Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Artemisinin

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Struktur von Artemisinin
Allgemeines
Freiname Artemisinin
Andere Namen

(3R,5aS,6R,8aS,9R,12S,12aR)-Octahydro-3,6,9-trimethyl-3,12-epoxy-12H-pyrano[4,3-j]-1,2-benzodioxepin-10(3H)-on

Summenformel C15H22O5
CAS-Nummer 63968-64-9
PubChem 68827
ATC-Code

P01BE01

Kurzbeschreibung

weißer Feststoff[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiprotozoika

Eigenschaften
Molare Masse 282,34 g·mol−1
Schmelzpunkt
  • 151,4 °C (Polymorph I)[2]
  • 153,9 °C (Polymorph II)[2]
Löslichkeit

sehr schlecht in Wasser (0,052 g·l−1 bei 20 °C)[1] (0,063 g·l−1 bei 25 °C, pH=7,2)[3]

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
02 – Leicht-/Hochentzündlich 09 – Umweltgefährlich

Achtung

H- und P-Sätze H: 242​‐​410
P: 210​‐​280​‐​273​‐​391​‐​410​‐​420Vorlage:P-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze [1]
Toxikologische Daten

5576 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Artemisinin ist ein sekundärer Pflanzenstoff, chemisch ein Sesquiterpen, der in den Blättern und Blüten des Einjährigen Beifußes (Artemisia annua) vorkommt. Charakteristika der Artemisininstruktur sind ein Trioxanringsystem und eine Peroxidbrücke. Es wird weltweit zur Behandlung von Infektionen mit multiresistenten Stämmen von Plasmodium falciparum, dem Erreger der Malaria tropica, eingesetzt.[4]

Gewinnung

Einjähriger Beifuß (Artemisia annua) enthält Artemisinin.

Der Einjährige Beifuß, aus dem Artemisinin gewonnen wird, wird in China, Vietnam und in ostafrikanischen Ländern angebaut. Die Gewinnung erfolgt durch die Extraktion getrockneter Blätter und Blüten mit n-Hexan, worin der Wirkstoff, der überwiegend in den ätherischen Öldrüsenschuppen lokalisiert ist, gut löslich ist. Alternative Lösungsmittel wurden ebenfalls evaluiert, um das n-Hexan zu ersetzen, haben aber bisher noch keine praktische Anwendung gefunden.[5] Auf einer Anbaufläche von einem Hektar lassen sich bis zu zwei Tonnen Blattmaterial ernten, die zwei bis drei Kilogramm des Extraktes liefern. Der Artemisiningehalt in der Wildtyp-Pflanze liegt zwischen 0,1 und 0,4 % bezogen auf das Trockengewicht. Züchtungen mit einem Wirkstoffgehalt bis zu 1,4 % sind bekannt. Aus dem eingedampften Rohextrakt, einem gelben, viskosen Öl, wird Artemisinin durch Umkristallisation gewonnen, jedoch ist dieses Verfahren relativ teuer und folglich ist der Preis für Artemisinin sehr hoch.

Großtechnische Herstellung

Seit April 2013 ist im norditalienischen Garessio eine Anlage der Firma Sanofi in Betrieb, die pro Jahr bis zu 40 Tonnen Artemisinin herstellen soll. Die Anlage ist Resultat eines Projektes der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, der Organisation One World Health (jetzt Path) und weiterer Partner, das seit 2004 lief. Artemisinin wird halbsynthetisch durch photochemische Oxidation aus fermentativ produzierter Artemisininsäure dargestellt. Die Anlage arbeitet in einem semi-kontinuierlichen Verfahren. Die Tonnage der Anlage soll auf 60 Tonnen pro Jahr erhöht werden. 10 bis 15 Prozent der produzierten Menge Artemisinin werden direkt verkauft, der Rest wird zum Wirkstoff Artesunat umgesetzt, der in fixer Kombination zusammen mit Amodiaquin (einem weiteren Wirkstoff) im Malariatherapeutikum ASAQ eingesetzt wird.[6] Allerdings wurde in der Anlage, die auf gentechnisch veränderter Hefe basiert, im Jahr 2015 keinerlei Artemisinin hergestellt. Zudem wolle Sanofi die Anlage verkaufen, berichtete Nature im Februar 2016. Gründe seien der niedrige Preis für natürliches Artemisinin und die mangelnde Nachfrage von Herstellern von Malaria-Medikamenten.[7]

