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Bettler

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit bettelnden Menschen. Das Wort „Bettler“ (auch: „Bettel“) bezeichnet ferner die Kartenspielansage, keinen Stich zu machen, etwa in Bauernschnapsen oder Königrufen.
Bettler in Teheran um 1880
Bettler-Skulptur, Santo Spirito Hospital, Rom
Bettelndes Kind am Rande eines Einkaufszentrums in Jakarta
Bettelnde Roma Frau mit Kind in einer Strassenbahn, Genf, 2011

Bettler sind Menschen, die ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus Almosen - milden Gaben anderer - bestreiten. Meistens wird um Geld gebettelt.

Ursachen

Die Ursachen des Bettelns sind vielfältig, besonders in wirtschaftlich unterentwickelten Ländern sind Bettler verbreitet. Arbeitslosigkeit, Invalidisierung, Alter oder die Verweigerung von Sozialhilfe gelten als (weitere) Gründe.

Das Leben als Bettler kann auch selbst gewählt sein und hat bisweilen eine eigene Würde, besonders bei Bettelorden oder Einsiedlern.

Bettler am Wegesrand (Darstellung von 1568)

Geschichte

In früheren Jahrhunderten, als es noch keine Sozialversicherungen gab, wuchs die Zahl der Bettler in vielen europäischen Städten stark an. Die Kirche und private Wohlfahrtseinrichtungen nahmen sich ihrer an. Doch bereits im Mittelalter hatte die Obrigkeit das rasche Anwachsen als Gefahr für ihre Herrschaft empfunden: Man begann, durch polizeiliche Anordnung den "unberechtigten Bettel" zu unterdrücken, anerkannte aber andererseits bei bestimmten Personengruppen, etwa hilflosen und gebrechlichen Menschen, durch Ausstellung behördlicher Bettelbriefe ein Recht, öffentlich um mildtätige Gaben zu bitten. Als älteste Bettlerordnung im deutschsprachigen Raum gilt die von Nürnberg aus dem Jahr 1478.

Außerdem sollten insbesondere der Reichsabschied von 1512, der Landfrieden von 1551 und die Reichspolizeiordnung von 1577 der Bettelei entgegenwirken. 1520 erließ z. B. der Zürcher Stadtrat auf vorherige Empfehlung von Ulrich Zwingli eine eigene Verordnung, die sich mit der Versorgung bedürftiger Personen befasste. Ausdrückliches Ziel dieser Regelung war es, die öffentliche Bettelei zu unterbinden und stadtfremde Bettler von der Stadt fernzuhalten. Es wurden zwei Pfleger gewählt, denen die Bedürftigkeitsprüfung und die Verteilung der durch den Rat bzw. durch Stifter zur Verfügung gestellten Mittel oblag. Um die Armen "ab der gasse" zu bringen, erfolgte eine regelmäßige Armenspeisung. Der Zugang hierzu war davon abhängig, dass der jeweils Bedürftige vorher nicht öffentlich gebettelt hatte: Die "ordnung und Artikel antreffend das almuosen" regeln, "das hinfür aller bettel in der stadt Zürich, es sye von heimischen oder frömbden personen, abgestellt sin sölle." Wenn einer trotzdem bettle, solle "im das almuosen 8 Tage abgeschlagen werden."[1]

Zahlreiche landespolizeiliche Verordnungen sollten in den deutschen Territorien das Betteln eindämmen, zumal nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die englische Gesetzgebung bestrafte im 16. Jahrhundert Bettler und Landstreicher sogar durch Auspeitschungen und Brandmarkungen. Seit dem 17./18. Jahrhundert wurde ein Teil der Bettler auch in Arbeitshäusern untergebracht, um sie aus der Öffentlichkeit zu entfernen und ihre Arbeitskraft zu nutzen. Die Erziehung zu einer Fabrikdisziplin rückte im Zuge der Industrialisierung, ausgehend von den britischen Arbeitshäusern, immer stärker in den Vordergrund. Zum Bettelwesen für das ausgehende 19. Jahrhundert, insbesondere zum Einsatz von Kindern zur Bettelei schreibt Meyers Enzyklopädie von 1888:

