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Volksverhetzung

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Der Begriff Volksverhetzung bezeichnet in Deutschland eine Straftat. Österreich kennt den Straftatbestand der Verhetzung. Weitere Staaten kennen vergleichbare Straftatbestände unter anderen Begriffen.

Bundesrepublik Deutschland

Tatbestandsmerkmale

Den Tatbestand einer Volksverhetzung definiert § 130 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs:

Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Diese aktuelle Fassung trat am 22. März 2011 in Kraft.[1]

Absatz 2 bezieht alle möglichen öffentlichen Äußerungen in Wort, Schrift und Bild, die die in Absatz 1 genannten Tatbestandsmerkmale erfüllen, in die Strafandrohung ein.

Absatz 3 bezieht Personen in die Strafandrohung ein, die „eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 Völkerstrafgesetzbuch bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigen, leugnen oder verharmlosen“. Gemeint sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vor allem Völkermord.

Absatz 4 stellt die Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, die den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise stört, unter Strafe. Dieser Absatz trat am 1. April 2005 in Kraft.[2] Es handelt sich laut Beschluss des BVerfG vom 4. November 2009 um eine Sonderbestimmung und kein allgemeines Gesetz, die aber angesichts der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes und der Bundesrepublik Deutschland als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus mit der Garantie der Meinungsfreiheit in Artikel 5, Absatz 1 und 2 GG zu vereinbaren sei.[3] [4]

Begründung

Grundsätzlich schließt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch das Recht ein, falsche Tatsachen zu behaupten. Jedoch kann der Gesetzgeber das Recht auf die Behauptung falscher Tatsachen durch Gesetze einschränken, zum Beispiel bei den Delikten Verleumdung, üble Nachrede, Betrug und arglistiger Täuschung.

Außerhalb des Ehrenschutzes und des Jugendschutzes (→ Schrankentrias, Art. 5 Abs. 2 GG) darf die Meinungsfreiheit nur durch solche Gesetze („allgemeine Gesetze“) eingeschränkt werden, „die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten, die vielmehr den Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgut dienen“.[5]

§ 130 Absatz 3 StGB ist nach BVerfG-Urteil von 1994 kein Sonderrecht gegen bestimmte Meinungsinhalte, weil eine direkt zu Hass, Gewalt oder Willkür aufstachelnde Äußerung eine nicht von der Meinungsfreiheit gedeckte Straftat darstellt, die weiteres illegales Handeln bewirken, dazu aufrufen und anstiften könne. Die herrschende Rechtsmeinung sieht § 130 StGB als gerechtfertigt an, weil er dem Schutz des öffentlichen Friedens und der Menschenwürde diene, die durch Vollendung der beschriebenen Tatbestände verletzt werde, und die Meinungsfreiheit gleichsam durch den Schutz des öffentlichen Friedens nur reflexiv betroffen sei.

Geschichte

Absatz 1 und 2

§ 130 StGB lautete in der Urfassung des Strafgesetzbuchs von 1871:

„Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.“

[6]

Die Neufassung dieses Paragrafen beruhte auf der historischen Erfahrung, dass der Nationalsozialismus auch durch rechtliches Dulden von Hetzpropaganda ermöglicht wurde.[7]

Anfang Januar 1959 legte die Bundesregierung erstmals einen Gesetzentwurf für die Neufassung des § 130 StGB vor. Sie reagierte damit auf eine Serie antisemitischer Straftaten, darunter Brandanschläge auf Synagogen, und Justizskandale. Im Frühjahr 1957 hatte Ludwig Zind, ehemaliges SD-Mitglied, einen jüdischen Kaufmann beleidigt und voller Stolz hunderte Morde an Juden in der NS-Zeit bekannt. Er wurde im April 1958 wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, floh aber vor Haftantritt ins Ausland. Im Prozess hatte er seine nationalsozialistischen Ansichten bekräftigt und dafür viel Zustimmung seitens der Zuschauer erhalten. Im Juli floh auch der ehemalige KZ-Arzt Hans Eisele ins Ausland; die KZ-Ärztin Herta Oberheuser wurde vorzeitig entlassen und konnte sich erneut als Ärztin niederlassen.

