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Triebtheorie

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Der Begriff Triebtheorie umfasst eine Reihe von Theorien aus Ethologie, Psychologie und Psychoanalyse, denen die Auffassung gemeinsam ist, der Mensch werde wesentlich von einer mehr oder weniger großen Anzahl endogener, d. h. angeborener Triebe bzw. Grundbedürfnisse gesteuert. Die bekannteste und einflussreichste Triebtheorie wurde von Sigmund Freud entwickelt. Mittlerweile wird das Triebkonzept nur noch vereinzelt in der wissenschaftlichen Literatur verwendet, wesentliche Anteile davon leben aber im moderneren Begriff der Motivation bzw. des Motivationssystems weiter.

Nach Freud entstammt der Trieb einem körperlichen Spannungszustand. Triebe dienen allgemein der Lebens-, Art- und Selbsterhaltung. Von diesen Urtrieben unterscheidet Freud zunächst aber zwei Gruppen, und zwar die der Ich- oder Selbsterhaltungstriebe und die der Sexualtriebe.[1] Der Triebdrang, welcher vom körperlichen ausgehend einen seelischen Niederschlag, die sog. Triebrepräsentanzen bildet, erfolgt stetig neu (auch nach erfolgter Befriedigung wieder) und vom Willen des Ich-Bewusstseins unabhängig; dieses vermag jedoch die Verwirklichung der Wünsche umweltangemessen zu lenken und sogar zurückzudrängen. Die Triebenergie selbst hat Freud als Libido bezeichnet, ihre Gesetzmäßigkeit als Lustprinzip. Später ergänzte er diese Konzeption durch die zusätzliche Annahme eines Todestriebs, der jedoch stark umstritten blieb.

Triebarten nach Freud

Triebe werden zum einen nach ihrer Entstehung (Primär- und Sekundärtriebe) und zum anderen nach ihren Funktionen (Lebens- und Todestriebe) unterschieden.

  • Nach der Entstehung: Primärtriebe sind von Geburt an vorhanden und sichern die Erhaltung der Art und des einzelnen Individuums. Zu ihnen zählen das Bedürfnis nach Nahrung, Wasser, Sauerstoff, Ruhe, Sexualität und Entspannung. Die Sekundärtriebe (z. B. das Bedürfnis nach Anerkennung und Sicherheit), entwickeln sich zwischen dem ersten halben und zweiten Lebensjahr. Ohne Sekundärtriebe würden wir auf dem Niveau eines Kleinstkindes bleiben.
  • Nach der Funktion: Hierbei unterscheidet man zwischen dem Lebenstrieb (Eros), zu dem alle lebenserhaltenden und die Erhaltung der Art unterstützenden Triebe zählen, und dem Todestrieb (Thanatos), der den Drang beschreibt, zum Anorganischen und Unbelebten zurückzukehren. Beide Triebe wirken in Polarität, aber auch vielfach zusammen und miteinander vermischt.

Phasen der psychosexuellen Entwicklung

Nach Freud entwickelt sich die menschliche Sexualität bereits ab frühester Kindheit, wobei die psychosexuelle Entwicklung entlang jeweils vorherrschender, erogener Zonen (Mundschleimhaut, Darm- und Urogenitalschleimhaut, Genitalien) eine orale, anale (urogenitale), und phallisch-ödipale Phase durchlaufe; diese Entwicklung wird durch eine Latenzphase unterbrochen, um in der Pubertät wiederaufgenommen und vollendet zu werden.

→Hauptartikel: Infantile Sexualität

Mehrfache Revidierung der Triebtheorie

Der Triebbegriff taucht bei Freud erst 1905 in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie auf. In der ersten Phase seines Werks hatte er die Symptome seiner Patientinnen und Patienten auf Traumatisierungen zurückgeführt. Am 21. September 1897 schreibt er aber an seinen Freund Fließ, er sei zur Einsicht gekommen „dass es im Unbewussten ein Realitätszeichen nicht gibt, sodass man die Wahrheit und die mit Affekt besetzte Fiktion nicht unterscheiden kann“ (Brief an Fließ). So entwickelte er die Konzeption der unbewussten Phantasien und Wünsche, die ab 1905 durch eine Theorie der Triebe, die als Urgrund der Phantasien zu sehen seien, fundiert wird. In erster Linie sah er nun die Triebkonflikte in der individuellen psychosexuellen Reifung als krankheitsverursachend.