Am allerwenigsten darf der Mißbrauch der Kinder zum Zweck des Bettelns geduldet werden. Das deutsche Strafgesetzbuch bestraft Bettelei als Polizeiübertretung mit Haft (§ 361), gewohnheitsmäßige Bettler und solche, welche unter Drohungen oder mit Waffen gebettelt haben, können nach verbüßter Haft bis zu 2 Jahren in ein Arbeitshaus eingesperrt werden (§ 362). Den selbst Bettelnden sind diejenigen gleichgestellt, welche Kinder zum Betteln anleiten oder ausschicken oder die ihrer Aufsicht untergebenen, zu ihrer Hausgenossenschaft gehörigen Personen vom Betteln abzuhalten unterlassen. Bettelei unter Vorspiegelung körperlicher Gebrechen oder unter Behauptung falscher Thatsachen wird als Betrug durch die Gerichte geahndet.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erließ das preußische Innenministerium am 1. Juni 1933 eine Verordnung zur Unterdrückung des öffentlichen Bettelunwesens. Armut und Bedürftigkeit wurden mehr und mehr kriminalisiert.

Mit der Abschaffung des § 361 Abs. 1 Nr. 4 im Strafgesetzbuch mit Wirkung zum 2. April 1974, ist Betteln in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nicht mehr strafbar.[2]

Aus religiöser Sicht ist die Unterstützung, Verpflegung und Beherbergung von Armen und Kranken ein Werk der Barmherzigkeit. Dabei ist Sachleistungen (Essen, warme Quartiere) der Vorzug zu geben, aus den oben genannten Bedingungen.

Die Erforschung der Genealogie der Bettler ist ein schwieriges Spezialgebiet, das sich auf oft umfangreiche Gerichts- und Polizeiakten, Steckbriefe usw. stützen kann.

Besonderheiten

Brandbettel

Die auch heute noch gebräuchliche Benutzung der Bezeichnung Brandbrief als eine Ein- und Aufforderung zur schnellen Hilfe geht auf das als Brandbettelbrief bekannt gewordene Schriftstück zurück. Dieser Brandbettelbrief war ein Schreiben von Behörden, das sogenannten Abgebrannten, also Menschen die Hab und Gut und Haus durch einen Brand verloren hatten, zum Zwecke der Bettelei, die örtlich zum Teil streng verboten war, ausgegeben wurde. Da auch teilweise Missbrauch damit einherging, wurde mit Einführung der Feuerpflichtversicherungen die Brandbettelei abgeschafft.

Beruf in Indien

Bis in die 1980er Jahre wurde Bettler in den offiziellen indischen Statistiken als anerkannter Beruf geführt. Dort gibt es, wie in vielen armen asiatischen Ländern, „Bettel-Mafias“. Dies sind geheime Untergrundorganisationen, die Kinder kaufen oder entführen und zum Betteln zwingen.

Deutschland

Betteln ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt, doch Vortäuschung falscher Verhältnisse (zum Beispiel „bin obdachlos“, „Geldbörse gestohlen“) kann einen Bettelbetrug darstellen und aufdringliches Betteln kann in Deutschland als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.[3] Bettler sind z. T. obdachlos.

Betteln ist in Deutschland grundsätzlich steuerfrei, d. h. Einkünfte hieraus unterliegen nicht der Einkommensteuer. Sofern jedoch "gewerbsmäßiges" Betteln vorliegt,[4] können diese ggf. als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG aufgefasst werden, wobei dies praktisch kaum nachweisbar sein dürfte.

In den Medien gab es in der Vergangenheit Berichte, wonach insbesondere Verstümmelte oder geistig Behinderte durch die so genannte „Bettel-Mafia“ illegal aus Osteuropa in die Bundesrepublik geschleust wurden.[5] Besonders das Betteln von Kindern ist höchst umstritten. Problematisch ist es vor allem dann, wenn Kindern dadurch der regelmäßige Schulbesuch vorenthalten wird.

