah Kaiser Napoleon sich und Frankreich als betrogen an. Der Ruf nach Rache für Sadowa (frz. Name der Schlacht von Königgrätz) kam in Frankreich auf.

Preußen ging gestärkt aus dem Konflikt mit Österreich und dem Deutschen Bund hervor. Als Folge des Deutschen Krieges annektierte Preußen das Königreich Hannover und das Kurfürstentum Hessen (-Kassel), die die beiden bisherigen Teile Preußens trennten, außerdem das Herzogtum Nassau und die Freie Stadt Frankfurt. In einigen thüringischen Kleinstaaten wie z. B. dem Herzogtum Sachsen-Meiningen erzwang Preußen die Abdankung der regierenden Fürsten zugunsten ihrer Thronfolger. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst, Österreich schied als deutscher Staat aus, und Preußen wurde Vormacht in Deutschland. 1867 gründeten Preußen und weitere 21 deutsche Staaten den Norddeutschen Bund, was in Frankreich als Provokation angesehen wurde. Bismarck hatte Napoleon III. zugesagt, das norddeutsche Bündnis nicht über den Main hinaus zu erweitern, und kam dem auch nach. Allerdings schloss er mit den süddeutschen Staaten (außer Österreich und Liechtenstein) nicht nur Friedensverträge, sondern auch geheime Schutz- und Trutzbündnisse (gegenseitige Verteidigung im Falle eines Angriffskriegs), da es ihm gelungen war, durch schonende Behandlung das Vertrauen der süddeutschen Staaten zu gewinnen.

Für Napoleon III. bedeutete der Aufstieg Preußens eine Niederlage, die sein durch andere Vorgänge (z. B. die gescheiterte französische Intervention in Mexiko) gemindertes politisches Ansehen weiter beeinträchtigte. Da Napoleon sich innenpolitisch gegen republikanische Bestrebungen wehren musste, drängte sich ihm mehr und mehr die Notwendigkeit auf, Preußen vor der Weltöffentlichkeit in die Schranken zu weisen, um so seinen Gegnern zu zeigen, dass Frankreich die Vormacht auf dem Kontinent und sein Kaiser unangefochten Herr in seinem Land war.

Spanische Thronfolge

1868 hatten spanische Militärs Königin Isabella II. abgesetzt. Seitdem suchten die Spanier in den europäischen Fürstenhäusern nach einem Anwärter, den das Parlament zum König wählen könnte. Ein vielversprechender Kandidat war Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, Spross einer süddeutschen Nebenlinie der Hohenzollern. Er war gemäßigt katholisch und entfernt mit Napoleon III. verwandt. Der Prinz selbst hatte wenig Ambitionen auf den spanischen Thron, lehnte ihn im April 1870 auch ein erstes Mal ab, ließ sich aber von Bismarck überreden, die Kandidatur doch anzunehmen. Auch der preußische König Wilhelm I. gab als Chef des Hauses Hohenzollern, wenn auch widerstrebend, seine Zustimmung.

Sowohl Bismarck als auch Napoleon III. wollten die Frage der Kandidatur nutzen, um die jeweils andere Seite zu provozieren und ihr eine diplomatische Niederlage beizubringen. Dabei nahmen sie das Risiko eines Kriegs durchaus in Kauf. Napoleon III. war innenpolitisch in Bedrängnis geraten und fürchtete, dass er durch Nachgiebigkeit seine Popularität und damit sein Regime gefährden würde. Bismarck wiederum war bestrebt, den französischen Einfluss auf Süddeutschland zu verringern, um zugleich die Stellung Preußens in Deutschland und in Europa zu stärken. Als die Kandidatur offiziell bekannt wurde, reagierte Frankreich empört: Preußen wolle mit Hohenzollernkönigen in Preußen und in Spanien Frankreich einkreisen. Der französische Außenminister Herzog von Gramont hielt eine leidenschaftliche Rede im Parlament, die eine kaum verhüllte Kriegsdrohung enthielt.

Gedenkstein in Bad Ems, der an die Emser Depesche erinnert

Der preußische König Wilhelm I. und Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zogen daraufhin, zur Enttäuschung vieler Deutscher, die Kandidatur zurück. Anstatt sich mit diesem diplomatischen Sieg zu begnügen, verlangte Gramont von König Wilhelm jedoch zusätzlich das Versprechen, auch in Zukunft auf eine hohenzollernsche Thronkandidatur in Spanien zu verzichten. Die Forderung wurde dem König auf der Kurpromenade von Bad Ems durch den französischen Botschafter in Preußen, Vincent Graf Benedetti, persönlich übermittelt.

Der König reagierte auf die an ihn herangetragenen Forderungen höflich und reserviert, er habe noch keine neuen Nachrichten bekommen, weitere Audienzen seien unnötig; Heinrich Abeken sandte darüber Berichte nach Berlin an Otto von Bismarck, den preußischen Ministerpräsidenten und Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes. Dieser kürzte die telegrafische Nachricht seines Mitarbeiters über die Unterredung so, dass sowohl das Auftreten Benedettis als auch die Ablehnung des Königs schroffer aufgefasst werden konnten. Die Veröffentlichung dieser Emser Depesche am 13. Juli in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung nahm der französischen Regierung die Möglichkeit, ihren diplomatischen Misserfolg vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Angesichts der ohnehin angespannten Lage kam Frankreich nicht umhin, die Vorgänge in Bad Ems als Provokation und Kriegsgrund aufzufassen.

Damit hatte Bismarck die französischen Drohungen, das ungeduldige Vorgehen Benedettis und die Empfindsamkeiten der Franzosen geschickt ausgenutzt, auch indem er den Gang in die Öffentlichkeit der Diplomatie vorzog. Am 19. Juli 1870, nachdem schon zuvor die Mobilisierung angelaufen war, beugte sich Napoleon III. dem Druck der Öffentlichkeit und erklärte Preußen den Krieg. Damit erfüllte die Depesche den von Bismarck beabsichtigten Zweck: Frankreich stand isoliert als Aggressor da, denn in den Augen der Weltöffentlichkeit war der Kriegsanlass nichtig, und Frankreich hatte sich durch überhöhte Forderungen unnötig in Zugzwang gebracht.

