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Bürgerjagd

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Bürgerjagd bezeichnet historisch einen Bereich, in dem den dort ansässigen Bürgern das Jagdausübungsrecht gewährt wird, oder wo die Jagd von Bürgern, und nicht dem Adel, ausgeübt wird.

Historisch war die bürgerliche Jagdausübung oft Gegenstand von Spott und Kritik, unter anderem bei der von Ludwig Storch im Vormärz verfassten Erzählung Die Bürgerjagd, eine Bambocciade. Demnach sei beim Begriff Bürgerjagd der objektive und subjektive Sinn des Wortes säuberlich zu unterscheiden. Storch zufolge könnte man sonst glauben, die Hasen wären Jäger, oder brave Bürger gar jagdbares Vieh, gegen solche Störung der Ordnung sich aber ehrsame deutsche Bürger und friedsame deutsche Hasen nicht nur im fiktiven Plundersweiler ernstlich verwahren würden.[1]

In der DDR war mit ähnlicher Begründung von Volksjagd die Rede, wobei dort neben der offiziellen generellen Loslösung des Jagdausübungsrechtes vom Grundbesitz auch „Sonderjagdgebiete“ für eigens definierte elitäre Personenkreise eingerichtet wurden.[2]

Der Begriff wird gegenwärtig für ein spezielles Modell der Jagdbewirtschaftung in Hümmel verwendet.[3]

Geschichte

Allgemein

Das Jagdregal war ursprünglich (lat. iura regalia, ‚königliche Rechte‘) Ausdruck der Hoheits- und Privilegien eines Königs oder eines anderen Souveräns. Dabei wurden auch Wild- und Jagdarten herausgehoben, die der Adel besonders schätzte. So war die Jagd auf Hirsch oder Wildschwein dem hohen Adel (Hohe Jagd) vorbehalten, ebenso war die Beizjagd ein besonderes Privileg. Niederwild hingegen durfte bereits früher von anderen Personengruppen bejagt werden (Niedere Jagd). Die Bejagung von Singvögeln und das Fallenstellen (vgl. Leipziger Lerchen ) war deutlich weniger umstritten.[4] Die Herrscher setzten die hohe Jagd zunächst in abgegrenzten Gebieten, so den königlichen Bannwäldern durch. Ebenso setzte der übrige Adel in seinen jeweiligen Gebieten entsprechende Privilegien fest. In den Bauernkriegen gehörten insbesondere die Reduktion dieser erweiterten Jagdrechte zu den zentralen Forderungen der Bauern, die sich gegen Wildschäden selbst zur Wehr setzen wollten. Nach dessen gewaltsamer Niederschlagung wurde es im 16. und 17. Jahrhundert vom Adel als dessen Vorrecht wieder durchgesetzt und gleichzeitig versucht, den Bauern das Tragen von Waffen zu verweigern.[5]

Flurschäden durch Treib- und Schleppjagden, damit verbundene Frondienste[6] und dem gleichzeitigen Verbot der Waldhute waren Anfang des 16. Jahrhunderts Gegenstand von Kontroversen. Die Jagd des Adels erzeugte durch überhöhte Wilddichten zudem immense Wildschäden. Jagd und Fallenstellerei durch Bauern und Bürger wurden als Wilderei bestraft. Die Reaktion dagegen führte zur Gründung des Bundschuhs in Speyer 1502[7]. In den Bauernkriegen, wie auch in der Französischen Revolution kam es zu Forderungen einer Freigabe der Jagd. Als Folge der Revolution von 1848 wurde in ganz Deutschland das Jagdrecht vom Adel auf die Landbesitzer übertragen und den Bürgern das Jagen gestattet.[8][9]

Ähnlich wie in Frankreich war aber in Deutschland mit dem jagdberechtigten Bürger zunächst der wohlhabende, besitzende Bürger gemeint.

Im 18. und 19. Jahrhundert kamen mit der wirtschaftlichen Entwicklung dann aber auch Kleinbürger und Handwerker in den Besitz von Schusswaffen. Sie betrieben die Jägerei recht willkürlich und ohne Beachtung der althergebrachten, jagdlichen Traditionen und wurden so von den etablierten Jägersleuten nicht gerne gesehen. Die Bürgerjagd wurde so auch zu einer Tragik der Allmende. Im Umfeld der Professionalisierung der Forstwirtschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts und des Wandels von vielfältigen Nutzungsrechten an der Flur zu einem breiteren Eigentumsbegriff wurde die feudale Jagd zunehmend als Anachronismus gesehen.[10] Ein deutschlandweit einheitliches Jagdgesetz wurde bereits in der Weimarer Republik unter Federführung von Ulrich Scherping ausgearbeitet und 1934 als Reichsjagdgesetz erlassen. Es schrieb unter anderem die heute noch bestehende Gründung von Jagdgenossenschaften, die behördliche Abschußplanung und die bestandene Jägerprüfung zur Erlangung eines Jagdscheines vor. Die Aufhebung des Adelsprivilegs der Jagdausübung spiegelt sich heute noch im deutschen Recht wider. Das Bundesjagdgesetz bindet das Jagdrecht an den Grundbesitz[11], weist das Jagdausübungsrecht aber in den meisten Jagdbezirken einer Jagdgenossenschaft als Gemeinschaft der Grundeigentümer zu.[12] Nur wer eine arrondierte Fläche von mindestens 75 ha (je nach Jagdgesetz der Länder auch mehr) besitzt, kann solche Reviere im Rahmen einer Eigenjagd bejagen. Der gesetzlich erworbene Jagdschein als Befähigungsnachweis ist in jedem Fall notwendig.