Österreich

In Österreich gelten ähnliche Regeln wie in Deutschland. Jedoch muss bei Einkünften über 624,18 € Einkommensteuer bezahlt werden. Das Betteln mit Kindern ist seit der Einführung eines entsprechenden Gesetzes im Juni 2005 strengstens untersagt und wird mit Haftstrafen oder Sozialarbeitspflicht geahndet. In Wien herrscht Bettelverbot bezüglich aggressiven, organisierten Bettelns, Bettelns unter Mitnahme unmündiger Minderjähriger und seit Juni 2010 zudem gewerbsmäßigen Bettelns, § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz.[6]; Auch andere Bundesländer haben spezielle bußgeldbewehrte Regelungen gegen das Betteln erlassen, beispielsweise das Land Salzburg.[7]

Diskussion zu Bettelverboten im deutschsprachigen Raum

Es wird sowohl in Österreich als auch in Deutschland immer wieder über teilweise oder allgemeine Bettelverbote diskutiert. Befürworter argumentieren, dass die Grundsicherung durch den Staat ohnehin gesetzlich garantiert sei und das Betteln nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes nötig sei. Ein weites Argument für Bettelverbote ist, dass insbesondere Kinder durch das Betteln in ihrer Sozialisation beeinträchtigt werden. Teilweise wird argumentiert, dass durch die Bettelverbote Bettler vor Ausbeutung durch mafiöse Strukturen geschützt werden sollen.

Erstere Argumentation könne demnach nicht für Personen geltend gemacht werden, die in ihren Herkunftsländern (etwa Bulgarien, Rumänien, der Slowakei u.a.) keine existenzsichernde Lohnarbeit oder staatliche Unterstützung bekommen und in Deutschland keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Kritiker von Bettelverboten lehnen Bettelverbote mit Verweis auf die Grundrechte (Recht auf freie Lebensführung, Recht auf Erwerbsfreiheit) und die fehlende Existenzgrundlage und weitere fehlende Einkommensmöglichkeiten, die Menschen zum Betteln treiben, ab.

Sonstiges

Es gibt ein Cello vom Geigenbauer G.B. Guadagnini mit dem Namen "Il Mendicante" (Der Bettler). Es soll im 19. Jahrhundert einem Bettler in Paris gehört haben, der es wegen seines unvergleichlichen Klanges trotz seiner Armut nicht verkaufte. Dieses Cello gehört heute dem Cellisten Thomas Beckmann.

Siehe auch

Literatur

  • Arwed Emminghaus: Das Armenwesen und die Armengesetzgebung in europäischen Staaten. Berlin 1870
  • Wolfram Fischer: Armut in der Geschichte. Göttingen 1982
  • Bronislaw Germer: Geschichte der Armut. München/Zürich 1988
  • Mathias Kautzky: Bettelverbote - Betrachtungen aus rechtlicher, soziologischer & politikwissenschaftlicher Perspektive. Wien 2011
  • Alexander Klein: Armenfürsorge und Bettelbekämpfung in Vorderösterreich 1753-1806. Wien 1994
  • Ferdinand Koller (Hg.): Betteln in Wien: Fakten und Analysen aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen. Wien 2012
  • Andreas Voß: Betteln und Spenden: Eine soziologische Studie über Rituale freiwilliger Armenunterstützung, ihre historischen und aktuellen Formen sowie ihre sozialen Leistungen. Berlin 1992
  • Wolfgang Wüst: Die gezüchtigte Armut. Sozialer Disziplinierungsanspruch in den Arbeits- und Armenanstalten der „vorderen“ Reichskreise, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 89 (1996), S. 95-124.

Weblinks

Wiktionary: Bettler – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Betteln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Bettler – Zitate

Einzelnachweise

  1. Neue Zürcher Zeitung vom 16. November 1976, Vom Kampf gegen das Bettlertum − Der Anfang öffentlicher Fürsorge in Zürich, S. 39
  2. §361 a.F.. lexetius.com. Aufgerufen am 4. November. 2012
  3. § 118 Abs. 1 OWiG
  4. zur Gewerbsmäßigkeit
  5. „Bettel-Mafia“: Völlig skrupellos. In: Hamburger Abendblatt vom 23. Juni 2005
  6. www.jusline.at Gesetzestext § 2 WLSG – Bettelei. Aufgerufen am 10. August 2011.
  7. www.salzburger-armutskonferenz.at Bettelverbote Österreich − Vergleich (PDF; 46 kB). Aufgerufen am 10. August 2011.
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