Bismarck hatte diese französische Antwort auf seine Veröffentlichung der redigierten Depesche dagegen richtig einkalkuliert, denn nur bei einem Angriff von außen konnte er die bestehenden militärischen Beistandsbündnisse der einzelnen süddeutschen Staaten einfordern und damit die Fortsetzung der Politik verhindern, die Frankreich jahrhundertelang zu seinem Vorteil geführt hatte, indem es die deutschen Staaten gegeneinander ausspielte.

Kriegsziele und außenpolitische Situation

Louis Braun – Bayerischer Infanterist, Max Lehner

Frankreich war damals die wohl stärkste Großmacht auf dem europäischen Kontinent. Seine Berufsarmee überschätzte sich massiv; sie hielt sich in dem nun folgenden Krieg auch ohne Verbündete für überlegen. Die militärische Kraft des Norddeutschen Bundes wurde unterschätzt. Einer kompletten Fehleinschätzung erlag man auch hinsichtlich der Tatsache, dass die süddeutschen Staaten mit Preußen (und nicht gegen Preußen) auftraten. Zumindest hatte Paris wohl auf eine Neutralität Bayerns, Badens und Württembergs gehofft und von deren geheimen Militärabkommen mit Preußen zu wenig erfahren. Zudem war das Königreich Bayern durch die ultimativ verkündeten französische Gebietsforderungen auf die Pfalz (einschließlich Rheinhessen mit Mainz) verärgert. Baden wiederum musste durch französische Pläne zur Neuordnung Süddeutschlands auch beunruhigt sein.

Französische Minimalforderung aber waren (die zwischen 1797 und 1815 schon einmal französisch besetzten) Teile des preußischen Saarlandes, deren Eroberung sollte Napoleons Sohn, Napoléon Eugène Louis Bonaparte (1856–1879), militärischen Ruhm einbringen und dessen zukünftige Position als Thronfolger festigen. „Ohne diesen Krieg wird Ihr Sohn nie herrschen“, soll der französische Marschall Patrice de Mac-Mahon (1808–1893) den Kaiser und die Kaiserin gedrängt haben. Auch der Zeitvorteil der französischen stehenden Berufsarmee gegenüber den Wehrpflichtigen-Armeen in Deutschland war geringer als erhofft.

In Frankreich gab es die Hoffnung, dass Österreich sich an die Seite Frankreichs schlagen könnte, um "Rache für Sadowa" zu nehmen (in Frankreich benannte man die Schlacht von Königgrätz nach dem nahe gelegenen Sadowa). Doch Österreich blieb neutral. Es war schlecht vorbereitet, litt unter der Staatsschuld und wurde zudem durch Russland eingeschüchtert. Russland war nämlich Frankreichs Gegner im Krimkrieg gewesen und durch die unerwartet feindselige Haltung Österreichs beeinträchtigt worden. Dies war noch nicht vergessen: Nun nahm Russland eine drohende Haltung gegen Österreich ein, um dieses von einer Unterstützung Frankreichs abzuhalten.

Die jüngst weitgehend geeinten Italiener hatten zwar erduldet, dass Savoyen von Frankreich annektiert wurde. Sie beanspruchten aber den Kirchenstaat um Rom herum. Frankreich trat allerdings als Schutzmacht des Papstes auf. Durch den Krieg 1870/71 ging diese Position verloren, sodass Preußen indirekt den Papst schwächte (siehe Kulturkampf).

Großbritannien war in der Frage gespalten: Trotz des Konfliktes mit Preußen um die Welfen-Enteignung und den Welfenfonds zeigte Königin Victoria Sympathie für die deutsche Seite, die britische Regierung indessen für den Rivalen Frankreich, den ehemaligen Verbündeten im Krimkrieg und im Mexiko-Abenteuer. So blieb Großbritannien neutral und löste die profranzösische Welfenlegion auf, aber eben diese britische Neutralität hielt nun auch Dänemark davon ab, mit Frankreich eine zweite Front zu eröffnen. Ursprüngliche französische Pläne einer Landung in Norddeutschland wurden daher aufgegeben. Die französische Flotte blockierte dann stattdessen die deutsche Nordseeküste. Belgien, die Niederlande und Luxemburg hielt Bismarck aus dem Krieg, indem er ein Papier veröffentlichte, in welchem Frankreich im Vorfeld des Krieges 1866 Pläne zur Annexion des frankophonen Teils Belgiens niedergelegt hatte.

Am 16. Juli trat der Bundesrat zusammen und erklärte sich mit den Erklärungen Bismarcks einverstanden. Zum 19. Juli wurde der Reichstag des Norddeutschen Bundes einberufen und von König Wilhelm, der das Präsidium des Bundesrats innehatte, mit einer vergleichsweise gemäßigten Thronrede eröffnet. Unmittelbar nach der Feierlichkeit empfing Bismarck die französische Kriegserklärung; die Mitteilung darüber wurde in der sogleich anschließenden Reichstagssitzung mit Jubel aufgenommen. Die süddeutschen Fürsten befahlen aufgrund dieser Kriegserklärung ebenfalls die Mobilmachung ihrer Truppen.

Verlauf

Exerzieren einer französischen Truppe im Lager Ile Chambrière bei Metz, 1870
Sturm auf die Spicherer Höhen bei Saarbrücken, Gemälde von Anton von Werner

Aufmärsche

Durch die Mobilisierung, die als Reaktion auf die turbulente Sitzung im französischen Senat vom 15. Juli in Bayern und in Preußen bereits am 16. Juli angelaufen war, wurden deutsche Truppen ausgerüstet und mit Hilfe der Eisenbahnen in den Einsatzräumen zusammengezogen, während der Aufmarsch in Frankreich schleppender verlief. Großherzog Friedrich I. von Baden mobilisierte am 16. Juli, König Karl I. von Württemberg am 17. Juli. So war bald die gesamte deutsche Heereskraft vertragsgemäß unter der Führung des Königs von Preußen zusammengefasst. Trotzdem ließ man sich planmäßig Zeit, Reserven und weitere Pferde auszuheben, und brachte alle Truppenteile auf volle Kriegsstärke. Erst danach marschierten die Truppen an der französischen Grenze auf.

