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Alfred Weber

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Alfred Weber (Begriffsklärung) aufgeführt.

Alfred Weber (* 30. Juli 1868 in Erfurt; † 2. Mai 1958 in Heidelberg) war ein deutscher Nationalökonom und Soziologe. Er war der jüngere Bruder des berühmten Soziologen und Nationalökonomen Max Weber.

Leben

Weber wuchs in Charlottenburg bei Berlin auf (heute Berlin-Charlottenburg), wo er auch das Abitur ablegte. Sein Vater war der nationalliberale Politiker Max Weber senior. 1888 begann Weber an der Universität Bonn Archäologie und Kunstgeschichte zu studieren, ging 1889 nach Tübingen und wechselte zur Jurisprudenz. Dort wurde er 1889 Mitglied der Studentenverbindung A.V. Igel Tübingen, aus der er später jedoch wieder austrat. Dieses Studium beendete er 1892 in Berlin mit dem ersten Staatsexamen, nachdem er seinen Militärdienst abgeleistet hatte. Parallel zum zweiten juristischen Examen (1897) nahm er bei dem Nationalökonomen Gustav (von) Schmoller die Arbeit an einer Dissertation über das Thema Hausindustrie auf. Nach der Habilitation über dasselbe Thema (1900) lehrte er an der Universität Berlin, bis er 1904 an die deutsche Karl-Ferdinands-Universität in Prag berufen wurde und Studenten wie Max Brod und Felix Weltsch betreute. Dort war er auch Doktorvater des Autors Franz Kafka, genauer: Kafka wurde, wie damals in Österreich-Ungarn üblich, von Weber zum Dr. ius, ohne Vorlage einer schriftlichen Doktorarbeit, nach „strenger mündlicher Prüfung“ promoviert.

Weber, der sich schon vorher in Friedrich Naumanns Nationalsozialem Verein engagiert hatte, arbeitete dort politisch in deutsch-nationalem Sinn. Unter anderem forderte er 1907 die Spaltung Böhmens in einen deutschen und einen tschechischen Teil. Im selben Jahr folgte er dem Ruf auf einen nationalökonomischen Lehrstuhl in Heidelberg. Hier begegnete er Else von Richthofen, der Ehefrau des Nationalökonomen Edgar Jaffé, mit der er ein Liebesverhältnis anknüpfte, aus dem sich nach ihrer Trennung von ihrem Ehemann eine lebenslange, allerdings von einem längeren durch ihre Beziehung zu Max Weber veranlassten Aufenthalt in München 1919/1920 unterbrochene Partnerschaft entwickelte.

In Heidelberg, wo er in enger Verbindung mit zahlreichen Gelehrten und Repräsentanten des wissenschaftlichen, kulturellen und intellektuellen Lebens, darunter neben einer Reihe von Frauen wie Marie Luise Gothein und Marianne Weber u. a. den Ökonomen Eberhard Gothein und Emil Lederer, dem Historiker Karl Ludwig Hampe und dem Archäologen Ludwig Curtius sowie dem Philosophen Karl Jaspers, stand und zum Gesprächskreis um seinen Bruder Max und dessen Frau Marianne Weber gehörte,[1] promovierte er unter anderen Erich P. Fromm und förderte die Habilitation von Norbert Elias.[2] Hier schloss er 1909 eine bereits in Prag begonnene Arbeit zur Theorie des industriellen Standorts ab und publizierte sie; sein wesentliches analytisches Instrument ist dabei das Standortdreieck, eine aus heutiger Sicht zu vereinfachte Abstraktion. Gleichwohl gilt er bis heute als einer der Begründer der Industriellen Standortlehre. In Gesellschaft und Wirtschaft kritisierte er die zunehmende Bürokratisierung ebenso wie die Kartellierung. Als „Kathedersozialist“ setzte er sich für die Humanisierung der Arbeitswelt ein und glaubte vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, innerhalb einer liberal verfassten Wirtschaft durch Erziehung zu einem „freiheitlichen“ oder „freien Sozialismus“ beitragen zu können. Bereits 1909 hatte er mit seinem Bruder Max Weber eine Enquete zur Lage der Industriearbeiter organisiert, die als Beginn der modernen Betriebssoziologie gilt. Seit dieser Zeit konzentrierte er sich auf soziologische, lebensphilosophische und politikwissenschaftliche Fragestellungen. Er teilte viele der wissenschaftlichen Ansichten seines Bruders, kritisierte aber dessen Wertfreiheitspostulat für die Wissenschaft als zu einseitig.[3]

