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Acne inversa

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Klassifikation nach ICD-10
L73.2 Hidradenitis suppurativa
ICD-10 online (WHO-Version 2013)

Acne inversa ist eine Entzündung der Talgdrüse und äußeren Wurzelscheide der Terminalhaarfollikel. Hauptsächlich betroffen sind der Bereich unter den Achseln, die Perianal- und Perigenitalregion und die Leistengegend.

Geschichte

Erstmals beschrieben wurde die Krankheit 1839 von Velpeau. 1854 veröffentlichte Verneuil, dass die Krankheit eine Entzündung der Schweißdrüsen sei. 70 Jahre später wurden die in der Achsel- und Perianal-Region angesiedelten apokrinen Schweißdrüsen als Ursache vermutet.

Daraufhin wurde unter anderem der Begriff Hidradenitis suppurativa eingeführt. Auch in vielen medizinischen Fachbüchern wird dieser Begriff synonym für die Erkrankung verwendet und ist noch heute unter der ICD-10-Bezeichnung zu finden, ein weiteres Synonym ist Schweißdrüsenabszess. Später konnte nachgewiesen werden, dass diese Erkrankung nicht von der Schweißdrüse, sondern von der Talgdrüse und von der äußeren Wurzelscheide der Terminalhaarfollikel ausgeht. Die Entzündung der Schweißdrüsen erfolgt sekundär. Acne inversa ist damit keine Schweißdrüsenentzündung und der Begriff Hidradenitis irreführend (griechisch ἱδρώς hidrós Schweiß, Adenitis Drüsenentzündung).

Auf Grund dieser Erkenntnisse wurde 1989 durch Gerd Plewig und Michael Steger der Begriff Acne inversa eingeführt, der aber bis jetzt noch nicht in den ICD-10 aufgenommen ist.[1][2]

Epidemiologie

Acne inversa ist weltweit verbreitet. Man schätzt weltweit ca. 70 Millionen Erkrankte. Die Schätzungen in Deutschland belaufen sich auf zwischen 225.000 und 3,1 Millionen Betroffener, da die Dunkelziffer aufgrund falscher Diagnosestellung sehr hoch ist. Sie betrifft beide Geschlechter, wobei sie bei Männern häufiger perianal auftritt. Die Erstmanifestation kann von der Pubertät an bis ins hohe Alter erfolgen.[2]

Pathogenetische Faktoren

Die Ursachen der Erkrankung sind Gegenstand der Forschung und bis heute nicht aufgeklärt. Es gibt eine Reihe von Faktoren, welche den Krankheitsverlauf begünstigen oder auch erst zum Ausbruch der Krankheit führen:

  • Rauchen: Statistische Untersuchungen belegen eindeutig, dass etwa 80 % bis 95 % der Acne-inversa-Patienten rauchen.[3] Rauchen scheint also bei der Entwicklung der Erkrankung eine große Rolle zu spielen. Es hat den Anschein, dass Nikotin die Vermehrung von Staphylococcus aureus begünstigt und als Triggerfaktor fungiert.[4]
  • Übergewicht: Führt zu vermehrter Feuchtigkeit, warmem Milieu und Aufweichen der Haut durch aufeinanderliegende Hautschichten.
  • Enge Kleidung: Oberflächliche Beschädigung der Hautzellen durch mechanische Irritation.
  • Zuckerkrankheit: Geschwächte Immunabwehr.
  • Männliche Hormone: Vermehrte Talgproduktion und dadurch schnelleres Verstopfen der Talgdrüsenausführungsgänge.
  • Genetische Faktoren: Meist sind mehrere Personen in der Familie an Acne inversa erkrankt.
  • Bakterien: Sind nicht ursächlich beteiligt, beeinflussen aber die Schwere des Krankheitsverlaufs maßgeblich.[1]

Pathogenese

Durch eine Verhornungsstörung der Talgdrüse kommt es zu einer Verlegung des Ausführungskanals. Die Haarwurzeln und die Talgdrüsen füllen sich immer mehr mit Hornmaterial an. Es kommt zu einer Infektion durch Bakterien (meist Staphylococcus aureus).

