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Constitutio Antoniniana

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Bei der Constitutio Antoniniana handelt es sich um eine von Kaiser Marcus Aurelius Severus Antoninus, genannt Caracalla, wohl am 11. Juli 212 in Kraft gesetzte Verordnung, die allen freien Bewohnern des Römischen Reichs das römische Bürgerrecht verlieh. Dabei wurde nur hinsichtlich einer Gruppe, den dediticii, ein Vorbehalt gemacht.

Quellenlage und Inhalt

Eine Constitutio (lateinisch für Verordnung) ist eine kaiserliche Verfügung in Form eines Ediktes, Dekretes, Mandates oder Reskriptes, die – neben den Beschlüssen des Senats – zur zentralen Form der Gesetzgebung in der römischen Kaiserzeit wurde. Das päpstliche Gegenstück dazu ist die Constitutio Apostolica (Apostolische Festsetzung).

Auf einem Papyrus, der aus der Zeit um 215 stammt, im Jahr 1901 in Eschmunen in Ägypten erworben wurde und sich nun in der Papyrussammlung der Universitätsbibliothek Gießen (P. Giss. 40, col. I) befindet, glaubt man einen Teil des Textes wiederentdeckt zu haben. Allerdings ist die Deutung noch umstritten. Sinngemäß lautet der Text in diesem Papyrus:

„Imperator Caesar Marcus Aurelius Severus Antoninus Pius sagt: Nachdem ich Gesuche und Bittschriften erhalten habe, in denen vor allem gefragt wird, wie ich den unsterblichen Göttern dafür danken kann, dass sie mich durch einen derartigen Sieg gerettet haben, ist es vernünftig zu sagen, dass ich der Ansicht bin, eine Handlung auf eine so großartige und fromme Weise ausführen zu können, wie sie ihrer Majestät zukommt, indem die Fremden zusammengeführt werden in den Zeremonien ihres Glaubens, wie Römer, alle die kommen, und sie vereinige mit meinen Männern. Ich gebe daher allen Fremden, die im Reich sind, das Recht des römischen Bürgers, eingeschlossen diejenigen, die sich in Städten jeglicher Art aufhalten, ausgenommen diejenigen, die dediticii sind. Wirklich soll es sein, dass die Menge von jetzt an auch an dem Sieg teilhabe. Dieses Edikt wird die Würde des römischen Volkes vergrößern.“

Nicht eindeutig geklärt ist die Abgrenzung des mit dediticii gemeinten Personenkreises. Als dediticii bezeichnete man für gewöhnlich Angehörige von Völkern oder Staaten, die sich den Römern bedingungslos unterworfen hatten, entweder im Krieg im Sinne einer Kapitulation oder im Frieden, um römischen Schutz zu erhalten. Juristisch bedeutete die Constitutio Antoniniana nicht, wie man früher glaubte, die Aufhebung örtlicher Rechtsgewohnheiten und ihre Ersetzung durch römisches Privatrecht; örtliches Recht wurde weiterhin angewendet, soweit es dem römischen nicht widersprach.

In späterer Zeit hielt man übrigens meist nicht mehr Caracalla, sondern Mark Aurel bzw. Antoninus Pius für denjenigen Kaiser, der die Constitutio Antoniniana erlassen habe. Beide trugen wie er den Namen Antoninus, doch wurden sie im Unterschied zu Caracalla in überwiegend positiver Erinnerung behalten. Moderne Historiker zweifelten hin und wieder die Datierung in das Jahr 212 an und setzten die Constitutio in die beiden folgenden Jahre, doch meistens wird die traditionelle Argumentation akzeptiert: Schon zu Beginn des Jahres 213 tauchte an mehreren Orten des römischen Reiches – in Lykien und in Germanien – der Gentilname Aurelius auf, was vermutlich damit zu tun hat, dass die neuen Bürger sich oft nach Caracalla benannten, um ihm zu danken und ihn zu ehren. Des Weiteren bezieht sich der Erlass auf Geta (siehe „Motive Caracallas“), der im Februar 212 umgebracht wurde. Die Constitutio Antoniniana kann nicht lange danach veröffentlicht worden sein.