An Streitkräften der verbündeten deutschen Staaten waren vorhanden: in erster Aufstellung zu den Operationen 447.000 Mann, als erste Reserve zum Nachrücken bereit 188.000 Mann, als zweite Reserve 160.000 Mann Landwehr und 226.000 Ersatztruppen, im Ganzen also 1.021.000 Mann.

Am 1. März 1871 standen auf französischem Boden 464.221 Mann Infanterie, 55.562 Reiter und 1.674 Geschütze an Feldtruppen sowie 105.072 Mann Infanterie, 5.681 Reiter und 68 Geschütze an Besatzungstruppen. Insgesamt wurden auf deutscher Seite im Kriegsverlauf etwa 1,4 Millionen Mann mobilisiert, von denen 1,1 Millionen in Frankreich zum Einsatz kamen.

Deutsche Feldtruppen in Frankreich, gegen Ende des Krieges (1. März 1871), ohne Besatzungs- und Ersatztruppen
Infanterie Kavallerie Geschütze
Norddeutscher Bund 385.600 Mann 48.000 Mann 1.284 Geschütze
Bayern 50.000 Mann 5.500 Mann 192 Geschütze
Württemberg 15.000 Mann 1.500 Mann 54 Geschütze
Baden 11.700 Mann 1.800 Mann 54 Geschütze
462.000 Mann 56.800 Mann 1.584 Geschütze
Die Berennung von Lichtenberg, Gemälde von Karl Albert von Schott
Napoléon III. bei Sedan, Gemälde von Wilhelm Camphausen
Bismarck bei Sedan
Napoleon übergibt seinen Degen, Lithographie von Hartwich

Der ursprüngliche Plan der französischen Militärführung, der vorsah, mit der Hauptmacht über die Pfalz ins Maintal vorzustoßen, um so die süddeutschen von den norddeutschen Staaten zu trennen und Österreich-Ungarn zum Kriegseintritt zu bewegen, erwies sich rasch als schon im Ansatz unausführbar. Die Dislozierung der aufmarschierenden französischen Truppen war jedoch ganz auf diese Offensivbewegung ausgerichtet, eine Offensive der preußisch-deutschen Truppen und das in diesem Fall erforderliche defensive Manövrieren war nicht einkalkuliert worden.[5] Dieses Defizit, das organisatorische Durcheinander beim Aufmarsch bzw. bei der Ausrüstung der Verbände und nicht zuletzt deren deutliche numerische Unterlegenheit – zu Beginn der Operationen war die französische Rheinarmee nur 210.000 Mann stark und damit mindestens im Verhältnis 1:2 unterlegen[6] – schränkten von vornherein die Aussicht auf eine erfolgreiche Abwehr eines deutschen Einfalls ein.

Der einzige strukturelle Vorteil der französischen Armee war die dem preußisch-deutschen Ausrüstungsstandard weit überlegene Infanteriebewaffnung: Die französischen Chassepotgewehre waren deutlich effizienter und sorgten mit ihrer großer Reichweite und der hohen Schussfrequenz dafür, dass die Frontalangriffe der deutschen Truppen für diese meistens mit enormen Verlusten verbunden waren. Die französische Artillerie hingegen war zahlenmäßig stark, technisch aber klar veraltet (ausschließlich Vorderlader) ausgerüstet. Die Soldaten wurden, wie vorgesehen, sehr schnell in die Aufmarschräume verlegt, jedoch befand sich die erforderliche Ausrüstung noch in den Depots: Die französische Armee stationierte ihre Einheiten in Friedenszeiten im ganzen Land und sorgte für regelmäßige Verlegungen, dabei blieben die Depots mit der Kriegsausrüstung aber in ihren ursprünglichen Heimatstandorten. So kam es, dass z. B. die Soldaten von der Mittelmeerküste aus nach Metz fuhren, die Ausrüstung jedoch aus der Bretagne herangebracht werden musste.

Der Aufmarsch der deutschen Truppenteile erfolgte in sehr hohem Tempo und traf die französische Armee zum Teil unvorbereitet. Das Vorgehen war vom Generalstab detailliert geplant worden und erfolgte vor allem über das sehr gut ausgebaute deutsche Schienennetz. Die Truppen wurden bereits in ihren Garnisonen auf volle Stärke gebracht und dann geschlossen mit aller Ausrüstung in den Aufmarschraum verlegt.

Abwehr des Angriffs und Eindringen in Frankreich

Die Kampfhandlungen begannen mit einem französischen Vorstoß. Sechs Divisionen griffen am 2. August deutsches Territorium an. Doch nur Saarbrücken, strategisch eher isoliert und nur von wenigen preußischen Truppen geschützt, wurde von den Franzosen (bis zum Lulustein) eingenommen; später wurde es wieder aufgegeben. Schon am 3. August standen 320.000 Deutsche an der Grenze, weshalb eine von Napoleon III. erhoffte Großoffensive gescheitert wäre.

