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Das Gespenst von Canterville (Erzählung)

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Illustration von Frederick Henry Townsend in der Zeitschrift The Court and Society Review, 1887

Die Erzählung Das Gespenst von Canterville (englisch The Canterville Ghost) des irischen Schriftstellers Oscar Wilde erschien erstmals im Jahr 1887 in der Londoner Zeitschrift The Court and Society Review - sie war das erste erzählerische Werk des Schriftstellers. Als Gesellschaftssatire beginnend, führt der Autor die Erzählung im Stil einer Burleske weiter, um sie romantisch-sentimental ausklingen zu lassen. Wilde selbst bezeichnete die Erzählung als „Hylo-idealistische[1] romantische Erzählung“.[2]

Inhalt

Der amerikanische Botschafter Hiram B. Otis zieht mit seiner Familie in das Schloss Canterville ein, das er, trotz der Warnungen vor einem Gespenst, gekauft hat. Bei dem Gespenst handelt es sich um einen Vorfahren der Cantervilles, der vor etwa 300 Jahren seine Frau umgebracht hat. Dieses Familiengespenst soll für zahlreiche Nervenzusammenbrüche oder Tode früherer Besitzer verantwortlich sein.

Die pragmatische amerikanische Familie lässt sich nicht einschüchtern, und kurz nach dem Einzug gibt es Anzeichen, die auf einen Poltergeist hinweisen. Die neuen Besitzer zeigen sich von den seltsamen Vorkommnissen jedoch vollkommen unbeeindruckt. Auch ein sich immer wieder erneuernder Blutfleck auf dem Fußboden und Donnerschläge zu den ungünstigsten Zeitpunkten können die Familie nicht erschrecken. Stattdessen kämpft sie gegen jegliche Spukversuche des spukenden „Sir Simon“ mit modernen Hilfsmitteln an. Die erste Begegnung des Gespenstes mit der Familie endet damit, dass es von dem Botschafter aufgefordert wird, seine störend rasselnden Ketten mit Aurora-Schmieröl einzufetten, und von den Zwillingen mit Kopfkissen beworfen wird. Auch später gelingt es dem Gespenst nicht, die Familie zu erschrecken. Stattdessen verletzt es sich beim Versuch, die eigene Ritterrüstung anzulegen, wonach Mrs. Otis dem Gespenst eine Medizin anbietet. Später stolpert es über von den Zwillingen gespannte Fäden, rutscht auf deren Butterfallen aus, wird selbst von einer Gespensterattrappe erschreckt und, als es die Tür zum Schlafzimmer der Zwillinge aufstößt, mit einem Krug Wasser übergossen.

Eines Tages kommt die Tochter Virginia von einem Ausritt zurück, bei dem ihr Kleid zerrissen ist. Sie betritt das Schloss durch den Hintereingang und sieht im Gobelinzimmer jemanden, den sie für eine der Zofen ihrer Mutter hält. In der Hoffnung, diese könne ihr das Kleid ausbessern, betritt sie den Raum, erkennt jedoch das Gespenst, das traurig die herabfallenden Blätter betrachtet. Sie beschließt, es zu trösten, und spricht es an. Das Gespenst ist erstaunt über den Mut des Mädchens, beginnt aber ein Gespräch mit Virginia. Im Laufe dessen begreift sie nun ein altes Gedicht, wonach es des Gebetes eines unschuldigen Kindes bedarf, um das Gespenst zu erlösen und es seine letzte Ruhe finden zu lassen. Furchtlos begleitet sie den Geist, um ihm zu helfen.

Als Virginia nicht zum Abendessen erscheint, beginnt eine aufgeregte Suche nach dem Mädchen. Der Verdacht, einige Zigeuner hätten es entführt, bestätigt sich nicht. Mr. Otis und Herzog Cecil, der Virginia verehrt, suchen die Gegend ab, die übrigen Familienmitglieder das Schloss. Am späten Abend gibt die Familie die Suche auf. Um Punkt Mitternacht kommt Virginia mit einem Donnerschlag zurück, mit einem Kästchen wertvollen Schmucks, den ihr das Gespenst aus Dankbarkeit überlassen hat.