Diese und andere Fälle wurden in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit aufmerksam registriert. Dabei wurde auch der Fall des Hamburgers Friedrich Nieland bekannt, der 1957 trotz Verbreitung einer antisemitischen Hetzschrift vom Oberlandesgericht Hamburg nicht verurteilt worden war.[8] Weihnachten 1959 kam es dann zu einem schweren Anschlag auf die Kölner Synagoge, die Bundeskanzler Konrad Adenauer erst kurz zuvor mit der jüdischen Gemeinde eingeweiht hatte, gefolgt von 700 Anschlusstaten bis Ende Januar 1960. Dies rief internationale Empörung und Besorgnis über die Stabilität der westdeutschen Demokratie hervor. Die SED sprach von einer „Refaschisierung“ der Bundesrepublik.

Daraufhin fand am 22. Januar 1960 im Bundestag eine von der SPD beantragte große Justizdebatte statt. Dabei lehnte die Opposition den Gesetzentwurf der Regierung als Sondergesetz ab: Adolf Arndt sprach von einem „Judenstern“-Gesetz, das die jüdische Minderheit rechtlich als privilegiert brandmarken würde. Stattdessen müsse man jede Herabwürdigung von Minderheiten als Angriff auf die Menschenwürde ahnden. Seine Sicht setzte sich im Rechtsausschuss des Bundestages durch, so dass im Sommer 1960 nicht „Aufstachelung zum Rassenhass“, sondern der Angriff auf die „Menschenwürde anderer“ in den Gesetzestext übernommen wurde.[9]

Absatz 3

Holocaustleugnung war bis 1994 schon als einfache Beleidigung strafbar. Der Bundesgerichtshof hatte Menschen jüdischer Abstammung aufgrund ihres Persönlichkeitsrechts in der Bundesrepublik am 18. September 1979 Anspruch auf Anerkennung des Verfolgungsschicksals der Juden unter dem Nationalsozialismus zugesprochen.[10]

Am 13. April 1994 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Holocaustleugnung nicht unter das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 des Grundgesetzes fällt: Es handele sich bei der Holocaustleugnung um eine „unwahre Tatsachenbehauptung“, also das Bestreiten einer vielfach erwiesenen Tatsache, die für sich nicht vom Recht der Meinungsfreiheit gedeckt sei, da sie nicht zur verfassungsmäßig vorausgesetzten Meinungsbildung beitragen könne.[11] Schon die Prüfung, ob Holocaustleugnung überhaupt als im Sinne der Meinungsfreiheit schutzwürdige Meinung in Betracht kommt, wurde also verneint.

Daraufhin wurde § 130 StGB am 28. Oktober 1994 mit dem Absatz 3 ergänzt. Der darin verwendete Begriff des Völkermords bezieht sich vor allem auf die Holocaustleugnung, da § 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB) den Holocaust als Völkermord definiert.

Das BVerfG-Urteil fand Kritik: Den Holocaust leugnende Äußerungen beschränkten sich regelmäßig nicht auf reine Tatsachenbehauptungen, sondern seien mit Werturteilen verbunden. Diese seien nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auch dann vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst, wenn es sich bei ihnen um völligen Unsinn oder sogar ehrverletzende Äußerungen handele. Diese würden erst auf Ebene der Grundrechtsschranken vom grundrechtlichen Schutz ausgenommen. Einige Kritiker meinten, das bisherige Recht habe den Persönlichkeitsschutz aller Opfer von Holocaustleugnern schon gewährt, während der Staat nun erstmals eine bestimmte Tatsachenbehauptung als Lüge und Verharmlosung bestrafe. Indem man bestimmte Falschbehauptungen aus der freien Kommunikation über die Geschichte gesetzlich auszuschließen versuche, fördere man eher eine erneute Tendenz zum Gesinnungsstrafrecht, statt den Meinungsbildungsprozess gerade bei ungefestigten Jugendlichen positiv zu beeinflussen. Dies sei für eine liberale Rechtsstaatstheorie bedenklich, da Meinungsfreiheit nicht nur ein individuelles, sondern ein kollektives Grundrecht sei:[12]

