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Arnold Ruge (1881–1945)

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Arnold Ruge (geb. 1. Januar 1881 in Görlitz; gest. 24. Dezember 1945 in Karlsruhe) war ein deutscher Hochschullehrer für Philosophie und völkischer Nationalist und Antisemit.

Familie, Studien und erste politische Schriften

Der Sohn des Bankiers der Reichsbank Albrecht Ruge (1849–1910) in Görlitz war der Großneffe des Schriftstellers Arnold Ruge. Seine Mutter hieß Emeline (Kurzform: Lina) Treutler. Weiterhin war er mit dem Chirurgen Rudolf Virchow verwandt.

Nach dem Besuch der Gymnasien in Düsseldorf, Frankfurt/Oder und Berlin studierte Ruge Philosophie ab 1903 in Zürich, in Straßburg im Jahre 1904 und in Heidelberg ab 1905, wo er sich als Assistent im philosophischen Seminar betätigte. Im Jahre 1905 verfasste er zwei Schriften mit dem Inhalt einer völkischen Idee auf rassistischer Grundlage. In diesen Schriften wetterte er gegen den Sozialismus, die Freimaurer, den Klerikalismus und den Materialismus. Dabei stützte er sich auf einen extremen Antisemitismus und gegen alle Erscheinungen, die einem von ihm aufgefassten deutschnationalen Geist entgegenstanden. Die Universität erteilte ihm wegen dieser Schriften einen Verweis.

Promotion und Habilitation

Mit dem Thema Die transcendentale Freiheit bei Kant erlangte er am 2. Februar 1908 die Promotion bei Wilhelm Windelband. Im selben Jahr war er der Organisator des III. Internationalen Kongresses für Philosophie in Heidelberg. Im Jahre 1910 erreichte er die Habilitation an der Universität Heidelberg mit der Arbeit Die Deduktion der praktischen und moralischen Freiheit an den Prinzipien der kantschen Morrallehre, die im selben Jahre unter dem Titel Das Problem der Freiheit in Kants Erkenntnistheorie gedruckt wurde. Dort nahm er auch anschließend als Privatdozent eine Lehrtätigkeit auf, die die Bereiche der Gegenwartsphilosophie und der Philosophie Kants umfasste.

Frauenbewegung, Antisemitismus und Weltkrieg

In den folgenden Jahren kam es zwischen ihm und der Frauenbewegung in Heidelberg zu einer Auseinandersetzung, in die auch Marianne Weber einbezogen wurde. Daraus resultierte ein Zusammenstoß mit ihrem Ehemann, Max Weber, der im Jahre 1911 in einer Forderung zum Duell eskalierte. In diesem und anderen Rechtsstreitigkeiten sah er sich von jüdischen Professoren und Juristen verfolgt, wobei er Unterstützung bei dem Physiker Philipp Lenard fand.

Bei Beginn des Ersten Weltkriegs brauchte er der Einberufung wegen eines Augenleidens nicht zu folgen. Er betätigte sich jedoch als Kriegsredner und vertrat die Propaganda eines Durchhaltekrieges. Obwohl er sich als Gegner der Frauenbewegung betrachtete, verfasste er 1915 eine Schrift mit dem Titel Mobilmachung der deutschen Frauenkräfte für den Krieg. Für diesen Einsatz erhielt er wohl im September 1916 das Badische Kriegsverdienstkreuz verliehen. Er trat sodann als Herausgeber der Reihe „Feldgraue Flugschriften“ hervor.

Entzug der Lehrbefugnis

Im Jahre 1919 feierte die Universität Heidelberg ihr Gründungsdatum. Dabei trat er am 22. November bei einer Begleitveranstaltung des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes als Redner auf. In seiner Darbietung verfiel er in heftige Angriffe auf die Universität und ihre jüdischen Lehrer. Er hatte sich dabei öffentlich gegen die Auswüchse der Judenherrschaft geäußert. Das führte zu einer Beschwerde der Heidelberger Arbeitsgemeinschaft zur Abwehr des Antisemitismus und des israelischen Oberkonsistoriums Karlsruhe. Das badischem Ministerium des Kultus und Unterrichts leitete darauf hin ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Die Universität reagierte im Juli 1920 darauf, in dem ihm die Lehrbefugnis entzogen wurde.

Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund

Ruge gehörte zu den „heftigsten Schutz- und Trutzbund-Agitatoren“.[1] Im Frühjahr 1920 hatte Ruge zusammen mit Richard Kunze und Reinhold Wulle den „Deutschvölkischen Arbeitsring Berlin“ gegründet, ein Konkurrenzunternehmen zum Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund, trat aber bereits im Juni des Jahres zu diesem über.[2] Fortan war Ruge im bayerischen Teil des Schutz- und Trutzbundes aktiv, wo er zusammen mit Lorenz Mesch und Rudolf John Gorsleben dessen Sezession vom Bundesverband betrieb und dafür Anfang 1922 aus dem Schutz- und Trutzbund ausgeschlossen wurde.[3]

Freikorps und Bekanntschaft mit Himmler

In seiner biographischen Notiz bei Degener hatte Ruge angegeben, dass er bis April 1933 Privatdozent in Heidelberg war. Anschließend sei er der kulturpolitische Leiter der Hochschule für Politik in Berlin gewesen.

