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Anschlag von Buenos Aires 1994

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Beim Bombenanschlag auf das AMIA-Gebäude am 18. Juli 1994 in Buenos Aires wurden 87 Menschen getötet und über 100 Personen verletzt.[1] Es war der schwerste Bombenanschlag in der Geschichte Argentiniens. Das Gebäude der Asociación Mutual Israelita Argentina, eine Zentrale der jüdischen Gemeinde in Argentinien, in welchem zahlreiche jüdische Organisationen und Vereine vertreten waren, wurde dabei völlig zerstört. Der Anschlag löste das umfassendste Ermittlungsverfahren der argentinischen Rechtsgeschichte aus.[1] Der Attentäter, der 21-jährige Libanese Ibrahim Hussein Berro, konnte erst im November 2005 nach umfassenden DNA-Untersuchungen identifiziert werden.[2][3][4] Die Hintergründe für den Anschlag wurden nie geklärt.[2]

Hintergründe und Spekulationen

Um 09:53 Uhr Ortszeit explodierte eine 300 bis 400 kg schwere Bombe auf der Basis eines ANC-Sprengstoffes, die in einem Renault-Lieferwagen vom Attentäter vor das Gebäude transportiert und gezündet wurde.[2] Als Urheber und Auftraggeber wird die Hisbollah und der Iran vermutet; die Ermittlungen hinsichtlich der Urheberschaft sollen, nach Angaben von Wikileaks, von der US-Botschaft beeinflusst worden sein,[5][6] und „nicht auf in Argentinien selbst ermittelten Beweisen, sondern auf Informationen der US-amerikanischen und israelischen Geheimdienste beruhen“.[7]

Hisbollah als Urheber

Von verschiedenen Quellen und Analysten wurde als mögliches Motiv der Hisbollah Rache für die Tötung Abbas al-Musawis oder auch „Vergeltung“ für die Entführung Mustafa Diranis und Luftschläge in der Bekaa-Ebene vermutet.[2][8] Musawis Tod wurde, in einem Bekennervideo, mit dem Anschlag von Buenos Aires von 1992 „gerächt“.

Iran als Urheber

Vor dem Hintergrund des Iranischen Atomprogramms und der argentinisch-iranischen Atomverträge wurde als Motiv des Iran ein „Vergeltungsanschlag“ angenommen. Argentinien lieferte noch im Februar 1993 115,8 kg auf 20 % angereichertes Uran an den Iran.[9] Die Verträge und Lieferungen – hinsichtlich niedrig angereicherten Urans – wurden von Argentinien auch nach dem Anschlag nicht eingestellt.[10] Bei einem geheimen Treffen des Iranischen Sicherheitsrats in Maschhad soll am 14. August 1993 die Entscheidung für einen Anschlag gefällt worden sein. Die Los Angeles Times berichtet in ihrer Ausgabe von 6. Dezember 1997 von einem iranischen Überläufer namens Manouchehr Moatamer, der diese Informationen gab.[11] Der ehemalige US-Botschafter in Argentinien, James Richard Cheek, hält Manouchehr Moatamer für unglaubwürdig. Es gäbe keinen Beweis der iranischen Verantwortung.[12] Ein weiterer Informant, Abdolghassem Mesbahi, Kronzeuge (C) im Mykonos-Prozess, berichtet auch über das Treffen in Maschhad, jedoch nur vom Hörensagen.[13] Für Gareth Porter stützten sich die Annahmen für eine Urheberschaft des Iran ausschließlich auf Mitglieder der MEK.[14] Im Januar 2014 erklärte Itzhak Aviran, von 1993 bis 2000 amtierender Botschafter Israels in Argentinien, in einem von der Zeitung Clarín abgedruckten Interview, Israel wisse, wer die Hauptverantwortlichen seien (nämlich Iraner) und habe inzwischen die meisten von ihnen getötet. Das israelische Außenministerium wies die Äußerungen Avirans hingegen als „kompletten Unsinn“ zurück.[15]

Im Februar 2013 unterzeichneten Vertreter Argentiniens und des Iran ein Abkommen zur Aufklärung des AMIA-Anschlags,[16][17] das als „Wahrheitskommission“ bezeichnet und vom Sonderstaatsanwalt Alberto Nisman als Vertuschungsversuch kritisiert wurde.[18][19]

