Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Weltwirtschaftskrise

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die Krise stürzte viele Familien in bittere Not: die Wanderarbeiterin Florence Owens Thompson, Kalifornien 1936 (Fotografin: Dorothea Lange)

Als Weltwirtschaftskrise bezeichnet man die weltweite Ausprägung einer tiefen Wirtschaftskrise, eines nur in freien Marktwirtschaften zu beobachtenden konjunkturellen Phänomens. Sie ist gekennzeichnet durch Finanzkrisen, Bankenkrisen, Deflation, einem weltweiten Rückgang der Wirtschaftsleistung, einer hohen Zahl von Unternehmensinsolvenzen, und hoher Arbeitslosigkeit.

Weltwirtschaftskrisen gibt es seit dem 19. Jahrhundert[1]. Als erste Weltwirtschaftskrise wird üblicherweise die Wirtschaftskrise von 1857 bezeichnet. Auf den anschließenden Gründerboom folgte dann die sogenannte große Depression von 1873–1896 (in Deutschland auch Gründerkrise genannt), die durch den Gründerkrach eingeleitet wurde. Als "die" Weltwirtschaftskrise wird üblicherweise die bisher schwerste und folgenreichste, mit dem Börsenkrach von 1929 eingeleitete Krise der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts bezeichnet, in deren Folge es zu einem weltweiten Aufstieg des Faschismus und zum Zweiten Weltkrieg kam. Auf die nach dem Zweiten Weltkrieg anschließende weltweite Aufschwungphase, die bis etwa Mitte der 70er Jahre andauerte und oft analog zur Gründerzeit als "goldenes Zeitalter des Kapitalismus"[2] bezeichnet wird, folgte wiederum eine Abschwungphase, die ihren bisherigen Tiefpunkt mit der Finanzkrise ab 2007 und der anschließenden Weltwirtschaftskrise ab 2007 hatte.

Dieser Artikel behandelt lediglich die Weltwirtschaftskrise ab 1929. Sie begann mit dem Börsenkrach von 1929 und einem je nach Land unterschiedlich zwischen 1928 und 1930 einsetzenden schweren Rückgang der wirtschaftlichen Gesamtleistung der Länder. Es kam zu Deflation, viele Unternehmen wurden zahlungsunfähig. Die massive Arbeitslosigkeit verursachte soziales Elend und politische Krisen. Zur raschen Ausbreitung der Wirtschaftskrise trugen unter anderem der rege Außenhandel und Spannungen im damaligen Wechselkurssystem bei.

Die Weltwirtschaftskrise beendete die „Goldenen Zwanziger“. Sie dauerte je nach Land unterschiedlich lange und war zum Teil bei Beginn des Zweiten Weltkriegs noch nicht überwunden. Deutschland hatte die Weltwirtschaftskrise 1936 in wichtigen Punkten überwunden und erreichte als eines der ersten Länder wieder Vollbeschäftigung, unter anderem wegen der am 12. Mai 1933 von US-Präsident Franklin D. Roosevelt im Zuge des New Deal erteilten Erlaubnis, mit Staatsmitteln aus kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen der US-amerikanischen Wirtschaft zu helfen.[3]

Übersicht

Eine Menschenmenge versammelt sich nach dem Börsencrash von 1929 an der Wall Street

In den 1920er Jahren kam es in den USA zu einer deutlichen Ausweitung der Konsumgüterproduktion und der landwirtschaftlichen Produktion. Gleichzeitig bestand eine sehr ungleiche Vermögensverteilung. Der Großteil der Bevölkerung hatte ein zu geringes Vermögen, um aus eigenen finanziellen Mitteln einen ausreichenden Absatzmarkt zu bilden. Die Expansion der Konsumgüterindustrie beruhte zum Teil darauf, dass viele US-Bürger einen Teil ihres Konsums über Kredite finanzierten. Während die Kredite für Konsumzwecke im Jahr 1919 noch 100 Millionen US-Dollar betrugen, stieg dieser Betrag bis 1929 auf über 7 Milliarden Dollar.

Gleichzeitig mit dem industriellen Aufschwung hatte sich ein Spekulationsfieber ausgebreitet, das auch die nicht traditionell mit der Börse in Verbindung stehenden Gesellschaftsschichten erfasste (Dienstmädchenhausse). Um Aktien kaufen zu können, von deren baldigem dramatischem Kursgewinn sie überzeugt waren, nahmen viele Menschen kurzfristige Kredite auf, teilweise zu horrenden Zinssätzen. Sobald sich an der Börse die ersten Anzeichen eines Abschwungs regten, stießen viele Spekulanten, um sich vor dem Schlimmsten zu retten, ihre Wertpapiere ab, was den Verfall der Kurse noch weiter beschleunigte.

Am 24. Oktober 1929 wurden über 16 Millionen Aktien an der New Yorker Börse verkauft. An diesem Schwarzen Donnerstag begann der Börsencrash, dessen Schockwellen sich rasch in Amerika und in der ganzen Welt ausbreiteten. Das Vertrauen in die Wirtschaft begann zu schwinden. Banken vergaben Kredite vorsichtiger, Unternehmen drosselten die Produktion und entließen Arbeiter. Die Konsumenten wurden vorsichtiger und gaben weniger Geld aus.

Die Federal Reserve erhöhte die Zinsen. Viele Banken hatten zu unvorsichtig Kredite vergeben und fielen in Insolvenz. Zusätzlich wurde das Bankensystem von Bank Runs destabilisiert. Durch den Zusammenbruch des Bankensystems wurde es für Unternehmen und Konsumenten immer schwieriger, Kredite zu bekommen. Daraus entwickelte sich eine wirtschaftliche Abwärtsspirale, die in die Depression führte.[4]

Die „Goldenen Zwanziger“ in Europa wurden hauptsächlich über kurzfristige Kredite in Milliardenhöhe finanziert. Viele Bürger hatten sich zur Zeit des Aufschwungs durch den Kauf von Aktien an der guten wirtschaftlichen Lage und der Hausse beteiligen wollen. Der Zusammenbruch des US-amerikanischen Aktienmarktes führte zu einer Umkehr der Finanzströme. Die Vereinigten Staaten forderten beim Einbruch der dortigen Volkswirtschaft Kredite zurück, da ihre Banken zahlungsunfähig waren. Gelder, die in den Jahren davor in andere Volkswirtschaften investiert worden waren, wurden überstürzt abgezogen. In vielen europäischen Staaten und in anderen Staaten der Welt löste dieser Kreditabzug schwerste wirtschaftliche Krisenerscheinungen aus. In der Kette der Ereignisse kam es unter anderem zu Massenarbeitslosigkeit und einem massiven Rückgang des Welthandels durch protektionistische Maßnahmen.

In den einzelnen Staaten wurde unterschiedlich auf die Herausforderung reagiert. Ausgehend von den skandinavischen Ländern, insbesondere Schweden, begannen die funktionierenden Demokratien in das Marktgeschehen einzugreifen (Übergang zum Wohlfahrtsstaat). Zaghafte Reformansätze des US-Präsidenten Hoover zur Überwindung der Großen Depression wurden ab 1933 von seinem Nachfolger Franklin D. Roosevelt verstärkt (New Deal), so auch durch wachstumsfördernde öffentliche Investitionen, die durch vermehrte Schuldenaufnahme finanziert wurden (Deficit spending). Viele Staaten wie Großbritannien koppelten ihre Währungen vom Golddevisenstandard ab und konnten so ihre Währungsreserven erhalten. Die Weimarer Republik unter Reichskanzler Heinrich Brüning versuchte dagegen, die Währung durch eine Sparpolitik zu stärken, was mit rapidem Sozialabbau einherging. Dies trug zu einer Radikalisierung der Politik bei, die den Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigte.

Als eine Folge der Weltwirtschaftskrise fand ein Paradigmenwechsel in der Volkswirtschaftslehre statt: Die bisher geltende klassische Wirtschaftstheorie wurde weitgehend vom Keynesianismus abgelöst. Dieser forderte stärkere staatliche Eingriffe und stellte die Nachfrage in den Vordergrund. Diese Änderung der Wirtschaftspolitik wurde in den Folgejahrzehnten teilweise rückgängig gemacht.

Ursachen

Die Vereinigten Staaten und das Deutsche Reich gehörten zu den am schwersten von der Weltwirtschaftskrise betroffenen Ländern

Für die Weltwirtschaftskrise werden verschiedene Ursachen genannt, wobei die einzelnen Punkte häufig miteinander zusammenhängen.[5]

Golddevisenstandard

Der US 100-Dollar Schein von 1922 konnte jederzeit gegen Goldmünzen eingetauscht werden

Aufgrund des damals in den Vereinigten Staaten und den meisten europäischen Ländern bestehenden Goldstandards, also der Bindung der Landeswährung an den Goldpreis, mussten die Zentralbanken so viel Gold horten, dass jeder Bürger jederzeit sein Papiergeld in eine äquivalente Goldmenge tauschen konnte. Die Geldmenge war an die verfügbaren Goldreserven gekoppelt. Kam es zu einem Goldabfluss, musste die Zentralbank durch eine restriktive Geldpolitik den Goldabfluss stoppen,[6] was vor allem mit Zinserhöhungen erreicht wurde.

