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Scheidebrief

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Postkarte zum Thema Scheidung, Jüdisches Museum der Schweiz

Der Scheidebrief (hebräisch גט Get; auch: Sefer keritut) ist im Judentum das Dokument, das der Ehemann der Ehefrau überreicht, womit er die Scheidung vollzieht. Religiöse Grundlage ist (5 Mos 24,1 EU). In Mischna und Talmud werden die Ehescheidung und ihre Formalien im Traktat Gittin (Gittin ist der Plural von Get) behandelt.

Im Judentum gibt es keine Zivilehe. Das Familienrecht fällt in Israel in die ausschließliche Zuständigkeit der Religionsgemeinschaften.[1][2]

Formale Erfordernisse

Für die Gültigkeit von Scheidung und Scheidebrief gelten die folgenden formalen Erfordernisse:

  • Die Ausstellung des Scheidebriefs muss vor einem aus drei Rabbinern bestehenden Rabbinatsgericht erfolgen.
  • Die Ausstellung muss durch einen Schreiber (sofer) erfolgen.
  • Außerdem sollen zwei Zeugen anwesend sein, im Notfall können auch Mitglieder des Rabbinatsgerichts als Zeugen fungieren.
  • Es darf kein fertiges Formular benutzt werden, sondern der Get muss speziell geschrieben werden.
  • Das Papier oder Pergament, die Tinte und die Schreibfeder müssen Eigentum des Mannes sein.
  • Das Dokument muss in Quadratschrift geschrieben sein, es darf keine Kursivschrift verwendet werden und es dürfen keine Korrekturen vorgenommen werden. Das Dokument muss genau zwölf Zeilen umfassen, in der 13. Zeile erscheinen die Namen der Zeugen.

Im aschkenasischen Judentum ist seit dem 10. Jahrhundert die Zustimmung der Frau notwendig, wobei die Frau dadurch, dass sie den Scheidebrief berührt, ihr Einverständnis bekundet. Bei der Ausstellung ist die Anwesenheit der Frau nicht erforderlich. Der Get kann ihr auch durch Dritte zugestellt werden. Wenn die Frau den Get annimmt, ist die Scheidung rechtskräftig.

Das Dokument wird zum Zeichen seiner Gültigkeit mit einem Riss oder Einschnitt versehen und beim Rabbinatsgericht archiviert. Der Mann und die Frau erhalten jeweils ein Dokument, in dem bezeugt wird, dass sie geschieden sind und wieder heiraten dürfen.

Scheidungsverlangen der Ehefrau

Obwohl die Scheidungsinitiative nur vom Mann ausgehen kann, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen von einem Rabbinatsgericht dazu verurteilt werden, sich von seiner Frau zu scheiden. Diese Voraussetzungen liegen etwa dann vor, wenn

  • der Mann seiner Frau den Beischlaf verweigert,
  • er seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt,
  • er seine Frau betrügt oder misshandelt oder
  • an einer „abstoßenden Krankheit“ leidet.

Allerdings sind die Sanktionen (etwa der Ausschluss aus der Gemeinde), die ein Rabbinatsgericht heute verhängen kann, in manchen Fällen nicht ausreichend, einen unwilligen Ehemann zur Ausstellung eines Scheidebriefes zu zwingen. Daher sind das böswillige Verweigern der Scheidung und die Erpressung von Ehefrau und Rabbinat durch das Verweigern der Scheidung ein ungelöstes Problem in der religiösen Rechtsprechung des heutigen Judentums.

In Israel haben die Rabbinatsgerichte zwar folgende staatliche Druckmittel gegen einen scheidungsunwilligen Partner (gewöhnlich Männer, aber manchmal auch Frauen) zur Verfügung:

  • Entzug des Reisepasses
  • Limitierung des Zugriffs auf das eigene Bankkonto
  • Abnahme des Führerscheins
  • Beugehaft

Erzwingen können sie aber auch dort eine Scheidung nicht.[3] 2012 wurde allerdings ein Gesetz erlassen, das die Gerichte zwingt, regelmäßig Termine zu setzen und neue Sanktionen zu verhängen.[4] Da bei jenen streng orthodoxen (charedischen) Männern, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, jedoch nicht einmal die Beugehaft hilft, wurden 2014 verschärfte Haftbedingungen erlaubt:

  • keine Unterbringung in der speziellen Abteilung für Religiöse
  • kein mehadrin-koscheres Essen
  • keine Privattelefonate[5]

Im Oktober 2013 wurde der Fall des Rabbiners Mendel Epstein aus Brooklyn bekannt, der ein eigenes Team unterhielt, das scheidungsunwillige Männer entführte und einschüchterte.[6]

Im Januar 2017 bestätigte Israels Höchstgericht sogar die Zulässigkeit der mittelalterlichen Strafen von Ächtung und Verbannung. Solche Personen dürfen weder eingeladen, bewirtet noch gegrüßt werden. Geschäftliche Kontakte mit ihnen sind verboten.[7]

Scheidungshindernisse

Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn der Mann verschollen oder verschwunden ist. Hier ist der unbekannte Aufenthaltsort bzw. der ungewisse Tod ein Scheidungshindernis genau wie im deutschen Recht, mit dem Unterschied, dass der Ehepartner nicht nach Ablauf einer (etwa siebenjährigen) Frist für tot erklärt werden kann. Eine solche verlassene Frau (Aguna) kann nach jüdischem Religionsgesetz nicht wieder heiraten.

Schließlich kann der Mann zwar am Leben, aber unfähig sein, seinen Willen zur Scheidung bei klarem Verstand zu bekunden. Das ist jedoch die Voraussetzung für eine Scheidung. Ein berühmter historischer Streitfall des späten 18. Jahrhunderts, der Get von Kleve (1767 f.), hatte in ebendieser Situation zu entscheiden. Ein Mann hatte seiner Frau gegen deren Willen einen Scheidebrief ausgestellt, es bestanden jedoch Zweifel hinsichtlich seines Geisteszustands. Über diese Entscheidung entzweiten sich die Rabbinatsgerichte Westeuropas.

Bis heute gilt: Ein Geisteskranker (Schoteh) kann keinen Get ausstellen lassen, daher kann seine Frau auch nicht wieder heiraten. Als besondere Erschwernis kommt hinzu, dass die Halacha keine Heilung von Geisteskrankheit kennt (Gittin 70b: schoteh lo samei be-yadan, etwa: „einmal irre, immer irre“). Daher kann beispielsweise die Frau eines Mannes, bei dem Schizophrenie diagnostiziert und erfolgreich behandelt wurde, keine religiöse Scheidung erreichen.

Literatur

  • Ludwig Blau: Die jüdische Ehescheidung und der jüdische Scheidebrief. Eine historische Untersuchung (= Jahresbericht der Landes-Rabbinerschule in Budapest. Jg. 34–35, ZDB-ID 305730-6). 2 Bände. s. n., Budapest 1911–1912.

Weblinks

Wiktionary: Scheidebrief – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Scheidebrief aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.