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argumentum ad hominem

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Dieser Artikel behandelt die Argumentationsweise ad hominem. Für weitere Bedeutungen siehe ad hominem (Begriffsklärung).

Unter einem argumentum ad hominem (lateinisch „Beweisrede zum Menschen“) wird ein Scheinargument verstanden, in dem die Position oder These eines Streitgegners durch einen Angriff auf persönliche Umstände oder Eigenschaften seiner Person angefochten wird. Dies geschieht meistens in der Absicht, wie bei einem argumentum ad populum, die Position und ihren Vertreter bei einem Publikum oder in der öffentlichen Meinung in Misskredit zu bringen. Es kann in der Rhetorik auch bewusst als polemische und unter Umständen auch rabulistische Strategie eingesetzt werden.

Schema

Der Gegner behauptet, dass p.
Der Gegner ist inkonsequent/dumm/unfähig/unwahrhaftig/selbstsüchtig.
Daher: p ist abzulehnen.

Geschichtlicher Abriss

Während in älterer Literatur das argumentum ad hominem als Musterbeispiel einer polemischen Argumentation und eines logischen Fehlschlusses betrachtet wurde, ist dies gemäß neueren Interpretationen nicht vorbehaltlos in jedem Fall angebracht, sondern nur, wenn ein logischer Irrtum begangen wird, der in der englischsprachigen Literatur als genetic fallacy bezeichnet wird. Die genetic fallacy zählt aber zu den schon von Aristoteles beschriebenen Sophismen.

Erst seit kurzem ist das argumentum ad hominem Gegenstand systematischer Betrachtung, was auf die Behandlung in Charles Leonard Hamblins Fallacies zurückzuführen ist. Hamblin startete damit den Diskurs über die sogenannte Informal Logic. In Fallacies nennt Hamblin eine Passage aus John Lockes Abhandlung An Essay concerning Humane Understanding (1690) als Quelle des Ausdrucks argumentum ad hominem. Allerdings gab Locke seinerzeit an, dass dieser Ausdruck nicht von ihm selbst stammt, womit auch die Frage nach dem Ursprung des Terminus noch ungeklärt blieb. Hamblin vertritt die These, dass das ad-hominem-Konzept eigentlich von Aristoteles stamme.[1]

In der retrospektiven Betrachtung wurde durch Maurice Finocchiaro nachgewiesen, dass das argumentum ad hominem ein wichtiges Werkzeug in den Dialogen Galileo Galileis darstellte und Locke von diesen beeinflusst war.[2] Gemäß Douglas Walton hatten Galileo und Locke sehr ähnliche Vorstellungen von diesem Argument, so gaben sie auch beide an, dass es im Wesentlichen darin besteht, seinen Gegner zu kompromittieren.[3]

Die Hypothese Hamblins wurde von Nuchelmans bestätigt, der zwei unterschiedliche Ad-Hominem-Muster beschreibt, die seit der ersten Beschreibung durch Aristoteles wiederholt beschrieben und verwendet wurden.[4] Eine vergleichbare Unterteilung nahm bereits Arthur Schopenhauer in seinem Werk zur eristischen Dialektik vor. Dort wird die Kompromittierung des Gegenübers einerseits, andererseits der persönliche Angriff mit dem Ziel, den Gegner zum Abbruch des Disputs zu reizen, genannt. Nur die erste Variante möchte Schopenhauer als argumentum ad hominem bezeichnen, während er für die zweite den Ausdruck argumentum ad personam vorschlug.

Douglas Walton hat schließlich mit Ad Hominem Arguments ein Standardwerk vorgelegt, das den Begriff exakt definiert und klar unterscheidbare Subtypen benennt.

Subtypen nach Walton

Walton unterteilt das Argumentum ad hominem in fünf Subtypen mit dem Hinweis, dass ebendiese von den Wissenschaftlern größtenteils als akzeptiert gelten: „five types or subcategories of ad hominem argument recur as being recognized as central most frequently – the abusive, the circumstantial, the bias, the tu quoque (or „you too“), and the poisoning the well“.[3] Auf diese wird nachfolgend einzeln näher eingegangen.

Direktes ad hominem

Als missbräuchliches ad hominem (abusive ad hominem) kann diejenige Argumentationsweise bezeichnet werden, bei der eine Person unmittelbar angegriffen wird, um alle ihre Behauptungen zurückzuweisen. Diese Argumentation weist das Muster auf: „X ist ein schlechter Mensch, deshalb sollte man ihm keinen Glauben schenken“.

Trotz der breiteren Akzeptanz des Ausdrucks abusive ad hominem empfiehlt Walton, ihn nur für klar missbräuchliche und fehlschlüssige Fälle zu verwenden, in denen die Person zu Unrecht angegriffen wird. Das Wort abusive suggeriert nicht nur die Verletzung der Person, sondern eben auch, dass das Argument ungerechtfertigt sei. Da es Walton zufolge durchaus Fälle gibt, bei denen ein ad hominem durchaus berechtigt ist und die nicht auf einem logischen Irrtum beruhen, schlägt er die Bezeichnung Direct Ethotic vor. Das direct betont den direkten Angriff, das ethotic das „Ethos“ des Gegenübers, konkret die Beschaffenheit gewisser Persönlichkeitsmerkmale.[5]

Walton unterscheidet folgende fünf Subtypen des Direct (Ethotic) Ad Hominem:

  • from Veracity (mangelnde Wahrhaftigkeit)
  • from Prudence (mangelnde Vernunft oder Vorsicht)
  • from Perception (mangelnde Einsicht / Unwissenheit)
  • from Cognitive Skills (mangelnde kognitiven Fähigkeiten)
  • from Morals (mangelnde moralische Grundsätze).[6]

Allen Subtypen ist gemeinsam, dass sie einen spezifischen Aspekt der Persönlichkeit des Kontrahenten als unzureichend für die Vorbringung einer gültigen Argumentation, Behauptung oder Meinung darstellen.

