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Andreas Huckele

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Andreas Huckele (* 1969) (alias Jürgen Dehmers) ist ein deutscher Autor.

Leben

Andreas Huckele lebt in Frankfurt und ist der Vater zweier Kinder. Er besuchte in den 1980er Jahren die Odenwaldschule. Dort legte er sein Abitur ab. Danach absolvierte er ein Studium der Politologie und der Sportwissenschaften für das gymnasiale Lehramt an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Huckele arbeitet als systemischer Supervisor, Autor und Lehrer.

Missbrauchskandal an der Odenwaldschule

Am 10. Juni 1998 informierten Huckele und sein ehemaliger Mitschüler Thorsten Wiest den Schulleiter der Odenwaldschule, Wolfgang Harder und 26 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die sexualisierte Gewalt, die von dem ehemaligen Schulleiter Gerold Becker in dessen Amtszeit (1972-85) an Schülern der Odenwaldschule begangen wurde.[1]

Die Frankfurter Rundschau war als einzige Redaktion bereit, die Vorfälle publik zu machen. Am 17. November 1999 erreichten sie die mediale Öffentlichkeit. Odenwaldschule in Misskredit [2] titelte die Frankfurter Rundschau auf Seite 1. Der Lack ist ab [3] nannte der Journalist Jörg Schindler seinen Artikel auf Seite 3 der Ausgabe der überregionalen Frankfurter Tageszeitung. Zum damaligen Verhalten anderer Redaktionen äußert Huckele: Es ist, als sei eine Generation von Journalisten abgetreten, die das Thema entweder bewusst verhindert oder einfach nicht erkannt hat. „Die Zeit ist reif“ ist wohl die beste Antwort. Das Thema ist besprechbar geworden.[4] Huckele wurde von der Tageszeitung mit dem Pseudonym Jürgen Dehmers geschützt.

Alle angestrengten strafrechtlichen Verfahren gegen die verantwortlichen Akteure der Schule wurden eingestellt. Andreas Huckele hält die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 100.000 € pro Person von Seiten der Odenwaldschule für angemessen.[5] Finanzielle Entschädigungen der Odenwaldschule an die Betroffenen in dieser Höhe lehnte die Schule ab. Die hauptsächlich beklagten Mitarbeiter der Odenwaldschule, der ehemalige Musiklehrer Wolfgang Held († 2006) [6], Jürgen Kahle († 2012) und der damalige Schulleiter Gerold Becker († 2010), verstarben ohne Verurteilung.

Wie laut soll ich denn noch schreien

In seinem im Jahre 2011 unter diesem Pseudonym veröffentlichten, autobiographischen Buch beschreibt er die Mechanismen der sexualisierten Gewalt an der Odenwaldschule: Eine Kultur der Regellosigkeit und Entgrenzung ermöglichte die unbeschränkte Machtausübung der Erwachsenen gegenüber den Schülerinnen und Schülern in allen Lebensbereichen.

Sein Buch wurde am 26. November 2012 mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet. Die Jury sieht in dem Werk ein seltenes Beispiel von Mut und würdigt dessen Leistung als Hinweis auf das Versagen von Zivilgesellschaft und Rechtsstaat, von Bürgern, Pädagogen, bis hin zu Presse und Justiz, die darin scheitern, die Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen, wie es die UN-Charta für die Rechte der Kinder verlangt.[7]

Im Vorfeld zur Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises publizierten jeweils Der Spiegel [8] und Die Zeit [9] Autorenportraits über Huckele alias Dehmers. Damit legte Huckele als mittlerweile bekanntester Unbekannter[10] sein Pseudonym offiziell im Vorfeld der anstehenden Preisverleihung ab.[11] In seiner Dankesrede forderte er die Schaffung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die ein zur Sprache kommen und Aufdecken von Kindesmissbrauch ermöglichen sollen: Er beklagt eine Haltung von Zynismus, Verleugnung und Dummheit, die die Ehre der Täter schütze und zugleich eine Reviktimisierung der Opfer bedeute. Es reiche nicht aus, die Betroffenen unter solchen Bedingungen zum Sprechen aufzufordern, womit den Opfern die Verantwortung aufgebürdet würde, oder eine „Kultur des Hinschauens“ einzufordern, die ohne solide Kriterien auszukommen meint. Huckele fordert die Aufhebung der Verjährungsfrist für sexualisierte Gewalt gegen Kinder und die endgültige Schließung der Odenwaldschule.[12]

