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Archäometrie

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Archäometrie (von altgriechisch ἀρχή/arché = Anfang und μέτρον/métron = Maß) ist der Oberbegriff für alle naturwissenschaftlichen Methoden, die zur Klärung archäologischer und teilweise auch historischer Fragestellungen angewendet werden. Die Methoden stammen heute aus den Disziplinen Chemie, Physik (mit den Teildisziplinen Atom- und Kern- und Geophysik), Mineralogie, Werkstoffkunde, sowie in den letzten Jahrzehnten vermehrt aus den Biowissenschaften insbesondere aus der Molekularbiologie.

Archäometrische Methoden können nach der Art der Fragestellung (Alter, Herkunft, Fundgeschichte, Umweltbedingungen etc.) oder nach dem Material der untersuchten Artefakte (Gestein, Metall, organisches Material) klassifiziert werden.

In Deutschland existiert gegenwärtig (Stand Juni 2019) nur ein Lehrstuhl für Archäometrie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Die Archäometrie gilt somit in der deutschen Hochschulpolitik als Kleines Fach.[1]

Im englischsprachigen Raum wird die Archäometrie als Archaeometry, Archaeological Science oder auch Scientific Archaeology bezeichnet.

Anorganischer Zweig

Auf dem Gebiet der Funde mit anorganischer Zusammensetzung wird untersucht, in welchen geographischen Regionen, zu welchen Zeiten Werkmaterialien (zum Beispiel Feuerstein, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Eisen, Mörtel, Keramik etc.) gewonnen und verarbeitet wurden und wie sich die Herstellungs- und Verarbeitungstechniken entwickelt haben.

Archäometallurgie

Hauptartikel: Archäometallurgie

Eines der aktuellen Forschungsziele dieses Zweiges der Archäometrie ist es, den Beginn der Metallverarbeitung durch Menschen überhaupt örtlich und zeitlich zu bestimmen. Gediegenes Metall (Gold, Kupfer) wurde seit 10.000 Jahren verwendet. Offen ist, wann Erze zum ersten Mal verhüttet wurden. Die ältesten bisher gefundenen Erzschlacken bei Arisman und Tappe Sialk wurden bisher auf das 4. Jahrtausend vor Christus datiert.

Die Untersuchung von Metallgegenständen erfolgt durch Massenspektrometrie und identifiziert das für jede Abbaustelle spezifische Isotopenverhältnis der Metalle. Für diese spezielle Fragestellung werden zum Beispiel am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie (CEZA) der Reiss-Engelhorn-Museen ein Magnetic-Sector ICP-MS VG-Axiom Massenspektrometer verwendet. Leiter des CEZA ist der Tübinger Professor Ernst Pernicka, der einem breiteren Publikum durch die Untersuchung der Himmelsscheibe von Nebra bekannt wurde.

Untersuchung antiker Keramik

Aus Scherben, die bei archäologischen Ausgrabungen geborgen werden, kann mit chemischen und physikalischen Methoden eine Vielzahl an Informationen über den Lebenszyklus der Keramik herausgelesen werden: von der Herkunft des Tons, über Herstellungstechnik und Spuren aus der Zeit des Gebrauchs bis zu Veränderungen während der Lagerung im Boden und nach der Entdeckung.

Mit einer petrografischen Analyse wird die Zusammensetzung der Keramik mikroskopisch entschlüsselt. Dazu werden Dünnschliffe der Scherben in Durchlicht und polarisiertem Licht untersucht. Die Bilder geben Auskunft über die Art der Magerung unter qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten. Die petrografische Untersuchung eignet sich vor allem für Grobkeramik mit größerem Anteil an nicht-plastischen Bestandteilen.

Bei Feinkeramik wird die chemische Analyse bevorzugt. Mit kleinen Probenmengen und empfindlichen Analysenmethoden, wie Röntgenfluoreszenzanalyse oder AAS (Atomabsorption) können Hauptelemente (> 2 %), Nebenelemente (2-0,01 %) und Spurenelemente (< 0,01 %) bestimmt werden. Für die Verortung der Herkunft des Tons ist das Verhältnis Silikate zu Calcium-/Magnesiumoxyden von Bedeutung.

