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Bedeutungswandel

Aus Jewiki
(Weitergeleitet von Bedeutungsverschiebung)
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Bedeutungswandel ist neben Wortbildung und Entlehnung eines der drei Hauptverfahren des Bezeichnungswandels, der Gegenstand der Historischen Onomasiologie. Der Bedeutungswandel kann bis zur Bedeutungsumkehr gehen.

Ursachen und Ausbreitung

Ursachen für den Bedeutungswandel sind vielfältig. Unter anderem können Ursachen sein:

  • Bedürfnis nach beschönigender Ausdrucksweise
  • Streben nach bildhafter Ausdrucksweise
  • Bedarf nach einer neuen Bezeichnung für etwas bisher Unbekanntes
  • Verschwinden bestimmter Gegenstände oder Handlungen aus dem täglichen Leben
  • Wegfall der ursprünglich vorhandenen bezeichneten Gegenstände oder Handlungen durch Weiterentwicklung der Gesellschaft
  • Weiterentwicklung der Wissenschaft, die zum Wegfall von Teilbedeutungen führt
  • Psychologische Eigenschaften des Wortes (zum Beispiel kann Absinken der stilistischen Ebene in einem Bereich zum Verschwinden des Wortes in einem anderen Bereich führen.)
  • Änderung durch lautliche Veränderungen

Eine neue Bedeutung tritt oft zunächst in einer bestimmten Sprechergruppe auf und verbreitet sich allmählich. Die alte Bedeutung wird oft verdrängt, sie kann aber auch parallel weiter existieren.

Wichtige Bedeutungswandelarten werden im Folgenden beschrieben.

Metapher, Metonymie, Synekdoche

Metapher ist Bedeutungswandel, der auf Ähnlichkeit beruht. Beispiel: Maus „Nagetier“ → Maus „Computerzubehör“

Metonymie ist Bedeutungswandel, der auf „Berührung“ beruht. Zwei Dinge treten in der Welt typischerweise gleichzeitig auf und die Bezeichnung des einen überträgt sich auf das andere Ding. Beispiel: „Material“ → „Produkt“ (vom Glas als Rohstoff auf das daraus hergestellte Trinkgefäß).

Manche setzen neben der Metonymie als separaten Typ des Bedeutungswandels die Synekdoche an, die auf einer „Teil-Ganzes-Beziehung“ beruht.[1]

Bedeutungsverengung und Bedeutungserweiterung

Bedeutungsverengung ist (nach Leonard Bloomfield, Andreas Blank und Joachim Grzega) ein Bedeutungswandel, bei dem der Oberbegriff zum Unterbegriff wird. Sprich, der Bedeutungsumfang wird kleiner, dadurch dass noch weitere, spezialisierende Merkmale zu dem ursprünglichen Inhalt dazugekommen sind.

Bedeutungserweiterung (Amplifikation) ist der umgekehrte Prozess.

Beispiel: Germanisch *deuzan bezeichnet ursprünglich ‚wildlebendes Tier‘. Im Englischen wurde das Wort später nur für eine bestimmte Art wildes Tier, nämlich der Hirsch, der Damhirsch und das Reh verwendet (engl. deer) (Bedeutungsverengung), während im Deutschen das Wort für jede Art von Tier und nicht nur wilde Tiere verwendet wurde (dt. Tier) (Bedeutungserweiterung).

Bedeutungsverbesserung oder -verschlechterung

Bedeutungsverbesserung oder -verschlechterung führt zu einer Änderung der sprachlichen (stilistischen) Ebene. Zum Beispiel kann ein euphemistisch verwendetes Wort die ursprünglich „schlechten“ Eigenschaften des vertretenen Wortes übernehmen und dadurch eine Stufe tiefer sinken (Bedeutungsverschlechterung – siehe auch Euphemismus-Tretmühle). Aber auch das Umgekehrte, eine Bedeutungsverbesserung, ist möglich. Neuere Ansätze (z. B. jener von Andreas Blank) sehen von Bedeutungsverbesserung und -verschlechterung als eigene Typen des Bedeutungswandels ab, weil die Frage nach „besser“ und „schlechter“ nicht neutral beantwortet werden kann; man geht davon aus, dass sich alle Fälle in die weiter oben genannten Kategorien einordnen lassen. Die Bedeutungsverschlechterung wird auch Pejoration genannt, die Bedeutungsverbesserung Melioration.

