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Turkvölker

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Heutiges Verbreitungsgebiet der Turksprachen

Turkvölker bezeichnet eine Gruppe von etwa 40 Ethnien in Zentral- und Westasien sowie in Sibirien und Osteuropa, deren Sprachen zur Sprachfamilie der Turksprachen gerechnet werden.[1] Zu dieser gehören die türkische Sprache sowie rund 40 relativ nah verwandte Sprachen mit insgesamt etwa 180 bis 200 Millionen Sprechern.

Die Wissenschaft der Sprachen, Geschichte und Kulturen der Turkvölker ist die Turkologie. Panturkismus bezeichnet die im 19. Jahrhundert entstandene politische und kulturelle Bewegung, die auf die Gemeinsamkeit der Turkvölker zielt. Die Kulturen, traditionellen Wirtschaftsformen und Lebensweisen der einzelnen Turkvölker sind vielfältig, ihre Geschichte ist vielschichtig (siehe auch Liste der Turkvölker).

Andere Bezeichnungen

Die Turkvölker werden mitunter auch fälschlich als „Türkvölker“, „türkische Völker“ oder als „Türken“ bezeichnet. Um eine Verwechslung mit den in der heutigen Türkei lebenden Volksgruppen, die dort per Gesetz offiziell als „Türken“ bezeichnet werden, mit den übrigen eine Turksprache sprechenden Nationen zu vermeiden, ist es in Europa üblich geworden, diese generell als „Turkvölker“ (englisch Turkic people) zu bezeichnen. „Türke“ wird dort ausnahmslos auf den Staatsbürger der Republik Türkei bzw. im engeren Sinne auf den Sprecher des Türkei-Türkischen angewendet. Die Praxis der Unterscheidung zwischen den eigentlichen Türken und anderen turksprachigen Volksgruppen hatte ihren Ursprung im Russland des 19. Jahrhunderts.[2]

In der turksprachigen Turkologie ist es im Gegensatz dazu aber allgemein üblich, von den „türkischen Völkern“ (türkisch Türk halkları) beziehungsweise schlicht allgemein von „Türken“ (Türkler) zu sprechen.

Namensherkunft

Die Bezeichnung „Türke“ leitet sich vom Namen einer nomadischlebenden Stammesföderation des 6. Jahrhunderts ab, die sich selbst als Türk oder Türük bezeichneten und die von Aschina-Clans geführt wurden.[3]

Der Term „Türke“ tauchte erstmals 552 n. Chr. auf, als der Stamm der „Türük“ seine Stammesföderation begründete, die heute als „Reich der Göktürken“ (auch mitunter „Reich der Kök-Türken“ geschrieben) bekannt ist. Gök türük bzw. kök türük bedeutet Himmels- oder Blautürken. Diese kriegerische Stammesföderation wurde von den Han-Chinesen als 突厥 Tūjué, ältere Transkriptionen sind T'u-chüeh, Tu-küe oder Tür-küt, bezeichnet. Diese Bezeichnung leitet sich offensichtlich vom Namen Türk ab.[4] Als unmittelbare Herkunftsstätte wird heute allgemein das Altaigebirge angesehen.[5]

Die Etymologie der Wörter gök/kök (Bedeutung: Blau oder Himmel) und türük ist unklar und umstritten.[6] Eine Verbindung der Türk zu den verschiedenen iranischsprachigen Völkern Zentralasiens (Skythen) wird jedoch vielfach vermutet, da sich fast alle Titel anscheinend von iranischen Sprachen ableiten lassen[7] Auch der Name des führenden Clans (Aschina) war wahrscheinlich aus dem Sakischen entlehnt und bedeutete blau (vgl. alt-türkisch gök=„blau“).[8] Auch die Namen der Reichsgründer, Bumın Kagan und Iştemi, sind nichttürkischen Ursprungs.[9] Aber es scheint auch, dass sich andere Herrschaftsbegriffe wie Kaġan, Şad, Tegin oder Yabgu aus anderen Sprachen ableiten lassen.[10]

