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Überfall auf den 20. Deportationszug nach Auschwitz

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Der Überfall auf den 20. Deportationszug nach Auschwitz war eine Aktion belgischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Youra Livschitz, Robert Maistriau und Jean Franklemon stoppten am 19. April 1943 den Deportationszug von Belgien nach Polen und ermöglichten so einer Reihe von jüdischen Menschen die Flucht und bewahrten sie so vor der Ermordung im KZ Auschwitz.

Hintergrund

Im Mai 1940 besetzte die Wehrmacht Belgien. Danach begann für rund 25.000 Juden der Abtransport in verschiedene Konzentrationslager. Mit insgesamt 27 Zügen wurden die Menschen in Vernichtungslager außerhalb Belgiens gebracht. Die meisten wussten nicht, was sie erwartete.

Die drei Schulfreunde Youra Livchitz, Jean Franklemon und Robert Maistriau hatten unterschiedliche politische und weltanschauliche Ansichten, waren sich aber in der radikalen Ablehnung des Nationalsozialismus einig. Youra Livchitz und Jean Franklemon waren vor dem Zweiten Weltkrieg bei den belgischen Pfadfindern.

Livchitz war ein junger Brüsseler Arzt und Kopf der Gruppe. Er war Kommunist und Jude. Vor dem Überfall druckte er in einem Künstleratelier Flugblätter gegen die deutschen Besatzer.

Der Widerstandskämpfer Robert Maistriau erinnert sich später: „Man sagte, dass sie ins Feldarbeitslager in Polen geschickt würden, und viele Juden glaubten das auch. Wir wussten nicht, was wir glauben sollten. Aber wir hielten die Befreiung der Gefangenen für einen höchst humanitären Akt.“

Häftlinge schmuggelten vor dem Transport Zangen und Messer aus den Werkstätten des Lagers in den Zug in der Hoffnung, die Waggontüren von innen öffnen und entkommen zu können. Sie wussten allerdings nicht, dass ihnen Landsleute von außen zu Hilfe kommen würden.

Überfall

Am 19. April 1943 stoppen die drei jungen Belgier einen Zug, der 1.618 Juden vom belgischen Sammellager Mechelen nach Auschwitz transportieren sollte. Am 19. April war Vollmond und eine klare Nacht. Ausgerüstet waren sie mit drei Zangen, einer mit einer mit rotem Papier beklebten Sturmleuchte sowie einer Pistole. Die drei führten einen Plan aus, der vom jüdischen Widerstand in Belgien erdacht wurde, von bewaffneten Partisanen aber als zu riskant verworfen worden war.

Um den Zug zum Anhalten zu zwingen, stellten die drei die rote Laterne auf die Gleise. Mit den Kneifzangen wollten sie anschließend die Waggons aufbrechen und die Menschen befreien.

Maistriau berichtete später von der Situation: "Ich war überrascht von der ungeheuren Stille in diesem Moment. Man hörte keinen Laut, kein Vogelzwitschern. Nichts außer dem Zischen der Lokomotive. Ich ging zum Zug und stand direkt vor einem Waggon. Ich nahm meine Werkzeuge, öffnete die Tür. Mir standen etwa 50 Menschen gegenüber, die alle schwiegen."

Bei der Aktion befreiten sie 17 Frauen und Männer, bis der Sicherheitsdienst der SS das Feuer eröffnete. Bis der 20. Konvoi die deutsche Grenze erreicht hatte, konnten weitere 225 Insassen fliehen.[1]

Zeitzeugen

Einige der damals befreiten Menschen waren junge Erwachsene, die noch 2003 von dem Überfall berichten konnten:

Unter den Deportierten am 19. April 1943 war die Krankenschwester Régine Krochmal. Als sie in den Zug einsteigen wollte, warnte sie ein Arzt vor und gab ihr ein Messer mit. Sie sagte: „"Er hat sein Leben riskiert! Wenn die Deutschen ihn dabei gesehen hätten, hätten sie ihn getötet. Er hat gesagt: 'Schneid' die Gitter durch, denn man wird dich verbrennen.“ ... „Ich habe die Gitter durchgesägt, dann habe ich mich festgekrallt und darauf gewartet, dass der Zug langsamer wird.“ Der damals elfjährige Simon Gronowski sprang aus dem Zug. „Mit einem Satz bin ich ins Leben gesprungen. Ich hatte eine Zukunft, konnte ein ganz normales Leben führen.“[2]

Buch "Stille Rebellen"

Bekannt wurde die Aktion und die Akteure hauptsächlich durch das 2002 veröffentlichte Buch Stille Rebellen der Journalistin Marion Schreiber. Sie recherchierte in Dokumenten aus belgischen und deutschen Archiven, Prozessakten, Nachlässen, führte Interviews mit Zeitzeugen und nahm Einblick in Monographien, um ein Bild der Vorgänge bis zum Überfall zu zeichnen. Paul Spiegel schrieb das Vorwort zu diesem Buch.

Literatur

  • Marion Schreiber: Stille Rebellen: der Überfall auf den 20. Deportationszug nach Auschwitz. Aufbau-Verlag, 2002, ISBN 3-746-68067-0, 360 S.

Weblinks

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Überfall auf den 20. Deportationszug nach Auschwitz aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.