Die Gebeine des Gespenstes werden beerdigt, Virginia darf den Schmuck behalten und heiratet ihren Verehrer, den Herzog Cecil.

Interpretation

Die von Oscar Wilde geschriebene Erzählung beinhaltet eine ambivalente Gesellschaftskritik. Einerseits wird der damalige amerikanische Zeitgeist der „Neuen Welt“, durch bedingungslosen Materialismus die Domestizierung alles Übernatürlichen, des Gespenstes, zu erreichen, satirisch dargestellt. Anderseits wird der im 19. Jahrhundert in England vorherrschende romantische Glaube an das Übernatürliche persifliert, indem die Engländer der „Alten Welt“ eine parodistisch überzogene Angst vor dem Gespenst an den Tag legen. (Wildes Umkehrung sorgt für den paradoxen Effekt der Geschichte, dass nicht die Bewohner Angst vor dem besagten Gespenst haben, sondern jenes vor den neuen Bewohnern.) Oscar Wilde greift in seiner Erzählung die um 1890 erwachenden philosophischen Versuche auf, materialistische Seinslehre und idealistische Erkenntnistheorie miteinander zu verbinden. Das Gespenst ist sowohl materieller Ausdruck des eigenen Realitätsempfindens als auch Ziel der idealistischen Erkenntnistheorie. Unklar bleibt dabei, inwieweit diese „hylo-idealistische“ Position Bestandteil der Satire ist.[3]

Adaptionen

Verfilmungen

Hörspiele

Theater

  • 1997: Spielfassung von Thomas Birkmeir für Kinder von 6 bis 10 Jahren für das Theater der Jugend (Wien) bei www.kaiserverlag.at
  • 2008: Eine Spielfassung für einen Schauspieler (Zuschauer ab zehn Jahre) von Stefan Karthaus und Joachim Berger am FWT Köln
  • 2009: Zwei Fassungen ( Familienstück und Musical ) „Gespenst(er) von Canterville“ beim Bautzener Theatersommer.[4]
  • 2010: dramatisierte und inszenierte der Regisseur Sascha Krohn Das Gespenst von Canterville für das Festival Annaberg goes Wilde – The Canterville Ghost Project. Die Uraufführung fand am 3. September 2010 in Annaberg-Buchholz in einem ehemaligen Klostergarten statt.

Oper

  • 2013: Familienoper von Marius Felix Lange. Uraufführung Opernhaus Zürich 23. November 2013, Neufassung 2. November 2014 Komische Oper Berlin
  • 2014: "Das Schlossgespenst und der Geist von Canterville": Kinderoper von Danyal Dhondy (Musik), Kerstin Weiß und Enke Eisenberg (Libretto). Uraufführung im Rahmen der Schlossfestspiele Marburg am 19. Juli 2014.

Einzelnachweise

  1. Hylo-Idealismus ist eine „Auffassung, nach der die Wirklichkeit Erscheinungsform des Geistes ist“. Hyle ist ein Begriff aus der Philosophie des Aristoteles und steht für „Stoff“ oder „Materie“. Idealismus ist eine philosophische Position, die - anders als der Materialismus - dem Geist den Vorrang vor der Materie einräumt. Vgl. Oscar Wilde: The Canterville Ghost. (Reclam Fremdsprachentexte). Reclam, 1984, S. 3.
  2. Oscar Wilde: Das Gespenst von Canterville. Reclam Verlag, Stuttgart 2008, S. 3.
  3. Hans Christian Oeser: Nachwort. zum Gespenst von Canterville, Reclam Verlag, 2008.
  4. theater-bautzen.de

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Das Gespenst von Canterville (Erzählung) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.