Nach Josef Matuz reichte die Urheimat der Turkvölker im Norden über den Baikalsee hinaus ins heutige Sibirien hinein, im Westen sei sie von Altai und Sajangebirge, im Osten von den Bergen des Tian Shan und im Süden vom Altungebirge im heutigen Xinjiang umgrenzt gewesen.[11] Michael Weiers geht davon aus, dass Ende des 3. Jahrhunderts im heutigen Nordchina verschiedene Stämme auftauchten, die er als „Urtürken“ bezeichnete. Um diesen Kern gruppierten sich mehrere andere Stämme. Nach griechischen, persischen und chinesischen Quellen hielten sich damals folgende bedeutenden Stammesverbände dort auf: Xiongnu-Hu (so genannte östliche „Hunnen“), die Tab'a, die hunnischen Xia und die türkischen und protomongolischen Ruanruan.[12]

Ursprung und Gliederung der frühen Turkvölker

Der Ursprung der heutigen Turkvölker ist unbekannt. Geschichtlich greifbar wurden sie ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. So werden unter anderem die Türk mit den Xiongnu in Verbindung gebracht, deren Vasallen und Waffenschmiede sie waren.[10] Im Jahre 177 v. Chr. vertrieb der Chanyu der Xiongnu Mao-tun die konkurrierenden Yüeh-chih und etablierte seine Stammesföderation als wichtigste Macht in der heutigen Mongolei und in Ostturkestan.[13] Vielfach werden die Xiongnu als die Vorfahren der heutigen Turkvölker und der Mongolen angesehen. Doch diese These gilt als umstritten und konnte nicht eindeutig belegt werden.[14] Unstrittig ist jedoch, dass die Xiongnu teilweise Vorläufer der heutigen Turksprachen benutzten bzw. dass zumindest die herrschende Schicht in dieser Föderation turksprachig war und ein anderer Teil altmongolische und tungusische Sprachen verwendete. So werden sie denn auch überwiegend als „turko-mongolisch“ beschrieben und bezeichnet.[15]

Über die Sprache der Xiongnu ist nicht viel bekannt. Es existieren lediglich einige Personennamen und Wörter aus dem Kriegswesen sowie aus dem täglichen Leben. Die wenigen bekannten Wörter weisen zwar auf eine enge Verbindung zu den Turksprachen hin, aber sie beweisen nicht, dass die Xiongnu ausschließlich turksprachig waren.[16] So weist Josef Matuz ausdrücklich auf die Schwierigkeit bei der Zuordnung der Hunnen zu den Turkvölkern hin:

„Hypothesen, wonach die europäischen oder die asiatischen Hunnen, letztere in den chinesischen Annalen unter der Bezeichnung Hiung-nu erwähnt, Türken gewesen seien, lassen sich mangels Überlieferung nicht nachweisen. Das gleiche gilt für die Juan-Juan, die asiatischen und auch für die europäischen Awaren.“

Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte.[17]

Diese Problematik ist allgemein anerkannt.[18]

Nach dem Zerfall des Xiongnu-Reiches gehörten die Türk zum Reich der Ruanruan, das ebenfalls nomadisch organisiert war. Auch hier waren die Türk zuerst nur Vasallen und Waffenfabrikanten der neuen Herrscherschicht.[10]

Die Stammesföderation der Türk war in einzelne Unterstämme (alttürkisch bodun) gegliedert. Die Türk beherrschten ein Territorium (El) und besaßen Einrichtungen (törö).[10] Vielfach benannten sich die Unterstämme nach einem ihrer Gründer.

Geschichte

Vorgeschichte

Die frühen Türken, das heißt die Stammesföderation der Türk, waren nur ein Zusammenschluss verschiedener nomadischer Volksstämme, im Grunde lediglich eine Interessengemeinschaft, die sich für die Erweiterung ihrer Weidegründe und die Beherrschung der wenigen Oasenstädte einsetzte. Doch bevor diese Stammesföderation selbst zu einem zentralasiatischen Machtfaktor wurde, übte sie Vasallendienste für andere nomadisch organisierte Stammesverbände aus, so beispielsweise für die Xiongnu und die Ruanruan.