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die Bank von England als zentrale Instanz über das Funktionieren des Goldstandards gewacht und Ländern mit Liquiditätsproblemen ausgeholfen. In der Zwischenkriegszeit war sie dazu aber nicht mehr in der Lage; Frankreich nutzte die starke Stellung des Franc zur Durchsetzung politischer Interessen und die USA wollten die Rolle nicht übernehmen. Dadurch fehlte eine solche zentrale Instanz.

Von 1929 bis 1932 betrieb die FED eine restriktive Geldpolitik und bewirkte dadurch eine Verkleinerung der amerikanischen Geldmenge, was die amerikanische Wirtschaft in die Rezession trieb.

Es ist umstritten, ob die deflationäre Tendenz der Zwischenkriegszeit allein auf die Versuche der Länder zurückzuführen ist, den Goldstandard aufrechtzuerhalten. Industrielle und landwirtschaftliche Überkapazitäten sowie der politisch behinderte Welthandel waren keine finanzpolitischen, sondern realwirtschaftliche Probleme, die auf die Preise drückten. Unumstritten ist hingegen, dass der Goldstandard als Transmissionsmechanismus wirkte, der die US-Wirtschaftskrise auf die ganze Welt übertrug. Durch die starke Deflation wurden US-Waren billig, wodurch die heimische Nachfrage stark sank. Dies förderte den Export von US-Waren. Viele andere Staaten mussten ebenfalls zu einer restriktiven Geldpolitik übergehen, um Außenhandelsdefizite und damit einen Abfluss von Gold einzudämmen. Alle Länder, die an dem Goldstandard festhalten wollten, wurden so zu einer fatalen Deflationspolitik gezwungen.[6]

Mit der Zeit wurde der Fehler der Geldpolitik offenbar. Nach und nach suspendierten alle Staaten den Goldstandard und gingen zu einer Reflationspolitik über. Nach fast einhelliger Ansicht besteht ein klarer zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang zwischen der weltweiten Abkehr vom Goldstandard und dem Beginn der wirtschaftlichen Erholung.[7]

Protektionismus

Klassische Konkurrenzparadoxa in den 1930ern

Infolge der Weltwirtschaftskrise gingen viele Länder zu einer protektionistischen Zollpolitik über. Hier machten die USA mit dem Smoot-Hawley Tariff Act vom 17. Juni 1930 den Anfang, der eine Welle von ähnlichen Zollerhöhungen in den Partnerländern zur Folge hatte. Andere Staaten wehrten sich gegen diese Schutzzölle, indem sie versuchten, auf anderen Wegen ihre Terms of Trade zu verbessern: Das Deutsche Reich, das auf eine aktive Handelsbilanz angewiesen war, um seine Reparationen bezahlen zu können, betrieb von 1930 bis 1932 eine krisenverschärfende Deflationspolitik, das Vereinigte Königreich löste im September 1931 den Währungskrieg der 1930er Jahre aus, indem es das Pfund Sterling vom Gold abkoppelte; die Folge war das Ende des bis dahin gültigen Weltwährungssystems. Alle diese Maßnahmen provozierten immer neue Versuche der Partner, ihre Handelsbilanz zu verbessern. Nach dem Wirtschaftshistoriker Charles P. Kindleberger handelten alle Staaten nach dem Grundsatz: Beggar thy neighbour − „ruiniere deinen Nächsten wie dich selbst“.[8] Dieser protektionistische Teufelskreis trug zu einer erheblichen Schrumpfung des Welthandels bei und verzögerte die ökonomische Gesundung empfindlich[9] (siehe auch Konkurrenzparadoxon).

Überproduktion

Im industriellen Sektor erhöhte sich die Produktivität sehr stark durch Übergang zur Massenproduktion (Fordismus) und durch neue Managementmethoden (z. B. Taylorismus). In den Goldenen 1920er Jahren (vornehmlich US aufgrund Zahlungsbilanzüberschuss als Gläubiger aus dem Ersten Weltkrieg) kam es zu einer schnellen Expansion der Konsumgüter- und Investitionsgüterindustrie. Da die Unternehmensgewinne deutlich schneller stiegen als die Löhne und Gehälter und gleichzeitig die Kreditkonditionen sehr günstig waren, bestand ein scheinbar günstiges Investitionsklima, das zu einer Überproduktion führte. Im Jahr 1929 kam es dann zu einem Einbruch der (ohnehin zu niedrigen) Nachfrage und zu einer extremen Verschlechterung der Kreditkonditionen.[10]

Ebenso wie in der Industrie hatte sich in der Landwirtschaft die Produktivität drastisch erhöht. Gründe hierfür waren der erhöhte Einsatz von Maschinen (Traktoren etc.) und verstärkter Einsatz von modernem Dünger und Insektiziden. Dies führte dazu, dass bereits in den 1920er Jahren die Preise für landwirtschaftliche Produkte kontinuierlich fielen. Durch die Große Depression sank zusätzlich noch die Nachfrage, so dass der Markt für landwirtschaftliche Produkte bis 1933 nahezu kollabiert war.[11] In den Vereinigten Staaten beispielsweise verrotteten in Montana die Weizenfelder, weil die Erntekosten höher waren als der Weizenpreis. In Oregon wurden die Schafe geschlachtet und als Fraß für Bussarde liegengelassen, weil der Fleischpreis die Transportkosten nicht mehr deckte.[12]

Unterkonsumtion

Einige Ökonomen wie Rexford Tugwell, Adolf Augustus Berle, John Kenneth Galbraith u. a. sehen eine Ursache der Krise vor allem in der ausgeprägten Einkommenskonzentration. Sie begründen dies damit, dass die einkommensstärksten 5 % der amerikanischen Bevölkerung im Jahr 1929 über fast ein Drittel des gesamten Einkommens verfügten.[13] Dadurch, dass sich immer mehr Einkommen auf wenige Haushalte konzentrierte, wurde weniger für den Konsum aufgewendet und immer mehr Geld floss in „spekulative“ Geldanlagen. Dies habe die Wirtschaft krisenanfälliger gemacht.[14]

Börsencrash

In den goldenen 1920er Jahren waren die Aktienkurse stark gestiegen, allein zwischen 1925 und 1929 um 300 %. Viele Spekulanten und auch einfache Bürger liehen sich Geld um damit Aktien zu kaufen. Der Börsenboom führte jedoch zu einer drastischen Diskrepanz zwischen den Aktienkursen und der Entwicklung der Wirtschaftskraft. Der Börsencrash begann am 24. Oktober 1929 (Schwarzer Donnerstag), als die Börsenkurse trotz Stützungskäufen um 10 % zurückgingen. Neben weiteren Faktoren war die Börsenkrise einer der Auslöser der Bankenkrise. Zum einen hatten sich viele Banken massiv selbst verspekuliert. Zum anderen gerieten viele Aktionäre, insbesondere solche die Aktien auf Pump gekauft hatten in Zahlungsunfähigkeit.[15] Der Rückgang der Börsenkurse ging noch drei Jahre weiter, bis 1932 verloren die Aktien fast 90 % an Wert.

Krise des Bankensystems

Vereinigte Staaten

Bank Run in den Vereinigten Staaten am 28. Februar 1933

Aufgrund des Wertverlusts volatiler Anlagen infolge des Börsencrashs, aufgrund der Zahlungsunfähigkeit vieler Kreditnehmer und aufgrund von Bank Runs kam es in den Vereinigten Staaten zu einer katastrophalen Serie von Bankzusammenbrüchen, in deren Folge 1/3 aller Banken liquidiert werden mussten.[16] Dies führte wiederum zu einer allgemeinen Kreditknappheit, die es in vielen Fällen unmöglich machte, Kredite zu vergeben oder zu verlängern. Dies wiederum führte in der Realwirtschaft zu Masseninsolvenzen.[17] Durch die Bankenkrise wurde auch die Giralgeldschöpfungsfunktion der Banken erheblich gestört.[18] In dieser Situation hätte die Amerikanische Notenbank (FED) die Banken stabilisieren müssen, tat dies aber nicht,[19] sondern verfolgte im Gegenteil eine kontraktive Geldpolitik, die die Geldmenge um etwa 30 % („great contraction“) reduzierte,[20] die Deflationsspirale forcierte und damit die Banken- und Wirtschaftskrise weiter verschärfte.[21]

Deutschland

Massenandrang bei der Berliner Sparkasse nach Schließung der Banken, 13. Juli 1931

Die deutsche Bankenkrise kennzeichnete den Beginn des zweiten Teils der Wirtschaftskrise, den Beginn der „Hyperdeflation“. Sie hatte zwei Ursachen. Durch gegenseitige Konkurrenz, durch feindliche Übernahmen kleinerer Banken und auf Grund spekulativer Wertpapier- und Warengeschäfte hatten die großen Banken 1925 wieder das Geschäftsvolumen von 1914 erlangt. Sie waren zwar auf Expansion ausgerichtet, aber durch niedrige Eigenkapitalquoten und geringe liquide Mittel schlecht dafür gerüstet. Hätten sie ihr Eigenkapital aufgestockt (durch geringere Dividendenzahlungen und/oder das Herausgeben weiterer Aktien), wäre die Differenz beider Größen zu der Summe der herausgereichten Kredite nicht so groß gewesen.