Bei parallelem Einsatz beider Methoden ergänzen sich die Ergebnisse. Damit lassen sich Aussagen über die Herkunft von Keramik treffen und Handelsverbindungen nachweisen.[2]

Organischer Zweig

Ein großer Teil der organischen Materialien bei Ausgrabungen besteht aus Knochen von Siedlungsabfällen, Grablegen oder Spuren biologischen Ursprungs auf Gegenständen, wobei aufgrund der langen und teilweise unbekannten Lagerung oftmals Kontaminationen vorkommen. Mit Hilfe der Osteologie können daraus Rückschlüsse auf die tierische Nahrung oder auf Erkrankungen gezogen werden. Archäozoologen bestimmen alte Tierarten auch aus Schneckenhäusern, Eier- oder Muschelschalen, Archäobotaniker nutzen Pflanzenreste zur Rekonstruktion vegetationsgeschichtlicher Veränderungen, oder von Landnutzung und Ernährung. Anthropologen setzen unter Umständen Methoden der forensischen Anthropologie ein. Organische Fundstücke können darüber hinaus mit verschiedenen Methoden der Biochemie wie der Polymerasekettenreaktion und der Spurenelement- beziehungsweise Isotopenanalyse untersucht werden.

Alte DNA

Die Untersuchung Alter DNA bietet seit Entwicklung der Polymerase-Kettenreaktion die Möglichkeit, Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb von Gräberfeldern festzustellen. Wesentlich ist dabei der Erhaltungszustand der Knochen und Zähne, aus denen, vor allem bei Lagerung im neutralen Milieu und bei niedrigen Temperaturen, intakte DNA-Fragmente extrahiert werden können.[3]

Andere Biomoleküle

Weiterhin kann eine Sterbe- und Liegealtersbestimmung durch Analyse von Eiweiß-Racematen, eine Blutgruppen-Untersuchung mittels Antikörper-Reaktionen und eine hormonelle Geschlechtsbestimmung erfolgen.

Isotopenanalyse

Ob tote Menschen in ihrer ursprünglichen Heimat aufgefunden wurden, wird zum Beispiel mit der Strontiumanalyse untersucht. Strontium in Spuren baut der Körper anstelle von Calcium in das Calciumcarbonat sowohl des Zahnschmelzes als auch das der Knochen ein. Nun unterscheiden sich die Isotopenverhältnisse der natürlichen Strontiumvorkommen charakteristisch von Gegend zu Gegend. Da Zahnschmelz nicht umgebaut wird, zeigt das dort aufgefundene Isotopenverhältnis der Strontiumspuren im Zahnschmelz das Isotopenverhältnis der Ursprungsgegend, in der ein Mensch aufgewachsen ist (zur Zeit der Bildung des Zahnschmelzes). Findet sich im Strontium der Knochen ein anderes Isotopenverhältnis, so ist der Mensch in die Gegend, in der sein Leichnam aufgefunden wurde, eingewandert.

Die Herkunft des in der Nähe von Stonehenge beerdigten Bogenschützen von Amesbury aus dem nördlichen Alpenvorland konnte durch den Vergleich der Sauerstoffisotopenverteilungen im Zahnschmelz gefunden werden.

Naturwissenschaftliche Datierungsmethoden

Klassische Datierungsmethoden der Archäologie wie die Stratigrafie und die vergleichende Keramikuntersuchung ermöglichen relative Datierungen. Zur Festlegung von absoluten numerischen Zeitangaben eignen sich naturwissenschaftliche Methoden wie Radiokohlenstoffdatierung, Dendrochronologie und Thermolumineszenzdatierung.