Drei Armeen marschierten schließlich, geführt von Karl Friedrich von Steinmetz, Prinz Friedrich Karl Nikolaus von Preußen und Kronprinz Friedrich Wilhelm, nach Frankreich ein. Die Franzosen wurden durch die beweglichere deutsche Führung ausmanövriert, die vom preußischen Generalstab unter Helmuth von Moltke koordiniert wurde. Frankreich verlor in kurzer Folge die Schlachten von Weißenburg (4. August 1870), Wörth (6. August) und Spichern (6. August). Nach seiner Niederlage bei Wörth räumte das französische Feldheer das Elsass und überließ das Rheintal der deutschen 3. Armee, die nach Süden vorrückte, das Elsass besetzte und schließlich die Festung Belfort belagerte. Einzig die Zitadelle von Bitsch konnte von den Deutschen nicht eingenommen werden und ergab sich erst am 25. März 1871. Während die preußischen Hinterlader-Zündnadelgewehre gegen Österreich 1866 noch überlegen gewesen waren, hatten nun die Franzosen klare Vorteile bei Reichweite und Schussfolge mit dem neuen Chassepotgewehr und dem Mitrailleuse-Maschinengewehr. Dafür waren die deutschen stählernen Hinterlader-Geschütze von Alfred Krupp die ausschlaggebende Artillerie, die mit über vier Kilometer mehr als die doppelte Reichweite der französischen besaß. Das damals neueste dieser Geschütze hieß C/64/67; es hatte zahlreiche Vorteile. Speziell bei der Schlacht von Sedan zeigte sich, dass eine hohe Kadenz (bis zu zehn Schuss pro Minute) zusammen mit einer großen Reichweite bei guter Trefferleistung eine verheerende, schlachtentscheidende Wirkung erzeugte.

Die französischen Armeen wurden meist umfasst und zu teils überstürzten Rückzügen oder zu Teil-Kapitulationen gezwungen. Durch den Sieg in der Schlacht von Mars-la-Tour verwehrte Preußen der französischen Rheinarmee den Rückzug nach Verdun und stellte sie in der Schlacht bei Gravelotte, die die Rheinarmee verlor. Nach dieser Niederlage zog Marschall Bazaine die französische Rheinarmee zurück nach Metz in den Schutz des starken Festungsgürtels. Dort wurden er und seine Truppen ab dem 20. August von der 2. Armee unter Führung von Prinz Friedrich Karl (linkes Moselufer) und der 1. Armee unter Manteuffel (rechtes Moselufer) eingeschlossen.

Um die Belagerung von Metz aufzuheben, wurden auf Druck des französischen Ministerrates und der Umgebung des Kaisers die unter dem Kommando von Marschall Mac Mahon im Lager von Châlons zusammengezogenen Verbände – ursprünglich für die Deckung von Paris vorgesehen – in Marsch gesetzt. Der widerstrebende, um das hohe Risiko wissende Mac Mahon marschierte am 23. August von Reims ab und gelangte über Montmédy entlang der belgischen Grenze in die Nähe von Metz. Der Marsch war schlecht konzipiert, viele Verbände wurden zudem kaum versorgt. Moltkes Gegenmaßnahmen zielten seit dem 25. August auf eine Umfassung der Armee Mac Mahons, der sich am 28. August der erkannten Gefahr durch Rückzug entziehen wollte, vom Kriegsminister aber angewiesen wurde, weiter auf Metz zu marschieren.

Im Gefecht von Beaumont schlugen Teile der deutschen 3. und 4. Armee am 30. August ein Korps der Armee Mac Mahons, die sich nun auf Sedan zurückzog, wo sie am 1. September eine vernichtende Niederlage erlitt (vgl. Schlacht von Sedan). Diese Niederlage führte zwar zum politischen Zusammenbruch des französischen Kaiserreiches, war aber unter rein militärischen Gesichtspunkten nicht kriegsentscheidend.[7] Der Tag der Schlacht bei Sedan wurde später im Kaiserreich bis 1918 als Sedantag gefeiert und mythisiert. Der Sieg bei Sedan wurde zum Symbol der Überlegenheit über den Erbfeind hochstilisiert.

Napoléon III. als preußischer Gefangener im Gespräch mit Bismarck nach der Schlacht von Sedan
Otto von Bismarck im Hauptquartier in Versailles
Preußische Batterie vor Paris, 1870

Durch die Kapitulation der ausweglos eingekreisten französischen Truppen am 2. September war eine der beiden französischen Hauptarmeen vernichtet worden. Auch Napoléon III. gab sich bei Sedan gefangen; er wurde in den folgenden Monaten im Schloss Wilhelmshöhe festgehalten und übersiedelte im Frühjahr 1871 nach London.

Mit dem Untergang der Armée de Chalons und der nicht mehr zu durchbrechenden Einschließung der Rheinarmee in Metz geriet die französische Kriegführung in eine schwere Krise. Die Feldarmee war bis auf das bei Sedan entwichene 13. Korps ausgeschaltet. Der preußische Generalstab hielt es für ausgeschlossen, dass der französische Staat, der nur noch auf etwa 100.000 ausgebildete Soldaten und Offiziere zurückgreifen konnte, in nennenswertem Umfang Neuaufstellungen vornehmen könne. Durch einen Vorstoß auf Paris sollten der Krieg beendet und die nun offen erhobenen territorialen und finanziellen Forderungen durchgesetzt werden. Am 21. August waren die beiden elsässischen Departements und mehrere lothringische Arrondissements als Generalgouvernement Elsaß und Deutsch-Lothringen unter deutsche Verwaltung gestellt worden, ihre spätere Annexion war schon zu diesem Zeitpunkt fest vorgesehen.[8]

Dritte Republik

In Paris hatte die legislative Kammer unter dem Druck der Massen am 4. September 1870 die Dritte Republik proklamiert. Die neue Regierung der nationalen Verteidigung unter General Trochu – mit dem Innen- und Kriegsminister Léon Gambetta als treibende Kraft – hielt eine Fortsetzung des Krieges für möglich, da Frankreich noch über weit mehr als zwei Millionen wehrfähige Männer, beträchtliche Mengen an Waffen und Munition, eine intakte Rüstungsindustrie, offene Seehäfen und internationalen Kredit verfügte. Zudem genoss die neue republikanische Regierung ein weit höheres Ansehen als die gestürzte kaiserliche, die die nationalistische Welle des Sommers 1870 nur sehr bedingt hatte ausnutzen können. Die Regierung forderte alle kampffähigen Männer zum Eintritt in die Mobilgarde und die Bevölkerung der besetzten Gebiete zur Organisation von Franktireurabteilungen auf. Letztere begannen bald darauf, im rückwärtigen Raum der deutschen Armeen kleinere Abteilungen und Posten, Kuriere und Trainfahrzeuge zu überfallen, lieferten sich aber auch offene Gefechte mit größeren deutschen Verbänden.[9]

Ab dem 19. September wurde die französische Hauptstadt belagert und – noch vor Jahresende – systematisch von den Deutschen beschossen. Dies und der Guerillakrieg der Franc-tireurs führte zu einer erheblichen Verbitterung auf beiden Seiten. Der preußische Generalstab drängte die Kommandeure zu rücksichtslosem Vorgehen gegen irreguläre französische Truppen; Bismarck äußerte sich im Herbst anerkennend über die bayerische Kavallerie, da diese mit dem „Totschießen“ von Freischärlern „rasch bei der Hand“[10] sei.