In Freuds Behandlung des Themas der Triebe lassen sich drei Werkphasen abgrenzen:

Erste Phase (laut Robl), 1905 - 1914:

  • Dualistisches Modell: „Von besonderer Bedeutung für unseren Erklärungsversuch ist der unleugbare Gegensatz zwischen Trieben, welche der Sexualität, der Gewinnung sexueller Lust dienen, und den anderen, welche die Selbsterhaltung des Individuums zum Ziele haben, den Ich-Trieben.“ (Freud, [1910], 1982, 209).
  • Ich-Triebe oder Selbsterhaltungstriebe: Triebtypus, dessen Energie das Ich im Abwehrkonflikt verwendet. Die Ich-Triebe funktionieren nach dem Realitätsprinzip.
  • Sexualtriebe (Libido): Die Energie der Sexualtriebe ist die Libido. Die Libido kann gemäß ihrem Besetzungsobjekt in „Ich-Libido“ und „Objektlibido“ unterteilt werden.

Zweite Phase, 1914 - 1915:

  • Kein dualistisches Triebmodell, stattdessen nimmt Freud in dieser Phase einen libidinösen Trieb an, der in zwei Ausprägungen erscheint, in einer aggressiven und einer im weitesten Sinne sexuellen Form.

Dritte Phase, ab 1920:

  • Erneut dualistisches Triebmodell: Lebenstrieb und Todestrieb. Triebe werden durch die Qualitäten Quelle, Objekt, Ziel und Drang beschrieben.

Begriff des Triebes

Freuds Verwendung des Triebbegriffs ist nicht immer einheitlich gewesen. So schreibt er 1905: „Unter einem Trieb können wir zunächst nichts anderes verstehen als die psychische Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden, innersomatischen Reizquelle, zum Unterschiede vom Reiz, der durch vereinzelte und von außen kommende Erregungen hergestellt wird. Trieb ist so einer der Begriffe der Abgrenzung des Seelischen vom Körperlichen. (...).“ (Freud [1905] 1982, Bd. 5, 76).

Freud beschreibt hier den Trieb als psychische Größe, jedoch ist sein Triebkonzept äußerst schwankend, uneinheitlich und von ständigen Umformulierungen gekennzeichnet. So steht auch das folgende Zitat von 1926 im Widerspruch zu diesem, indem es den Trieb auf der somatischen Ebene ansiedelt: „Die ökonomische Betrachtung nimmt an, dass die psychischen Vertretungen der Triebe mit bestimmten Quantitäten Energie besetzt sind (...).“ (Freud [1926] 1960, Bd. 14, 302).

Wilhelm Reich hat diese zweite Auffassung folgendermaßen umschrieben: „Es ist vollkommen logisch, dass der Trieb selbst nicht bewusst sein kann, denn er ist dasjenige, was uns regiert und beherrscht. Wir sind sein Objekt. Denken wir an die Elektrizität. Wir wissen nicht, was und wie sie ist. Wir erkennen sie nur an ihren Äußerungen, am Licht und am elektrischen Schlag. Die elektrische Welle kann man wohl messen, doch auch sie ist nur eine Eigenschaft dessen, was wir Elektrizität nennen und eigentlich nicht kennen. So wie die Elektrizität messbar wird durch ihre Energieäußerungen, so sind die Triebe nur durch Affektäußerungen erkennbar.“ (Reich 1972, 33).

Aber auch schon die Frage, ob sich das Konstrukt Trieb überhaupt einer dieser Ebenen zuschreiben lässt, wird von Freud widersprüchlich behandelt. „Wir können dem 'Trieb’ nicht ausweichen als einem Grenzbegriff zwischen psychologischer und biologischer Auffassung.“ (Freud [1913] 1960, Bd. 8, 410). Diese Äußerung widerspricht dem Vorangegangenen, indem hier ausgesagt wird, dass der Trieb eben nicht der somatischen oder psychischen Ebene zugesprochen werden kann, sondern ein Grenzbegriff ist.