Bedeutungswandel und Gebrauchsregel

In der Tradition des Philosophen Ludwig Wittgensteins wird die Bedeutung eines Wortes verstanden als die Regel des Wortgebrauchs. Eine solche instrumentalistische Bedeutungsauffassung hat den Vorteil, dass die Bedeutung (Sprachphilosophie) eines Wortes eng an die kommunikativen Absichten des Sprechers gekoppelt ist. Im Gegensatz zu anderen Bedeutungstheorien wird Bedeutung in einer gebrauchstheoretischen Sichtweise in einen direkten Zusammenhang mit sprachlichem Handeln gestellt. Veränderungen der Wortbedeutung gehen demgemäß mit einer Veränderung der Gebrauchsregel einher.

Gebrauchsregeln involvieren neben reinen Wahrheitsbedingungen, die eine wahrheitswerte Aussage über die Welt treffen, eine Reihe anderer Gebrauchsbedingungen, die dafür sorgen, dass sich ein Wort semantisch ausdifferenziert. Der Versuch einer Bedeutungsbeschreibung über die semantische Struktur der Gebrauchsregel ist ein Novum in der linguistischen Forschung und bislang noch selten unternommen. Erste Ansätze zu einer Theorie, die Bedeutungsveränderungen anhand von Gebrauchsregelveränderungen erklären will, gibt es bei Petra Radtke und Rudi Keller. In einer Dissertationsschrift hat Sascha Bechmann diesen Zusammenhang anhand der Wortart Verben dargestellt und bestimmt die semantischen Gebrauchsbedingungen dort als Parameter der Gebrauchsregel. Die dort vertretene These lautet: Ändert sich durch absichtsvollen Wortgebrauch die Binnenstruktur der Gebrauchsregel, dann verändert sich in erster Linie die Dominanz der sogenannten Bedeutungsparameter. Die Veränderungen auf der Ebene der Bedeutungsparameter sind insofern bestimmend für den Bedeutungswandel des Wortes.

Das Konzept der Parameter einer Gebrauchsregel folgt prinzipiell einem instrumentalistischen Bedeutungsmodell, das an die Stelle von Repräsentationen Gebrauchsregeln setzt. Die Theorie der Parameter der Gebrauchsregel präzisiert diesen Ansatz und gibt an, welche spezifischen Gebrauchsbedingungen in die Bedeutungsbeschreibung eines Wortes eingehen können. Sie beantwortet damit die Frage nach der spezifischen kommunikativen Funktion oder nach der spezifischen Nutzungsmöglichkeit eines Wortes, ist also handlungszentriert. In der linguistischen Forschung ist eine solche Bedeutungsausdifferenzierung mit Hilfe von Parametern der Gebrauchsregel nicht sehr verbreitet, obwohl sie plausibel erklären kann, was auf der Strukturebene der Wortbedeutung eigentlich passiert. Nach Sascha Bechmann gibt es eine Taxonomie für Parameter der Gebrauchsregel, die sich wie folgt darstellt:

  • Parameter aus der äußeren Welt
  • Parameter aus der inneren Welt
  1. Parameter aus der Welt der Haltungen
  2. Parameter aus der Welt der Gedanken und Kognitionen
  3. Parameter aus der Welt der Gefühle
  • Parameter aus der Welt des Sozialen
  • Parameter aus der Welt des Diskurses
  • Parameter aus der sprachlichen Welt