Die Talgdrüse entzündet sich und Eiter (Leukozyten, Proteine, Gewebereste usw.) sammelt sich in der Talgdrüse an. Im weiteren Verlauf kommt es irgendwann zum Zerreißen der Talgdrüsenzyste. Die Entzündung breitet sich im Gewebe aus und die Schweißdrüsen werden in die Entzündung mit einbezogen. Es entstehen schmerzhafte Geschwüre, Abszesse und im späteren Verlauf Fisteln.

In der Achselregion und im Perianal-Bereich findet sich häufig Staphylococcus aureus auf der Haut, welcher sonst nur noch in wenigen Körperbereichen vorkommt. Dieses grampositive Bakterium kann oft im Eiter von Acne inversa-Abszessen nachgewiesen werden. Apokrine Schweißdrüsen sind sogenannte Duftdrüsen, die ebenfalls in den Hautarealen liegen, in denen Acne inversa auftritt. Die von diesen Drüsen produzierten Sekrete haben keinen sauren, sondern einen alkalischen pH-Wert. Zusammen mit der Feuchtigkeit an sich und den Hauttemperaturen um 37 °C wird dadurch die Vermehrung von Bakterien besonders begünstigt. Die natürliche Schutzfunktion der Haut liegt bei einem durchschnittlichen pH-Wert von 5,5.

Folgen und Komplikationen

Entzündliche Effloreszenzen, die im Rahmen der Acne inversa auftreten, sind in der Regel schmerzhaft. Bei größeren Entzündungen drohen zusätzlich Lymphknotenschwellungen, Kopfschmerz und Fieber. Nach entzündungsbedingter Zerstörung von Blutgefäßen kann es zu Einblutungen kommen. Falls Bakterien in die Blutgefäße der Unterhaut gelangen, besteht die Gefahr einer Sepsis mit hoher Letalität.

Als nicht selten chronisch-rezidivierende (langandauernde und wiederkehrende) Erkrankung kann die Acne inversa auch eine erhebliche psychische Belastung für den Betroffenen darstellen. Die entzündlichen Hautveränderungen und Vernarbungen werden als stigmatisierend empfunden, eine chirurgische Sanierung (vgl. Therapie) ist mit Fehlzeiten am Arbeitsplatz verbunden. In Folge können zum Beispiel der Verlust des Arbeitsplatzes mit anschließender Erwerbslosigkeit, sozialer Rückzug und Depressionen auftreten.

Einteilung in Stadien nach Hurley

Dies ist historisch die erste Einteilung. Sie ist aktuell immer noch in Gebrauch (z. B. bei Psoriasis, Acne inversa, Akne). Hurley unterteilt Patienten in drei unterschiedliche Stadien. Diese Aufteilung wurde in der Vergangenheit auch zu klinischen Studien genutzt und sie ist immer noch hilfreich bei der Behandlung der Erkrankung.

Stadium Charakteristika
I Einzelne oder mehrere abgegrenzte Abszesse. Keine Fisteln.
II Ein oder mehrere weit auseinander liegende Abszesse mit Fistelgängen und Narbenbildung
III Flächiger Befall mit Abszessen, Fistelgängen und Narbenzügen

Therapie

Die Behandlung der Acne inversa sollte anhand entsprechender Leitlinien erfolgen. Aktuell besteht sowohl eine deutsche[5] wie eine europäische[6] Leitlinie. Die Therapie erfolgt abhängig vom Schweregrad mittels lokaler Maßnahmen, medikamentös oder durch chirurgische Intervention.

Leichte Formen einer Acne inversa können mit Diclofenac- oder clindamycinhaltigen Cremes oder Lösungen behandelt werden.