Motive Caracallas

Der Sinn und Zweck des Erlasses sind bis heute nicht befriedigend geklärt. In der Präambel des Edikts wird der Anlass hervorgehoben, der darin bestand, dass der Kaiser gerettet worden sei (dies ist vielleicht ein Hinweis auf einen angeblichen Mordanschlag seines Bruders Geta, der in Wirklichkeit im Vorjahr von Caracalla ermordet worden war). Dies wird nur ein Vorwand gewesen sein, der den positiven Nebeneffekt hatte bzw. gehabt hätte, dass Geta schlechtgeredet worden wäre. Die wahren Gründe sind sicherlich andere.

Der Caracalla feindlich gesinnte Geschichtsschreiber Cassius Dio teilt mit (79,9,5), wie der Schritt des Kaisers in oppositionellen Kreisen aufgefasst wurde. Dort war man der Meinung, die Ausdehnung des Bürgerrechts habe vor allem den Zweck gehabt, die Betroffenen verschiedenen Steuern zu unterwerfen, die nur von römischen Bürgern zu bezahlen waren. Dazu gehörten die Steuer auf die Freilassung von Sklaven und die Erbschaftssteuer, die Caracalla verdoppelte. Die Erbschaftssteuer wurde nun auch den bisher nicht steuerpflichtigen Familienangehörigen auferlegt. Wegen der außerordentlich stark erhöhten Personalkosten beim Militär infolge einer großzügigen Solderhöhung und üppigen Sonderzuwendungen (Donativen) an die Soldaten musste Caracalla tatsächlich neue Einkommensquellen erschließen.

Die Erhöhung der Steuereinnahmen war aber nur eines der Motive Caracallas. Außerdem wollte er die Neubürger als ihm persönlich ergebene Anhängerschaft gewinnen, um auf diese Art die Feindschaft der traditionellen Elite, bei der er verhasst war, zu kompensieren und so seine Machtbasis zu stärken. Zahlreiche Neubürger nahmen den Gentilnamen des Kaisers (Aurelius) an, der dadurch außerordentlich häufig wurde. Alles lief darauf hinaus, die Kasse des Staates und des Kaisers zu füllen und Caracalla Popularität zu verleihen.

Auswirkungen und historische Einordnung

Mit der Constitutio Antoniniana vollzog Caracalla einen wichtigen Schritt in Richtung auf eine Vereinheitlichung der rechtlichen Verhältnisse im Reich. Die Maßnahme spiegelt eine Entwicklung wider, die die soziale Schichtung der Bevölkerung betraf. Zur Zeit des Augustus gab es im Grunde für römische Bürger eine Reihe von rechtlichen Privilegien und Schutzvorkehrungen, ungeachtet ihres sozialen Rangs. Jedoch bildeten sich in den danach folgenden zweieinhalb Jahrhunderten zwei entscheidende Änderungen heraus:

  1. Das römische Bürgerrecht wurde nun ausgedehnt auf das gesamte Reich, sowohl durch individuelle Genehmigungen (im Besonderen gegenüber entlassenen Hilfstruppen; siehe Militärdiplom) als auch gegenüber ganzen Gemeinschaften (wie zum Beispiel das punische Leptis Magna). Auch die Kinder freigelassener Sklaven eines römischen Bürgers besaßen automatisch das römische Bürgerrecht. Dies bedeutete, dass eine große und wachsende Zahl von einfachen Leuten fremder Herkunft den Schutz des römischen Bürgerrechts genossen (vergleiche: Paulus in der Apostelgeschichte).
  2. Die Aristokratien verschiedener nichtrömischer Teile des Reichs wurden zu einem gewissen Grad an die römische Kultur assimiliert, ihnen wurden Rollen in der senatorisch-adligen Regierungskaste zugewiesen. Zur Zeit der Constitutio Antoniniana hatte eine große Anzahl wohlhabender Einwohner des Römischen Reichs Rechte erhalten, waren aber immer noch wohlhabende Fremde.

