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Assimilation (Soziologie)

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Assimilation bezeichnet in der Soziologie das Einander-Angleichen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen (bis hin zur Verschmelzung). Der Fokus kann auf dem Prozess oder auf dem Ergebnis liegen. Für das Verständnis der Prozesse auf gesellschaftlicher Ebene ist die individuelle Assimilation von der Assimilation von Gruppen zu unterscheiden.[1] Empirisch steht die Verschmelzung einer Minderheit mit der Mehrheit im Vordergrund. Assimilation kann auf kultureller (Übernahme von Sprache, Bräuchen und Sitten), struktureller (Platzierung auf dem Arbeitsmarkt, im Schulsystem u. ä.), sozialer (Kontakt zu Mitgliedern anderer Gruppen) und emotionaler Ebene erfolgen.

Umstritten ist, ob es sich beim Konzept der Assimilation um ein gezieltes Aufzwingen der Eigenschaften und Einstellungen der dominanten Gesellschaft (Dominanzkultur) handelt oder ob Assimilation lediglich empirische Voraussetzung zur Erreichung gleicher Lebenschancen darstellt, ohne dass damit eine Wertung der Eigenschaften von Minderheiten verbunden wäre.

Üblicherweise wird mit der Assimilation von Einwanderern die Annahme der Sprache (bei gleichzeitiger Aufgabe ihrer eigenen) und der Gewohnheiten und Bräuche ihres Aufnahmelandes verbunden. So wird, z. B. in Bezug auf das 19. Jahrhundert, auch von einer Assimilation der Juden (siehe unten) in die Mehrheitsgesellschaften ihrer Heimatländer gesprochen.

Die gezielte, auch insbesondere zwangsweise Herbeiführung einer Assimilation durch politische Maßnahmen wird als Assimilationspolitik bezeichnet.

Theoretische Ansätze

Die wichtigste und nach wie vor als anerkannt geltende Theorie der Assimilation stammt von dem amerikanischen Soziologen Milton M. Gordon, der sie 1964 aufstellte.[2] Obwohl Gordon vom amerikanischen Beispiel ausging, ist es ihm gelungen, eine Theorie zu entwickeln, die sich auf andere Fälle übertragen ließ und sich in Einzelstudien bewährt hat. Er unterteilte den Prozess der Assimilation in sieben Stadien:

  1. kulturelle Assimilation (cultural assimilation) – dieses Stadium bezeichnet er synonym auch als Akkulturation (acculturation)
  2. strukturelle Assimilation (structural assimilation)
  3. eheliche Assimilation (marital assimilation)
  4. identifikationale Assimilation (identificational assimilation)
  5. attitude receptional assimilation
  6. behavior receptional assimilation
  7. civic assimilation

Die fünf letztgenannten Stadien werden in der jüngeren Literatur durchgehend der strukturellen Assimilation zugerechnet und gelten nicht mehr als eigenständige Form. Anders steht es mit den beiden ersten Stadien – oder Formen – der Assimilation, der kulturellen und der strukturellen. Sie sind der Teil von Gordons Theorie, der breite Rezeption gefunden hat und in modifizierter Form nach wie vor als gültig erachtet wird.

Die Definition von Assimilation, die den heutigen Stand der Forschung zusammenfasst, stammt von J. Milton Yinger:

„Assimilation ist ein Prozess der Entgrenzung (boundary reduction), der sich ereignen kann, wenn Mitglieder von zwei oder mehr Gesellschaften oder kleineren kulturellen Gruppen aufeinander treffen. Wenn man sie als abgeschlossenen Prozess betrachtet, ist sie [die Assimilation] die Vermischung von zuvor unterscheidbaren sozio-kulturellen Gruppen zu einer Einzigen. Wenn wir Assimilation jedoch als Variable ansehen, was meiner Ansicht nach unser Verständnis vertieft, stellen wir fest, dass Assimilation von den bescheidensten Anfängen von Interaktion und kulturellem Austausch bis hin zur gründlichen Verschmelzung der Gruppen reichen kann.“[3]

Assimilation der Juden

Die Frage der Assimilation der Juden war Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts in jüdischen Debatten stark präsent: „Die Frage nach Assimilation und Symbiose steht im engsten Zusammenhang mit der Definition des Jüdischseins.“[4] Die Assimilation verlief in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Ausgeprägt war sie dort, wo sie in einem ausgeprägten Bürgertum einen Verbündeten finden konnte.

Gershom Scholem hielt eine Assimilation der Juden für aussichtslos: „Sehr breite Schichten der deutschen Juden waren zwar bereit, ihr Volkstum zu liquidieren, wollten aber, in freilich sehr verschiedenen Ausmaßen, ihr Judentum, als Erbe, als Konfession, als ein Ichweißnichtwas, ein undefinierbares und doch im Bewußtsein deutlich vorhandenes Element bewahren. Sie waren, was oft vergessen wird, zu jener totalen Assimilation, welche die Mehrheit ihrer Elite mit dem Verschwinden zu bezahlen bereit war, nicht bereit.“[5]

Die politische Philosophin Hannah Arendt lehnte eine Assimilation der Juden in Deutschland ab und betonte die Eigenständigkeit der jüdischen Identität, auch wenn sie an keine Religion gebunden war.

Die Hoffnungen, die Juden mit der Assimilation verbunden hatten, wurden mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zerstört.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Leibold 2006, S. 70–74.
  2. Milton M. Gordon: Assimilation in American Life. The Role of Race, Religion and National Origins. Oxford University Press, New York NY 1964.
  3. J. Milton Yinger: Toward a Theory of Assimilation and Dissimilation. In: Ethnic and Racial Studies. Bd. 4, Nr. 3, Juli 1981, ISSN 0141-9870, S. 249–264, doi:10.1080/01419870.1981.9993338.
  4. Moshe Zimmermann: Die deutschen Juden 1914–1945 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte. Bd. 43). Oldenbourg, München 1997, ISBN 3-486-55082-9, S. 88 (einsehbar bei Google Books).
  5. Gershom Scholem: Juden und Deutsche. In: Gershom Scholem: Judaica (= Bibliothek Suhrkamp. Bd. 263). Band 2. Herausgegeben von Rolf Tiedemann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970, S. 20–46, hier S. 35.
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