Freud beschreibt die zentralen Qualitäten des Triebes wie folgt:
„Die Quelle des Triebes ist ein erregender Vorgang in einem Organ und das nächste Ziel des Triebes liegt in der Aufhebung des Organreizes“ (Freud [1905] 1982, Bd. 5, 77). „Auf dem Wege von der Quelle zum Ziel wird der Trieb psychisch wirksam. Wir stellen ihn vor als einen gewissen Energiebetrag, der nach einer bestimmten Richtung drängt. (…) Das Ziel kann am eigenen Körper erreicht werden, in der Regel ist ein äußeres Objekt eingeschoben, an dem der Trieb sein äußeres Ziel erreicht; sein inneres bleibt jedes Mal die als Befriedigung empfundene Körperveränderung.“ (Freud [1933] 1982, Bd. 1, 530). Auslöser ist also ein interner Reiz, der eine gewisse als unangenehm empfundene Triebspannung weckt. Diese Spannung weckt den Wunsch nach Verminderung derselben durch Befriedigung am Triebziel, meist dem Objekt.

Für diese Aufgabe stellt der Trieb einen gewissen Energiebetrag zur Verfügung. Hierbei ist wichtig, dass der Mensch dem Triebreiz als einem inneren Reiz nicht, wie meist einem äußeren Reiz, ausweichen kann. Er kann deshalb der Triebspannung nicht entgehen, ohne den Trieb zu befriedigen, wenn er die Triebbefriedigung auch eine Zeit lang aufschieben kann. Je länger der Aufschub, desto größer wird die aversive Spannung und der Wunsch nach Triebbefriedigung. Die Qualität des Triebes wird durch sein Triebziel bestimmt. In die Haupttriebe dieser Modelle lassen sich alle anderen Triebe als Unter-Triebe integrieren. „Welche Triebe darf man aufstellen und wie viele? Dabei ist offenbar der Willkür ein weiter Spielraum gelassen. Man kann nichts dagegen einwenden, wenn jemand den Begriff eines Spieltriebes, Destruktionstriebes, Geselligkeitstriebes in Anwendung bringt, wo der Gegenstand es erfordert und die Beschränkung der psychologischen Analyse es zulässt. Man sollte aber die Frage nicht außer Acht lassen, ob diese einerseits so sehr spezialisierten Triebmotive nicht eine weitere Zerlegung in der Richtung nach den Triebquellen gestatten, so dass nur die weiter nicht zerlegbaren Urtriebe eine Bedeutung beanspruchen können.“ (Freud [1915] 1982, Bd. 3, 87).

Ein Trieb verlangt die ihm eigene Befriedigung und meist auch ein ihm eigenes Objekt, trotzdem kann eine gewisse Menge der ursprünglichen Triebenergie auf ein anderes Ziel verschoben werden und dadurch befriedigt werden, diesen Vorgang nennt Freud Sublimierung. Das Triebziel ist die Erleichterung der Erregungsspannung.

Kritik

Psychoanalytische Kritik an Freuds Triebtheorie

Schon der Begründer der Ich-Psychologie, der Amerikaner Heinz Hartmann, versuchte Ende der 1930er Jahre, von Freuds Konzeption der Lebens- und Todestriebe Abstand zu nehmen. Er schlug vor, den Begriff Trieb durch die Einführung von libidinösen und aggressiven Motivationen zu ersetzen.

Die freudsche Triebtheorie wurde unter anderem von einer Gruppe von Psychoanalytikern kritisiert und revidiert, die später als Neo-Psychoanalytiker bezeichnet wurden. Zu ihnen gehören u.a. Harald Schultz-Hencke, Karen Horney, Erich Fromm, Harry Stack Sullivan, Frieda Fromm-Reichmann und Clara Thompson. Die Hauptrichtung der Kritik ging dahin, die Triebtheorie als mechanistisch-biologistisches Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert zu verdächtigen. Auch wurde das Menschenbild Freuds mit dessen Annahme des Todes- und Destruktionstriebes als kulturpessimistisch kritisiert. Die Neopsychoanalytiker wollten die Psychoanalyse als eine Theorie der menschlichen Beziehungen neu begründen (vgl. auch Objektbeziehungstheorie). Strittig ist, ob sie damit wesentliche kritische Gehalte der freudschen Psychoanalyse preisgegeben haben. In dem sog. „Kulturismus-Streit“ wird dieser Frage von den Kontrahenten Erich Fromm und Herbert Marcuse nachgegangen.