„Es liegt im öffentlichen Interesse einer pluralistischen Gesellschaft, die wesensmäßig durch die Rationalität kommunikativen Handelns geprägt ist, freie Meinungs- und Willensbildung nicht zu behindern.“

Am Grenzfall der Holocaustleugnung werde deutlich,

„dass es auf die Frage nach historischer Wahrheit auch dann keine definitiven Antworten gibt, wenn wir dies aus moralischen und politischen Gründen wünschen. Rechtsgüterschutz kann sich nur auf die Ehre und das Andenken der NS-Verfolgten erstrecken, nicht aber auf ein richtiges, vom Staat verwaltetes Geschichtsbild.“

Im Sommer 2008 kritisierten die ehemaligen Verfassungsrichter Winfried Hassemer und Wolfgang Hoffmann-Riem das Verbot der Holocaustleugnung:[13] Die auf § 130 Absatz 3 StGB beruhende Rechtsprechung sei ungeeignet, die Menschenwürde der Opfernachfahren zu schützen. Die streitbare Demokratie solle es unterlassen, „durch Repression Märtyrer zu schaffen“.[14]

Geschichtsrevisionisten und Rechtsextremisten bekämpfen § 130 Absatz 3 StGB als „Auschwitzgesetz“ oder „Lex Engelhard“. Helmut Schröcke sah darin ein „Sondergesetz“ gegen wissenschaftlich angeblich noch „zu klärende“ Fragen der Zeitgeschichte. Er veröffentlichte 1996 einen zuerst von der Gesellschaft für freie Publizistik herausgegebenen Appell der 100 – Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr!, der auch in der Zeitschrift Junge Freiheit erschien und von vielen Holocaustleugnern unterzeichnet wurde. Der Text griff die gängige Gerichtspraxis an, den Holocaust als offenkundig juristisch (zum Beispiel bei den Auschwitzprozessen der 1960er und 1970er Jahre) wie geschichtswissenschaftlich bewiesene historische Tatsache nicht jedes Mal aufs Neue einer juristischen Beweisführung zu unterziehen und entsprechende Anträge abzulehnen.

Deutsche Historiker beurteilen das Verbot der Holocaustleugnung verschieden. Ernst Nolte forderte 1994 eine „Versachlichung der Geschichte“ und lehnte vorgegebene „Dogmen“ oder „offenkundige Wahrheiten“ ab: Geschichte sei kein Rechtsgegenstand. In einem freien Land sei es weder Sache des Parlaments noch der Justiz, geschichtliche Wahrheiten zu definieren. Eberhard Jäckel kritisierte 2007:[15]

„In der großen Auseinandersetzung um die Entnazifizierung hat Eugen Kogon in den fünfziger Jahren einmal gefordert das Recht auf den politischen Irrtum. Und ich glaube, das muss eine freie Gesellschaft einräumen, und sie muss auch hier das Recht auf, ja, auf Dummheit erlauben. Auch Geisteskrankheit kann ja nicht verboten werden… Hier geht es darum, dass ein bestimmtes Geschichtsbild verboten werden soll, und das scheint mir einer freien Gesellschaft nicht würdig zu sein.“

Jäckel plädierte für das Ignorieren der Holocaustleugner, solange sie nicht direkt zu Gewalt gegen Personen und Sachen aufriefen.

Hans-Ulrich Wehler setzte dagegen vorrangig auf die argumentative und politische Auseinandersetzung mit Holocaustleugnern, hält aber auch die Anwendung aller rechtlichen Mittel für notwendig, um Gewalttaten zu verhindern, die mit Holocaustleugnung begründet und dadurch begünstigt würden. Die Neufassung des Straftatbestands der Volksverhetzung sei notwendig geworden, um auch rechtlich gegen Auschwitzleugner vorgehen zu können, nachdem die westdeutsche Justiz die Verfolgung von nationalsozialistischen Straftätern in den 1970er Jahren weitgehend eingestellt hatte:[16]