Das Reich der Göktürken

Kök-türkische Individuen zeigende Petroglyphen aus der mongolischen Dsawchan-Provinz (6. bis 8. Jh.)
Hauptartikel: Kök-Türken

Aufgrund der Weigerung des letzten Ruanruan-Fürsten, dem Khan der Türk, Bumın, eine Prinzessin zur Frau zu geben, unterstellte sich dieser der Oberherrschaft des damaligen chinesischen Reiches und zerschlug im Jahr 552 das Steppenreich der Ruanruan. Dieses Reich der Kök-Türken (Göktürken) umfasste das Gebiet zwischen der chinesischen Grenze, der heutigen Mongolei, dem Xinjiang und dem Kaspischen Meer. Sein Einflussbereich erstreckte sich vom Baikalsee im Norden über die heutige Kasachensteppe bis zum Schwarzen Meer.

Anfänglich war die Bezeichnung Türk nur dem Adel vorbehalten und wurde im Laufe der Zeit zu einer reinen Stammesbezeichnung.[10] Nach dem frühen Tod des Reichsgründers Bumın (552) zerfiel das erste Türkenreich in zwei Flügel. Das Westreich wurde von Iştemi (dem Bruder Bumıns), das bedeutendere Ostreich mit dem für alle Steppennomaden heiligen Ötükän (dem heutigen Changai-Gebirge) von Bumıns Sohn Muhan beherrscht.[19] Die Geschichte des Reiches wurde unter einem späteren Herrscher in den mit Orchon-Runen beschrifteten Steinstelen für die Nachwelt festgehalten. In westlichen Quellen wurden die Türk das erste Mal beim spätantiken Geschichtsschreiber Theophanes von Byzanz (spätes 6. Jahrhundert) erwähnt.

Kyzylinschrift in den mit den Orchon-Runen verwandten Jenissei-Runen (ca. 730 n. Chr.)

Während das türkische Ostreich ab 580 zu einer chinesischen Provinz herabsank, da es sich von diesem Zeitpunkt an ausnahmslos unter der Oberherrschaft des chinesischen Kaisers befand, konnte sich das Westreich länger halten. Dieses schloss bereits um 560 mit den iranischen Sassaniden ein Bündnis gegen die Hephthaliten. Nach ihrem gemeinsamen Sieg über diese zerstritten sich jedoch die Bündnispartner wegen der Aufteilung ihrer Beute.[20] Unter ihrem Khan Tardu (regierte von 575 bis 603), dem Nachfolger Iştemis, sagte sich das Westreich 584 vom Ostreich los und begann mit Zustimmung der damals in China herrschenden Sui-Dynastie seinen eigenen Machtbereich auszubauen. Dabei erschien Tardu offiziell als Verbündeter des chinesischen Kaisers.[19] So gelang es dem Westreich, sein Herrschaftsgebiet weiter auszudehnen und Tardu trat auch in diplomatische Beziehungen mit dem Byzantinischen Reich in seinem Krieg gegen die konkurrierenden Awaren ein. Als sich jedoch die Byzantiner mit diesen selbst verbündeten, kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen des türkischen Westreiches mit dem Byzantinischen Reich.[19]

In den Jahren 588 und 589 zogen die Türk des Westreiches, die sich nun als On-Ok (Volk der zehn Stämme) bezeichneten, mehrmals gegen die Sassaniden in den Krieg und gelangten dabei bis nach Herat.

Nach Tardus Tod folgten ihm einige unbedeutende Khagane nach, von denen nur die chinesischen Namen bekannt sind. Unter Khagan Tong Yehu konnte das Westreich einige Gebietsteile des Ostreiches erobern, sodass dieses vom Altai bis zum Kaspischen Meer reichte. Nach Tongs Tod wurde das türkische Westreich ab 657 nach und nach in chinesische Protektorate umgewandelt und 659 endgültig in den chinesischen Gesamtstaat eingegliedert.[19]

Nach der Eingliederung des Westreiches begannen 679 erste Aufstände der frühen Turkvölker gegen die Chinesen. So machte sich 683 der Aschina-Fürst Kutlug auf, die verschiedenen türkischen Stämme unter seiner Führung zu vereinen. Als Elteriş (Reichssammler) wurde er der neue Herrscher der Türken, stellte in nur einem Jahr das Göktürkenreich in seinen alten Grenzen wieder her und begann gezielte Einfälle in das chinesische Gebiet.[19] Diese Zeit wird in den um 727 entstandenen Steinstelen am Orchon beschrieben, deren Errichtung dem damaligen Reichsminister Tonyukuk zugeschrieben wird.