Weitere Vertreter der Psychoanalyse wie Otto F. Kernberg sehen die Triebe als aus den Affekten entstandene, also als sekundäre Erscheinung an. [2] Freud sah den Trieb noch als „innersomatische Reizquelle“, an der Grenze von somatischem und psychischem, welcher durch Affektäußerung zu erkennen sei. Damit nähert sich Kernberg dem Modell des motivationalen Systems an, das grundlegende Bedürfnisse als Motivation innerhalb des psychischen Systems zusammenfasst. Andere Autoren wie Joseph D. Lichtenberg und Martin Dornes sehen die Triebtheorie an sich, und damit auch die Verwendung des Begriffes „Trieb“ im freudschen Sinne, als widerlegt an. Lichtenberg geht ausgehend von Heinz Hartmann und den Weiterentwicklungen der amerikanischen Selbstpsychologie stattdessen von motivationalen Systemen aus, zu denen auch die menschliche Sexualität zu rechnen ist. Dornes sieht die Triebtheorie als biologisch begründete „Triebfeder“ der Psyche als widerlegt an. Allen Autoren ist gemeinsam, dass sie den Affekt als zentralen motivierenden Aspekt der Psyche betrachten.

Kritik aus Sicht der Traumaforschung

Eine fundamentalere Kritik an der psychoanalytischen Triebtheorie stammt von Autoren, die sich inzwischen von der Psychoanalyse gelöst haben, z.B. Alice Miller, Thomas Mertens, Jeffrey Masson (Final Analysis, 1992), Dörte von Drigalski (Blumen auf Granit, 1980), Hilarion Petzold. Ihr Vorwurf lautet, dass die Triebtheorie der Psychoanalyse den Opfern sexuellen Missbrauchs in keiner Weise gerecht werde. Denn die Betonung der kindlichen Triebwünsche birgt zumindest oberflächlich gesehen die Gefahr, aus dem „Kind als Opfer“ das „Kind als Täter“ zu machen. Auch wenn natürlich Kinder verführende Verhaltenszüge in bestimmten Phasen haben, so gehört dies zur gesunden Entwicklung, und es ist die Pflicht der Eltern, damit verantwortungsvoll umzugehen und diese Verhaltenszüge nicht für eigene Bedürfnisse zu missbrauchen. Dabei kann Missbrauch sehr unterschwellig ablaufen, auch ohne dass es zu direkten sexuellen Kontakten kommt. Eine Eltern-Kind-Interaktion, die von erotisch angereicherten Phantasien der Eltern bezüglich ihrer Kinder geprägt ist, kann Kinder in ihrer Entwicklung erheblich und nachhaltig schädigen. Diese Kritik an Sigmund Freud unterschlägt, dass er den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Erwachsene entdeckte und als Erster wissenschaftlich publizierte und damals genauso von der akademischen Wissenschaft dafür abgelehnt wurde wie heute, nur unter anderen Vorwänden: Als er über die Hysterie, das Symptom das seine spätere Patientin Dora aufwies, erstmalig referierte „berichtet Freud, der Vortrag habe eisige Aufnahme gefunden und Krafft-Ebing, der den Vorsitz führte, habe die Bemerkung gemacht: ‚Es klingt wie ein wissenschaftliches Märchen‘“[3]. 1896 nahmen seine Wissenschaftlerkollegen Freud die Entdeckung des sexuellen Missbrauchs äußerst übel, als er, es wagte, „von Personen, die kein Bedenken tragen, ihre sexuellen Bedürfnisse an Kindern zu befriedigen“, zu sprechen [4]. Das traf auf eisiges Schweigen und wurde als Märchen diffamiert. Was nicht sein durfte, konnte nicht sein. „Der Erwachsene, der sich seinem Anteil an der gegenseitigen Abhängigkeit nicht entziehen kann, wie sie aus einer sexuellen Beziehung notwendig hervorgeht, der dabei doch mit aller Autorität und dem Rechte der Züchtigung ausgerüstet ist und zur ungehemmten Befriedigung seiner Launen die eine Rolle mit der anderen vertauscht; das Kind, dieser Willkür in seiner Hilflosigkeit preisgegeben, vorzeitig zu allen Empfindlichkeiten erweckt und allen Enttäuschungen ausgesetzt, häufig in der Ausübung der ihm zugewiesenen Leistungen durch seine unvollkommene Beherrschung der natürlichen Bedürfnisse unterbrochen – alle diese grotesken und doch tragischen Mißverhältnisse prägen sich in der ferneren Entwicklung des Individuums und seiner Neurose in einer Unzahl von Dauereffekten aus“[5]. Anstatt den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Erwachsene anzuerkennen, die daraus resultierende Neurose und die sie davon befreiende Psychotherapie zu diskutieren, verleugneten die Wissenschaftler diese ihnen sichtlich unangenehme Realität und ignorierten die wissenschaftlichen Beweise Freuds. Und das tun sie heute noch, wie man am nächsten Absatz sieht.