Regionale Bürgerjagden

Ein in Deutschland recht seltenes Beispiel ist die Bürgerjagd der westfälischen Stadt Lübbecke zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. Sie führte regelmäßig zu Konflikten mit dem Adel, der mehrfach versuchte, die bürgerliche Jagd in der Feldmark zu unterbinden.[13] Zudem wurde der Vorwurf laut, die Bürgerschaft wäre zu einer ordentlichen Jagd nicht fähig. 1780 wurde gar fürstlicherseits festgestellt, „daß die Ausübung der Jagdten den gemeinen Bürgern, Professionisten und Handwerkern in den Städten nur zum Müßiggang verleitet, so von dem nötigen Fleiß zur Warnemung ihres Gewerbes abhält, wodurch sie leicht unnüzze Mitglieder des Staats werden.“[14]

Eine Bürgerjagd war ebenso im Umfeld von Gotha üblich. Seit 1717 hatten dort die Bürger das Recht, in der Stadtflur und im Umfeld von Kindleben die Jagd auszuüben.[15] Die Bürgerjagd in Thüringen wurde von Fachleuten als ungeliebtes Erbe des dortigen starken fürstlich-hohenlohischen Einflusses und wegen negativer Auswirkungen auf den Wildbestand kritisch betrachtet und als wenig professionell eingeschätzt.[16]

Heute

Im naturnah bewirtschafteten Gemeindewald Hümmel existiert seit 2002 auf einer Fläche von 85 ha eine Bürgerjagd. Die Gemeinde bezeichnet dies Gewährung eines alten Bürgerrechts.[3] Die Verpachtung dieses Bereichs wurde beendet und die Jagd den Einwohnern Hümmels unter Beachtung der behördlichen Vorgaben überlassen.[17] Die Besonderheit liegt in der entgeltfreien Jagdausübung der Bürger, die Jagd im deutschen Wald geht nämlich regulär mit hohen Kosten einher.[3]Diese Modell wird vom zuständigen Förster Peter Wohlleben als „Ende der Sonntagsjägerei, der Trophäenjagd“ bezeichnet.[18]
Sonderregelungen gibt es nach §44 des Bundesjagdgesetz noch für den Untersee vom Bodensee und dem Rhein bei Konstanz, sowie für Helgoland, wo die Jagd frei ist.[19]

Einzelnachweise

  1. Nepenthes: neueste Novellen und Erwählungen – Band 2 – Seite 192 Ludwig Storch -1841, die Bürgerjagd, eine Bambocciade S. 189 ff.
  2. Die Jagd in der DDR: zwischen Feudalismus und Sozialismus, von Meike Haselmann, 2005, zitiert nach der Zusammenfassung bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur [1]
  3. 3,0 3,1 3,2 Am liebsten nur Waldhüter. In: Sonntaz, 22. Februar 2014, S.32-33
  4. Das Preußische Jagd Recht, Band 1, K. W. Hahn, G. Ph. Aderholz, 1848.
  5. Jagdrecht, Wilderei und "gute Policey": Normen und ihre Durchsetzung im frühneuzeitlichen Tirol, Martin P. Schennach, Vittorio Klostermann, 2007
  6. Haseder: S.392
  7. Haseder: S.396
  8. Christian Ammer et al.: Der Wald-Wild-Konflikt, S. 9.
  9. Der Wald – ein Nachruf: Wie der Wald funktioniert, warum wir ihn brauchen und wie wir ihn retten können – ein Förster erklärt, Peter Wohlleben, Ludwig, 2013
  10. Umweltgeschichte der Frühen Neuzeit – Seite 46, Reinhold Reith – 2011
  11. Bundesjagdgesetz § 3, Absatz 1, Digitalisat, Bundesjustizministerium, abgerufen am 14. Februar 2014.
  12. Bundesjagdgesetz § 8, § 9.
  13. Helmut Hüffmann: Die Magistrats- und Bürgerjagd der Stadt Lübbecke. In: Historischer Verein für die Grafschaft Ravensberg e.V. (Hrsg.): Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, Band 80, 1992/93, S. 45–61, Streit um die Lübbecker Bürgerjagd, gekürzte Fassung, abgerufen am 14. Februar 2014.
  14. Streit um die Lübbecker Bürgerjagd, in 80. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, Jahrgang 1992/93.
  15. Geschichte des gothaischen Landes, Band 2, S. 67 und 69 August Beck, Thienemann, 1870
  16. Adolph Henke's Zeitschrift für die Staatsarzneikunde, Band 71, Palm & Enke, 1856, S. 284.
  17. Peter Wohlleben, 2013: Der Wald – ein Nachruf: Wie der Wald funktioniert, warum wir ihn brauchen und wie wir ihn retten können – ein Förster erklärt. Verlag Ludwig. ISBN 3641091276, ISBN 9783641091279. (online)
  18. ohne Verfasser: Letzte Ruhe unter einer Buche. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 18. November 2005, Online, abgerufen am 14. Februar 2014.
  19. Haseder: S. 437.

Weblinks

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