Eigenschaften

Die Verbindung kann in zwei polymorphen Formen auftreten. Das Polymorph I schmilzt bei 151,4 °C mit einer Schmelzwärme von 78,4 J·g−1, das Polymorph II bei 153,9 °C mit 70,5 J·g−1.[2] Beide Formen stehen enantiotrop zueinander. Bei 130 °C kann mittels Röntgenpulverdiffraktometrie und DSC ein Festphasenübergang von Polymorph I zu Polymorph II beobachtet werden.[2] Das Polymorph I kristallisiert in einem orthorhombischen Kristallgitter mit der Raumgruppe P212121 (Raumgruppen-Nr. 19)Vorlage:Raumgruppe/19, Polymorph II in einem triklinen Kristallgitter mit der Raumgruppe P1 (Raumgruppen-Nr. 1)Vorlage:Raumgruppe/1.[8]

Analytik

Zur zuverlässigen qualitativen und quantitativen Bestimmung von Artemisinin wird die Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie nach geeigneter Probenvorbereitung eingesetzt.[9]

Einsatz als Medikament

Wirkungsweise

Artemisinin besitzt eine Peroxidstruktur; bei hoher Konzentration an Eisenionen wird dieses Peroxid instabil und zerfällt in freie Radikale. Solche hohen Konzentrationen werden in Erythrozyten, aber auch in Plasmodien gefunden, die Eisen akkumulieren. Gelangt Artemisinin in mit Plasmodien infizierte Erythrozyten, zerstören die gebildeten Radikale möglicherweise den Parasiten. Jedoch gibt es Hinweise, dass Artemisinin-Derivate spezifischer wirken, indem sie beispielsweise pfATP6, eine Ca-ATPase hemmen.

Derivate

Vom Artemisinin wurden partialsynthetische Derivate abgeleitet, wie beispielsweise Artemether, Artesunat und Artemotil. Ihre Aktivität nimmt allerdings schnell nach der Aufnahme ab, was auf eine rasche Metabolisierung zurückgeführt wird. Um dieses Problem zu lösen, wird zusätzlich Lumefantrin gegeben, das die Metabolisierung hemmt und gleichzeitig einen antiplasmodialen Effekt aufweist.[10] Die Halbwertszeit des Lumefantrins beträgt drei bis sechs Tage. Andere Kombinationstherapien sind z. B. Artesunat-Mefloquin, Artesunat-Amodiaquin und Artesunat-Sulfadoxin/Pyrimethamin. Diese Kombinationstherapien werden mit ACT für Artemisinin-based combination therapy abgekürzt.[4]

Entwicklung von Resistenzen

In den Jahren 2008 und 2009 wurden Anzeichen für die Entwicklung von Resistenzen gegenüber Kombinationstherapien mit Artesunat (ein Derivat von Artemisinin) in Pailin (Westkambodscha) beschrieben.[11][12] Unabhängige Resistenzentwicklungen gegenüber Plasmodium falciparum wurden 2012 in Westthailand beschrieben.[13]

Inzwischen breiten sich Resistenzen in Südostasien und China aus, bis 2016 wurden noch keine Resistenzen außerhalb dieses Bereichs gefunden. Die Mutationen konzentrieren sich um zwei geografische Foci, einer im Grenzgebiet zwischen Myanmar, Südchina und den westlichen Grenzregionen Thailands, der andere in Kambodscha, Laos und Vietnam. Dabei zeigen sich Mutationen im Plasmodium-Gen der β-Propeller-Domäne des Kelch-Proteins K13. Bisher wurden 13 Mutationen identifiziert, die mit einer verminderten Parasiten-Clearance verbunden sind. Aus der häufigsten Mutation, einem Einzelnukleotid-Polymorphismus (C580Y), resultiert eine verminderte Bindung der Phosphoinositid-3-Kinasen, aber der weitere Stoffwechselweg ist noch unbekannt, ebenso, ob der Resistenzmechanismus bei den anderen Mutationen identisch ist.[14]

Geschichte

Die chinesische Wissenschaftlerin Tu Youyou isolierte Artemisinin in den frühen 1970er Jahren und zeigte in den folgenden Jahrzehnten seine Wirksamkeit gegen Malaria auf.[15][16] Dafür wurde sie 2011 mit dem Albert Lasker Award for Clinical Medical Research[17] und 2015 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin[18] ausgezeichnet.