Hinzu kam die Instabilität des internationalen Kreditmarktes. Als wichtigstes Kennzeichen hierfür muss man den einseitigen Geld- und Kapitalstrom nennen. Von 1925 bis 1929 sind ausländische Kredite von insgesamt 21 Milliarden (RM) nach Deutschland geflossen, denen im gleichen Zeitraum nur 7,7 Milliarden RM deutsche Anlagen im Ausland gegenüberstanden. Ein Großteil der aufgenommenen Kredite war obendrein kurzfristiger Natur, das heißt, sie mussten binnen drei Monaten zurückgezahlt werden. Bis 1929 wurden sie aber regelmäßig verlängert; die Banken liehen diese kurzfristigen Gelder mitunter mit langen Laufzeiten aus. Somit war die Situation der Banken bereits vor der Weltwirtschaftskrise kritisch: Sollten die ausländischen Gläubiger ihr Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Banken verlieren und die kurzfristigen Kredite einmal nicht verlängern, drohte sofort ein empfindlicher Devisenmangel bis hin zur Illiquidität. Im Ausland führte die Krise ebenfalls zur Verknappung der Liquidität der Banken. Im November 1930 gerieten die Banken in den USA und in Frankreich, wo sich die Wirtschaftskrise ansonsten noch gar nicht bemerkbar gemacht hatte, in eine Krise und zogen große Summen kurzfristiger Gelder aus Deutschland ab. Hier erfasste die Krise zunächst hauptsächlich kleinere Banken, so dass das Ausmaß zunächst nicht so transparent war.

Im Frühjahr 1931 geriet nun die Österreichische Creditanstalt in Schwierigkeiten, die sich bei der Übernahme der Bodenkreditanstalt übernommen hatte. Zeitgenossen vermuteten, dahinter stünde die französische Regierung, die so den Plan einer deutsch-österreichischen Zollunion torpedieren wolle. Obwohl solche Manipulationen tatsächlich in der französischen Regierung diskutiert wurden, konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie verantwortlich war für den Zusammenbruch der Creditanstalt, die am 11. Mai 1931 ihre Zahlungsunfähigkeit erklärte. Das bedeutete nicht nur für Österreich, sondern für ganz Mitteleuropa den Beginn einer Finanzkrise.[22]

Man befürchtete nun, dass diese Entwicklung auf Deutschland übergreifen würde. In dieser gefährlichen Lage erklärte Reichskanzler Brüning selbst im Juni 1931 aus innenpolitischen Gründen – er hoffte nämlich auf die Unterstützung der Rechten und der Nationalsozialisten im Reichstag für ein neues Paket von Sparmaßnahmen – die Reparationen öffentlich für „unerträglich“. Das schien auf eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit des Reiches zu deuten und untergrub das Vertrauen der ausländischen Kreditgeber nachhaltig. Devisen im Wert von mehreren Milliarden RM wurden abgezogen, und, nachdem im Juli 1931 eine der Berliner Großbanken illiquide geworden war, kam auch noch ein massenhafter Ansturm der Bevölkerung auf die Banken hinzu (Bank Runs). Diese mussten am 13. Juli 1931 ihre Zahlungen einstellen. Die Kreditorenbeträge sanken im Juni/Juli um 21,4 %. Um die Bankenkrise zu überwinden, wurden die Banken für mehrere Tage geschlossen und der Kontrolle der Regierung unterstellt. Auch die Börse blieb monatelang geschlossen – Kredite und Neuinvestitionen waren so monatelang unmöglich.

Zudem war einen Monat zuvor das Hoover-Moratorium, das zur Wiederherstellung des Vertrauens alle politischen Schulden für ein Jahr stornierte, psychologisch verpufft, weil französische Vorbehalte wochenlange, schwierigste Verhandlungen nötig gemacht hatten. Da Reichsbankpräsident Hans Luther den Abfluss von Devisen ins Ausland mit allen Mitteln umkehren wollte, erhöhte er den Diskontsatz kurzfristig auf 15 % (um Devisen wieder anzuziehen), was allerdings nicht gelang und weshalb auch kaum Kredit an die Privatwirtschaft vergeben werden konnte (die Währung war bereits unterdeckt). Der Banknotenumlauf betrug 1929 noch 5 Milliarden RM und verringerte sich um 30 % auf 3,5 Milliarden RM im Jahre 1932. Über Möglichkeiten zur Kreditausweitung wurde auf der Geheimkonferenz der Friedrich List-Gesellschaft im September 1931 diskutiert.

Auswirkungen

Produktion

Bereits 1928 öffnete sich die Schere zwischen wachsender Produktionskapazität und sinkender Nachfrage deutlich. Bis Mitte 1929 stagnierte die Produktion offenbar; die Arbeitslosigkeit stieg. Die Industrieproduktion halbierte sich bis 1932 und die Aktien verloren zwei Drittel ihres Wertes. Mitte 1931 wirkte sich der Zusammenbruch vieler Banken auf große Industriekonzerne aus, die dadurch an Kreditaufnahme und Neuinvestitionen gehindert wurden.

Im internationalen Vergleich ist unschwer zu erkennen, dass es in jedem Land einen anderen Kursverlauf gab. Zwar erfolgte überall ein Abwärtstrend; Ausmaß, Anfangszeitpunkt und Ende der Krise waren aber sehr unterschiedlich. Diese Unterschiede hatten mehrere Ursachen. Die Stärke des Gegensatzes zwischen übermäßigem Angebot und der verringerten Nachfrage in den einzelnen Ländern spielte hier eine Rolle, ebenso die Frage, wie exportabhängig die inländische Produktion war. In Ländern, in denen viele Arbeitskräfte in der Landwirtschaft arbeiteten und die zusätzlich nur wenig exportorientiert waren, wirkte sich die Krise weniger stark aus.

Rückgang der Industrieproduktion auf dem Höhepunkt der Krise[6]
Land Rückgang
Vereinigte Staaten − 46,8 %
Polen − 46,6 %
Kanada − 42,4 %
Deutsches Reich − 41,8 %
Tschechoslowakei − 40,4 %
Niederlande − 37,4 %
Italien − 33,0 %
Frankreich − 31,3 %
Belgien − 30,6 %
Argentinien − 17,0 %
Dänemark − 16,5 %
Großbritannien − 16,2 %
Schweden − 10,3 %
Japan − 8,5 %
Brasilien − 7,0 %

Arbeitsmarktsituation

Arbeitslosenquote von 1928–1935 (Weimarer Republik)
Massenelend auf dem Höhepunkt der Krise: Speisesaal eines Obdachlosenasyls in Berlin-Prenzlauer Berg 1932

Mit der Industrieproduktion sank auch der Lebensstandard. Anfang der 1930er Jahre stieg die Arbeitslosenquote in den Industrieländern auf 25 %. Die Arbeitslosigkeit sank ab Mitte der 1930er Jahre langsam.[6]

Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland schien sich bis 1930 nicht von den Jahren zuvor zu unterscheiden. Die Zahl der Arbeitslosen lag 1927 bei etwa 1 Million; Ende September 1929 gab es 1,4 Millionen Arbeitslose, im Februar 1930 waren es 3,5 Millionen, was auf jahreszeitliche Schwankungen zurückgeführt wurde. Als diese Zahl wider Erwarten im Frühjahr 1930 nicht zurückging, hofften Reichsregierung und die Reichsbank noch lange auf eine Selbstheilung der Wirtschaft, obwohl die Arbeitslosenzahl schon Ende des Jahres mit 5 Millionen Arbeitslosen im weltweiten Vergleich auf höchstem Niveau stand. Erst als sich der geringe Rückgang Mitte 1931 nicht fortsetzte, wurde man sich der extremen Entwicklung der Krise vollends bewusst. Zu dieser Zeit lief Brünings Sparprogramm bereits auf vollen Touren. Die öffentlichen Gehälter wurden um 25 % vermindert und die Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wurden stark gekürzt. Im Februar 1932 erreichte die Krise auf dem Arbeitsmarkt ihren Höhepunkt: Es standen 6.120.000 Arbeitslosen, also 16,3 % der Gesamtbevölkerung, nur 12 Mio. Beschäftigte gegenüber. Zu den Arbeitslosen könnte man auch noch die große Masse der schlecht bezahlten Kurzarbeiter und Angestellten zählen, aber auch die kurz vor dem Ruin stehenden Kleinunternehmer.