Durch die Kapitulation von Metz am 27. Oktober wurden größere deutsche Truppenkörper für andere Aufgaben frei. Prinz Karl konnte gegen die neu aufgestellten französischen Armeen in Flandern, an der Loire, im Lyonnais und in der Normandie vorgehen und sie an einem Entsatz des belagerten Paris hindern. 87.000 Franzosen der Armée de l’Est unter Charles Denis Bourbaki wurden bis auf Schweizer Gebiet abgedrängt und dort interniert.

Dennoch war der Krieg auch Anfang 1871 für Frankreich noch nicht völlig verloren. Zu diesem Zeitpunkt erreichte die französische Feldarmee eine Stärke von 535.000 Mann und war damit den preußisch-deutschen Truppen erstmals zahlenmäßig überlegen. Weitere 354.000 Mann befanden sich in Ausbildung.[11] Die deutschen Kräfte waren zu schwach, um gleichzeitig Paris erfolgreich zu belagern, das besetzte Gebiet zu sichern und die noch im Feld operierenden französischen Verbände auszuschalten – zu schwach also, um den Frieden militärisch zu erzwingen. Moltke erwartete „noch schwere Kämpfe“ und wies warnend darauf hin, dass sich „Schwierigkeiten von allen Seiten häufen“[12] würden. Er verlangte die Verlegung sämtlicher deutscher Truppen nach Frankreich, was Bismarck und Roon mit Blick auf Österreich und von ihnen befürchtete Unruhen in Deutschland ablehnten.[13]

Waffenstillstand und Kaiserproklamation

Am 31. Januar 1871 trat jedoch ein gegen den Willen Gambettas von den in Paris verbliebenen Regierungsmitgliedern um Jules Favre verhandelter, zunächst auf 21 Tage befristeter allgemeiner Waffenstillstand in Kraft, der die Entwaffnung der Pariser Garnison und die vorübergehende Besetzung eines Teils von Paris vorsah. Bismarck hatte zuvor gegen die weitergehenden Forderungen Moltkes, der die Gefangennahme und den Abtransport aller bei und in Paris stehenden französischen Truppen (insgesamt etwa 250.000 Mann) nach Deutschland forderte, interveniert. Der gut informierte Bismarck rechnete fest damit, dass die maßgeblichen politischen Kräfte in Frankreich vor allem aus innenpolitischen Gründen davon absehen würden, den Kampf nach Ablauf des Waffenstillstands wieder aufzunehmen. Die von der provisorischen Regierung sehr kurzfristig für den 8. Februar 1871 angesetzte Wahl einer neuen Nationalversammlung wurde von den deutschen Truppen deshalb nicht behindert. Der großen Mehrheit der hierbei gewählten 675 Abgeordneten war vor allem an einer inneren Konsolidierung Frankreichs unter konservativen Vorzeichen gelegen; besonders die etwa 400 bourbonischen und orléanistischen Monarchisten wollten den Krieg unter allen Umständen beenden, um danach mit den Republikanern „abzurechnen“ und die Monarchie zu restaurieren. Um hierfür freie Hand zu bekommen, waren sie auch zu den von deutscher Seite geforderten Gebietsabtretungen und Entschädigungszahlungen bereit. Der von der Nationalversammlung zum provisorischen Staatsoberhaupt gewählte Adolphe Thiers unterzeichnete am 26. Februar 1871 den Vorfrieden von Versailles. Knapp drei Wochen später löste der Versuch der Regierung Thiers, die von linken Republikanern und Sozialisten kontrollierte Pariser Nationalgarde zu entwaffnen, den schließlich im Mai unter den Augen der deutschen Truppen blutig niedergeschlagenen Kommune-Aufstand aus.

Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871) im Spiegelsaal von Schloss Versailles, Historiengemälde von Anton von Werner aus den 1880er-Jahren
3. März 1871: Extrablatt des Mainzer Wochenblatts zur Ratifizierung des Friedensschlusses durch den neuen Kaiser

Nach dem erfolgreichen Kriegsverlauf konnte Bismarck die süddeutschen Staaten zum Eintritt in den Bundesstaat Norddeutscher Bund bewegen. Der Bundespräsident, der König von Preußen, nahm den Titel Deutscher Kaiser an, und der Norddeutsche Bund, nach dem Beitritt der süddeutschen Staaten kurzzeitig auch „Deutscher Bund“ genannt, vergrößerte sich zum Deutschen Reich. Die veränderte Verfassung trat am 1. Januar 1871 in Kraft.

Am 18. Januar 1871 ließ sich Wilhelm I. auf Betreiben Bismarcks im Spiegelsaal des französischen Schlosses zu Versailles zum deutschen Kaiser proklamieren. Diese Proklamation an diesem Ort wurde in Frankreich als Demütigung empfunden. Am 10. Mai 1871 wurde im Frankfurter Hotel zum Schwan, nach langwierigen Verhandlungen in Brüssel und Frankfurt, der Friede von Frankfurt geschlossen. Diesem vorausgegangen war der Vorfrieden von Versailles, der am 26. Februar 1871 unterzeichnet wurde.

