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Affektive Psychose

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Klassifikation nach ICD-10
F30 Manische Episode
F31 Bipolare affektive Störung
F32 Depressive Episode
F33 Rezidivierende depressive Störung
F34 Anhaltende affektive Störungen
ICD-10 online (WHO-Version 2013)
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Als affektive Psychosen bezeichnet man eine Gruppe von seelischen Erkrankungen, bei denen die Betroffenen unter willentlich nicht kontrollierbaren Schwankungen oder einseitigen Auslenkungen ihrer Stimmungen leiden. Gleichzeitig kann bei starker Ausprägung der Beschwerden die Fähigkeit zur angemessenen Prüfung der Realität eingeschränkt sein.

Entsprechend kann im Erleben der Betroffenen einerseits die Stimmung sehr gedrückt sein und es können gleichzeitig irreale Befürchtungen vorliegen. Andererseits kann die Stimmungslage außerordentlich gehoben sein und die Betroffenen können gleichzeitig irreale Vorstellungen haben von der Bedeutung ihrer Person, ihren finanziellen Möglichkeiten oder ihrem Vermögen, Dinge zu vollbringen. Auch Wechsel zwischen diesen extremen Verfassungen sind möglich.

Der Begriff "Affektive Psychosen" entspricht nicht den modernen Standards, er wird dennoch im medizinischen Alltag häufig verwendet. Aus diesem Grund werden in diesem Artikel nur die terminologischen und klassifikatorischen Aspekte dieser Krankheitsgruppe behandelt. Eine nähere Bestimmung der Krankheitsgruppe wird in dem Artikel Affektive Störungen vorgenommen.

Terminologie

Störungen der Gemütslage werden schon von antiken Schriftstellern und Ärzten beschrieben. Jean-Pierre Falret (1794–1870) und andere Ärzte haben im 19. Jahrhundert erstmals präzise von Patienten berichtet, die zwischen extremen Gemütslagen hin und herschwanken können. Man nannte diese Schwankungen "Zyklieren", was zu der Verwendung des Begriffs "Zyklothymie" durch Karl Ludwig Kahlbaum führte. Hierdurch sollte die Einheit des Krankheitsbildes verdeutlicht werden. 1899 prägte Emil Kraepelin den Begriff des "manisch depressiven Irreseins", der gelegentlich noch heute von Ärzten in abgeschwächter Form als "Manisch Depressive Krankheit" (MDK) verwendet wird. Heute werden diese Krankheit und ihre Untergruppen als bipolare affektive Störung bezeichnet.

Später wurde die Krankheitsgruppe unter dem Begriff "affektive Psychosen" zusammengefasst und mit den "Schizophrenien" als eine Untergruppe der "endogenen Psychosen" klassifiziert. Dabei wurde damals angenommen, die affektiven Psychosen seien heilbar und die Schizophrenien seien unheilbar. Eine solche pessimistische Annahme über den Krankheitsverlauf der Schizophrenien wird heute nicht mehr vertreten. Veränderungen der Gemütslage, die als nicht schwerwiegend beurteilt wurden, sah man gemäß Kurt Schneider nicht als Krankheiten an.

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts setzte in der psychiatrischen Wissenschaft ein Prozess ein, in dessen Folge die oben bezeichnete Krankheitsgruppe mehrfach neu katalogisiert wurde. Dabei wurden einzelne Begriffe völlig neu definiert und es kam zu abweichenden Bezeichnungen gleicher Krankheiten in der angelsächsischen Medizin einerseits und etwa in der Psychiatrie im deutschsprachigen Raum. Dabei ging es einerseits um die Frage, ob Menschen mit krankhaften Stimmungsschwankungen Extreme manchmal nur in eine Richtung entwickeln oder immer in beide Richtungen, ob der Begriff der "Endogenität" sinnvoll ist und eine Abgrenzung zu möglicherweise nichtendogenen Formen hilfreich ist, ob grundsätzlich alle Patienten mit Medikamenten behandelt werden sollen, und ob die eher selteneren Formen chronischer Stimmungsveränderungen eigenständige Krankheiten sind.