Die Auswirkungen in den USA waren besonders für die Bauern katastrophal. Die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte fielen von 1929 bis 1933 um 50 %, wodurch zehntausende Bauern ihre Hypotheken nicht mehr bedienen konnten und ihr Land verloren. In der gleichen Zeit stieg die landwirtschaftliche Produktion um 6 %. Die Steigerung erklärt sich durch die Umstellung der Landwirtschaft auf Pachtverträge und mechanisierte Bearbeitung größerer Einheiten durch die neuen Investoren, später auch durch die künstliche Bewässerung durch den New Deal, wodurch die Dust Bowl, die sprichwörtliche Staubschüssel des Mittleren Westens, ihren Namen verlor. Die verzweifelten Landarbeiter flüchteten in den Westen, wo sie unter menschenunwürdigen Zuständen ein Auskommen suchten. Ein eindrucksvolles Dokument über die Agrarkrise in den USA ist der Roman Früchte des Zorns von John Steinbeck, der selbst einen solchen Flüchtlingszug begleitete.

Ganz anders war die Situation in Japan. Die japanische Volkswirtschaft wuchs von 1929 bis 1933 um 6 %, obwohl auch Japan um 1930 eine ernste Rezession hatte, die aber rasch bewältigt wurde. Arbeitslosigkeit und soziale Verwerfungen wie in den USA und Deutschland traten in Japan nicht ein.

Deutscher Außenhandel

Während des Ersten Weltkrieges und in den Nachkriegsjahren ging der Außenhandel erheblich zurück. Die Hyperinflation von 1923 hatte zwar den Wiederaufschwung der deutschen Industrie erleichtert, doch auch zu massiven Fehlinvestitionen geführt. Zwar erreichte die deutsche Industrieproduktion schon 1926 wieder ihren Vorkriegsstand, doch der Import überstieg bereits 1925 den Exportwert des Vorkriegsjahres: Deutschland hatte bis 1930 eine passive Handelsbilanz. Während der Weltwirtschaftskrise sanken die Importe.

Außenhandelsergebnisse und Goldbestände der Reichsbank 1928–1937[23]
Jahr Außenhandel
insgesamt
in Mio. RM
Ausfuhr
in Mio. RM
Einfuhr
in Mio. RM
Überschuss
= Ausfuhr
– Einfuhr
in Mio. RM
Durchschnitt-
liche Gold- und
Devisen-
bestände
in Mio. RM
1928 26.277 12.276 14.001 −1.725 2.405,4
1929 26.930 13.483 13.447 +36 2.506,3
1930 22.429 12.036 10.393 +1.643 2.806,0
1931 16.326 9.599 6.727 +2.872 1.914,4
1932 10.406 5.739 4.667 +1.072 974,6
1933 9.075 4.871 4.204 +667 529,7
1934 8.618 4.167 4.451 −284 164,7
1935 8.429 4.270 4.159 +111 91,0
1936 8.986 4.768 4.218 +550 75,0
1937 11.379 5.911 5.468 +443 rd. 70,0
1938 10.706 5.257 5.449 −192
1939 10.860 5.653 5.207 +446

Politische Konsequenzen

Maßnahmen zur Überwindung der Krise in Deutschland

Preisbereinigtes Bruttosozialprodukt und Preisindex, 1926 bis 1939, Veränderungen zum Vorjahr, nach WiSta 3/2009[24]

Die Krise schien die deutsche Wirtschaft zunächst nicht direkt zu beeinträchtigen und die Auslandskredite der Länder ebenso wie die der Privatwirtschaft blieben vorerst im Land. Doch unmittelbar nach der Reichstagswahl 1930 wuchsen die Kreditabzüge in schwindelerregende Höhen. Dies beruhte hauptsächlich auf zwei Gründen, einem außen- und einem innenpolitischen.

Erstens war die NSDAP zweitstärkste Partei geworden, und von dieser politischen Entwicklung war man im Ausland beunruhigt und wollte die Liquidität in den betreffenden Ländern erhöhen. Die Reichsregierung ihrerseits betrachtete die Wirtschaftskrise als ein Ungleichgewicht des Staatshaushaltes. Das Defizit betrug Ende 1929 1,5 Milliarden RM. Die Reichsbank schritt ein, als die Deckung der Gold- und Devisenreserven des Geldumlaufs durch den Transfer der gekündigten Auslandskredite unter die gesetzlich festgelegte 40-Prozent-Grenze fiel (siehe Golddevisenstandard), die Erhöhungen des Leitzinses verschärften die Krise noch.

Gleichfalls krisenverschärfend wirkten die Maßnahmen, die Reichskanzler Heinrich Brüning ergriff. Dabei ging er von der Notwendigkeit aus, den Reichshaushalt ausgeglichen zu halten, da der Kapitalmarkt zur Finanzierung eines Defizits nicht zur Verfügung stand. In mehreren Notverordnungen wurden durch Kürzung von Löhnen und Gehältern im öffentlichen Dienst sowie durch Beendigung aller öffentlichen Bauvorhaben die Staatsausgaben gesenkt, durch Steuererhöhungen sollten die Einnahmen erhöht werden. Diese Austeritätspolitik verstärkte aber die Deflation und wirkte sich drosselnd auf die Konjunktur aus, sodass das angestrebte Ziel einer nachhaltigen Konsolidierung des Haushalts nicht erreicht wurde. Im Dezember 1931 ging die Regierung zu einer aktiven Deflationspolitik über und senkte per Notverordnung alle Preise, Löhne und Mieten. Damit hoffte sie, den Export anzukurbeln und die Reinigungseffekte der Krise zu beschleunigen, sodass Deutschland als erstes Land die Depression überwinden würde. Diese Politik hatte keinen Erfolg: Die Leitzinsen blieben wegen der desolaten Devisensituation nach der Bankenkrise hoch, ebenso die Steuern: Die Umsatzsteuer hatte die Regierung noch einmal gleichzeitig mit den Deflationsmaßnahmen erhöht, sodass keine konjunkturbelebende Wirkung von ihnen ausging. Die erhofften außenwirtschaftlichen Effekte traten nicht ein, da Großbritannien bereits im September 1931 das Pfund Sterling vom Gold gelöst hatte und durch die folgende Abwertung seiner Währung einen deutlicheren Außenhandelsvorteil als Deutschland mit seiner Deflation erzielte.

Auf Grund der im Rückblick offenkundigen Verfehltheit von Brünings Deflationspolitik vermutete die ältere Forschung, es sei sein primäres Ziel gewesen, durch absichtliche Verschärfung der Krise die Alliierten davon zu überzeugen, dass die Reparationsforderungen einfach nicht erfüllbar waren. Zudem würde die Einstellung der Zahlungen die radikalen politischen Kräfte schwächen. Weil er den Zusammenhang zwischen Reparationen und Deflationspolitik aber fast ausschließlich in öffentlichen Reden, nicht aber in internen Besprechungen äußerte, glauben neuere Forschungen dagegen, dass er ehrlich davon überzeugt war, zu seiner Politik keine Alternative zu haben.

Brüning steckte in einer Zwickmühle: Er musste den Reparationsgläubigern Deutschlands ehrlichen Willen nachweisen, den Young-Plan zu erfüllen, machte sich aber eben dadurch für die politische Rechte angreifbar, auf deren innenpolitische Unterstützung er gleichwohl hoffte. So strebte er die Zollunion mit Österreich an, die aber, wie bereits erwähnt, wegen Frankreichs Widerstand den Zusammenbruch des Bankensystems einleitete.

Ob es realisierbare Alternativen zu Brünings Deflationspolitik und zur sparsamen Haushaltsführung gab, die die Krise nur verschärften, ist in der historischen Forschung sehr umstritten. Denkbar wären a) eine Abkopplung der Reichsmark vom Golddevisenstandard gewesen, b) eine Kreditausweitung oder c) eine Erhöhung der Geldmenge z. B. durch Notenbankkredite. Gegen alle drei Optionen habe es, wie der Münchner Wirtschaftshistoriker Knut Borchardt nachzuweisen versuchte, wichtige Argumente gegeben: Auf Grund der (zum Teil durch eigene Schuld verschlimmerten) Vertrauenskrise hätten der Reichsregierung keine Kreditmöglichkeiten offengestanden: die beinahe chronische Krise der Staatsfinanzen drohte wiederholt in eine akute Zahlungsunfähigkeit der öffentlichen Hand umzuschlagen, die unabsehbare soziale, politische und außenwirtschaftliche Folgen gehabt hätte; eine Abkehr vom Golddevisenstandard sei völkerrechtlich durch den Young-Plan ausgeschlossen gewesen und hätte die traumatischen Erinnerungen an die Inflation von 1923 wachgerufen. Dieselben Argumente hätten auch gegen einen Ausgleich des defizitären Haushalts mit Hilfe der Notenpresse gesprochen.