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges meldete er sich freiwillig. 1915 organisierte er in Berlin eine interfraktionelle Kriegszielkonferenz und sprach sich für eine deutsche Mitteleuropakonzeption und Machtausdehnung in den östlichen Raum aus. Nach dem Waffenstillstand gründete er mit anderen die Deutsche Demokratische Partei (DDP) und ließ sich zum Vorsitzenden wählen. Als er schon nach einem Monat zurücktreten musste, nahm er seine Lehrtätigkeit in Heidelberg wieder auf. Mit geringem Erfolg versuchte er, in Honoratiorenvereinigungen wie dem Verein für Socialpolitik politisch zu wirken. Nach der sogenannten Machtergreifung 1933 schied er freiwillig vorzeitig aus dem Lehramt aus, womit er einer Entlassung aufgrund seines öffentlichen Protestes gegen die nationalsozialistische Politik zuvorkam. 1943/44 stand er über seine Schüler Carlo Mierendorff und Theodor Haubach in Verbindung mit dem Kreisauer Kreis. Weber gilt als ein Vertreter der Inneren Emigration. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er gemeinsam mit Karl Jaspers u. a. die Monatszeitschrift Die Wandlung, trat in die SPD ein und half, die Heidelberger Universität politisch und wissenschaftlich wieder aufzubauen. Auf seinen Wunsch wurde 1947 Erich Preiser zu seinem Nachfolger berufen.

Als überzeugter Gegner des Nationalsozialismus wurde Alfred Weber bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1954 ohne seine Einwilligung von der KPD für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen. Er erhielt zwölf Stimmen, und Theodor Heuss wurde gewählt. Alfred Weber hatte nicht nur kein Wissen von der Kandidatur, sondern lehnte die KPD ab und erklärte dies anschließend öffentlich.

Die Grabstätte von Alfred Weber befindet sich wie die seines Bruders Max Weber und die von dessen Ehefrau Marianne auf dem Heidelberger Bergfriedhof.

Nach Alfred Weber benannt ist das Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg.

Kultursoziologie

Webers Kultursoziologie ist als das wissenschaftliche Resultat seiner politischen Kritik an Gesellschaft und Staat zu sehen. Nach Weber zerfällt das menschliche „Daseinsgesamt“ in drei verschiedene Sektoren. Der „Zivilisations-“ und der „Gesellschaftsphäre“ steht die weitgehend autonome „Kultursphäre“ gegenüber. Während die beiden ersten Technik und Wissenschaft, Staatsaufbau und Wirtschaftsorganisation umfassen, umfasst die dritte Kunst, Philosophie, Religion und Mythen. Spannungen könnten im Verlauf der Geschichte dadurch entstehen, dass sich die genannten Teilbereiche nicht gleichmäßig entwickeln. Zudem sei die Kultursphäre generell nur dem Einzelnen und in nicht übertragbarer Weise möglich. Die zunehmende Auflösung überkommener Bindungen zwischen der Kultur- und den anderen Sphären mache den modernen Menschen tendenziell heimatlos.

In seinem umfangreichen Werk versuchte Weber, eine Synthese von Lebensphilosophie, volkswirtschaftlicher Analyse, Kulturgeschichte und Politik zu verwirklichen, was nicht ohne Widersprüche möglich war. Seine Wirkung beruhte nicht nur auf seinen wissenschaftlichen Werken, sondern mindestens ebenso sehr auf seinem persönlichen Eintreten für wissenschaftliche Offenheit, Freiheit und Menschenwürde.

Volkswirtschaftliche Standorttheorie

Weber reduziert in seinem Weberschen Standortmodell, einem deduktiven Modell, die Standortfaktoren auf die Transportkosten, die Arbeitskosten und die Agglomerationswirkung und unterscheidet sie hinsichtlich:

  • ihres Geltungsbereiches in:
    • generelle Standortfaktoren (zum Beispiel das Lohnniveau)
    • spezielle Standortfaktoren (zum Beispiel das Vorkommen bestimmter Bodenschätze)
  • ihrer räumlichen Wirkung
    • Agglomerativfaktoren (führen zu einer Konzentration von Unternehmen)
    • Deglomerativfaktoren (führen zu einer Streuung von Unternehmen)
    • Regionalfaktoren (begrenzen Unternehmen auf einen bestimmten geografischen Bereich)
  • Art ihrer Beschaffenheit

Den optimalen Standort ermittelt Weber dann unter sukzessiver Einbeziehung der drei Ausgangsfaktoren:

  • Die Transportkosten berechnen sich aus dem Materialindex (Quotient des Gewichts der Rohstoffe und des fertigen Produktes), der Entfernung der Fundorte zum Produktionsort und zum Konsumort. Das bedeutet, dass der günstigste Produktionsort nicht nur in optimaler Entfernung zu den Rohstoffen, sondern auch zum Konsumort gelegen ist.
  • Die Arbeitskosten werden dann zum Faktor, wenn das Lohnniveau sich in der Region so unterscheidet, dass die Vorteile des optimalen Transportkostenpunktes durch die Einsparungen am optimalen Arbeitskostenpunkt aufgehoben werden. Dann lohnen sich die längeren Transportkosten durch die niedrigeren Lohnkosten.
  • Unternehmen sind aber nicht nur von Arbeit und Rohstoffen abhängig, sondern können auch durch andere Unternehmen in der Umgebung positiv oder negativ beeinflusst werden. Übersteigen die Vorteile durch die Nähe zu anderen Unternehmen die negativen Auswirkungen auf Transport und Lohnkosten, lohnt sich die Ansiedlung im Agglomerationsraum. Sollte aus der Nähe aber Nachteile (Konkurrenz und anderes) entstehen, kann das zu einer Wegverlagerung des Betriebes führen.