Die Erben des Göktürkischen Reiches

Datei:Bulgar warrior.jpg
Chasarischer Krieger mit einem Gefangenen (8. Jahrhundert). Die chasarischen Krieger waren schwerbewaffnete Reiter mit Brustpanzer, Kettenhemd und Helm.
Siedlungs- und Einflussgebiet der Kiptschaken um 1200
Die Petschenegen gegen die „Skyth“ von Swjatoslaw I. von Kiew
Grabstele eines Kiptschaken (12. Jahrhundert, Lugansk)

Mit dem Ende des Göktürkenreiches entstanden in der Folgezeit weitere turkvölkisch geprägte Nomadenstaaten. Diese waren einst Vasallen des westlichen Türkenreiches und konnten nach dessen Untergang eigene Wege gehen. So errichteten die Chasaren zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert in Südrussland ein weiteres Türkenreich, dessen Oberschicht sich von den Türk und deren Stämme aus einem Ogurenvolk ableitete.[21] Im Gegensatz zu den meisten anderen Turkvölkern nahmen die Chasaren das Judentum als Staatsreligion an.

Um 744 oder 745 erhoben sich die Uiguren gegen die Herrschaft der Türk. Sie töteten den letzten amtierenden Khagan der Türk, Ozmış, zerschlugen deren nomadisch-geprägten Staat und errichteten eine eigene Herrschaft in dem von Turkvölkern bewohnten Gebiet. Die Uiguren verstanden es, sich von der nomadischen Traditionen ihrer Vorgänger zu lösen und sehr gute Beziehungen zum chinesischen Nachbarn aufzubauen. Im Reich der Uiguren nahmen die iranischsprachigen Sogder eine wichtige Position ein, denn bereits gegen Ende der 750er Jahre nahm deren Herrscher Bögü Kontakt mit den sogdischen Manichäern auf. Im Zuge dieser Beziehungen traten die Uiguren 762 zum Manichäismus über, der die alte Religion des Tengrismus ablöste. Dadurch waren die Uiguren auch das erste Turkvolk, das eine anerkannte Hochreligion annahm.[21]

Um 840 erhoben sich die am Jenissej siedelnden Kirgisen gegen die uigurische Oberherrschaft und in einem kurzen Krieg zerschlugen sie das Reich der Uiguren. Die Kirgisen traten nun an die Stelle einer neuen Herrscherschicht, doch war dieses neue Türkenreich bereits wieder nomadisch geprägt. Die Jenissej-Kirgisen jener Zeit werden von chinesischen Historikern überwiegend als blond bis rothaarig und mit blauen und grünen Augen beschrieben und gelten als die Nachfahren der Dingling und K'ien-K'un.[22][23] Zweifellos haben die Kirgisen ihnen die Mythen entlehnt, in denen der mythische Wolf als Gatte von jungen Mädchen durch einen roten Hund ersetzt wird. .[24] Viele türkische Völker glaubten, dass sie von Wölfen abstammten oder mit diesen eng verbunden waren.

Die überlebenden Uiguren wanderten schließlich in den Süden und Südwesten ab, wo sie zwei neue Uigurenreiche gründeten. Von diesen existierte das westuigurische Reich von Qoço am längsten, da es sich 1209 freiwillig der Mongolenherrschaft des Dschingis Khan unterstellte und bis zum Ende der Yuan-Dynastie unter chinesischer Oberherrschaft bestehen blieb.[25] Das Uigurenreich im Tarimbecken wurde bereits 1028 von einem tibetanischstämmigen Volk, den Tanguten, ausgelöscht.[21]