Argentinische Urheberschaft

Ein Prozess gegen ehemalige Polizeibeamte der Provinz Buenos Aires wegen Beteiligung an der Vorbereitungen des Anschlags endete im September 2004 mit einem Freispruch aller 22 Angeklagten.[20] Ein Angeklagter wurde beschuldigt, „400.000 US-Dollar vom argentinischen Geheimdienst Side erhalten zu haben, um mit seiner Aussage den Verdacht auf den Iran zu lenken.“ Vermutet wurde die Urheberschaft bei „Leuten in der Armee und Polizei, die in die Militärdiktatur von 1976 bis 1984 verwickelt waren und ausgeprägt antisemitisch sind,“[7][21] oder „argentinische Nazis“.[22]

Ersuchen um Festnahme

Am 9. November 2006 wurde von den argentinischen Behörden, auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse der Sonderermittler Alberto Nisman und Marcelo Martinez Burgos, bei Interpol eine Red Notice (Ersuchen um Festnahme) gegen neun Personen ersucht, die im März 2007, nach Prüfung der Unterlagen, auf sechs Personen reduziert wurde:

Die Red Notices wurden nicht – entgegen dem Ersuchen – für den ehemaligen Präsidenten des Iran, Akbar Hāschemi Rafsandschāni, für den ehemaligen Außenminister des Iran Ali Akbar Velayati und den ehemaligen Botschafter des Iran in Buenos Aires, Hadi Soleimanpour, ausgestellt.[23]

Im Mai 2009 wurde von den argentinischen Behörden bei Interpol um eine weitere Red Notice ersucht. Der Kolumbianer Samuel Salman El Reda soll in den Anschlag verwickelt sein.[24][25] Oktober 2009 wurde vom argentinischen Bundesrichter Ariel Lijo Anklage gegen zur Zeit der Anschläge amtierenden und aus dem Libanon stammenden argentinischen Präsident Carlos Menem, dessen Bruder Munir Menem, den früheren Chef des argentinischen Geheimdienstes Secretaría de Inteligencia de Estado (SIDE) Hugo Anzorreguy, gegen den damals ermittelnden Bundesrichter Juan José Galeano und weitere Regierungsangestellte, wegen Behinderung der Ermittlungen erhoben. Die Angeklagten sollen Akten gefälscht, vernichtet sowie Zeugen bestochen haben.[1]

Vorwurf der Strafvereitelung und Haftbefehl gegen Cristina Kirchner

Im Januar 2015 klagte Alberto Nisman, 2005 von Néstor Kirchner zum Sonderstaatsanwalt und Nachfolger von Juan José Galeano für diesen Fall ernannt, die damalige amtierende Staatspräsidentin Argentiniens, Cristina Kirchner, an; er warf ihr vor, die Verfolgung der Hauptverdächtigen sabotiert zu haben. Am Tag, an dem Nisman seine Anklage im Parlament von Buenos Aires erläutern sollte, wurde er tot in seiner Wohnung mit einer Schusswunde am Kopf aufgefunden.[26] Die argentinische Staatsanwaltschaft geht inzwischen von Mord statt von einem Suizid aus.[27]

Der auf Nisman folgende Staatsanwalt, Gerardo Pollicita, wertete die Anklageschrift Nismans aus und erhob am 13. Februar 2015 Anklage gegen Kirchner wegen Strafvereitelung im Amt. Zudem wurden der Außenminister Héctor Timerman und der Abgeordnete Andrés Larroque beschuldigt, Kirchner unterstützt zu haben, die mutmaßlichen Attentäter zu decken.[28]

Ein Haftbefehl gegen Cristina Kirchner wegen mutmaßlicher Verschleierung des Anschlags erfolgte im Dezember 2017, fast zwei Jahre nach Ende ihrer Präsidentschaft. Da sie bei den Parlamentswahlen im Oktober 2017 einen Sitz im Senat erhalten hatte und vor Strafverfolgung geschützt ist, forderte der zuständige Richter Claudio Bonadío die Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität.[27]