Performatives ad hominem

Das performative ad hominem (circumstantial ad hominem) wurde in der Vergangenheit teilweise so breit ausgelegt, dass es schwierig war, zwischen diesem und dem missbräuchlichen ad hominem zu unterscheiden. Walton bestimmt diesen Subtyp folgendermaßen: „the circumstantial type of ad hominem argument requires some kind of practical inconsistency between what an arguer says and some propositions expressed directly or indirectly by that arguer’s personal circumstances.“[7]

Hier wird nicht die argumentative Fähigkeit, sondern die Berechtigung des Gegners, einen bestimmten Punkt zu beurteilen, angegriffen. Insbesondere wird nach einem performativen Widerspruch zwischen Verhalten und Behauptung gesucht. Ein Beispiel dafür wäre, wenn eine Mutter selbst raucht, aber ihrem Kind nahelegt, nicht zu rauchen, weil es sehr ungesund sei. Das Kind erwidert: „Offenbar ist es doch nicht so ungesund, da du ja selbst auch rauchst!“ Die Aussage des Kindes thematisiert den Widerspruch zwischen der Aussage der Mutter und ihrer Handlung. Die Behauptung der Mutter muss dadurch keinesfalls zwangsläufig unwahr sein oder die Argumentation als fehlschlüssig betrachtet werden, nur weil eine Inkonsequenz zwischen der von ihr vertretenen Regel und ihrem eigenen Verhalten besteht.


Befangenheit

Das Befangenheits-ad-hominem (bias ad hominem) stellt die Unbefangenheit einer Person bezüglich des Streitpunkts in Frage. Die Behauptung des Gegners wird dabei auf eigennützige Motive zurückgeführt und ihm wird ein Interesse an einer wahrheitsgemäßen, klugen oder dem Gemeinwohl verträglichen Entscheidung abgesprochen.[8]

Brunnenvergiftung

Walton schlägt vor, die Brunnenvergiftung (poisoning the well) als Verschärfung des Befangenheits-ad-hominem zu betrachten, bei dem die Befangenheit des Sprechers als gesichert gilt und ihm Interesse unterstellt wird, das dem des Publikums klar zuwiderläuft und von diesem als moralisch verächtlich betrachtet wird.[9]

So kann durch geeignetes Framing ein Bezug geschaffen werden, durch den eine bestimmte Aussage eine deutlich negative Konnotation erhält. Auch wenn diese Vorwürfe weit hergeholt sein mögen, gilt: Semper aliquid haeret („etwas bleibt immer hängen“), womit die Grundlage für ein missbräuchliches ad hominem gelegt ist.

Siehe auch: Brunnenvergiftung, Totschlagargument

Tu quoque

Hauptartikel: Tu quoque

Diese Argumentationsart wird häufig dazu verwendet, das angreifende Argument an den Absender zurückzugeben. Dabei wird nicht seine Berechtigung angefochten, das Argument vorzubringen (wie im performativen ad hominem), stattdessen wird die Behauptung des Gegners zum Anlass genommen, um ihn selbst direkt zu tadeln und somit unabhängig von der speziellen Sachfrage zum Schweigen zu bringen. Beispiel: „Erzähl mir nicht, dass ich mit dem Rauchen aufhören soll, du qualmst ja selbst wie ein Schlot!“. Walton lässt offen, ob dieses Muster unter dem Überbegriff ad hominem einzuordnen ist.


argumentum ad personam

Als argumentum ad personam bezeichnet der Philosoph Arthur Schopenhauer in seinem Werk zur eristischen Dialektik ein Scheinargument, das sich wie beim argumentum ad hominem auf die Person des Gegners richtet, dabei jedoch keinen Bezug mehr zum eigentlichen Streitthema enthält und ausschließlich sachlich irrelevante persönliche Eigenschaften angreift.[10] Es benötigt im Gegensatz zum argumentum ad hominem keinen logischen Aufbau und besteht im Extremfall aus einer schlichten Beleidigung. Schopenhauer führt es als letztes Mittel in einem Streitgespräch an:

„Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.“

Diese Vorgehensweise sei beliebt, da sie von jedermann angewandt werden könne. Im Gegensatz dazu sei die Fähigkeit zu einer sachlichen Auseinandersetzung und dem Eingestehen des eigenen Unrechts nicht jedem gegeben, und er bemerkt:

„Daraus folgt, daß unter Hundert kaum Einer ist, der wert ist, daß man mit ihm disputiert.“

Schopenhauer betont, dass ein dialektischer Sieg, also das sachliche Widerlegen einer Position, einen Streitgegner weit mehr erbittert als eine bloße Beleidigung, und empfiehlt dieses Vorgehen als Gegenstrategie.

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hamblin 1970, S. 161.
  2. Finocchiaro 1980, S. 131 f.
  3. 3,0 3,1 Walton 1998, S. 2.
  4. Nuchelmans 1993
  5. Walton 1998, S. 283.
  6. Walton 1998, S. 215.
  7. Walton 1998, S. 6.
  8. Vgl. Walton 1998, S. 11–14.
  9. Vgl. Walton 1998, S. 15.
  10. Arthur Schopenhauer: Die Kunst, Recht zu behalten. tredition, Hamburg 2011, ISBN 978-3-8424-1385-6, S. 95-96 (Volltext/Vorschau in der Google Buchsuche).
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