In den Jahren 1090 und 1091 erreichten die türkischen Petschenegen die Mauern von Konstantinopel, wo Kaiser Alexios I. mit Hilfe der Kiptschaken ihre Armee vernichtete.[26] Ab dem 9. Jahrhundert begannen die Petschenegen eine schwierige Beziehung mit den Kiewer Rus. 914 gelang es Igor von Kiew die Petschenegen zu unterwerfen und tributpflichtig zu machen. Im Jahre 920 fand der Höhepunkt der Kämpfe statt. 943 gab es aber auch temporäre militärische Bündnisse zwischen Petschenegen und Byzantinern. Im Jahr 968 belagerten die Petschenegen die Stadt Kiew. In den darauffolgenden Jahren schloss ein Teil der Petschenegen ein Bündnis mit Igors Sohn Swjatoslaw I., dem neuen Fürsten von Kiew. In den Jahren 970-971 starteten sie zusammen Feldzüge gegen die Byzantiner. 972 starb Swjatoslaw I. bei einem Hinterhalt der Petschenegen. Verdrängt wurden die Petschenegen schließlich von den Kiptschaken. Auf dem heutigen Gebiet Tatarstans entwickelte sich eine ethnische Synthese zwischen dem kiptschakischen und dem oghurischen Zweig der Turkvölker. Diese ethnische Synthese bildete die Kernbevölkerung der Khanate von Kasan, Astrachan, Kasimov und Sibir (siehe Goldene Horde).

Einführung des Islams und Aufstieg turkischer Militärsklaven

Als die Araber im 8. Jahrhundert nach Mittelasien vordrangen, hatte das für die türkischen Stämme zwei Auswirkungen: Zum einen wurden viele Turkvölker zum Islam bekehrt.[27] Die turkstämmige Dynastie der Karachaniden war 999 die erste, die konvertierte. In ihrem Gebiet wurde der Islam als alleinige Religion festgeschrieben; die Karachaniden eroberten Buchara und stürzten die persischen Samaniden. Eine zentrale Rolle spielte in der Auseinandersetzung der beiden Dynastien der Dschihad der Samaniden gegen die zentralasiatischen Nomaden, der jedoch im Kern politisch motiviert war und nur der Vergrößerung der eigenen Armee diente. Im 12. Jahrhundert wurde das Reich der Karachaniden von den mongolischen Kara Kitai unterworfen.[21]

Vor allem aber dienten die Türken seit der Abbasidenherrschaft als Militärsklaven (Mamluken),[21] als welche sie bald zu einem zentralen Machtfaktor wurden, de facto weite Teile der islamischen Welt beherrschten und eigene Dynastien und Reiche gründeten. Das erste von einem muslimischen Türken gegründete Großreich war das der Sultane von Ghazna. 961 gelangte Alp Tigin, ein ehemaliger Mamluk im Dienste der Samaniden, an die Macht und löste den verstorbenen Herrscher Abd al-Malik in Balch im persischen Chorasan als regionalen Fürsten ab. In Zabul errichtete er ein kleines Fürstentum, das später unter seinem Nachfolger expandierte. Als eigentlicher Begründer der Dynastie gilt jedoch sein Sohn Mahmud (989–1030). Obwohl die Ghaznawiden ethnische Türken waren, lassen historische Dokumente und Biographien jedoch stark daran zweifeln, dass sie sich selbst auch als solche gesehen haben. Als persischsprachige Familie, die auch kulturell von der einheimischen Bevölkerung Chorasans assimiliert worden war, waren die Ghaznawiden der Anfang eines kulturellen Phänomens innerhalb der muslimischen Gesellschaft, das erst mit dem Siegeszug der späteren Osmanen (siehe unten) sein Ende fand: Nachkommen nomadischer Turkstämme wurden zum Islam bekehrt, übernahmen die persische oder arabische Sprache und verbreiteten selbst diese Kultur in andere Regionen (Indien, China, Anatolien).[28]

Von den Seldschuken zum Osmanischen Reich

Der größte Kontrahent der Ghaznawiden war wiederum eine türkische Dynastie, die Seldschuken.[27] Dieser oghusischen Clan siedelte zunächst an den Ufern des Aralsees, bevor sie im 11. Jahrhundert ein Großreich errichteten und sogar das Kalifat unter ihre Kontrolle brachten. Das byzantinische Reich bedrängend, stießen die Seldschuken auch nach Anatolien vor und begründeten dort mehrere Dynastien. Eine von ihnen war die im Jahr 1299 gegründete osmanische, die sich von einem seldschukischen Kleinfürsten namens Osman ableitete.[29] Die Osmanen waren ursprünglich ein kleiner turkmenischer Stamm, dem der Sultan der Rum-Seldschuken ein kleines Fürstentum (Beylik) an der Grenze zum Byzantinischem Reich überließ. Die meisten Türken der Türkei sehen sich selbst als Nachkommen der osmanischen Türken. Diese wiederum waren Angehörige der so genannten „Westoghusen“. Der Ursprung dieser als Oghusen bezeichneten Stämme liegt in der heutigen Mongolei.

