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Das andere Geschlecht

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Le Deuxième Sexe, Umschlag der Originalausgabe

Das andere Geschlecht ist ein sozialgeschichtliches philosophisches Werk der französischen Philosophin und Schriftstellerin Simone de Beauvoir, das 1949 in Frankreich unter dem Titel Le Deuxième Sexe („Das zweite Geschlecht“) in zwei Bänden (Les faits et les mythes und L’expérience vécue) erschien. Die deutsche Erstausgabe wurde erstmals 1951 im Rowohlt Verlag in einem Band gedruckt. Das Buch gilt als ein Grundlagenwerk des Feminismus. Auf der Liste der 100 Bücher des Jahrhunderts von Le Monde steht es an elfter Stelle.

Geschichte und Inhalt

Bereits 1948 ließ Simone de Beauvoir in der Zeitschrift Les Temps Modernes einen längeren Auszug vorabdrucken, der die männlichen Mythen vom schwachen, geistig beschränkten und sonst dekorativen weiblichen Geschlecht untersucht. Im Mai 1949 folgte ein zweiter Vorabdruck, diesmal ging es um die sexuelle Initialisierung der Frau. Beauvoir beschreibt mit kühler wissenschaftlicher Beobachtung, wie der Mann auch im sexuellen Akt immer autonomes Subjekt und Beherrscher der Lage bleibe, auch wenn er sein Begehren auf «das Andere» projiziere.

Das Buch greift auf zahlreiche kultur- wie sozialgeschichtliche Werke zurück, die von Beauvoir aus feministischer Perspektive neu interpretiert werden. Dabei hatte Simone de Beauvoir keine feministischen, also keine expliziten politischen Gründe, sich mit «der Frau» auseinanderzusetzen, sondern philosophische, phänomenologische und existenzialistische. Im Vorwort schreibt sie: „Ich habe lange gezögert, ein Buch über die Frau zu schreiben. Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen; ausserdem ist es nicht neu. Im Streit um den Feminismus ist schon viel Tinte geflossen, zurzeit ist er fast beendet“.

Beauvoir gelang es, weibliche Sichtweisen und zuvor meist stillschweigend übergangene Erlebniswelten zu entdecken und sie zum Teil des wissenschaftlichen wie politischen Diskurses zu machen. Auch in der nichtakademischen Öffentlichkeit wurde der Ansatz breit und z. T. kontrovers diskutiert. Das Buch hat den Feminismus des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt, insbesondere die Debatten in der Studentenbewegung. In diesem Werk vertritt sie die These, dass die Unterdrückung der Frau gesellschaftlich bedingt sei. Für sie existiert keine irgendwie geartete „Essenz“ der Frau:

„On ne naît pas femme, on le devient.“

„Man ist nicht als Frau geboren, man wird es.“

Simone de Beauvoir

Sie sagt in diesem Werk auch, dass Frauen von den Männern zum „Anderen Geschlecht“ gemacht worden seien. Dies bedeutet in der existentialistischen Terminologie Beauvoirs, dass sich der Mann als das Absolute, das Essentielle, das Subjekt setzt, während der Frau die Rolle der Anderen, des Objekts zugewiesen wird. Sie wird immer in Abhängigkeit vom Mann definiert. Deshalb hat sie mit stärkeren Konflikten zu kämpfen als der Mann. Wenn sie ihrer „Weiblichkeit“ gerecht werden will, muss sie sich mit einer passiven Rolle begnügen, dies steht aber ihrem Wunsch entgegen, sich als freies Subjekt durch Aktivität selbst zu entwerfen.

Beauvoir präsentiert eine äußerst komplexe Analyse der Lage der Frau. Sie diskutiert biologische, psychoanalytische und historische „Fakten und Mythen“ (so der Titel des ersten Teils) und die „gelebte Erfahrung“ der Frau. Stark beeinflusst von der Methodologie der existentialistischen Phänomenologie von Jean-Paul Sartre und Maurice Merleau-Ponty geht sie davon aus, dass keine wissenschaftliche Betrachtung die „Frau“ erklären kann, sondern dass nur die individuelle Erfahrung ausschlaggebend ist.