Parameter der äußeren Welt sind semantisch immer dann wirksam, wenn auf eine Tatsache in der Welt referiert werden soll, wenn der Sprecher also die reine Darstellung eines Sachverhalts beabsichtigt (z.B. gehen, sitzen, Baum, Sonne). Parameter aus der inneren Welt sind auf vielfache Weise an der Bedeutungskonstitution eines Wortes beteiligt und kommen immer dann zum Vorschein, wenn auf Gefühle, Haltungen oder Gedanken referiert werden soll (z.B. lieben, Schmerz, schön). Soziale Parameter finden sich z.B. in Wörtern wie eingreifen oder Richter. Diskursive Parameter kann man in Wörtern wie sehen (ich sehe das anders) oder nicht (ist das nicht ein schönes Auto) nachweisen, sie dienen rein dem Diskurs. Sprachliche Parameter spielen für den Bedeutungswandel kaum eine Rolle und manifestieren sich oft grammatisch-syntaktisch.

Bedeutungswandel lässt sich anhand des Modells der Bedeutungsparameter in Form von Veränderungen der Parameterdominanz auf der Ebene der Gebrauchsregel nachweisen. So lässt sich z.B. der Bedeutungswandel des Verbs lesen durch die Veränderung der Gebrauchsparameter erklären: Ursprünglich bedeutete lesen nichts anderes als auswählen, auslesen (vgl. Weinlese). Die ursprüngliche Wortbedeutung war durch Parameter der äußeren Welt bestimmt. Heute wird das Wort lesen nahezu ausschließlich zum Ausdruck eines geistigen Verarbeitungsprozesses verwendet und wird daher - der Bechmannschen Taxonomie folgend - durch Parameter aus der Welt der Gedanken und Kognitionen semantisch bestimmt. Die Absicht des Sprechers ist heute der Ausdruck einer kognitiven Repräsentation.

Mit Hilfe des Modells der Bedeutungsparameter lassen sich nahezu alle semantischen Veränderungen (Bedeutungswandel) strukturell abbilden und erklären, so dass dieses Modell innovativ für neuere und künftige semantische Forschungsansätze ist.

Literatur

  • Sascha Bechmann (2013): Bedeutungswandel deutscher Verben. Eine gebrauchstheoretische Untersuchung, Tübingen: Gunter Narr Verlag.
  • Andreas Blank: Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen. Nr. 285, Niemeyer, Tübingen 1997, ISBN 3-484-52285-2, Kap. III: Wesen und Prozeß des Bedeutungswandels, DNB 950842613 (Nachdruck des Walter-de-Gruyter-Verlags von 2012 in der Google Buchsuche, abgerufen am 1. Dezember 2013).
  • Leonard Bloomfield (1933): Language. New York: Allen & Unwin
  • Joachim Grzega (2004): Bezeichnungswandel: Wie, Warum, Wozu? Ein Beitrag zur englischen und allgemeinen Onomasiologie, Heidelberg: Winter
  • Gerd Fritz (2005): Einführung in die historische Semantik. Tübingen: Max Niemeyer Verlag
  • Gerd Fritz (2006): Historische Semantik. 2. Aufl. Stuttgart: Metzler. (Sammlung Metzler, Bd. 313)
  • Rudi Keller, Ilja Kirschbaum (2003): Bedeutungswandel. Eine Einführung. Berlin / New York: De Gruyter
  • Stephen Ullmann (1967): Grundzüge der Semantik. Berlin: de Gruyter. Kap. IV: Historische Semantik, S. 159–237

Einzelnachweise

  1. Zu den rhetorischen Figuren siehe z. B.: Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft. Kröner, Stuttgart 2002 (3., aktualisierte und erweiterte Auflage) ISBN 3-520-45203-0

Weblinks

Wiktionary: Bedeutungswandel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Bedeutungswandel aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.