Literatur

Weblinks

 Commons: Antiprotozoika – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Datenblatt Artemisinin (PDF) bei Carl Roth, abgerufen am 8. Februar 2013.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 E. Horosanskaia, A. Seidel-Morgenstern, H. Lorenz: Investigation of drug polymorphism: Case of artemisinin. In: Thermochim. Acta. 578, 2014, S. 74–81, doi:10.1016/j.tca.2013.12.019.
  3. Yan Liu, Huisheng Lü, Fei Pang: Solubility of Artemisinin in Seven Different Pure Solvents from (283.15 to 323.15) K. In: Journal of Chemical & Engineering Data. 54, Nr. 3, 2009 S. 762–764, doi:10.1021/je800515w.
  4. 4,0 4,1 Guidelines for the Treatment of Malaria (Nonseral Publication). 2. Auflage. World Health Organization, Geneva 2010, ISBN 978-92-4-154792-5 (http://whqlibdoc.who.int/publications/2010/9789241547925_eng.pdf).
  5. Alexei A. Lapkin, Martina Peters, Lasse Greiner, Smain Chemat, Kai Leonhard, Marcel A. Liauw, Walter Leitner: Screening of new solvents for artemisinin extraction process using ab initio methodology. In: Green Chemistry. 12, Nr. 2, 2010-01-01, S. 241, doi:10.1039/b922001a. und darin zitierte Literatur.
  6. Brigitte Osterath: Im Tonnenmaßstab gegen Malaria. In: Nachrichten aus der Chemie. Februar 2014, S. 125–127.
  7. Synthetic biology’s first malaria drug meets market resistance. In: Nature News & Comment. Abgerufen am 5. April 2016.
  8. K. I. Chan: Polymorphism of artemisinin from Artemisia annua. In: Phytochem. 46, 1997, S. 1209–1214, doi:10.1016/S0031-9422(97)80013-1.
  9. Q. Min, W. Lu, M. Y. Wang, D. Zhang, T. Y. Zhou, L. Li: Simultaneous quantitation of artemisinin, arteannuin B, artemisic acid, and scopoletin in mice plasma by HPLC-MS. In: Zhongguo Zhong Yao Za Zhi. 39(17), Sep 2014, S. 3306–3310, PMID 25522617, (chinesisch).
  10. P. Byakika-Kibwika, M. Lamorde u. a.: Update on the efficacy, effectiveness and safety of artemether-lumefantrine combination therapy for treatment of uncomplicated malaria. In: Therapeutics and Clinical Risk Management. 6, 2010 S. 11–20, PMID 20169032.
  11. H. Noedl, Y. Se, K. Schaecher u. a.: Evidence of artemisinin-resistant malaria in western Cambodia. In: The New England Journal of Medicine. Band 359, Nummer 24, Dezember 2008, S. 2619–2620, doi:10.1056/NEJMc0805011. PMID 19064625.
  12. A. M. Dondorp, F. Nosten, P. Yi u. a.: Artemisinin resistance in Plasmodium falciparum malaria. In: The New England Journal of Medicine. Band 361, Nummer 5, Juli 2009, S. 455–467, doi:10.1056/NEJMoa0808859. PMID 19641202.
  13. V. I. Carrara, J. Zwang u. a.: Changes in the treatment responses to artesunate-mefloquine on the northwestern border of Thailand during 13 years of continuous deployment. In: PloS one. Band 4, Nummer 2, 2009, S. e4551, doi:10.1371/journal.pone.0004551. PMID 19234601. PMC 2641001 (freier Volltext).
  14. Johanna P. Daily: K13-Propeller Mutations and Malaria Resistance. In: New England Journal of Medicine. 374, Nr. 25, 2016-06-23 S. 2492–2493, doi:10.1056/NEJMe1604520.
  15. W. Burns: East meets West: how China almost cured malaria. In: Endeavour. 32, 2008, S. 101–106, doi:10.1016/j.endeavour.2008.07.001.
  16. Nature News Blog: Protein folding and malaria meds take Laskers.
  17. Lasker Foundation: Lasker Clinical Medical Research Award – Tu Youyou.
  18. nobelprize.org: The Nobel Prize in Physiology or Medicine 2015.
Gesundheitshinweis Bitte den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Artemisinin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.