Das andere Geschlecht erschien zwischen zwei Wellen der Frauenbewegungen (der „historischen“ bis zum Ersten Weltkrieg und der „neuen“ ab 1970) und steht in der Tradition von Feministinnen wie Olympe de Gouges (1748–1793), Mary Wollstonecraft (1759–1797) oder Virginia Woolf (1882–1941), auf die Beauvoir sich auch beruft. Doch es geht weit darüber hinaus. Beauvoirs umfassende kulturgeschichtliche und soziologische Abhandlung der Lage der Frauen in einer männerdominierten Welt ist der radikalste und visionärste Beitrag zur Emanzipation der Frauen im 20. Jahrhundert. Es ist im Wesentlichen eine dialektisch-materialistische Studie des Daseins der Frau. Es erklärt die Frau nicht als ein geheimnisvolles Wesen, sondern unter dem Gesichtspunkt ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation. Die Versklavung der Frau und ihre Befreiung sind die Folgen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit und wirtschaftlichen Emanzipation.

Wirkung

Vom Moment seines Erscheinens stieß das Buch auf Bewunderung wie auf Ablehnung. Radikal in seiner Fragestellung war es seiner Zeit weit voraus. Das andere Geschlecht wurde weltweit rezipiert und zu einem der politisch wirksamsten Schlüsseltexte der zweiten Frauenbewegung sowie zu einem Hauptwerk feministischer Theorien. Einflussreiche Feministinnen in der frühen Phase der Frauenbewegung um 1970, wie Kate Millett und Shulamith Firestone, haben ausdrücklich auf Beauvoirs Das andere Geschlecht zurückgegriffen.

Nach dem Tod von Simone de Beauvoir am 14. April 1986 schrieb die amerikanische Feministin Kate Millett: „Beauvoir war immer wieder heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Neben der zu erwartenden Kritik aus dem bürgerlich-konservativen Lager legte sie sich auch mit der Linken an, weil sie (vor allem in späteren Jahren) davon überzeugt war, dass sich die Unterdrückung der Frau nicht automatisch im Kommunismus auflösen würde.“

Auch von Feministinnen wurde sie kritisiert. Im Zentrum der Kritik standen dabei meist ihre Beschreibungen des weiblichen Körpers und ihre „Entmystifizierung“ der Mutterschaft.

Beauvoir hat viele der späteren Diskussionen im Feminismus beeinflusst und angestoßen und war wegbereitend für die später so genannten Gender Studies.

„Wer hätte je ein Buch geschrieben, das das Schicksal aller Menschen verändern würde? Es wird Zeit brauchen, voll und ganz zu ermessen, welche Auswirkungen Das andere Geschlecht auf die Sozialgeschichte gehabt hat, auf das Privatleben, das Alltagsbewusstsein und die Wahrnehmung.“

Kate Millett

Ab den 1970er Jahren wurde die Rezeption gerade aus feministischer Sicht zunehmend mit einer eher kritischen Sicht auf Beauvoirs Interpretationen verbunden. Dies hängt vor allem mit den theoretischen Spannungen zwischen Differenz- und Gleichheitsfeminismus zusammen.[1] Jedoch ist unumstritten, dass das Buch, das allgemein als Hauptwerk Beauvoirs gilt, ein Klassiker der Frauenbewegung ist.

In Deutschland beruft sich insbesondere Alice Schwarzer auf die Ideen Simone de Beauvoirs.

Ausgaben in deutscher Übersetzung

  • Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Ins Deutsche übersetzt von Eva Rechel-Mertens (Band 1) und Fritz Montfort (Band 2). Rowohlt, Hamburg 1951; Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1968, ISBN 3-499-16621-6
  • Das andere Geschlecht. Eine Deutung der Frau. Von Marianne Langewiesche gekürzte und bearbeitete Sonderausgabe. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 1960 (Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Bd. 99)
  • Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Aus dem Französischen von Uli Aumüller und Grete Osterwald. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 1992; Neuausgabe ebd. 2000, ISBN 3-499-22785-1

Literatur

Siehe auch

Androzentrismus

Weblinks

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Das andere Geschlecht aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.