„Die Leugnung eines so unvorstellbaren Mordes an Millionen – ein Drittel aller Ermordeten waren Kinder unter 14 Jahren – kann man nicht so einfach hinnehmen als etwas, was durch die freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Es sollte schon eine Rechtszone geben, in der diese Lüge verfolgt wird. Bei einer Güterabwägung finde ich – so sehr ich für das Recht auf Meinungsfreiheit bin –, kann man die Leugnung des Holocausts nicht mit einem Übermaß an Generösität hinter freier Meinungsäußerung verstecken. […] Dass das Thema in Anatolien, Brasilien oder China so weit weg ist und deshalb nicht viele interessiert, kann kein Grund für uns sein, auf die Strafverfolgung zu verzichten. Die universelle Gültigkeit dieser Kritik und der Strafverfolgung kann nicht der Maßstab dafür sein, ob man sie unternimmt oder sein lässt.“

Nach der Entscheidung des BVerfG vom 9. November 2011[17] ist der § 130 StGB im Lichte der Meinungsfreiheit einschränkend auszulegen, so dass sich jemand, der Schriften an einen Gastwirt überlässt, in denen der Holocaust verharmlost und die alleinige Kriegsschuld Deutschlands in Frage gestellt wird, nicht ohne Weiteres der Volksverhetzung strafbar macht.

Anwendung auf Auslandstaten

Vergehen, die gemäß § 130 StGB im Ausland begangen werden, gleich ob von deutschen Staatsangehörigen oder von Ausländern, können wie eine Inlandsstraftat verfolgt werden, wenn sie so wirken, als seien sie im Inland begangen worden, also den öffentlichen Frieden in Deutschland beeinträchtigen und die Menschenwürde von deutschen Bürgern verletzen. So reicht es zum Beispiel aus, dass ein strafbarer Inhalt über das Internet, zum Beispiel in Form einer HTML-Seite, von Deutschland aus abrufbar ist.[18] Daraus ergibt sich zum Beispiel die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Volksverhetzungsdelikte, die vom Ausland aus begangen werden. Deshalb wurde zum Beispiel der Holocaustleugner Ernst Zündel für volksverhetzende Propaganda, die er von den USA bzw. Kanada aus im Internet veröffentlicht hatte, im Februar 2007 vom Landgericht Mannheim verurteilt.

Deutsche Demokratische Republik

Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 bezeichnete unter anderem „Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß … und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten“ als Kriegs- und Boykotthetze.

Österreich

Das Strafgesetzbuch Österreichs definiert in § 283 (StGB) den Tatbestand der Verhetzung:

(1) Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, oder wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar zu Gewalt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen eine der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.

Eine strafwürdige Verhetzung richtet sich demnach in allen Fällen gegen bestimmte Personengruppen, die der Täter als Angehörige einer bestimmten Rasse, Ethnie, Staatsbürgerschaft oder im Inland bestehender Kirchen und Religionsgesellschaften definiert. Nach Absatz 1 muss der Täter dabei öffentlich, das heißt für mindestens zehn Personen wahrnehmbar, zu Gewalt gegen die betroffene Gruppe auffordern oder aufreizen und damit die öffentliche Ordnung gefährden. Nach Absatz 2 kann man das Delikt durch direkte Aufrufe zu Hass und Verachtung gegen eine Bevölkerungsgruppe begehen, die über einfaches Herabsetzen und Beleidigen hinausgehen, oder durch Äußerungen, die die Betroffenen als minderwertige Wesen („Untermenschen“) hinstellen und damit „in ihrer Menschenwürde beeinträchtigen“.

Seit dem 1. Januar 2012 ist nach § 283 STGB auch Hetze aufgrund des Geschlechts, der Hautfarbe, des Alters, der sexuellen Ausrichtung (z.B. Homosexualität), einer eventuell vorhandenen Behinderung oder einer bestimmten Weltanschauung als Verhetzung strafbar. Der Tatbestand umfasst weiterhin nicht die aufenthalts-, wirtschafts- und arbeitsrechtliche Diskriminierung von Ausländern, die Forderung nach strengeren aufenthalts- oder arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegenüber bestimmten Ausländergruppen und Hetze gegen „Ausländer“, die keinem bestimmten Staat zugeordnet werden können.