Aufstand der Pariser Kommune

Am 18. März 1871 versuchte der französische Premierminister Adolphe Thiers, die verteidigungsbereite Nationalgarde von Paris (franz. Garde nationale) entwaffnen zu lassen. Dies führte zu einem Aufstand. Am 26. März 1871 übernahm in Paris eine Revolutionsregierung die Macht, die Commune de Paris. Die republikanische Übergangsregierung wurde als abgesetzt erklärt. Es kam zu einem der blutigsten Bürgerkriege in der neueren Geschichte. Erst im Mai 1871 gelang es den neu formierten bürgerlichen Regierungstruppen, die bewaffneten Milizen der Aufständischen im Straßenkampf zu schlagen. In der blutigen Woche vom 21. bis 28. Mai wurden ungefähr 25.000 Menschen getötet. Es folgten 38.000 Verhaftungen und 7500 Deportationen.

Kriegsfolgen

Für Frankreich und Deutschland

Preußische Truppen ziehen nach dem Krieg in Berlin ein, 1871
Karikatur, die eine Annexion Elsass-Lothringens fordert. Bildunterschrift: Man muß der Bestie die Krallen abschneiden, damit man künftig Ruhe vor ihr hat. Aus der satirischen Zeitschrift Kladderadatsch, 1870

Frankreich verzichtete im Vorfrieden von Versailles auf größere, damals überwiegend deutsch- oder zweisprachig geprägte Gebiete des Elsass und Lothringens. Sie wurden zum bzw. hießen bis 1918 Reichsland Elsaß-Lothringen. Diese territorialen Veränderungen waren seit der französischen Kriegserklärung (19. Juli 1870) von konservativen und liberalen Politikern und Journalisten in Deutschland gefordert worden. Die preußisch-deutsche Führung hielt sie vor allem aus militärischen Gründen für nützlich. Daneben spielten Fragen dynastischer Politik sowie das Interesse deutscher Industrieller am lothringischen Erz eine Rolle. In Deutschland lehnten lediglich die sozialistischen Abgeordneten im norddeutschen Reichstag und einzelne linksliberale Publizisten öffentlich die Annexionspolitik ab.[14] Die Haltung der sozialistischen Abgeordneten, die seit September 1870 jede neue Kriegskreditvorlage ablehnten (August Bebel und Wilhelm Liebknecht hatten sich – anders als die Lassalleaner – bereits am 19. Juli enthalten), erregte – auch im Ausland – großes Aufsehen und trug erheblich zum – bis 1914 – hohen internationalen Ansehen der deutschen Sozialdemokratie bei.[15] Bei der Grenzziehung spielten Sprachgrenzen keine Rolle, auch Gebiete mit französischsprachiger Bevölkerung in Nordlothringen (mit Metz) wurden vom neuen Deutschen Reich verlangt. Außerdem musste Frankreich Reparationen in Höhe von fünf Milliarden Francs leisten.

Diese waren einer der Auslöser des Booms der Gründerzeit. Unter anderem wurden mit ihnen Infrastrukturmaßnahmen im ganzen Deutschen Reich finanziert (Poststationen in Ostpreußen, Kirchen und Schulen in der Pfalz und im Elsass sind heute noch sichtbare Zeichen). Ein kleiner Teil (120 Mio.) wurde als Reichskriegsschatz im Juliusturm der Zitadelle Spandau eingelagert; er fiel nach Ende des Ersten Weltkrieges zurück an Frankreich. Die französische Wirtschaft wurde durch das Aufbringen der Reparationen in ihrer Entwicklung gebremst. Das Deutsche Reich wurde in der Folge die größte Binnenvolkswirtschaft der Welt.

In einem Brief vom 21. August 1870 an seinen Botschafter Albrecht von Bernstorff (1809–1873) in London begründete Bismarck die deutsche Absicht zur Annexion von Elsass-Lothringen wie folgt:

„Wir stehen heute im Felde gegen den 12. oder 15. Überfall und Eroberungskrieg, den Frankreich seit 200 Jahren gegen Deutschland ausführt. 1814 und 1815 suchte man Bürgschaften gegen Wiederholung dieser Friedensstörungen in der schonenden Behandlung Frankreichs. Die Gefahr liegt aber in der unheilbaren Herrschsucht und Anmaßung, welche dem französischen Volkscharakter eigen ist und sich von jedem Herrscher des Landes zum Angriff auf friedliche Nachbarstaaten missbrauchen lässt. [...] Wir können nicht immer auf eine außerordentliche Erhebung des Volkes rechnen und der Nation nicht ansinnen, stets das Opfer so starker Rüstung zu tragen. Wenn die Entwaffnungstheorie in England ehrliche Anhänger hat, so müssen dieselben wünschen, dass die nächsten Nachbarn Frankreichs gegen diesen alleinigen Friedensstörer Europas mehr als bisher gesichert werden. Dass in den Franzosen dadurch eine Bitterkeit geweckt werde, kann dagegen nicht in Betracht kommen. Diese Bitterkeit wird ganz in demselben Maße stattfinden, wenn sie ohne Landabtretung aus dem Kriege herauskommen. Wir haben Österreich, wesentlich aus jener Rücksicht, keine Gebietsabtretungen angesonnen, haben wir irgendeinen Dank davon gehabt? Schon unser Sieg bei Sadowa hat Bitterkeit in den Franzosen geweckt; wie viel mehr wird es unser Sieg über sie selbst tun! [...] Die einzig richtige Politik ist unter solchen Umständen, einen Feind, den man nicht zum aufrichtigen Freunde gewinnen kann, wenigstens etwas unschädlicher zu machen und uns mehr gegen ihn zu sichern, wozu nicht die Schleifung seiner uns bedrohenden Festungen, sondern nur die Abtretung einiger derselben genügt.[16][17]

Bismarck zementierte mit der von ihm betriebenen Kaiserproklamation die Teilung des ehemaligen Territoriums des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation in ein kleindeutsches Deutsches Reich und die – mittlerweile durch den Ausgleich von 1867 geschaffene – Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, die als Vielvölkerstaat unter der Herrschaft der Habsburger fortbestand.