Politisch betätigte er sich bei dem Freikorps Oberland. Als sich eine Fraktion davon im Jahre 1922/23 abspaltete, nahm er die führende Rolle durch die Bekanntschaft mit Rudolf Schäfer (* 1885) im Blücherbund ein. Ruge siedelte nach München über und lernte dort Heinrich Himmler kennen. Mit ihm gründete er einen Verlag Deutsche Verlagsgesellschaft GmbH in München. Auch in München war er in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten verwickelt, die ihn weit bekannt werden ließen. Anfang 1923 distanzierte er sich von der NSDAP, nicht jedoch von Hitler. Den Nationalsozialisten warf Ruge vor, sie hätten durch ein Bündnis mit der DNVP die wahren völkischen und antikapitalistischen Gebote verraten; zudem sei Hitler von „Abschaum“ umgeben.[4]

Im Juni 1923 musste Ruge eine einjährige Haftstrafe in Landsberg antreten. Nach seiner Haftentlassung kehrte er vorübergehend nach Baden zurück, wo er zusammen mit Nationalsozialisten und Völkischen, die die Führung der Nationalsozialistischen Freiheitspartei (NSFP) ablehnten, die Deutschvölkische Reichspartei (DVRP) gründete. Die NSFP diente der nach dem Hitlerputsch verbotenen NSDAP als Ersatzorganisation. Bei der Reichstagswahl im Dezember 1924 war Ruge Spitzenkandidat der einzig in Baden kandidierenden DVRP. Die Partei blieb mit rund 3400 Stimmen oder 0,3 % der Stimmen in Baden bedeutungslos.[4]

Abweisung durch die NSDAP

Ruge verfasste 1926 eine Schrift Todsünde, Wege und Abwege eines Volkes, die Angriffe nicht mehr nur auf das Judentum, sondern auch auf das Christentum enthielt. Ende 1932 bot Ruge, der sich als früher Nationalsozialist verstand, der NSDAP seine Mitarbeit an, wurde jedoch zurückgewiesen. Man hielt ihn für einen Querulanten, dies auch weiterhin, nachdem er 1933 in die Partei eingetreten war.

Nach der Machtübernahme durch die NSDAP bekam er dennoch ab Juni 1934 eine Stelle als Archivrat im Generallandesarchiv Karlsruhe. Im Jahre 1936 verfasste er für Heinrich Himmler eine Schrift mit dem Titel „Die mittelalterlichen Hexenprozesse. Ein Abschnitt aus dem deutschen Kulturkampf“. Im März 1938 nahm er eine Lehrtätigkeit an der TH Karlsruhe auf.

In Ruges Nachlass befand sich ein Foto eines Gemäldes des Malers Oskar Hagemann, das im Jahre 1938 im Haus der Deutschen Kunst zu sehen war. Es trug den Namen Vorkämpfer Prof. Dr. Arnold Ruge. Im Ausstellungskatalog, wo es die Nr. 87 hat, steht der Vermerk: vom Führer gekauft. Über den Verbleib dieses Ölgemäldes liegen keine Informationen vor.

Seit dem 28. März 1912 war er mit Elisabeth Kundt (* 1888) verheiratet, deren Vater eine bekannte Buchhandlung in Karlsruhe führte. Aus der Ehe ging der Sohn Albrecht Ernst Ruge (13. Januar 1913) hervor.

Schriften

  • Kritische Betrachtung und Darstellung des Deutschen Studentenlebens, 1906
  • Die Philosophie der Gegenwart, 1910 bis 1915, als Hrsg. eines internationalen Jahresberichts
  • Das Wesen der Universität und das Studium der Frauen, 1912
  • Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften, in Verbindung mit Wilhelm Windelband Ruge als Hrsg., Tübingen 1912
  • Einführung in die Philosophie, 1914
  • Mobilmachung der deutschen Frauenkräfte für den Krieg, 1915
  • Wilhelm Windelband, 1917
  • Todsünde, Wege und Abwege eines Volkes, 1926
  • Völkische Wissenschaft, 1940

Quellen und Literatur

  • Emil Julius Gumbel, Verschwörer – Zur Geschichte und Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde 1918–1924, Frankfurt/Main 1984, S. 210–212
  • Herrmann A. L. Degener, Wer ist's?, Berlin 1935
  • Bruno Jahn,Biographische Enzyklopädie der deutschsprachigen Philosophen, München 2001
  • Hansmartin Schwarzmaier: Ruge, Arnold Paul. In: Bernd Ottnad (Hrsg.): Badische Biographien. Neue Folge, Band 4. Kohlhammer, Stuttgart 1996, ISBN 3-17-010731-3, S. 244–247 (online).
  • Klaus Graf: Eine von Himmler angeregte antikirchliche Kampfschrift Arnold Ruges (1881–1945) über die Hexenprozesse (1936), in: Himmlers Hexenkartothek. Das Interesse des Nationalsozialismus an der Hexenverfolgung, hrsg. von Sönke Lorenz, Dieter R. Bauer, Wolfgang Behringer und Jürgen Michael Schmidt (= Hexenforschung 4), Bielefeld 1999. (Zusammenfassung)
  • Konrad Krimm: Das Badische Generallandesarchiv im NS-Staat. Kampfplatz, Nische, Abstellraum? In: Archiv und Öffentlichkeit, Stuttgart 1997, S. 75–108

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Uwe Lohalm: Völkischer Radikalismus : Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes. 1919 - 1923. Leibniz-Verlag, Hamburg 1970, S. 224. ISBN 3-87473-000-X.
  2. Lohalm 1970, S. 258.
  3. Lohalm 1970, S. 261f.
  4. 4,0 4,1 Johnpeter Horst Grill: The Nazi movement in Baden, 1920–1945. University of North Carolina Press, Chapel Hill 1983, ISBN 0-8078-1472-5, S. 105 f.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Arnold Ruge (1881–1945) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.