Tatsache ist, dass bei der Reichstagswahl Juli 1932 nur die NSDAP mit einem Programm massiver, reflationärer Kreditausweitung und Arbeitsbeschaffung auftrat und so ihren Stimmenanteil mit 37,3% mehr als verdoppeln konnte. Das Zentrum, aber auch die gemäßigte Linke – Letztere unter dem Einfluss von Rudolf Hilferding und Fritz Naphtali – blieben den Vorstellungen finanzieller und wirtschaftspolitischer Orthodoxie verhaftet und hatten so der wirtschaftspolitischen Propaganda der extremen Rechten wenig entgegenzusetzen. Auch der um die Jahreswende 1931/32 erstellte expansive WTB-Plan (benannt nach Wladimir Woytinsky, Fritz Tarnow und Fritz Baade) konnte angesichts dieser internen Widerstände keine propagandistische Wirkung entfalten. Während Franklin D. Roosevelt in den USA mit seinem expansiven Programm des New Deal die Demokratie stabilisieren konnte, erzielte in Deutschland die rechtsextreme NSDAP bei diesen Wahlen ihren endgültigen Durchbruch.

Die Kreditausweitung, die unter Brünings Nachfolgern eingeleitet wurde und die Hjalmar Schacht, Reichsbankpräsident von 1933 bis 1939, dann massiv betrieb, war jedenfalls nur durch die ganz erheblichen Verschleierungsmechanismen der Mefo-Wechsel möglich. Sie erschien in den ersten Jahren wirtschaftspolitisch erfolgreich,[25] basierte aber im Wesentlichen auf der Rüstungskonjunktur der Vorbereitung eines großen, letztlich selbstzerstörerischen Eroberungskrieges.

Siehe auch: Aktienindex des Statistischen Reichsamtes.

Maßnahmen zur Überwindung der Krise in den Vereinigten Staaten

Hauptartikel: New Deal

In den Vereinigten Staaten verursachte die Weltwirtschaftskrise einen großen Umbruch in der Politik-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Präsident Franklin D. Roosevelt setzte umfangreiche Wirtschafts- und Sozialreformen durch, die als New Deal bezeichnet wurden.

Weltweite Reaktion

Die Weltwirtschaftskrise verursachte einige weltweit beobachtbare Reaktionen:[6]

  • Aufgrund der Weltwirtschaftskrise wurde weltweit der Goldstandard aufgegeben.
  • Gewerkschaften wurden einflussreicher. In den Vereinigten Staaten verdoppelte sich die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder.
  • In den Vereinigten Staaten wurde mit dem New Deal ein Sozialstaat begründet. In den meisten europäischen Ländern bestand bereits ein Sozialstaat, dieser wurde als Reaktion auf die Krise ausgebaut.
  • In den meisten Staaten wurde die Regulierung der Wirtschaft verstärkt, insbesondere durch Schaffung einer Finanzmarktaufsicht und Bankenregulierung.

Volkswirtschaftliche Erklärungen

Orthodoxe Ökonomie (Mainstream)

Keynesianismus

Keynes hatte genau wie Hayek eine Wirtschaftskrise vorhergesehen. Hayek hatte allerdings auf Basis der Theorie der Österreichischen Schule die 1920er Jahre als eine (Kredit-) Inflationsperiode angesehen. Die Theorie dahinter war, dass aufgrund der gestiegenen Produktionseffizienz die Preise hätten fallen müssen. Folglich befürwortete Hayek eine kontraktive Geldpolitik der US-Notenbank, um eine milde Deflation und Rezession zu initiieren, die die Gleichgewichtspreise wiederherstellen sollte.[26] Sein Opponent Keynes widersprach dem. Im Juli 1928 erklärte er, dass es zwar Spekulationsblasen an der Börse gebe, der entscheidende Indikator für Inflation sei aber der Rohstoffindex und der habe keine Inflation angezeigt. In Anbetracht mehrerer Erhöhungen des Diskontsatzes durch die US-Notenbank warnte er im Oktober 1928, dass das Risiko einer Deflation größer sei als das einer Inflation. Er erklärte, dass eine längere Hochzinsphase zu einer Depression führen könne. Die Spekulationsblasen an der Wall Street würden nur eine generelle Tendenz zur Unterinvestition der Unternehmen verdecken.[26] Die längere Hochzinsphase führte nach Keynes Analyse dazu, dass mehr Geld gespart bzw. in rein spekulative Anlagen investiert wurde und weniger Geld in betriebliche Investitionen floss, denn einige Preise wie Löhne, Pachten und Mieten seien nach unten wenig flexibel, folglich würden hohe Zinsen zunächst nur die betrieblichen Gewinne reduzieren.[27]

Als Antwort auf die Deflation befürwortete Keynes die Abkehr vom Goldstandard, um eine expansive Geldpolitik zu ermöglichen.[28] In seinem Tract on Monetary Reform (1923) hatte er festgestellt, dass Schwankungen der Geldmenge Verteilungseffekte haben können, da einige Preise wie Löhne und Mieten „klebriger“ (weniger flexibel) sind als andere. Dies kann sich auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung auswirken. Deshalb forderte er, dass Zentralbanken eine Politik der Preisstabilität verfolgen sollten.[29]

Die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes (1936) erklärte die Länge und Schwere der Depression damit, dass Investitionsentscheidungen nicht nur von den Kosten der Finanzierung (Zinssatz), sondern auch von positiven Geschäftserwartungen abhängig sind. Demnach kann eine Situation eintreten, in der die Unternehmer so pessimistisch sind, dass sie auch bei extrem niedrigen Zinsen nicht investieren (Investitionsfalle). Die Unternehmen werden also nur so viele Mitarbeiter beschäftigen, wie zur Produktion der voraussichtlich absetzbaren Gütermenge benötigt werden. Entgegen neoklassischer Theorien kann sich ein Marktgleichgewicht somit auch unterhalb des Vollbeschäftigungsniveaus einpendeln (Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung). Dies ist die keynesianische Erklärung für die nach Ende der (von 1929–1933 andauernden) Rezessionsphase bis zum Ende der 1930er Jahre nur langsam sinkende Arbeitslosigkeit.[30] In dieser Situation extrem pessimistischer Geschäftserwartungen könne Geldpolitik alleine die Wirtschaft nicht wieder beleben, Keynes hielt daher ein kreditfinanziertes staatliches Ausgabenprogramm (Deficit spending) für erforderlich, um Nachfrage und Investitionen zu stimulieren.

Die These, dass auch die deutschen Reparationszahlungen eine Ursache der Weltwirtschaftskrise waren, da sie als Zahlungen ohne Gegenwert zu verwirrenden Zinsgefällen beitrugen, wird von den Wirtschaftshistorikern nicht einhellig geteilt. Der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte hingegen bereits nach Bekanntwerden der Bedingungen des Friedensvertrages von Versailles vor erheblichen negativen Folgen für die Gesamtwirtschaft gewarnt.[31]

Monetarismus

Nach 1945 bestimmte lange Zeit Keynes Erklärung die Interpretation der Weltwirtschaftskrise. Aufbauend auf der Theorie von Irving Fisher entwickelten vor allem Milton Friedman und Anna J. Schwartz in den 1960er Jahren den Monetarismus. Wie schon John Maynard Keynes führten sie die Weltwirtschaftskrise auf die restriktive Politik der Notenbanken und damit auf eine falsche Geldpolitik zurück.[32] Nach ihrer Ansicht ist aber nicht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, sondern die Regulierung der Geldmenge die wichtigste Stellgröße zur Steuerung des Wirtschaftsablaufes. Anders als Keynesianer halten sie Geldpolitik daher für ausreichend und lehnen ein deficit spending ab.

Die detaillierteste monetaristische Analyse ist A Monetary History of the United States (1963) von Milton Friedman und Anna J. Schwartz, welche der Federal Reserve die Schuld daran gibt, dass die Depression so tief und lang war. Demnach haben die von 1930 bis 1932 zahlreichen Bankenzusammenbrüche die Wirtschaft destabilisiert, da zum einen die Kunden einen Großteil des angelegten Geldes verloren haben und weil die Giralgeldschöpfungsfunktion der Banken erheblich gestört wurde.[18] Dies führte in den USA zwischen den Jahren 1930 und 1932 zu einer Reduzierung der Geldmenge um 30 % („great contraction“), was eine Deflation auslöste.[33] In dieser Situation hätte die Federal Reserve die Banken stabilisieren müssen, tat dies aber nicht. Die monetaristische Sichtweise auf die Große Depression wird ganz überwiegend als korrekt angesehen, einige Wirtschaftswissenschaftler halten sie jedoch für allein genommen nicht ausreichend, um die Schwere der Depression zu erklären.[21]

Schuldendeflation

Fast jede Industrienation erlebte zwischen 1929 und 1933 eine Deflationsphase, in der die Großhandelspreise um 30 % oder mehr fielen.[6] In einer Deflation sinken der nominelle Gewinn, der nominelle Wert von Unternehmen und der nominelle Wert der Arbeitsleistung, während der Wert von Krediten stabil bleibt. Die reale Schuldenlast erhöht sich also durch einen allgemeinen Preisverfall. Es kommt so zu einer Kaufkraftumverteilung von Schuldnern hin zu Gläubigern. Dies hat in einer modernen Volkswirtschaft gewaltige Auswirkungen, weil die Buchgeldmenge um ein vielfaches höher ist als die Bargeldmenge. Buchgeld ist eine durch Kreditvergabe der Banken entstandene Geldmenge (Giralgeldschöpfung).[34]