Klassifikation

Die oben beschriebenen Bemühungen, die von zahlreichen umfangreichen wissenschaftlichen Studien und einer intensiven Diskussion von Psychiatern aus vielen Ländern begleitet waren, mündeten in modernen Klassifikationssystemen. Für psychische Störungen sind zwei solche Kataloge in Gebrauch: der ICD-Katalog (International Classification of Diseases, herausgegeben von der WHO) existiert nunmehr in der 10. Auflage, umfasst alle Krankheiten und wird in Deutschland inzwischen in allen Kliniken und Arztpraxen verwendet. Das DSM-Manual (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen, herausgegeben von der Amerikanischen Psychiatrischen Assoziation) gibt es inzwischen in der 5. Auflage. Es handelt nur psychische Störungen ab. Da in praktisch allen westlichen Ländern Ärzte Krankheiten nach dem ICD-Katalog diagnostizieren und mit den Krankenkassen abrechnen, in der psychiatrischen Forschung der DSM-Katalog aber häufig Verwendung findet, werden in psychiatrischen Lehrbüchern meist beide Klassifikationssysteme erwähnt, verglichen und die Vor- und Nachteile der jeweiligen Kataloge diskutiert.

Der DSM-Katalog behandelt die hier zur Diskussion stehenden Erkrankungen unter dem Begriff der "Mood Disorders", wörtlich übersetzt "Stimmungserkrankungen". Der ICD-Katalog verwendet den Begriff "Affektive Störungen". Trotz gewichtiger inhaltlicher Vorbehalte hat sich in Deutschland der Begriff "Affektive Störung" durchgesetzt. Bei den zur Diskussion stehenden Erkrankungen handelt es sich streng genommen aber gar nicht um Störungen von Affekten, also Gefühlswallungen, sondern um Störungen der Gestimmtheit. Korrekt wäre die Verwendung des Begriffes "affektive Störung" für Angst- und Panikerkrankungen, die im ICD-Katalog allerdings in einem eigenen Kapitel zusammen mit Neurosen und Anpassungsstörungen behandelt werden. Aufgrund der verbreiteten Verwendung des ICD-Kataloges muss dessen Klassifikation aber hier zu Grunde gelegt werden. Gemäß dem ICD-10-Katalog werden psychiatrische Erkrankungen unter dem Buchstaben F abgehandelt und die sogenannten Affektiven Störungen unter der Zahl 3. Man findet diese Krankheitsgruppe im ICD-Manual mithin unter dem Schlüssel F 3x.

Episode und Störung

Dort unterscheidet man nun zunächst fünf große Untergruppen (F 30 - F 34). Dabei wird mit dem Begriff "Episode" eine Form der Krankheit beschrieben, die nur einmal im Leben der Patienten auftritt. Mit dem Begriff "Störung" beschreibt man die Form von Krankheiten, die immer wieder auftreten. Da das einzige Auftreten einer Erkrankung logischerweise das erste Auftreten der Krankheit ist, nennt man mithin das erstmalige Auftreten einer Depression eine "depressive Episode" (ICD 10 F 32). Wenn ein Mensch eine zweite depressive Episode bekommt, wird die Krankheit umbenannt und heißt nun: "rezidivierende depressive Störung" (ICD 10 F 33). Analog verfährt man mit der Krankheitsbezeichnung bei Patienten, die nicht krankhaft traurig sind, sondern eine krankhaft gehobene Stimmung haben, eine "Manie": Das erste Auftreten einer Manie heißt demnach "manische Episode" (ICD 10 F 30).

Monopolar, bipolar, anhaltend

Wenn eine Manie immer wieder auftritt, müsste sie nun logischerweise "rezidivierende manische Störung" heißen. Eine solche Krankheit gibt es aber nicht. Viele sehr genaue Untersuchungen der Krankheitsverläufe solcher Patienten haben gezeigt, dass Menschen, die wiederholt eine krankhaft gehobene Stimmung haben, immer auch irgendwann in ihrem Leben eine krankhafte traurige Verstimmung hatten. Sie hatten also Auslenkungen der Stimmungslage in verschiedene Richtungen. Solch eine Form der Erkrankung nennt man "bipolar". Aus diesem Grund fasst man die Erkrankung dieser Patienten unter dem Begriff der "bipolaren affektiven Störungen" (ICD 10 F31) zusammen. Das ist nun der moderne Name für das alte "manisch depressive Irresein". Zu Abschluss katalogisiert man noch die Erkrankungsgruppe, bei denen die Patienten für einen längeren Zeitraum kontinuierlich erkrankt sind, unter dem Begriff der "anhaltend affektiven Störung" (ICD 10 F 34). Hierfür findet nun einerseits der Begriff "Zyklothymie" Verwendung, wenn die Betroffenen über einen längeren Zeitraum leichte Stimmungsschwankungen zeigen. Früher bezeichnete der Begriff die ganze Krankheitsgruppe, wurde also synonym für "manisch depressive Erkrankung" verwendet. Als "Dysthymie" bezeichnet man eine leichte aber dauerhafte Form der traurigen Verstimmung.