Auf Grund der ausschließlich kostenorientierten Betrachtungsweise, der reduzierten Grundannahmen und der nicht überschneidungsfreien Kategorisierung wird Webers Standortfaktorenmodell häufig kritisiert, gleichwohl wird es als ein Basismodell der Wirtschaftsgeografie auch heute noch als ein Erklärungsansatz für die räumliche Verteilung von Standorten von Industriebetrieben eingesetzt.

Schriften

Gesamtausgabe

  • Alfred Weber: Gesamtausgabe in 10 Bänden. Metropolis-Verlag, Marburg, ISBN 3-89518-100-5.

Einzelveröffentlichungen (Auswahl)

  • Reine Theorie des Standorts. Mohr, Tübingen 1909.
  • Religion und Kultur. Diederichs, Jena 1912.
  • Die Krise des modernen Staatsgedankens in Europa. Dt. Verlags-Anstalt, Stuttgart u.a. 1925.
  • Kulturgeschichte als Kultursoziologie. Sijthoff, Leiden 1935.
  • Das Tragische und die Geschichte. [1943], Piper, München 1959.
  • Abschied von der bisherigen Geschichte. Ueberwindung des Nihilismus? Francke, Bern 1946.
  • Mit Alexander Mitscherlich: Freier Sozialismus. Lambert Schneider, Heidelberg 1946.
  • Der dritte oder vierte Mensch. Vom Sinn des geschichtlichen Daseins. Piper, München 1953.
  • Einführung in die Soziologie. Piper, München 1955.
  • Schriften und Aufsätze 1897–1955. Hg. Josef Kepeszczuk, Piper, München 1956.
  • Haben wir Deutschen nach 1945 versagt? Politische Schriften. Hgn. Christa Dericum, Piper, München 1979.

Literatur

  • Reinhard Blomert: Intellektuelle im Aufbruch. Karl Mannheim, Alfred Weber, Norbert Elias und die Heidelberger Sozialwissenschaften der Zwischenkriegszeit. Carl Hanser Verlag, München 1999.
  • Eberhard Demm: Alfred Weber als Politiker und Gelehrter. Stuttgart 1986.
  • Eberhard Demm: Ein Liberaler in Kaiserreich und Republik. Der politische Weg Alfred Webers bis 1920. Boppard am Rhein 1990.
  • Eberhard Demm: Von der Weimarer Republik zur Bundesrepublik. Der politische Weg Alfred Webers 1920–1958. Düsseldorf 1999.
  • Hans G. Nutzinger (Hg.): Zwischen Nationalökonomie und Universalgeschichte. Alfred Webers Entwurf einer umfassenden Sozialwissenschaft in heutiger Sicht. Marburg 1995.
  • Erich Preiser: Alfred Weber. Festrede zu seinem achtzigsten Geburtstag. In: Aus Leben und Forschung der Universität 1947/48. (= Schriften der Univ. Heidelberg, H. 4), Berlin/Göttingen/Heidelberg 1950, S. 1-15.
  • Nicolaus Sombart: Rendezvous mit dem Weltgeist. Heidelberger Reminiszenzen 1945–51. Frankfurt am Main 2000.
  • Geist und Politik. Der Heidelberger Gelehrtenpolitiker Alfred Weber 1868–1958. Katalog zur Ausstellung im Universitätsmuseum Heidelberg, bearbeitet von Eberhard Demm, Heidelberg: verlag regionalkultur, 2003, ISBN 3-89735-254-0.
  • Hans G. Nutzinger: Ideen einer nicht-paternalistischen Sozialpolitik: Lujo Brentano und Alfred Weber. In: Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH/Akademie für Politische Bildung Tutzing) (Hg.): 60 Jahre Soziale Marktwirtschaft in einer globalisierten Welt. Drittes Forum Menschenwürdige Wirtschaftsordnung. IWH, Sonderheft 1/2008, 115-140, Halle.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Marie Baum: Der alte und der neue Marianne-Weber-Kreis. In: Klaus Mugdan (Hrsg.): Der Marianne Weber-Kreis. Festgabe für Georg Poensgen zu seinem 60. Geburtstag am 7. Dezember 1958. Kerle, Heidelberg 1958, S. 7-14; zum „Heidelberger Geist“ und seinen Repräsentantren, zu denen Alfred Weber als eine der zentralen Figuren zählte, vgl. Ludwig Curtius: Deutsche und antike Welt. Lebenserinnerungen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1950, S. 337-361.
  2. vgl. Reinhard Blomert, Intellektuelle im Aufbruch. Karl Mannheim, Alfred Weber, Norbert Elias und die Heidelberger Sozialwissenschaften der Zwischenkriegszeit. Carl Hanser Verlag, München 1999, S. 222-279 und 351-364.
  3. Vgl. Wolfgang Schluchter: Max und Alfred Weber - zwei ungleiche Brüder Ruperto Carola 3, 1994

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