Die Eingliederung Deutsch-Lothringens und des alemannischen Elsaß als Reichsland Elsaß-Lothringen verschärfte die sogenannte deutsch-französische Erbfeindschaft. Léon Gambetta, Staatsmann der Dritten Republik, formulierte die weitverbreiteten französischen Revanchegelüste am 16. November 1871 mit dem Satz: „Y penser toujours, n'en parler jamais.“ („Immer daran denken, niemals davon sprechen“).

Auf den 1870/71er-Krieg folgte eine der längsten Friedensphasen in Westeuropa, doch ein stabiler politischer Ausgleich zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich wurde nicht erreicht. Mobilmachung und Kriegsbeginn 1914 emotionalisierten Deutsche und Franzosen: die Deutschen wollten dem „Erbfeind“ alle Ambitionen auf eine Ostexpansion dauerhaft austreiben, Frankreich motivierte das revanchistische Ziel, die Deutschen weit hinter den Rhein zurückzudrängen und die „Schmach von 1870/71“ wettzumachen. Der Versailler Vertrag – sowohl seine Inhalte als auch die Art seines Zustandekommens – von 1919 war von französischem Revanchebedürfnis geprägt und legte Grundlagen für die tiefgreifende Krise der jungen Weimarer Republik und den Aufstieg des Nationalsozialismus.

Für den Kirchenstaat

Mit dem Kriegsausbruch wurde in Rom das Erste Vatikanische Konzil abgebrochen. Die Diskussion zur Unfehlbarkeit des Papstes konnte deshalb nicht beendet werden. Damals befand Rom sich innerhalb eines eigenen Kirchenstaates, der bis dahin nicht zum 1861 gegründeten Königreich Italien gehörte. Die Franzosen hatten den Kirchenstaat lange beschützt, zogen ihre Truppen aber zur Verwendung in Frankreich ab. Daher konnte Italien fast ohne Kämpfe den Kirchenstaat erobern und am 20. September 1870 annektieren. Erst 1929 erlangte der fortan Vatikanstadt genannte und territorial extrem beschnittene Kirchenstaat wieder seine Unabhängigkeit.

Verluste

Im „Sanitäts-Bericht über die Deutschen Heere im Krieg gegen Frankreich 1870/71” werden folgende deutsche Verluste für den Zeitraum 16. Juli 1870 bis 30. Juni 1871 genannt (nur im Feld stehende Truppen):[18]

Gefallen:1                     17.255
Verwundet:                     99.566, davon nachträglich gestorben: 11.023
Insgesamt:                    116.821

an Krankheiten gestorben:      14.904, davon 256 Offiziere

Tote insgesamt:                43.174, davon 1.964 Offiziere

Fußnote: 1) Die oben im Kasten genannte Zahl von knapp 45.000 gefallenen Deutschen schließt offenbar die knapp 26.000 hier als im Feldlazarett verstorben deklarierten Soldaten mit ein.

In den (immobilen) Armeen im Deutschen Reich starben im gleichen Zeitraum 2.438 Unteroffiziere und Mannschaften an Krankheiten.

Von den kriegsgefangenen Franzosen wurden 374.995 ins Deutsche Reich gebracht. Von diesen starben dort insgesamt 13.349 in Lazaretten. Weitere 4.284 Kriegsgefangene starben bereits in deutschen Feldlazaretten in Frankreich. Damit kamen 17.633 Franzosen in deutschem Gewahrsam ums Leben.[19]

Denkmäler

Quellen

  • Der deutsch-französische Krieg 1870–71. Redigiert von der kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabes. (5 Bände, 3 Kartenmappen). Mittler, Berlin 1872–1881.
  • Helmuth von Moltke: Geschichte des deutsch-französischen Krieges von 1870–71. Volksausgabe zur Wiederkehr der Gedenktage unserer vor 25 Jahren erfochtenen Siege in den großen Kämpfen von 1870–71. Mittler, Berlin 1895. (Reprint: Melchior, Wolfenbüttel 2005, ISBN 3-939102-10-5)
  • Ernst Theophil Ferdinand Engel: Die Verluste der deutschen Armeen an Offizieren und Mannschaften im Kriege gegen Frankreich 1870 und 1871. Mit 7 graphischen Darstellungen. Berlin 1872.
  • Theodor Fontane: Der Krieg gegen Frankreich 1870–1871. 1873–1876. (Reprint: Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2004, ISBN 3-937135-25-1, ISBN 3-937135-26-X, ISBN 3-937135-27-8).
  • Sigismund von Dobschütz: „Wir sind dahin gekommen, ganze Dörfer niederzubrennen“. Briefe aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und der Okkupationszeit 1872/73 von Paul von Collas an seine Eltern. In: Ostdeutsche Familienkunde. (OFK), ISSN 0472-190X, Heft 1/2006, S. 321f. (Paul von Collas war damals Generalstabsoffizier und Adjutant unter Karl Friedrich von Steinmetz und später unter General Edwin von Manteuffel, dessen Memoiren er schrieb.)
  • Émile Leclercq: La Guerre de 1870. L’esprit parisien produit du regime impérial. 5. Auflage. Claassen, Brüssel 1871. (Digitalisat als PDF)
  • Jean Francois Lecaillon: Eté 1870. Giovanangeli, Paris 2002, ISBN 2-909034-30-5.

Filme

Die Elsässer (Les Alsaciens ou les deux Mathilde) ist ein französischer Spielfilm aus dem Jahre 1996 mit Irina Wanka und Sebastian Koch. Der Film besteht aus vier Episoden zu je 90 Minuten Dauer und erzählt die Geschichte des Elsass zwischen 1870 und 1953 anhand der Geschichte fiktiver Familien. Henri de Turenne und Michel Deutsch haben das Drehbuch geschrieben.