Bei einer Verhetzung nach § 3g oder § 3h Verbotsgesetz 1947 tritt § 283 STGB zurück.[19]

Schweiz

Hauptartikel: Rassismus-Strafnorm

In der Schweiz wird in Artikel 261bis Strafgesetzbuch (StGB) „Rassendiskriminierung“ unter Strafe gestellt.[20]

Der Artikel trat 1995 in Kraft, um den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung zu ermöglichen. Der Parlamentsentscheid wurde durch ein Fakultatives Referendum der Partei Schweizer Demokraten den stimmberechtigten Schweizern zur Abstimmung vorgelegt. Diese bestätigten den Parlamentsentscheid am 25. September 1994 mit einem Ja-Anteil von 55%. Ein wortgleicher Artikel steht auch im Militärstrafgesetz.[21]

Die Schweizer Demokraten lancierten am 7. August 2007 die Eidgenössische Volksinitiative «Für freie Meinungsäusserung – weg mit dem Maulkorb!», die die Streichung der Rassismusstrafnorm aus dem Strafgesetzbuch und dem Militärstrafgesetz fordert. Die Initiative kam jedoch nicht zustande, da die benötigten 100.000 Unterschriften in der vorgeschriebenen Frist bis am 7. Februar 2009 nicht erreicht wurden.[22]

Frankreich

In Frankreich existiert der Straftatbestand „Anstiftung zu Rassenhass“ (incitation à la haine raciale). Das entsprechende Gesetz trat am 1. Juli 1972 in Kraft und wird nach René Pleven auch loi Pleven genannt.[23] Es geht auf § 24 des Gesetzes für die Pressefreiheit von 1881 zurück. Dieses wurde bei der Reform des französischen Strafgesetzbuchs 1994 verändert: Das bisherige Strafmaß „Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahr“ wurde auf ein Jahr erhöht.[24]

Europäische Union

Nach sechsjährigen vergeblichen Anläufen haben sich die Justizminister der 27 EU-Staaten am 19. April 2007 in Luxemburg unter dem Vorsitz der deutschen Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf einen „Rahmenbeschluss gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ geeinigt. Danach soll rassistische und fremdenfeindliche Hetze, die den öffentlichen Frieden stört, europaweit einheitlich mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können.

Zu den strafbaren Tatbeständen soll vor allem Hasspropaganda von Neonazis gegen Ausländer und die öffentliche Leugnung von Völkermorden gehören. Darin, so betonte die deutsche Delegation, ist die nicht ausdrücklich genannte Holocaustleugnung eingeschlossen. Diese wurde bisher in vielen Staaten Europas gar nicht strafverfolgt, in manchen nur dann, wenn sie von Aufrufen zur Gewalt begleitet wird. Daher gelangen immer wieder in Deutschland verbotene Hetzschriften vom Ausland her dorthin.

Der Beschluss war erst zustande gekommen, nachdem Litauen auf seine Forderung verzichtet hatte, auch Verbrechen des Stalinismus unter die strafbaren Tatbestände aufzunehmen. Fraglich ist, ob Litauen den Rahmenbeschluss ohne deren ausdrückliche Einbeziehung in nationales Recht umsetzen wird, da dies eine Bedingung des litauischen Parlaments für seine Zustimmung war. Diplomaten hatten erklärt, die Verbrechen des Stalinismus seien zwar schrecklich, aber kein Völkermord im Sinne des Internationalen Strafgerichtshofs gewesen.

Auch Großbritannien und Dänemark hatten bis zuletzt Vorbehalte gegen den Beschluss. Die Briten setzten sich damit durch, Hassreden gegen religiöse Gruppen von der EU-Strafbarkeit auszunehmen, da diese im Nordirland-Konflikt alltäglich und nur schwer konsequent zu verfolgen seien. Ein Aufruf „Tötet alle Christen“ bliebe demnach anders als „Tötet alle Juden“ straffrei. Auch die Verbreitung des Hakenkreuzes und anderer Symbole von Rechtsextremisten soll nicht europaweit verfolgt werden.[25]

USA

Das US-Bundesrecht kennt keinen vergleichbaren Straftatbestand. Jedoch wurden unter US-Präsident Bill Clinton die sogenannten Hate Crime Laws eingeführt, deren Ausgestaltung den einzelnen Bundesstaaten obliegt. Gemeint sind Verbrechen mit ethnischem, kulturellem, sexistischem oder religiösem Hintergrund. Auch „Hassreden“ (hate speeches), die dazu anstiften können, sind damit unter Umständen strafbar. Rassistisch, sexistisch und religiös motivierte Äußerungen können in einzelnen US-Bundesstaaten härter bestraft werden als gewöhnliche Verleumdung oder Beleidigung. Dies unterbleibt aber meist, sofern sie keinen direkten Aufruf zu einer Straftat beinhalten.