Religion

Heute sind die meisten Angehörigen der Turkvölker Muslime, die Mehrheit davon Sunniten und Schiiten. Es gibt unter ihnen auch Angehörige anderer Religionen wie Aleviten, Tengristen, Buddhisten, Juden und Christen.

Schrift und Sprache

Das Prototürkische, also die Ursprungssprache aller lebenden Turksprachen, ist noch nicht rekonstruiert. Versuche dazu sind jedoch schon vorhanden.[30]

Im frühen Mittelalter verwendeten die Turkvölker ein runenähnliches Schriftsystem, das die Wissenschaft heute als Runentürkisch bezeichnet. Dieses Schriftsystem wurde später von einem semitischen Schriftsystem abgelöst, das als syro-uigurisches Alphabet bezeichnet wird und die Basis des heutigen mongolischen Alphabetes ist. Nach der Übernahme des Islam setzte sich bei den Turkvölkern das arabische Alphabet durch.

In den 1920er wurde begonnen, die arabischen Schriftsysteme durch lateinisch-basierte abzulösen (siehe Türkische Lateinalphabete). Doch bereits in den 1930er Jahren wurden die meisten von ihnen auf ein kyrillisches Alphabet umgestellt. Allein die heutige Türkei verwendete seit 1928 nur noch das lateinische Alphabet, während die turksprachigen Minderheiten in den arabischen Staaten, dem Iran und Afghanistan weiterhin mit arabischen Schriftsystemen arbeiten.

Mit dem Zusammenbruch der damaligen Sowjetunion (ab 1989) beschlossen die meisten Turkvölker, im Bereich der ehemaligen UdSSR eine erneute Latinisierung durchzuführen. Mit Ausnahme der Staaten Kasachstan und Kirgisistan wurde diese inzwischen dort durchgeführt. Kasachstan und Kirgisistan begründen jeweils das Beibehalten des kyrillischen Alphabetes mit der russischen Minderheit in ihren Ländern.

Die Turksprachen bilden eine der größeren Sprachfamilien der Welt.[31][32] Sie sind vom osteuropäischen Balkanraum über die Türkei und den Kaukasus bis hin zum zentralasiatischen und sibirischen Siedlungsraum zerstreut. Dennoch sind sie untereinander sowohl im grammatischen Bau wie auch im Grundwortschatz noch sehr eng miteinander verwandt. Aufgrund dieser nahen Sprachverwandtschaft ist eine mündliche Verständlichkeit zwischen ihnen gegeben, jedoch teilweise mit Schwierigkeiten.[33] Eine vermutete Sprachfamilie oder ein Sprachbund mit den altaischen Sprachen, die auch die mongolische Sprache und die tungusische Sprache umfasst, wird heute von manchen Forschern bestritten.

Die Turksprachen werden in vier Gruppen eingeteilt: [34]

  1. Südwestliche Gruppe (Oghusische Gruppe)
  2. Nordwestliche Gruppe (Kyptschakische Gruppe)
  3. Südöstliche Gruppe (Türki- oder Uigurische Gruppe)
  4. Nordöstliche Gruppe (Sibirische Gruppe)

Die aktuelle Klassifizierung der Turksprachen ist im dortigen Artikel aufgeführt.