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Anschlag von Buenos Aires 1994 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Michael Studemund-Halévy; Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus - Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Ereignisse, Dekrete, Kontroversen. 4, De Gruyter Saur, Berlin 2011, ISBN 978-3-598-24076-8, S. 1 f..
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Peter Chalk: Encyclopedia of Terrorism, ABC-Clio Inc, 2012, ISBN 978-031330-895-6, S. 375–378
  3. Buenos Aires bomber identified. In: bbc.co.uk, abgerufen am 5. August 2013
  4. Identificaron al terrorista suicida que voló la AMIA. In: lanacion.com.ar, abgerufen am 5. August 2013
  5. Cable 22/05/2008. In: Wikileaks, abgerufen am 5. August 2013
  6. Kiraz Janicke: Argentina: WikiLeaks reveals US interference in bombing case. In: greenleft.org.au, 12. März 2011, abgerufen am 5. August 2013
  7. 7,0 7,1 Ignacio Klich: Koordinaten der argentinischen Außenpolitik. In: monde-diplomatique.de, 9. März 2007, abgerufen am 26. Januar 2015
  8. Hisbollah soll für Anschlag auf jüdisches Zentrum verantwortlich sein. In: spiegel.de, abgerufen am 26. Januar 2015
  9. Christina Walrond: Timeline 1967–1993: Argentine Low-Enriched Uranium at Teheran Research Reactor. In: isisnucleariran.org, 7. Oktober 2009, abgerufen am 25. Januar 2015 (PDF; 101 kB).
  10. Gareth Porter: Argentina’s Iranian nuke connection. In: atimes.com, 15. November 2006, abgerufen am 25. Januar 2015.
  11. Sebastian Rotella: Trail Heats Up in ’94 Argentina Bombing. In: latimes.com, 6. Dezember 1997, abgerufen am 25. Januar 2015.
  12. Gareth Porter: Bush’s Iran/Argentina Terror Frame-Up. In: thenation.com, 19. Januar 2008, abgerufen am 25. Januar 2015.
  13. hagalil.com (abgerufen am 25. Januar 2015).
  14. Gareth Porter: Indictment of Iran for ’94 Terror Bombing Relied on MEK. In: ipsnews.net, 7. August 2013, abgerufen am 25. Januar 2015.
  15. Ex-Botschafter: Attentäter von Buenos Aires wurden getötet. In: Handelsblatt, 4. Januar 2014
  16. Argentinien hat Abkommen mit Iran zur Aufklärung des AMIA-Anschlags 1994 unterzeichnet. In: IRIB, 19. Februar 2013, abgerufen am 5. August 2013
  17. Argentinien will Ermittlungen neu aufrollen. In: sueddeutsche.de, 25. Februar 2013, abgerufen am 5. August 2013
  18. Ankläger von Präsidentin Kirchner tot. In: taz, 19. Januar 2015.
  19. Cristina Kirchners Kommission. In: Jungle World, 21. Februar 2013.
  20. Matthias Rüb: Die Spur nach Qom. In: faz.net, 26. Januar 2015, abgerufen am 27. Januar 2015
  21. tageblatt.com.ar (Memento vom 1. November 2004 im Internet Archive) (abgerufen am 26. Januar 2015)
  22. Wer hat den blutigen Anschlag auf die jüdisch-argentinische Gemeinde verübt? In: zeit.de, abgerufen am 26. Januar 2015
  23. interpol.int (Memento vom 8. Oktober 2012 im Internet Archive) INTERPOL Executive Committee takes decision on AMIA Red Notice dispute (abgerufen am 5. August 2013)
  24. CON. RES. 156. In: govtrack.us, 20. Juli 2009, abgerufen am 6. August 2013
  25. interpol.int (Memento vom 6. August 2013 im Webarchiv archive.is) EL REDA, SAMUEL SALMAN (abgerufen am 6. August 2013)
  26. Mysteriöser Todesfall: Ankläger der argentinischen Präsidentin tot aufgefunden. In: spiegel.de, abgerufen am 19. Januar 2015
  27. 27,0 27,1 Ermittlungen in Argentinien: Haftbefehl gegen Ex-Präsidentin Kirchner. In: tagesschau.de, 7. Dezember 2017, abgerufen am 7. Dezember 2017.
  28. Staatsanwaltschaft beschuldigt Kirchner. In: sueddeutsche.de. 13. Februar 2015, abgerufen am 14. Februar 2015.
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