Das in der Verfassung der Vereinigten Staaten garantierte Grundrecht der Rede- und Meinungsfreiheit wird in der Regel sehr weit ausgelegt. Dieses Grundrecht ist in den USA nur durch Sondergesetze im Bereich der Nationalen Sicherheit, zum Schutz der Würde des Präsidentenamtes und von ausgewählten staatlichen Symbolen der USA eingeschränkt. Somit ist auch eine öffentliche Holocaustleugnung in den USA straffrei.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelbelege

  1. Bundesgesetzblatt 2011, Teil I, Nr. 11, ausgegeben am 21. März 2011, S. 418.
  2. Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuchs, BGBl I S. 969, 970.
  3. § 130 Abs. 4 StGB ist mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. In: Pressemitteilung Nr. 129/2009. Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -, 17. November 2009, abgerufen am 17. November 2009 (zum Beschluss vom 4. November 2009 – 1 BvR 2150/08 –).
  4. Bundesverfassungsgericht, Erster Senat: BVerfG, 1 BvR 2150/08 vom 4.11.2009. Bundesverfassungsgericht, 4. November 2009, abgerufen am 17. November 2009.
  5. BVerfGE 7, 198. Absatz Nr. 36
  6. Wikisource: s:Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (1871)#§. 130
  7. Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur in Politik und Justiz. Beck, München 2001, ISBN 3-406-45956-0, S. 144ff.
  8. Die Zeit, 16. Januar 1959: Friedrich Nieland fand keine Richter
  9. Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Beck, München 2001, ISBN 3-406-45956-0, S. 144–157.
  10. BGH Urteil vom 18. September 1979, Az. VI ZR 140/78.
  11. BVerfGE 90, 241, 1 BvR 23/94, Absatz Nr. 40
  12. Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Beck, München 2001, ISBN 3-406-45956-0, S. 156.
  13. Süddeutsche Zeitung, 10. Juni 2008: Interview mit Winfried Hassemer – „Das Grundgesetz ist dazu da, in Aktion zu treten“
  14. Der Tagesspiegel, 10. Juli 2008: „Holocaust-Leugner nicht bestrafen“
  15. Deutschlandradio Kultur: Historiker Jäckel: Holocaust-Leugner mit Ignoranz strafen. 1. Februar 2007
  16. Der Spiegel, 21. Februar 2006: Interview mit Historiker Wehler: „Mitleid mit Irving ist verfehlt“
  17. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2011 - 1 BvR 461/08
  18. BGH 1 StR 184/00 - Urteil v. 12. Dezember 2000 (LG Mannheim)
  19. Bertel/Schwaighofer: Österreichisches Strafrecht, Band II, 6. Auflage. Wien 2005, S. 189f.
  20. Art. 261"bis": Rassendiskriminierung. In: auf www.admin.ch. Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft, abgerufen am 19. November 2009 (deutschsprachig): „Eingefügt durch Art. 1 des BG vom 18. Juni 1993, in Kraft seit 1. Jan. 1995 (AS 1994 2887 2888; BBl 1992 III 269).“.
  21. Schweizerische Bundeskanzlei: Volksabstimmung vom 25. September 1994 – Vorlage Nr. 414
  22. Schweizerische Bundeskanzlei: Chronologie Volksinitiativen: Eidgenössische Volksinitiative «Für freie Meinungsäusserung – weg mit dem Maulkorb!»
  23. Legifrance.gouv.fr: Article 1 de la loi du 1er juillet 1972
  24. Legifrance.gouv.fr: Loi n°92-1336 du 16 décembre 1992...
  25. Netzeitung: Rassistische Hetze wird europaweit unter Strafe gestellt. 19. April 2007
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