Prospektionsmethoden

Zur Erkundung von archäologischen Stätten werden meist Ortsbegehungen durchgeführt, bei denen Oberflächenfunde wie Keramikscherben erfasst werden. Großräumigen Überblick über bauliche Strukturen ermöglicht die Luftbildarchäologie, wobei über Bodenmerkmale auch unterirdische architektonische Reste gefunden werden.

Geophysikalische Methoden, wie Bodenwiderstandsmessung, Geomagnetik, Georadar, Elektromagnetische Induktion (Metalldetektor) und Reflexionsseismik bieten je nach Bodenbeschaffenheit weitere Einblicke in unter der Erde liegende archäologische Strukturen.[4]

Literatur

Übersichtswerke

  • Bernd Herrmann (Hrsg.), Archäometrie. Naturwissenschaftliche Analyse von Sachüberresten. Berlin, Heidelberg, New York (1994). (mittlerweile z. T. veraltet, trotzdem knappe und gute Einführung)
  • Andreas Hauptmann, Volker Pingel (Hrsg.): Archäometrie. Methoden und Anwendungsbeispiele. Schweizerbart, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65232-7 (Darstellung konkreter Techniken der Archäometrie anhand der Lösung archäologischer und historischer Probleme.)
  • D.R. Brothwell & A.M. Pollard (Eds.), Handbook of Archaeological Sciences. John Wiley and Sons Ltd. (2001; Paperback Edition: 2005) (wesentlich umfangreicher als Herrmann, aktueller)
  • Manfred Reitz: Auf der Fährte der Zeit. Mit naturwissenschaftlichen Methoden vergangene Rätsel entschlüsseln. Verlag Wiley-VCH, 2003
  • Rolf C. A. Rottländer: Einführung in die naturwissenschaftlichen Methoden in der Archäologie. Tübingen 1983
  • G. A. Wagner: Einführung in die Archäometrie, Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-71936-6.

Fachartikel zu speziellen Methoden

  • Ina Reiche, Martin Radtke, Christian Brouder: Röntgenanalyse in der Kunst: Antike Gläser und versteinertes Elfenbein. Physik in unserer Zeit 34(2), S. 80–86 (2003), ISSN 0031-9252
  • Günther A.Wagner, Steffen Greilich, Anette Kadereit: Lumineszenzdatierung: Kaltes Leuchten erhellt die Vergangenheit. Physik in unserer Zeit 34(4), S. 160–166 (2003), ISSN 0031-9252

Die wichtigsten Zeitschriften

  • Archaeometry (vierteljährlich, Online-Version)
  • Journal of Archaeological Science (monatlich, Online-Version)
  • Archäometrisches Nachrichtenblatt, herausgegeben von der Gesellschaft für Naturwissenschaftliche Archäologie/Archaeometrie* * Radiocarbon
  • Restaurierung und Archäologie. Konservierung, Restaurierung, Technologie, Archäometrie. Mehrsprachiges Periodikum, erscheint jährlich, Band 1 erschien 2008, Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums - Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte, Mainz.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Archäometrie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Portal der Gesellschaft für naturwissenschaftliche Archäologie - Archaeometrie.
  • Portal der Archäometriegruppe der Universität Bonn.
  • Portal des Zentrum Archäometrie Mannheim.
  • Portal des Kompetenzzentrum für Mineralogische Archäometrie und Konservierungsforschung am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz (RGZM).

Einzelnachweise

  1. Arbeitsstelle Kleine Fächer: Archäometrie auf dem Portal Kleine Fächer. Abgerufen am 12. Juni 2019.
  2. Marino Magetti: Naturwissenschaftliche Untersuchung antiker Keramik. In: Andreas Hauptmann (Hrsg.): Archäometrie. Methoden und Anwendungsbeispiele. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65232-7, S. 91–109.
  3. Susanne Hummel: Alte DNA. In: Andreas Hauptmann (Hrsg.): Archäometrie. Methoden und Anwendungsbeispiele. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65232-7, S. 67–88.
  4. Dieter Vieweger: Archäologie der biblischen Welt. 2. Auflage. Göttingen 2006, ISBN 978-3-8252-2394-6, S. 130–145.
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