Macht, Sexualität und Gewalt

Huckele nutzt seine persönliche Erfahrung, um zu allgemeinen Schlussfolgerungen im Hinblick auf strukturelle Entstehungsbedingungen von sexualisierter Gewalt in Institutionen und deren Prävention zu gelangen. Eingebettet in eine Kultur der Dissoziation findet er 4 typische Irrtümer im Bewusstsein der Verantwortlichen und Vertreter der jeweiligen Institution:[13]

  1. Es passiert nicht hier; das Böse ist immer anderswo
  2. Es passiert nicht jetzt; es gab in der weiteren Vergangenheit da mal einen Vorfall...
  3. Es handelt sich um einen Einzelfall, Einzeltäter
  4. Es ist nicht so schlimm (Bagatellisierung) oder ja, aber...Argumentation; der Missbrauch soll durch positive Leistungen des Institutes aufgewogen werden (Relativierung)

Huckele fordert stattdessen eine Anerkennung der statistisch beglaubigten Tatsache, dass Missbrauch in allen Erscheinungsformen und Abstufungen allgegenwärtig ist. Er sieht die Institutionen in der Pflicht durch entsprechende Ausbildung ihres Personals dieser Tatsache gerecht zu werden und eine effektive Prävention zu gewährleisten.

Auszeichnungen

Publikationen

Artikel:

Bücher:

  • Jürgen Dehmers: Wie laut soll ich denn noch schreien? Die Odenwaldschule und der sexuelle Missbrauch. Reinbek (Rowohlt Verlag) September 2011, ISBN 978-3-498-01332-5
  • Andreas Huckele: Macht, Sexualität, Gewalt - Gesellschaftliche, politische und pädagogische Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen, e-book only, Reinbek (Rowohlt Verlag), Juni 2013, ISBN 978-3-644-50781-4
  • Andreas Huckele: Macht, Sexualität und Gewalt in pädagogischen Kontexten, in: Miller, Damian/Oelkers, Jürgen (Hrsg.): Reformpädagogik nach der Odenwaldschule - Wie weiter?, Beltz Juventa Verlag, Weinheim und Basel 2014, ISBN 978-3779929291

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jürgen Dehmers: Wie laut soll ich denn noch schreien? Die Odenwaldschule und der sexuelle Missbrauch, Reinbek (Rowohlt), September 2011, Seite 120 ff.
  2. Jörg Schindler: Odenwaldschule in Misskredit, Frankfurter Rundschau, 17. November 1999, Seite 1 (abgerufen am 31. März 2014)
  3. Jörg Schindler: Der Lack ist ab, Frankfurter Rundschau, 17. November 1999, Seite 3 (abgerufen am 31. März 2014)
  4. Ich bin nicht so der Weltretter-Typ; Interview mit Andreas Huckele im Stern vom 26. November 2012 (abgerufen am 31. März 2014)
  5. Matthias Bartsch/Susanne Beyer: Die Macht des Starken, Der Spiegel 35/2011 Pdf, 602KB(abgerufen am 31. März 2014)
  6. Andreas Späth/Menno Aden (Hrsg.): Die missbrauchte Republik - Aufklärung über die Aufklärer, Inspiration Unlimited, Hamburg 2010 (S. 114ff.)
  7. Begründung der Jury des Geschwister-Scholl-Preises
  8. Susanne Beyer: Schatten-Ich, Der Spiegel 47/2012 (abgerufen am 31. März 2014)
  9. Martin Spiewak: Sagen, was war. Die Zeit 48/2012 (abgerufen am 31. März 2014)
  10. Axel Lawaczeck: Der Schänder wird sichtbar, die taz, 7. September 2011 (abgerufen am 31. März 2014)
  11. Ich bin nicht so der Weltretter-Typ; Interview mit Andreas Huckele im Stern vom 26. November 2012 (abgerufen am 31. März 2014)
  12. Wenn das Opfer zum zweiten Mal Opfer wird; Abdruck der Dankesrede in der Frankfurter Rundschau vom 28. November 2012 (abgerufen am 31. März 2014)
  13. Vgl. hierzu und dem Folgenden: Macht, Sexualität und Gewalt. Andreas Huckele im Gespräch mit Carolin Emcke im Streitraum der Berliner Schaubühne (Weblinks)
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