Literatur

  • Tobias Arand (Hrsg.): Der großartigste Krieg, der je geführt worden. Beiträge zur Geschichtskultur des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71. In: Geschichtskultur und Krieg. Band 2, Universität Münster Zentrale Koordination Lehrerausbildung (ZfL), Münster 2008, ISBN 978-3-934064-82-9.
  • Stéphane Audoin-Rouzeau: 1870. La France dans la guerre. Paris 1989. (französisch)
  • Arden Bucholz: Moltke and the German Wars of Unification, 1864–1871. Palgrave 2001, ISBN 0-333-68758-2 (englisch).
  • Stig Förster, Helmut Graf von Moltke (Hrsg.): Vom Kabinettskrieg zum Volkskrieg. Bouvier, Bonn/ Berlin 1992, ISBN 3-416-80655-7.
  • Stig Förster, Jörg Nagler (Hrsg.): On the Road to Total War. The American Civil War and the German Wars of Unification, 1861–1871. German Historical Institute, Washington, DC 1997, ISBN 0-521-56071-3.(englisch)
  • Jan Ganschow, Olaf Haselhorst, Maik Ohnezeit, (Hrsg.): Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. Vorgeschichte – Verlauf – Folgen. Ares-Verlag, Graz 2009, ISBN 978-3-902475-69-5.
  • Heinz Helmert, Hansjürgen Usczeck: Preussischdeutsche Kriege von 1864 bis 1871. Berlin (Ost) 1967.
  • Michael Howard: The Franco-Prussian War. The German Invasion of France, 1870–1871. New York 1961, ISBN 0-415-26671-8.
  • Wilhelm Müller: Illustrirte Geschichte des deutsch-französischen Kriegs 1870 und 1871. Melchior, Wolfenbüttel 2006, ISBN 3-939791-06-7. (Nachdruck der Prachtausgabe Stuttgart, Hallberger, 1873)
  • Eberhard Kolb: Der Weg aus dem Krieg. Bismarcks Politik im Krieg und Friedensanbahnung 1870/71. 1989, ISBN 3-486-54641-4.
  • Philippe Levillain, Rainer Riemenschneider (Hrsg.): La guerre 1870/71 et ses conséquences. Bouvier, Bonn 1990, ISBN 3-416-80579-8. (Beiträge auf Deutsch und Französisch) (Digitalisat)
  • Heidi Mehrkens: Statuswechsel. Kriegserfahrung und nationale Wahrnehmung im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Essen 2008, ISBN 978-3-89861-565-5.
  • François Roth: La guerre de 1870. Fayard, Paris 1990, ISBN 2-213-02321-2.
  • Dennis Showalter: The Wars of German Unification. 2004, ISBN 0-340-58017-8.
  • Matthias Steinbach: Abgrund Metz. Kriegserfahrung, Belagerungsalltag und nationale Erziehung im Schatten einer Festung 1870/71. (Schriftenreihe Pariser historische Studien). Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-56609-1.
  • Mark R. Stoneman: The Bavarian Army and French Civilians in the War of 1870–71. Magisterarbeit. Universität Augsburg, 1994.
  • Mark R. Stoneman: The Bavarian Army and French Civilians in the War of 1870–1871. A Cultural Interpretation. In: War in History. 8.3 (2001), S. 271–293.
  • Mark R Stoneman: Die deutschen Greueltaten im Krieg 1870/71 am Beispiel der Bayern. In: Sönke Neitzel, Daniel Hohrath (Hrsg.): Kriegsgreuel. Die Entgrenzung der Gewalt in kriegerischen Konflikten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-76375-4, S. 223–239.
  • Geoffrey Wawro: The Franco-Prussian War. The German conquest of France in 1870–1871. New York 2003, ISBN 0-521-61743-X.
  • David Wetzel: Duell der Giganten. Bismarck, Napoleon III. und die Ursachen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Schöningh, Paderborn u. a. 2005, ISBN 3-506-71791-X.

Weblinks

 Commons: Deutsch-Französischer Krieg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Michael Clodfelter: Warfare and armed conflicts: a statistical reference to casualty and other figures, 1500–2000. Mc Farland, Jefferson NC, 2002, ISBN 0-7864-1204-6, S. 210.
  2. Frédérick Nolte: L'Europe militaire et diplomatique au dix-neuvième siècle, 1815–1884. E. Plon, Nourrit et ce., 1884, S. 527.
  3. Nolte (1884), S. 526–527.
  4. Wawro, a.a.O., S. 18.
  5. Siehe Heinz Helmert: Kriegspolitik und Strategie, Berlin 1970, S. 256.
  6. Siehe Heinz Helmert, Hansjürgen Usczeck: Preußischdeutsche Kriege von 1864 bis 1871. Militärischer Verlauf, 4. Auflage. Berlin 1978, S. 174, 179.
  7. Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer, München 1991, S. 629.
  8. Siehe Engelberg, Bismarck, S. 625.
  9. Siehe Helmert, Usczeck, Kriege, S. 251.
  10. Zitiert nach Engelberg, Bismarck, S. 631.
  11. Siehe Helmert, Usczeck, Kriege, S. 288.
  12. Zitiert nach Engelberg, Bismarck, S. 629.
  13. Siehe Helmert, Usczeck, Kriege, S. 289.
  14. Siehe Engelberg, Bismarck, S. 624ff.
  15. Siehe Engelberg, Bismarck, S. 627.
  16. Weitere Bismarck-Zitate dazu siehe: Eberhard Kolb: Der Weg aus dem Krieg: Bismarcks Politik im Krieg und die Friedensanbahnung 1870/71. 2. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1990, ISBN 3-486-54642-2, S. 159 ff.
  17. Siehe auch Annotierte und kommentierte Literatur
  18. Militär-Medizinal-Abtheilung des Preussisch Königlichen Kriegsministeriums (Hrsg.): Sanitäts-Bericht über die Deutschen Heere im Krieg gegen Frankreich 1870/71. Zweiter Band: Morbidität und Mortalität bei den deutschen Heeren und bei den in Deutschland untergebrachten kriegsgefangenen Franzosen. Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Berlin 1886, siehe Tabelle 171 (S. 412) und Tabelle 192 (S. 432)
  19. ibidem, Tabelle 212 (S. 472)
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