Hauptbegriffe

Folgende Hauptbegriffe finden eine Verwendung: "manisch" für gehobene Stimmung, "depressiv" für gedrückte Stimmung, "Episode" für das erste oder einzige Ereignis, "Störung" für eine Form der Erkrankung, die immer wieder auftritt und "anhaltend" für eine Form der Erkrankung, die dauerhaft vorhanden ist. Sodann unterscheidet man, ob die Stimmungsauslenkung immer nur in eine Richtung geht oder in verschiedene Richtungen (monopolar oder bipolar) und ob die Krankheit nur einmal oder mehrfach auftritt (monophasisch oder wiederkehrend).

Zusätzliche Unterscheidungen

In dem Klassifikationsschema finden nun noch einige zusätzliche Kriterien Anwendung, die die jeweilige Form der Erkrankung näher beschreiben sollen. Hierfür werden die Begriffe: leicht, mittelgradig und schwer verwendet. Es wird unterschieden, ob die Patienten zusätzlich psychotische Symptome zeigen, über irreale körperliche Beschwerden klagen und ob Mischformen vorliegen.

Sonderformen

Schließlich unterscheidet man Erkrankungen, die ein Vollbild zeigen (sog. Major Depression), von solchen mit einer nur abgeschwächten Form, und Psychosen, die Phasen eines vollständigen Verschwindens aller Symptome zeigen, von solchen mit Restsymptomen während des Krankheitsverlaufs. Weiterhin unterscheidet man Krankheitsformen, die rasche Wechsel zeigen (rapid cycler), und solche, die zu bestimmten Jahreszeiten erkranken (seasonal affective disorder oder Winterdepression).

Zusammenfassung

Zusammenfassend heißt das, dass die modernen Klassifikationensysteme in der Psychiatrie im Falle der sogenannten "affektiven Psychosen" oder "affektiven Störungen" Ursachenzuschreibungen vermeiden. In der modernen wissenschaftlichen Literatur wird dies als ein Versuch aufgefasst, möglichst vorurteilsfreie Beschreibungen der Erkrankungen vorzunehmen. So wird beispielsweise der Begriff der Endogenität vollständig vermieden. Im Zuge der Modernisierung der Klassifikation wurden einige Erkrankungen missverständlich umbenannt.
Zur Terminologie sei noch angemerkt, dass als Oberbegriff für die Krankheitsgruppe weder der Begriff der "affektiven Psychose" noch der Begriff der "affektiven Störung" letztlich glücklich gewählt sind. Denn einerseits bestehen bei den unter ICD 10 F 3x beschriebenen Krankheiten nur in einem Teil der Fälle tatsächlich psychotische Symptome: Patienten mit einer Dysthymie hätten gemäß der Klassifikation eine "affektive Psychose", sind aber gar nicht psychotisch. Andererseits hat der Begriff der Störung eine spezifische Bedeutung innerhalb der Krankheitsgruppe. Patienten, die zum Beispiel erstmals eine leichte krankhafte Verstimmung erleiden, haben gemäß der Klassifikation eine "affektive Störung", obwohl für diese Form der Krankheit der Begriff "Episode" vorbehalten ist und man von einer "Störung" erst spricht, wenn die Erkrankung wiederholt auftritt. Die begriffliche Konfusion, die sich wie im Einleitungsabschnitt erwähnt ja auch auf inhaltliche Aspekte bezieht, ist im Moment unvermeidlich. Revisionen der Terminologie sind aber bei Neuauflagen der ICD und DSM-Manuale zu erwarten.

Siehe auch

Quellen

  • Mathias Berger (Hrsg.): Psychische Erkrankungen. Klinik und Therapie; unter systematischer Berücksichtigung der „Cochrane-Collaboration“ und des „Centre for Reviews and Dissemination“. 2. Aufl., Elsevier, Urban & Fischer, München 2004, ISBN 3-437-22480-8.
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