Quantitätstheoretischer Ansatz (Monetarismus)

Auf Basis der heute weitgehend anerkannten Quantitätstheorie argumentierte Irving Fisher in seinem Buch The Debt-Deflation Theory of Great Depressions (1933), dass die Große Depression durch die Auswirkungen der Deflation auf Kreditschulden verursacht wurde. Dabei betont er, dass eine hohe Schuldensumme für sich genommen noch nicht schädlich ist. Er nennt aber eine Verkettung von Umständen, die zu Schuldendeflation und zu einer Rezession führen:[35]

  1. Schuldner versuchen mit Notverkäufen (Verkäufe zu sehr niedrigen Preisen) kurzfristig zahlungsfähig zu werden.
  2. Die Rückzahlung von Schulden führt zu einer Verringerung der Giralgeldschöpfung der Banken und somit zu einer Verringerung der Geldmenge.
  3. Durch Verringerung der Geldmenge sinkt das Preisniveau.
  4. Durch sinkendes Preisniveau sinken die Unternehmenswerte. Die Kreditwürdigkeit der Unternehmen verringert sich was die Verlängerung bzw. Umschuldung von Krediten erschwert.
  5. Die Gewinne der Unternehmen sinken.
  6. Die Unternehmen senken die Produktion und entlassen Arbeitskräfte.
  7. Es entsteht ein allgemeiner Vertrauensverlust in die wirtschaftliche Lage.
  8. Statt zu investieren wird Geld gehortet.
  9. Die nominellen Zinssätze sinken zwar, aufgrund des Allgemeinen Preisverfalls erhöht sich jedoch das reale Gewicht der Zinslast.

Das Ergebnis der Schuldendeflation ist scheinbar paradox: je mehr Schulden zurückgezahlt werden, desto stärker sinkt die Geldmenge (falls Regierung und Zentralbank so wie zu Anfang der Großen Depression nicht reflationierend eingreifen), desto stärker sinkt das Preisniveau, desto drückender wird das reale Gewicht der verbleibenden Schuldenlast. Als Lösung des Problems wird Reflationspolitik empfohlen.

Liquiditätshypothese (Keynesianismus)

Auf Basis der allgemeinen Gleichgewichtstheorie betrachtet führt Schuldendeflation zwar zu einer Kaufkraftumverteilung von den Schuldnern hin zu den Gläubigern, der Markt bleibt aber im Gleichgewicht. In diesem Modell hat nicht die Schuldendeflation selbst, sondern erst die dadurch ausgelöste Erwartungshaltung der Menschen fatale Folgen.[34] Aufgrund der Beobachtung sinkender Löhne und Preise gingen Konsumenten und Unternehmer davon aus, dass Löhne und Preise noch weiter sinken würden. Dies führte dazu, dass Konsum und Investitionen zurückgestellt wurden. Normalerweise hätten niedrige Zinsen ein Investitionssignal gesetzt. Da die Menschen jedoch erwarteten, dass sich aufgrund sinkender Löhne und Profite die reale Schuldenlast mit der Zeit erhöht, verzichteten sie auf Konsum bzw. Investitionen (Sparparadoxon).[36][37] Da Kredite zurückgezahlt und neue Kredite nur sehr zurückhaltend aufgenommen werden, verringert sich die Giralgeldschöpfung der Banken, es kommt zu einer Verringerung der Geldmenge und somit zu einer Verschärfung der Deflation.

Als Lösung des Problems wird Reflationspolitik empfohlen.

Gemeinsame Position von Keynesianismus und Monetarismus

Arbeitslose Wanderarbeiter (Hoboes) springen auf einen Güterzug auf, um in anderen Städten Arbeit zu suchen

Aus der Sicht der heute dominierenden wirtschaftswissenschaftlichen Schulen sollen sich die Regierungen bemühen, die miteinander im Zusammenhang stehenden makroökonomischen Aggregate Geldmenge und / oder gesamtwirtschaftliche Nachfrage auf einem stabilen Wachstumspfad zu halten. Während einer Depression soll die Zentralbank das Bankensystem mit Liquidität versorgen und die Regierung soll Steuern senken und Ausgaben erhöhen, um die nominale Geldmenge und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage vor dem Kollaps zu bewahren.[38]

In den Jahren 1929–32, während des Abgleitens in die Weltwirtschaftskrise, tat die US-Regierung unter Präsident Herbert Hoover und die US-Notenbank (Fed) dies nicht. Einer verbreiteten Ansicht zufolge wirkte es sich katastrophal aus, dass einige Entscheidungsträger der Fed von der Liquidationsthese beeinflusst waren.[39] Präsident Hoover schrieb in seinen Memoiren:

“The leave-it-alone liquidationists headed by Secretary of the Treasury Mellon … felt that government must keep its hands off and let the slump liquidate itself. Mr. Mellon had only one formula: ‘Liquidate labor, liquidate stocks, liquidate the farmers, liquidate real estate’ … ‘It will purge the rottenness out of the system. High costs of living and high living will come down. People will work harder, live a more moral life. Values will be adjusted, and enterprising people will pick up the wrecks from less competent people.’”

„Die Überlass-die-Wirtschaft-sich-selbst-Liquidierer wurden von Finanzminister Andrew Mellon angeführt [… Sie] waren der Ansicht, dass die Regierung sich heraushalten und der Konjunkturabschwung sich selbst abwickeln solle. Herr Mellon sagte immer wieder: ‚Arbeitsplätze abwickeln, Kapital liquidieren, die Landwirte abwickeln, Immobilien veräußern […]. Das wird die Fäulnis aus dem System spülen. Hohe Lebenshaltungskosten und ein hoher Lebensstandard werden sich anpassen. Die Menschen werden härter arbeiten und ein moralischeres Leben führen. Die Werte werden sich anpassen und unternehmungslustige Leute werden die Ruinen übernehmen, die weniger kompetente Leute zurückgelassen haben.‘“[38]

Zwischen 1929 und 1933 war die Liquidationsthese weltweit die vorherrschende wirtschaftspolitische Vorstellung. Viele öffentliche Entscheidungsträger (z. B. Reichskanzler Heinrich Brüning), waren wesentlich vom Glauben an die Liquidationsthese geprägt und entschieden sich die schwere Wirtschaftskrise nicht aktiv zu bekämpfen.[40]

Vor der keynesianischen Revolution in den 1930er Jahren war die Liquidationsthese unter zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaftlern weit verbreitet und wurde insbesondere von Friedrich August von Hayek, Lionel Robbins, Joseph Schumpeter und Seymour Harris vertreten.[41] Nach dieser These waren Depressionen eine gute Medizin. Die Funktion einer Depression bestand demnach darin, Fehlinvestitionen und Unternehmen die mit veralteter Technologie wirtschafteten zu liquidieren, um die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit aus dieser unproduktiven Verwendung zu befreien, so dass sie für produktivere Investitionen bereitstünden. Sie verwiesen auf die in den Vereinigten Staaten kurze Depression von 1920/1921 und argumentierten, dass die Depression den Grundstein für das starke Wirtschaftswachstum der späteren 1920er Jahren gelegt hätte. Ähnlich wie Anfang der 1920er Jahre befürworteten sie auch zu Beginn der Großen Depression eine Deflationspolitik. Sie argumentierten, dass selbst eine große Zahl an Unternehmensbankrotten hingenommen werden sollte.[41] Staatliche Intervention zu Abmilderung der Depression würde die notwendige Anpassung der Wirtschaft nur verzögern und die sozialen Kosten erhöhen. Schumpeter schrieb, dass[38]

“… leads us to believe that recovery is sound only if it does come of itself. For any revival which is merely due to artificial stimulus leaves part of the work of depressions undone and adds, to an undigested remnant of maladjustment, new maladjustment of its own which has to be liquidated in turn, thus threatening business with another [worse] crisis ahead.”

