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Brandenburgische Universität Frankfurt

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Universitätssiegel[1]

Die Brandenburgische Universität Frankfurt – die Alma Mater Viadrina – war die erste Universität in Brandenburg. Sie wurde 1506 in Frankfurt (Oder) gegründet und 1811 geschlossen. In den Pestjahren 1613, 1625, 1626 und 1656 wurde die Universität in die nahegelegene Stadt Fürstenwalde/Spree verlegt.

Gründung

Papst Julius II. genehmigte am 15. März 1506 die Errichtung der Alma Mater Viadrina. Von ihrer Gründung durch Kurfürst Joachim I. am 26. April 1506 bis zur Schließung 1811 war die Alma Mater Viadrina Brandenburgs erste Universität.

An ihr wurden die klassischen vier Fakultäten betrieben, also Theologie, Rechtswissenschaft, Medizin und Philosophie. Schon im ersten Jahr ihrer Gründung hatten sich über 900 Studenten aus den deutschen Ländern, aus Polen, Schweden, Norwegen und Dänemark immatrikuliert. Die Stadt Frankfurt an der Oder zählte damals 5.000 Einwohner.

Da an der kurbrandenburgischen Viadrina wie an der 1544 gegründeten herzoglich-preußischen Albertus-Universität Königsberg die lutherische Orthodoxie herrschte, gründete Kurfürst Friedrich Wilhelm für die westlichen Teile seines Herrschaftsgebietes (Herzogtum Kleve) 1655 die lange vorbereitete Alte Universität Duisburg. Sie blieb den Reformierten vorbehalten.[2]

Name

Das Wort Viadrina kommt aus dem Lateinischen und lässt sich mit „die an der Oder gelegene“ übersetzen. Die Herkunft des Namensursprungs Viadrus als Name der Oder ist umstritten. So wird vermutet, der neulateinische Name Viadrus sei von dem Frankfurter Professor Jodocus Willich für die Oder eingeführt worden.[3] Er findet sich in der Frankfurter Stadtansicht der Cosmographia von 1550. Der Holzstich von 1543 ist die erste Stadtansicht Frankfurts; bereits die Karte zur Germania magna der Ulmer Ptolemäus-Ausgabe von 1482 nennt aber die Bezeichnung Viadus fl.[4][5]

Siehe auch: Alma Mater

Kollegienhaus

Kollegienhaus von 1694 (1911)
Wohngebäude

1498 wurde an der Stelle einer bei einem Pogrom zerstörten Synagoge mit dem Bau des Gebäudes begonnen. Papst Alexander VI. stellte im selben Jahr einen Stiftungsbrief für die Universität aus. Bauleiter war Stephan Hundertmarks, später Bürgermeister. Geldgeber war der Stadtrat. Bei der Fertigstellung des zweistöckigen Gebäudes 1507 hatte das Projekt die Stadt 1.100 Schock Groschen gekostet. Zum Stolz der Stadt erhielt das Gebäude 1511 eine Wasserleitung. In den zwei Hörsälen lehrten zwölf besoldete Magister der Artistenfakultät. Kurz nach 1516 wurde die Bibliothek mit dem Erstbestand aus einer Erbschaft vom verstorbenen Siegfried Uttensberger im Dachgeschoss angelegt. Ab 1659 war Jonathan Le Clercq erster Bibliothekar der Universität.

1678 wurde auf Befehl von Kurfürst Friedrich Wilhelm westlich des Gebäudes ein botanischer Garten angelegt. Bernhard Friedrich Albinus ließ 1684 im Erdgeschoss ein Anatomisches Theater anlegen. Durch Schäden vom Dreißigjährigen Krieg und der nachfolgenden Vernachlässigung der Bausubstanz war das Gebäude 1690 vom Einsturz bedroht. Von 1693 bis 1694 wurde das Gebäude dann grundlegend restauriert, die Schmuckgiebel entfernt und um ein Stockwerk erhöht. Über dem Zugang war eine Mondsichelmadonna. Die Kartusche trug die Beischrift:[6]

AD POPVLOS EXALTABO SIGNUM MEUM ET AFFERENT FILIOS TVOS IN ULNIS IES XLIX 22

Neben der Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg war die Bibliothek eine der großen in Preußen. Im Juni 1811 schloss sie mit der Universität. Der Bestand von ca. 28.000 Büchern wurde im August desselben Jahres auf Veranlassung von Professor Schneider über die Oder nach Breslau verschifft. Die mittlere Etage wurde dem Konditor Couriol überlassen, der darin Maskenbälle veranstalten durfte.

1815 ging das Gebäude vom Staat in das Eigentum der Stadt über und die Untergeschosse wurden als Heu- und Strohmagazin verwendet. Als Gegenleistung überließ die Stadt dem Staat das Gebäude der Stadtschule, dem Stadthof. Im obersten Stockwerk befand sich aber seit 1758 weiterhin die Bibliothek der Königlichen Friedrichschule.