Das Ergebnis dieser Situation war, dass im Reich anstelle der Abgrenzung zwischen Römern und Fremden (peregrini) eine neue Unterscheidung aufkam. Die römische Welt wurde aufgeteilt in angesehene (lat. honestiores) und weniger angesehene (lat. humiliores) Bewohner. Die erste Gruppe waren die Wohlhabenden, die andere die Übrigen. Diese Unterscheidung wird im Strafgesetz am deutlichsten: Normalerweise konnten die honestiores für Kapitalverbrechen (von Hochverrat abgesehen) lediglich ins Exil geschickt werden, während die humiliores hingerichtet werden konnten. Diese Unterscheidung wird offenkundig erstmals unter Hadrian erwähnt, die Auffassung selbst aber stammt schon aus dem 1. Jahrhundert. Somit kann die Constitutio Antoniniana als der Höhepunkt einer Entwicklung gesehen werden, bei der fast jeder römischer Bürger werden konnte, da die Unterscheidung zwischen oben und unten im Kern nur noch die des sozialen Ansehens war.

Die Constitutio Antoniniana schließlich vollendete diesen Prozess: Alle römischen Bürger erhielten nun das Bürgerrecht, außer der Gruppe der „Fremden“, und natürlich der Sklaven. Dies hatte in den Augen einiger Historiker große Auswirkungen: In der frühen Kaiserzeit war für einen nicht besonders reichen Mann aus der Provinz ein Dienst in der römischen Armee oft der einzige Weg, das Bürgerrecht zu erlangen. Dieser Grund fiel nun weg, sodass das römische Reich irgendwann nicht mehr genügend Legionäre rekrutieren konnte. Dies wiederum hatte zur Folge, dass in zunehmendem Maße barbarische Söldner angeheuert wurden, was zwei Nachteile hatte. Erstens mussten sie bezahlt werden, und zweitens fehlte ihnen die Loyalität zum römischen Reich und dem Kaiser. Die Folge waren die Zunahme der Usurpationen, erfolgreichere Invasionen germanischer Stämme und somit schließlich der Untergang des römischen Reiches. Sicherlich ist dies ein Grund, der nicht unerheblich zum Fall Westroms beigetragen hat, aber zweifelsohne nicht der einzige.

Literatur

  • Kostas Buraselis: Theia Dorea. Das göttlich-kaiserliche Geschenk. Studien zur Politik der Severer und zur Constitutio Antoniniana (= Akten der Gesellschaft für Griechische und Hellenistische Rechtsgeschichte. Bd. 18). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2007, ISBN 978-3-7001-3725-2.
  • Hartmut Wolff: Die constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis 40 I. 2 Bände (Bd. 1: Text. Bd. 2: Anmerkungen und Indizes.). Köln 1976 (Köln, Universität, Dissertation, 1972).
  • Adrian N. Sherwin-White: The Tabula of Banasa and the Constitutio Antoniniana. In: Journal of Roman Studies. Bd. 63, 1973, S. 86–98.
  • François Jaques, John Scheid: Rom und das Reich. Staatsrecht, Religion, Heerwesen, Verwaltung, Gesellschaft, Wirtschaft. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 978-3-86820-012-6, S. 307 f.
  • Barbara Pferdehirt, Markus Scholz (Hrsg.): Bürgerrecht und Krise. Die Constitutio Antoniniana 212 n. Chr. und ihre innenpolitischen Folgen (= Mosaiksteine. Forschungen am Römisch-Germanischen Zentralmuseum. Bd. 9). Begleitbuch zur Ausstellung im Römisch-Germanischen Zentralmuseum 20. September 2012 bis 1. Januar 2013, mit Beiträgen von Timothy Barnes, Jérémie Chameroy, Martin Kemkes, Janken Kracker, Peter Kuhlmann, Andreas Pangerl, Barbara Pferdehirt, Lucas Rischkau, Markus Scholz, Thomas Tews, Jens Wegmann und Bernhard Weisser. Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz 2012, ISBN 978-3-88467-195-5.

Weblinks

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