„wir der Annahme sind, dass die wirtschaftliche Erholung nur dann solide ist, wenn sie von selbst kommt. Jede Belebung der Wirtschaft, die lediglich auf künstlicher Stimulierung beruht, lässt einen Teil der Arbeit der Depression unverrichtet und führt zu weiteren Fehlentwicklungen, neuen Fehlentwicklungen eigener Art, die wiederum liquidiert werden müssen und dies droht die Wirtschaft in eine weitere, [schlimmere] Krise zu stürzen.“

Entgegen der Liquidationsthese wurde in der Großen Depression das volkswirtschaftliche Kapital nicht nur umgeschichtet, sondern ein großer Teil des volkswirtschaftlichen Kapitals ging in den ersten Jahren der Großen Depression verloren. Nach einer Studie von Olivier Blanchard und Lawrence Summers verursachte die Rezession von 1929 bis 1933 einen Einbruch des akkumulierten Kapitals auf das Level von vor 1924.[42]

Ökonomen wie John Maynard Keynes und Milton Friedman waren der Ansicht, dass die aus der Liquidationsthese resultierende Politikempfehlung der Tatenlosigkeit die Große Depression verschärft hat.[43] Keynes versuchte die Liquidationsthese dadurch in Misskredit zu bringen, dass er Hayek, Robbins und Schumpeter beschrieb als

“… austere and puritanical souls [who] regard [the Great Depression] … as an inevitable and a desirable nemesis on so much ‘overexpansion’ as they call it … It would, they feel, be a victory for the mammon of unrighteousness if so much prosperity was not subsequently balanced by universal bankruptcy. We need, they say, what they politely call a ‘prolonged liquidation’ to put us right. The liquidation, they tell us, is not yet complete. But in time it will be. And when sufficient time has elapsed for the completion of the liquidation, all will be well with us again…”

„[…] strenge und puritanische Seelen, die die [Große Depression …] als unvermeidliche und wünschenswerte Nemesis gegenüber der wirtschaftlichen ‚Überexpansion‘ – wie sie es nennen – ansehen […]. Es wäre ihrer Ansicht nach ein Sieg für den Mammon der Ungerechtigkeit, wenn so viel Wohlstand in der Folge nicht durch allgemeine Bankrotte ausgeglichen würde. Sie sagen, dass wir – wie sie es höflich nennen – eine ‚verlängerte Liquidationsphase‘ brauchen, um wieder ins Lot zu kommen. Die Liquidation sagen sie uns, ist noch nicht abgeschlossen. Aber mit der Zeit wird sie es sein. Und wenn hinreichend Zeit zum Abschluss der Liquidation verstrichen ist, wird alles wieder gut sein […].“

Milton Friedman erinnerte sich, dass an der Universität von Chicago so ein „gefährlicher Unsinn“ nie gelehrt wurde und dass er gut verstehen konnte, warum in Harvard – wo so ein Unsinn gelehrt wurde – kluge junge Ökonomen sich von der Makroökonomie ihrer Lehrer abwandten und Keynesianer wurden.[38] Er schrieb:[44]

“I think the Austrian business-cycle theory has done the world a great deal of harm. If you go back to the 1930s, which is a key point, here you had the Austrians sitting in London, Hayek and Lionel Robbins, and saying you just have to let the bottom drop out of the world. You’ve just got to let it cure itself. You can’t do anything about it. You will only make it worse. … I think by encouraging that kind of do-nothing policy both in Britain and in the United States, they did harm.”

„Ich denke, dass die Überinvestitionstheorie der Österreichischen Schule der Welt schweren Schaden zugefügt hat. Wenn man in die 1930er Jahre zurückgeht, die ein entscheidender Zeitpunkt waren, dann sieht man die Vertreter der Österreichischen Schule – Hayek und Lionel Robbins – in London sitzen und sagen, dass man die Dinge zu Bruch gehen lassen muss. Man muss es der Selbstheilung überlassen. Man kann da gar nichts machen. Alles was man tut wird es nur schlimmer machen. […] Ich denke, dass sie durch die Ermutigung zur Tatenlosigkeit sowohl in England als auch in den Vereinigten Staaten geschadet haben.“

Heterodoxe Ökonomie

Joseph Schumpeter

Joseph Schumpeter sah die Weltwirtschaftskrise als historischen Unfall, in dem drei Konjunkturzyklen, der langfristige Kondratjew-Zyklus technischer Innovation, der mittelfristige Juglar-Zyklus und der kurzfristige Kitchin-Zyklus im Jahr 1929 gleichzeitig ihren Tiefststand erreichten.[45] Schumpeter war ein Vertreter der Liquidationsthese.[46]

Österreichische Schule

Im Gegensatz zu den späteren keynesianischen und monetaristischen Erklärungen sahen Ökonomen der Österreichischen Schule in den 1920er Jahren eine starke Expansion der Geldmenge, also eine Inflation, woraus eine Fehlallokation von Kapital entstanden sei.[47] Die Rezession müsse daher als unvermeidliche Folge der negativen Effekte der falschen Expansion in den 1920er Jahren ausgestanden werden. Staatliche Intervention jeglicher Art wurde für falsch gehalten, weil sie die Depression nur verlängern und vertiefen würde.[41] Die monetäre Überinvestitionstheorie war die dominierende Vorstellung in der Zeit um 1929. Der amerikanische Präsident Herbert Hoover, der dieser Theorie in der Weltwirtschaftskrise weitgehend folgte, beschwerte sich später in seinen Memoiren bitterlich über diese Empfehlungen.[48]

Friedrich Hayek hatte die FED und die Bank of England in den 1930er Jahren dafür kritisiert, keine noch kontraktivere Geldpolitik zu betreiben.[49] Während Ökonomen wie Milton Friedman und J. Bradford DeLong die Vertreter der Österreichischen Schule zu den prominentesten Fürsprechern der Liquidationsthese zuordnen und annehmen, dass diese die Politik von Präsident Hoover und der Federal Reserve im Sinne eines Nichtinterventionismus beeinflusst bzw. gestützt haben, vertritt der Vertreter der Österreichischen Schule Lawrence White die Ansicht, dass die Passivität der Federal Reserve nicht auf die Überinvestitionstheorie zurückgeführt werden könne.[46] Er wendet ein, dass die Überinvestitionstheorie keine kontraktive Geldpolitik gefordert habe. Hayeks „Zwiespältigkeit“ in der Frage der Geldpolitik habe nicht speziell mit der Überinvestitionstheorie zusammengehangen, sondern mit seiner damaligen Hoffnung, dass die Deflation die Lohnrigidität brechen werde.[50] Seit den 1970er Jahren übte auch Hayek scharfe Kritik an der kontraktiven Geldpolitik Anfang der 1930er Jahre und an dem Fehler, den Banken in der Krise keine Liquidität zur Verfügung gestellt zu haben.

Siehe auch

Literatur

  • Theo Balderston: The Origins and Course of the German Economic Crisis November 1923 to May 1932. Haude und Spener, Berlin 1993, ISBN 3-7759-0337-2.
  • Fritz Blaich: Der Schwarze Freitag. Inflation und Wirtschaftskrise. dtv, München 1990, ISBN 3-423-04515-9.
  • Knut Borchardt: Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1982, ISBN 3-525-35708-7.
  • Karl Erich Born: Die deutsche Bankenkrise. Finanzen und Politik. Piper, München 1967.
  • Edward W. Bennett: Germany and the Diplomacy of the Financial Crisis, 1931. Harvard University Press, Cambridge (MA) 1962.
  • Barry Eichengreen: Golden Fetters. The Gold Standard and the Great Depression, 1919–1939. Oxford University Press, 1992, ISBN 0-19-510113-8.
  • Philipp Heyde: Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Young-Plan 1929–1932. Schöningh, Paderborn [u. a.] 1998, ISBN 3-506-77507-3.
  • Carl-Ludwig Holtfrerich: Alternativen zu Brünings Wirtschaftspolitik in der Weltwirtschaftskrise. In: Historische Zeitschrift. 235, 1982, S. 605–631.
  • Harold James: Deutschland in der Weltwirtschaftskrise. 1924–1936. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988, ISBN 3-421-06476-8.
  • ders.: Der Rückfall. Die neue Weltwirtschaftskrise. Piper, München/Zürich 2003, ISBN 3-492-04488-3.
  • Charles P. Kindleberger: Die Weltwirtschaftskrise. 1929–1939. dtv, München 1973, ISBN 3-423-04124-2.
  • Rainer Meister: Die große Depression. Zwangslagen und Handlungsspielräume der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Deutschland 1929–1932. Transfer-Verlag, Regensburg 1991, ISBN 3-924956-74-X.
  • Werner Plumpe: Wirtschaftskrisen. Geschichte und Gegenwart. Beck, München 2010, S. 81–92 (Beck Wissen, 2701) ISBN 978-3-406-60681-6.
  • Albrecht Ritschl: Deutschlands Krise und Konjunktur 1924–1934. Binnenkonjunktur, Auslandsverschuldung und Reparationsproblem zwischen Dawes-Plan und Transfersperre. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003650-8.
  • Murray N. Rothbard: America’s Great Depression. Princeton 1963, ISBN 0-945466-05-6.