Generell kommt es in triebtheoretisch ausgerichteten Analysen dazu, dass das, was Patienten in ihrer Kindheit an schlimmen Erfahrungen, Traumatisierungen und alltäglichen Belastungen erlitten haben, geradezu geleugnet wird, während triebtheoretisch begründete (angebliche) Konflikte in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten – etwa, dass eine vom Vater vergewaltigte Grundschülerin in dieser Situation „einen sexuell erregenden Triumph über ihre Mutter“ erlebt habe und lernen müsse, „ihre Schuld [zu] tolerieren“ (so Kernberg 1999). Die Triebtheorie sei deshalb unbrauchbar, um die Auswirkungen von Traumata auf die psychosexuelle Entwicklung sinnvoll zu verstehen. Sie verhindere, dass das Kind im Patienten als Opfer einer familiären Entgleisung angesehen wird; die notwendige Aufgabe eines Psychotherapeuten besteht vielmehr darin, in der Behandlung unmissverständlich als Anwalt der Opfer aufzutreten. In jüngster Zeit hat aus diesem Grund der Trauma-Forscher Ulrich Sachsse seinen „Abschied von der psychoanalytischen Identität“ bekanntgegeben.[6]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Sigmund Freud: Triebe und Triebschicksale (1915). Psychologie des Unbewußten, Studienausgabe, Band III, Fischer, Frankfurt am Main, Sonderausgabe 2000, S. 87 ISBN 3-596-50360-4
  2. Kernberg, O. F. (2000). Borderline-Persönlichkeitsorganisation und Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen. In: Handbuch der Borderline-Störungen. Kernberg, Dulz, Sachsse (Hrsg.). Stuttgart, Schattauer: „Befriedigende, belohnende und lustvolle Affekte werden hierbei zu Libido als einem übergeordneten Trieb, während schmerzhafte, unlustvolle und negative Affekte zur Aggression als übergeordnetem Trieb integriert werden. […] Die affektiv besetzte Entwicklung von Objektbeziehungen – mit anderen Worten reale und phantasierte zwischenmenschliche Interaktionen, die zu einer komplexen Welt von Selbst- und Objektrepräsentanzen im Kontext mit affektiven Interaktionen internalisiert werden – stellt nach meinem Verständnis das Grundmuster für die Entwicklung des unbewußtenGeisteslebens und die Struktur der Psyche dar.“
  3. FREUD, S.: Zur Ätiologie der Hysterie. Studienausgabe, Bd. VI. Frankfurt/M.: Fischer 1896/2000, S. 52
  4. FREUD, S.: Zur Ätiologie der Hysterie. Studienausgabe, Bd. VI. Frankfurt/M.: Fischer 1896/2000, S. 74
  5. FREUD, S.: Zur Ätiologie der Hysterie. Studienausgabe, Bd. VI. Frankfurt/M.: Fischer 1896/2000, S. 75
  6. Ulrich Sachsse, in: WIR: Psychotherapeuten über sich und ihren unmöglichen Beruf, 2006. S. 444 ff.
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