1822 wurde das Gebäude zur Stadtschule umgebaut, nachdem die Lagerbestände ins nahe Fouragemagazin verlagert worden waren. Geplant hatte den Umbau der Stadtbaurat Clemens; ausgeführt wurden die Arbeiten von Maurermeister Riegel. Im November 1824 wurde der Schulbetrieb aufgenommen.

Die Schule zog am 25. April 1911 in ein Gebäude in der Wieckestraße. Von 1914 bis 1945 diente das Kollegienhaus als Volksschule (Georgenschule). Sie überstand den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden und wurde daher 1945 als Unterkunft für Flüchtlinge aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches genutzt. Danach blieb das Gebäude ungenutzt. 1953 gab es Pläne und bereits bewilligte Mittel, hier einen Jugendclub einzurichten; allerdings wurden die Pläne von der Staatlichen Plankommission verworfen. Auch Bemühungen des Denkmalschutzes waren nicht erfolgreich.[7]

Am 20. Dezember 1962 um 14:00 Uhr wurde das inzwischen zur Ruine verkommene Gebäude abgerissen, um einem geplanten Wohnkomplex Platz zu machen. Heute erinnern nur noch der Straßenname An der alten Universität und eine Reliefmauer an das ehemalige Gebäude.

Rektoren

Gründungsrektor Konrad Wimpina

Insgesamt gab es zwischen 1506 und 1811 mehr als 250 verschiedene Prorektoren. Rektor war der Landesherr. Viele Professoren waren mehrfach Rektor. So wechselte von 1509 bis 1749 die Besetzung der Position jedes Semester.[8]

Persönlichkeiten

Johann Tetzel wurde 1518 an der Viadrina promoviert. Hier entstanden seine 106 Gegenthesen zu den 95 Thesen Martin Luthers. 1668 führte Matthäus Gottfried Purmann hier die erste erfolgreiche Bluttransfusion vom Lamm auf einen Menschen auf deutschem Boden durch.

Bis zu ihrer Verlegung nach Breslau studierten an der Alma Mater Viadrina 55.000 Personen. Zu den berühmten zählen:

Kränzchen

Chargierte der Frankfurter Kränzchen – Schlesier, Märker und Preuße (1805)

Die Studenten waren in Kränzchen zusammengeschlossen. Die Chargierten trugen landsmannschaftliche Uniformen.[9] Am 16. Februar 1798 gründeten die Frankfurter Kränzchen den in deutschen Landen ersten Senioren-Convent. Der SC-Comment ist der älteste erhaltene.[10]


Jüdische Studenten

Bei der Eröffnung der Universität war es, wie in den größten Teilen Europas, den Juden verboten, sich zu immatrikulieren. Als der Kurfürst Johann Sigismund 1613 zur reformierten Kirche übertrat, entwickelte sich die Frankfurter Universität mehr zu einer calvinistischen Universität. Professor Johann Christoph Beckmann besuchte unter anderem die für jüdische Studenten geöffnete Universität Leiden und ließ sich danach in Amsterdam vom Rabbiner Jacob Abendana „… im Talmudischen und in der arabischen Sprache unterrichten“[11]. Am 29. April 1678 erteilte der Kurfürst Friedrich Wilhelm Gabriel Moschowitz[12] und Tobias Moschowitz[13] als ersten jüdischen Studenten das Recht, an der Universität zu studieren. Das Studieren war allerdings durch die Kränkungen und abfällige Bemerkungen über das Judentum durch die Professoren nicht einfach. Ihre Promotion erlangten beide später in Padua, da sie ihnen in Frankfurt verwehrt blieb. Tobias wurde später Leibarzt des Sultans in Konstantinopel. Salomon Liebmann war der nächste erfasste Jude, welcher ebenfalls auf besonderen Geheiß des Kurfürsten ab 1695 an der Viadrina studierte. Die erste Promotion eines Juden erfolgte am 15. Oktober 1721. Den Doktorgrad erhielt Moses Salomon Gumpertz, der zuvor an der Karls-Universität Prag studiert hatte.

Bis 1794 wurden 29 Juden in Medizin promoviert, unter ihnen Marcus Elieser Bloch. Der letzte immatrikulierte jüdische Student der alten Universität war Wilh. Salomon Hirschel, der sich am 28. September 1810 einschrieb. Sein Studium konnte er aber durch die Schließung der Universität in Frankfurt nicht beenden. Insgesamt hatten bis dahin etwa 140 Juden in Frankfurt studiert, die meisten von ihnen aus Polen, aber auch aus Prag, Amsterdam und einer aus London.[14]

Schließung und Nachwirken

Zur Erneuerung Preußens nach dem Frieden von Tilsit (1807) gehörte auch eine Reform der Universitäten. Als die (pietistische) Friedrichs-Universität Halle nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt von Napoleon Bonaparte geschlossen worden war, trat 1809 an ihre Stelle die (reformierte) Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Die Krone Preußen schloss die Viadrina im August 1811 und vereinigte sie mit der Leopoldina in Breslau zur Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Viele Professoren gingen an diese neue Volluniversität, andere nach Berlin.