Filmische Erklärungsversuche

  • 1929. 1. Teil Die Weltwirtschaftskrise, 2. Teil Die große Depression. Dokumentarfilm, Frankreich 2009, gezeigt in ARTE am 28. Oktober 2009 von 21:00-21:50 und von 21:50–22:45. (Interviews mit Historikern, Wirtschaftswissenschaftlern, Bankern)

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Werner Plumpe: Wirtschaftskrisen. Geschichte und Gegenwart. Beck, München 2010
  2. Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. München 1998, S. 324-362
  3. Konrad Repgen (Hrsg.): Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938. Teil 1: 1933/34. Boppard 1983. (online) S. 489.
  4. Berkin, Miller, Cherny, Gormly: Making America. Houghton Mifflin Company, 2008, ISBN 978-0-618-98065-9, S. 721 f.
  5. Peter Clemens: Prosperity, Depression and the New Deal: The USA 1890–1954. Hodder Education, 2008, ISBN 978-0-340-96588-7, S. 107
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 Christina Romer: Great Depression. (PDF; 164 kB) 20. Dezember 2003
  7. Randall E. Parker: Reflections on the Great Depression, Elgar publishing, 2003, ISBN 978-1-84376-335-2, S. 22
  8. Charles P. Kindleberger: Die Weltwirtschaftskrise 1929−1939. dtv, München 1973, S. 306 ff. u.ö.
  9. Barry Eichengreen, Douglas Irwin: The protectionist temptation: Lessons from the Great Depression for today. voxeu.org, 17. März 2009
  10. Gottfried Bombach, Hans-Jürgen Ramser, Manfred Timmermann und Walter Wittmann, Der Keynesianismus I: Theorie und Praxis keynesianischer Wirtschaftspolitik, Springer-Verlag, 1976, ISBN 978-3-540-07910-1, S. 15 f.
  11. Paul S. Boyder: The Oxford Companion to United States History, Oxford University Press, 2001, ISBN 0-19-508209-5, S. 20 f.
  12. Peter Clemens, Prosperity, Depression and the New Deal: The USA 1890–1954, Hodder Education, 2008, ISBN 978-0-340-96588-7, S. 106
  13. Gottfried Bombach, Hans-Jürgen Ramser, Manfred Timmermann und Walter Wittmann: Der Keynesianismus I: Theorie und Praxis keynesianischer Wirtschaftspolitik, Springer-Verlag, 1976, ISBN 978-3-540-07910-1, S. 16
  14. Max Otte: Einleitung: 1929 und die Finanzkrise von 2007. In: John Kenneth Galbraith, Der große Crash 1929: Ursachen, Verlauf, Folgen, Finanzbuch-Verlag, 2008, ISBN 978-3-89879-455-8, S. 13
  15. Lothar Wildmann, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, 2010, ISBN 978-3-486-59111-8, S. 78, 79
  16. Randall E. Parker: Reflections on the Great Depression, Elgar publishing, 2003, ISBN 978-1-84376-335-2, S. 11
  17. Ben Bernanke: Non-monetary effects of the financial crisis in the propagation of the Great Depression. In: American Economic Review. Am 73#3, 1983, S. 257–276
  18. 18,0 18,1 Randall E. Parker: Reflections on the Great Depression, Elgar publishing, 2003, ISBN 978-1-84376-335-2, S. 11
  19. Monika Rosengarten: Die Internationale Handelskammer. Wirtschaftspolitische Empfehlungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929-1939. Berlin 2001, (online auf Google.Books) S. 304.
  20. Reiner Clement, Wiltrud Terlau, Manfred Kiy: Angewandte Makroökonomie. Makroökonomie, Wirtschaftspolitik und nachhaltige Entwicklung mit Fallbeispielen. München 2013, (online auf Google.Books) S. 325.
  21. 21,0 21,1 Randall E. Parker, Reflections on the Great Depression, Elgar publishing, 2003, ISBN 978-1-84376-335-2, S. 13 f.
  22. Arnold Suppan: Jugoslawien und Österreich 1918–1938. Bilaterale Außenpolitik im europäischen Umfeld. Verlag für Geschichte u. Politik, Wien 1996, ISBN 3-486-56166-9, S. 1047f.
  23. Monatlicher Bericht des Wehrwirtschaftsstabes über den „Stand der wirtschaftlichen Lage. 1.2.1938“ BA-MA Wi I F 5/543. entnommen aus: Friedrich Forstmeier, Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Wirtschaft und Rüstung am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Düsseldorf 1981, S. 85
  24. destatis.de
  25. Norbert Räth (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden): Rezessionen in historischer Betrachtung,
    in: Wirtschaft und Statistik, 3/2009, S. 203–208 (PDF-Datei 171 KB, 7 Seiten)
  26. 26,0 26,1 Robert Skidelsky: The Great Depression: Keyne’s Perspective. In: Elisabeth Müller-Luckner, Harold James: The Interwar Depression in an International Context, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2002, ISBN 978-3-486-56610-9, S. 102
  27. Robert Skidelsky: The Great Depression: Keyne’s Perspective. In: Elisabeth Müller-Luckner, Harold James: The Interwar Depression in an International Context. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2002, ISBN 978-3-486-56610-9, S. 104
  28. Robert Skidelsky: The Great Depression: Keyne’s Perspective. In: Elisabeth Müller-Luckner, Harold James: The Interwar Depression in an International Context. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2002, ISBN 978-3-486-56610-9, S. 99
  29. Robert Skidelsky: The Great Depression: Keyne’s Perspective. In: Elisabeth Müller-Luckner, Harold James: The Interwar Depression in an International Context. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2002, ISBN 978-3-486-56610-9, S. 100
  30. James D. Gwartney, Richard L. Stroup und Russell: Economics: Private and Public Choice, South Western Educ Publisher, 2008, ISBN 978-0-324-58018-1, S. 229
  31. Matthias Peter: John Maynard Keynes und die britische Deutschlandpolitik, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1997, ISBN 978-3-486-56164-7, S. 61
  32. Robert Skidelsky: The Great Depression: Keyne’s Perspective. In: Elisabeth Müller-Luckner, Harold James: The Interwar Depression in an International Context, Oldenbourg, 2002, ISBN 978-3-486-56610-9, S. 99
  33. Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens Gerhard Illing 2009 wurde kein Text angegeben.
  34. 34,0 34,1 Gabriele Kasten: Untersuchungen zu Verschuldung und Deflation, Duncker und Humblot, 2000, ISBN 3-428-09673-8, S. 81
  35. Irving Fisher: The Debt-Deflation Theory of Great Depressions. In: The Econometric Society (Hrsg.): Econometrica. 1, Nr. 4, Oktober 1933, S. 337–357. doi:10.2307/1907327.
  36. Gabriele Kasten: Untersuchungen zu Verschuldung und Deflation. Duncker und Humblot, 2000, ISBN 3-428-09673-8, S. 84
  37. Christina Romer: Great Depression. (PDF; 164 kB) 20. Dezember 2003
  38. 38,0 38,1 38,2 38,3 J. Bradford DeLong: “Liquidation” Cycles: Old Fashioned Real Business Cycle Theory and the Great Depression. National Bureau of Economic Research, Working Paper No. 3546, S. 1
  39. Lawrence White: Did Hayek and Robbins Deepen the Great Depression?. In: Journal of Money, Credit and Banking. Nr. 40, 2008, S. 751–768. doi:10.1111/j.1538-4616.2008.00134.x.
  40. J. Bradford DeLong: “Liquidation” Cycles: Old Fashioned Real Business Cycle Theory and the Great Depression. National Bureau of Economic Research, Working Paper No. 3546, S. 9
  41. 41,0 41,1 41,2 Randall E. Parker: Reflections on the Great Depression, Elgar publishing, 2003, ISBN 978-1-84376-335-2, S. 9
  42. J. Bradford DeLong: “Liquidation” Cycles: Old Fashioned Real Business Cycle Theory and the Great Depression. National Bureau of Economic Research, Working Paper No. 3546, S. 33
  43. Lawrence White: Did Hayek and Robbins Deepen the Great Depression?. In: Journal of Money, Credit and Banking. Nr. 40, 2008, S. 751–768. doi:10.1111/j.1538-4616.2008.00134.x.
  44. Lawrence White: Did Hayek and Robbins Deepen the Great Depression?. In: Journal of Money, Credit and Banking. Nr. 40, 2008, S. 751–768. doi:10.1111/j.1538-4616.2008.00134.x.
  45. Gottfried Bombach, Hans-Jürgen Ramser, Manfred Timmermann und Walter Wittmann: Der Keynesianismus I: Theorie und Praxis keynesianischer Wirtschaftspolitik, Springer-Verlag, 1976, ISBN 978-3-540-07910-1, S. 15
  46. 46,0 46,1 Lawrence H. White: Did Hayek and Robbins Deepen the Great Depression?. In: Journal of Money, Credit and Banking. Nr. 40, 2008, S. 751–768, doi:10.1111/j.1538-4616.2008.00134.x.
  47. Murray N. Rothbard: America’s Great Depression. 1963.
  48. Hans-Helmut Kotz: Die Wiederkehr des Zyklus – und die neue Debatte um die Stabilisierungspolitik. (PDF; 106 kB) In: Wirtschaftsdienst, 82. Jg. (2002), H. 11, S. 653–660
  49. John Cunningham Wood, Robert D. Wood, Friedrich A. Hayek, Taylor & Francis, 2004, ISBN 9780415310574, p. 115
  50. Lawrence White: The Clash of Economic Ideas: The Great Policy Debates and Experiments of the 20th Century. Cambridge University Press, S. 94; Lawrence White: Did Hayek and Robbins Deepen the Great Depression?. In: Journal of Money, Credit and Banking. Nr. 40, 2008, S. 751–768. doi:10.1111/j.1538-4616.2008.00134.x.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Weltwirtschaftskrise aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.