Für mittelschwere bis schwere Formen kommen medikamentöse Therapien in Frage. Neben einer langfristigen Therapie mit Clindamycin, Rifampicin oder dem Tetracyclin Doxycyclin, die in diesem Fall nicht als Antibiotika, sondern auf Grund ihrer antientzündlichen Wirkung eingesetzt werden, ist ein gutes Ansprechen der Erkrankung auf eine Therapie mit TNF-α-Inhibitoren beschrieben. Von den medikamentösen Therapien ist lediglich die Wirksamkeit des TNF-α-Inhibitors Adalimumab in kontrollierten randomisierten klinischen Studien nachgewiesen.[7] Adalimumab hat derzeit als einzige systemische Medikation die europäische Zulassung zur medikamentösen Therapie der Acne inversa und ist nach Fachinformation zur Therapie der mittelschweren bis schweren Acne inversa bei Erwachsenen indiziert.[8] Die langfristige Wirksamkeit (länger als 12 Wochen), die gerade für chronische Patienten mit Acne inversa entscheidend ist, wurde noch nicht klinisch getestet. Adalimumab wies in der Gesamtbewertung der EMA (European Medicines Agency) 2003 deutliche Nebenwirkungen auf.,[9] Seit Anfang 2017 ist zusätzlich eine physikalische Kombinationstherapie aus Licht und Radiofrequenz (LAight®) zur Behandlung aller Schweregrade in der EU zugelassen[10][11] welche auch im Innovations-Fonds geförderten Projekt EsmAiL (Evaluation eines strukturierten und leitlinienbasierten multimodalen Versorgungskonzepts für Menschen mit Akne Inversa) zur Anwendung kommt.[12]

In zweiter oder dritter Linie kommen darüber hinaus Kortikosteroide, Retinoide wie Isotretinoin, Colchicin oder Dapson in Frage, wobei die Literaturlage zu diesen Therapien nur eine schwache Empfehlung zulässt[13].

Bei nicht ausreichendem Ansprechen auf medikamentöse Therapie und ausgeprägtem Befund stellt die großflächige operative Versorgung mit Teilverschluss der Wunden oder offener, sekundärer Wundheilung den Goldstandard der Therapie dar. Kleinere Befunde können durch oberflächliche Abdeckelung von entzündlichen Knoten, das so genannte Deroofing, behandelt werden. Daneben wurde in kleineren klinischen Studien über Erfolge mit ablativen und nicht-ablativen Lasermethoden berichtet[13].

Sozialrechtliche Bewertung

Acne inversa kann in Deutschland sozialrechtlich als Behinderung anerkannt werden. Die Einstufung erfolgt auf Antrag durch das Versorgungsamt gemäß folgender gutachterlicher Anhaltspunkte:

Literatur

  • C. Peters, G. Pulverer: Die Familie der Micrococcaceae. In: H. Brandis, G. Pulverer: Lehrbuch der Medizinischen Mikrobiologie. 6. Auflage, Gustav Fischer-Verlag, 1988.
  • G. Peters, F. Schuhmacher-Perdreau: Micorcoccacaceae, In: F. Burkhardt (Hrsg.): Mikrobiologische Diagnostik. Thieme-Verlag, Stuttgart, 1992.
  • J. Revuz: Hidradenitis suppurativa. In: Orphanet Encyclopedia. März 2004
  • J. Revuz: Hidradenitis suppurativa. In: JEADV. Band 23, Nummer 9, September 2009, S. 985–998, ISSN 1468-3083. doi:10.1111/j.1468-3083.2009.03356.x. PMID 19682181.
  • J. Revuz: Medical treatments of hidradenitis suppurativa: a new paradigm. In: Dermatology. Band 215, Nummer 2, 2007, S. 95–96, ISSN 1421-9832. doi:10.1159/000104258. PMID 17684369.
  • S1-Leitlinie Acne inversa/Hidradenitis suppurativa der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie (DGK). In: AWMF online (Stand 2012)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 charité: Acne inversa.
  2. 2,0 2,1 H. Breuninger, V. Wienert: Acne inversa. In: Dt. Ärztebl. 2001; 98: A 2889–2892 (Heft 44) Volltext
  3. A. König, C. Lehmann, R. Rompel, R. Happle: Cigarette smoking as a triggering factor of hidradenitis suppurativa. In: Dermatology. Band 198, Nummer 3, 1999, S. 261–264, ISSN 1018-8665. PMID 10393449.
  4. A. Hana, G. Frongia, A. Gratchev, H. Kurzen: Neue Erkenntnisse zur Pathogenese der Acne inversa (PDF; 163 kB)
  5. internetagentur bonn köln sunzinet typo3 und reddot programmmierung: AWMF: Detail. In: www.awmf.org. Abgerufen am 12. August 2016.
  6. Christos C. Zouboulis, N. Desai, L. Emtestam, R. E. Hunger, D. Ioannides: European S1 guideline for the treatment of hidradenitis suppurativa/acne inversa. In: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology. 29, Nr. 4, 2015-04-01 ISSN 1468-3083, S. 619–644, doi:10.1111/jdv.12966 (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jdv.12966/abstract).
  7. Gregor B. E. Jemec, University of Copenhagen, Roskilde, Denmark; Alice Gottlieb, Tufts Medical Center, Boston, MA, United States; Seth Forman, Forward Clinical Trials, Tampa, FL, United States; Evangelos Giamarellos-Bourboulis, 4th Department of Internal Medicine, Athens, Greece; Ziad Reguiai, CHU de Reims, Hôpital Robert Debré, Service de Dermatologie, Reims Cedex, France; Yihua Gu, AbbVie Inc, North Chicago, IL, United States; Martin Okun, AbbVie Inc, North Chicago, IL, United States: Efficacy and safety of adalimumab in patients with moderate to severe hidradenitis suppurativa: Results from PIONEER II, a phase 3, randomized, placebo-controlled trial.
  8. Fachinfo Humora. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 12. August 2016; abgerufen am 8. August 2016.
  9. "Sehr häufige Nebenwirkungen […] (beobachtet bei mehr als 1 von 10 Patienten) sind Infektionen (einschließlich in Nase, im Rachen und in den Nebenhöhlen), Reaktionen an der Injektionsstelle (Rötung, Jucken, Bluten, Schmerzen oder Schwellung), Kopfschmerzen sowie Muskel und Knochenschmerzen. Adamimulab und andere Arzneimittel seiner Klasse können auch die Fähigkeit des Immunsystems beeinträchtigen, Infektionen und Krebs zu bekämpfen, und bei Patienten unter Humira [Abbvie] traten einige Fälle schwerer Infektionen und Blutkrebserkrankungen auf. " zitiert lt. Zusammenfassung des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichts (EPAR), abgerufen am 9. November 2017
  10. Uwe Kirschner: Eignung einer nicht-invasiven Kombinationstherapie aus intensiv gepulstem Licht und Radiofrequenz (lAight®-Therapie) für die Krankheitskontrolle der Akne inversa. In: WUNDmanagement 2018. 2018, Nr. 12, ISSN 2570-1207, S. 42.
  11. Programm des European Hidradenitis Suppurativa Foundation (EHSF) Kongresses 2018. Abgerufen am 27. Juni 2017.
  12. Newsdetail- Universitätsmedizin Mainz. Abgerufen am 27. Juni 2019.
  13. 13,0 13,1 Wayne Gulliver, Christos C. Zouboulis, Errol Prens, Gregor B. E. Jemec, Thrasivoulos Tzellos: Evidence-based approach to the treatment of hidradenitis suppurativa/acne inversa, based on the European guidelines for hidradenitis suppurativa. In: Reviews in Endocrine and Metabolic Disorders. 2016-02-01 ISSN 1389-9155, S. 1–9, doi:10.1007/s11154-016-9328-5 (http://link.springer.com/article/10.1007/s11154-016-9328-5).
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