Zur Erinnerung an die Universitätsgründung veranstaltete die Stadt Frankfurt 1906 eine 400-Jahr-Feier. „Sitz einer Universität wird unsere Stadt schwerlich jemals wieder werden“, bedauerte man.[15][16][17] 180 Jahre nach der Universitätsschließung, im Juli 1991, wurde in Frankfurt die Europa-Universität Viadrina neugegründet.

Reliefmauer An der alten Universität

Literatur

  • Jahresberichte des Fördervereins zur Erforschung der Geschichte der Viadrina, Bd. 1 (1998) – Bd. 5 (2005/06). scrîpvaz-Verlag, Schöneiche bei Berlin ISSN 1437-1715
  • Modrow, Irina: Wonach in Frankfurt „jeder, der nur wollte, gute Studien machen konnte ...“ Eine kleine Geschichte der Viadrina. scrîpvaz, Schöneiche bei Berlin 2006.
  • Höhle, Michael: Universität und Reformation. Die Universität Frankfurt (Oder) von 1506 bis 1550. Köln: Böhlau 2002.
  • Günther Hasse, Joachim Winkler (Hg.): Die Oder-Universität Frankfurt. Beiträge zu ihrer Geschichte. Weimar, Böhlau 1983.
  • Richard Pyritz, Matthias Schütt (Hg.): Die Viadrina. Eine Universität als Brücke zwischen Deutschland und Polen. be.bra verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-937233-57-4.
  • Ralf-Rüdiger Targiel: Vom Großen Collegienhaus der Frankfurter Universität. Die Mark Brandenburg – Zeitschrift für das Land Brandenburg, Heft 63, Marika Großer Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-910134-22-5.
  • André König: Alma mater Viadrina. Die Mark Brandenburg – Zeitschrift für das Land Brandenburg, Heft 63, Marika Großer Verlag, Berlin 2006.
  • M. Kaufhold: Die Europa-Universität Viadrina. Die Mark Brandenburg – Zeitschrift für das Land Brandenburg, Heft 63, Marika Großer Verlag, Berlin 2006.

Weblinks

 Commons: Alma Mater Viadrina – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Urkunde vom 9. Juli 1518, Umschrift: SIGILLUM RECTORIS STUDII FRANGFURDII
  2. Siegfried Schindelmeiser: Die Albertina und ihre Studenten 1544 bis WS 1850/51. Neuausgabe in zwei Bänden, hg. von Rüdiger Döhler und Georg v. Klitzing, München 2010, ISBN 978-3-00-028704-6, Bd. 1, S. 26, 33. GoogleBooks
  3. Joachim Schneider: Über die Herkunft und Varianten des Flussnamens Oder. In: Mitteilungen des historischen Vereins zu Frankfurt (Oder). 2003, H.1, S. 14.
  4. Karte zur „Germania magna“ nach Ptolemäus, 15. Jahrhundert.
  5. Ernst Otto Denk u.a.:VIADRUS, Heimatbuch für Bad Freienwalde, Bad Freienwalde Touristik GmbH, 2009.
  6. dt.: Ich will für die Völker mein Banner aufrichten; dann werden sie deine Söhne in den Armen herzubringen, Jesaja 49, 22
  7. Anja Persinger in: Märkische Oderzeitung/Frankfurter Stadtbote. 15. April 2006, S. 15.
  8. Matrikel der Uni 1506–1811; Online
  9. Erich Röhlke: Über das Kränzianertum an der Viadrina [Frankfurt a. d. O. 1763/86–1811]. Einst und Jetzt. Bd. 17 (1972), S. 113–125.
  10. Erich Bauer (Hg.): 14 der ältesten SC-Komments vor 1820. Einst und Jetzt, Sonderheft 1967, S. 5–8.
  11. B. Brilling, Gründung und Privilegien der hebräischen Buchdruckerei in Frankfurt a.O., Breslau 1936, S. 267. Hier nach Ralf-Rüdiger Targiel, Mitteilungen Frankfurt Oder, 1999, S. 10.
  12. auch Gabriel ben Mose.
  13. auch Tobias ben Mose aus Metz.
  14. Ralf-Rüdiger Targiel: Mit kurfürstlicher Genehmigung, immatrikuliert in Frankfurt – Jüdische Studenten an der Viadrina, in Mitteilungen Frankfurt (Oder), Historischer Verein zu Frankfurt (Oder) e. V. (Hg.), 1999 Heft 1, S. 10–16.
  15. Die Säkularfeiern der Alma Mater Viadrina (1606–1906) (PDF; 646 kB) Andrea Lehmann, 2005
  16. Aus dem ersten Jahrzehnt der Universität und die ältesten Dekanatsbücher der Juristen und der Mediziner. Festschrift zur vierhundertjährigen Jubelfeier der Alma Mater Viadrina / hrsg. von Gustav Bauch. M. & H. Marcus, Breslau 1906
  17. Acten und Urkunden der Universität Frankfurt A.o. Verlag von M. & H. Marcus, Breslau 1907.
52.34914.548861111111
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