Galerie: Die heutige Verbreitung der Turkvölker

Siehe auch

Literatur

  • K. Heinrich Menges: The Turkic Language and People. Wiesbaden 1968 (englisch).
  • Colin Renfrew: Archaeology and Language. The Puzzle of Indoeuropean Origins. Jonathan Cape, London 1987, S. 131–133 (englisch).
  • Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: Die frühen Türken in Zentralasien. Eine Einführung in ihre Geschichte und Kultur. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-11689-5.
  • Peter Benjamin Golden: An Introduction to the History of the Turkic Peoples. Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East. Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03274-X (englisch).
  • Colin Renfrew: World Linguistic Diversity. In: Scientific American. Band 270, Nr. 1, 1994, S. 118 (englisch).
  • Dschalal Mamadow, Vougar Aslanow: Turan. Geheimnisvolles Reich der Turkvölker. In: Wostok, Informationen aus dem Osten für den Westen. Heft 2, Berlin 2003, S. 75–77.
  • Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. Oxford University Press, New York 2005, ISBN 0-19-517726-6 (englisch).
  • Bert Fragner, Andreas Kappeler (Hrsg.): Zentralasien. 13. bis 20. Jahrhundert. Geschichte und Gesellschaft. Promedia, Wien 2006, ISBN 978-3-853-71255-9.
  • Udo Steinbach: Geschichte der Türkei. 4., durchgesehene und aktualisierte Ausgabe. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-44743-3.

Mehrbändiges Werk:

  • Jean Deny u. a. (Hrsg.): Philologiae Turcicae Fundamenta. Band 1: Sprachen der Türkvölker, Wiesbaden 1959.
  • Louis Bazin u. a. (Hrsg.): Philologiae Turcicae Fundamenta. Band 2: Literaturen der Türkvölker, Wiesbaden 1964.
  • Hans Robert Roemer (Hrsg.): Philologiae Turcicae Fundamenta. Band 3: Geschichte der Türkvölker, Schwarz, Berlin 2000; englisch: Wolfgang-Ekkehard Scharlipp (Hrsg.): History of the Turkic Peoples in the Pre-Islamic Period. Berlin 2000, ISBN 3-87997-283-4.

Weblinks

 Commons: Turkvölker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Peter Benjamin Golden: An Introduction to the History of the Turkic Peoples. Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East. Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03274-X, S. 1.
  2. Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. S. 6.
  3. Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. S. 38.
  4. Wolfgang-Ekkehart Scharlipp: Die frühen Türken. S. 14.
  5. Wolfgang-Ekkehart Scharlipp: Die frühen Türken. S. 18.
  6. Vgl. M. Weiers: Kök-Türken. 1998 (PDF; 141 kB).
  7. „[…] Über die Ethnogenese dieses Stammes ist viel gerätselt worden. Auffallend ist, dass viele zentrale Begriffe iranischen Ursprungs sind. Dies betrifft fast alle Titel. Einige Gelehrte wollen auch die Eigenbezeichnung türk auf einen iranischen Ursprung zurückführen und ihn mit dem Wort Turan, der persischen Bezeichnung für das Land jenseits des Oxus, in Verbindung bringen.“ Wolfgang-Ekkehard Scharlipp, in: Die frühen Türken in Zentralasien. S. 18.
  8. The linguistically non-Turkic name A-shih-na probably comes from of the Iranian languages of Central Asia and means blue […]” Carter Vaughn Findley, in: The Turks in World History. S. 39.
  9. […] The founders of the Türk Empire, Istemi and Bumin, both had non-Turkish names […]. Far from leading to a pure national essence, the search for Turkic origins leads to a multiethnic and multilingual steppe milieu.” Carter Vaughn Findley, in: The Turks in World History., S. 19.
  10. 10,0 10,1 10,2 10,3 10,4 Peter Zieme: Die Alttürkischen Reiche in der Mongolei. In: Dschingis Khan und seine Erben. Das Weltreich der Mongolen. Sonderband zur Ausstellung 2005/2006, S. 64.
  11. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 5. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 9 und 323.
  12. Vgl. M. Weiers: Türken, Protomongolen und Prototibeter im Osten. 1998 (PDF; 21 kB).
  13. Wolfgang-Ekkard Scharlipp: Die frühen Türken. S. 9.
  14. Klaus Kreiser: Kleine Geschichte der Türkei. Stuttgart 2003, S. 20.
  15. Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. S. 28.
  16. Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: Die frühen Türken. S. 2.
  17. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 6. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-703-3, S. 9.
  18. […] The Xiongnu were a confederation of tribal peoples. As usual in tribal societies, their confederation and even the member tribes were probably polyethnic in origin. […] It has been widely held that the Xiongnu, or at least their ruling clans, had or were acquiring a Turkic identity, or at least an Altaic one. […]” Carter Vaughn Findley, in: The Turks in World History. S. 28 f.
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 19,4 Peter Zieme: Die Alttürkischen Reiche in der Mongolei. In: Dschingis Khan und seine Erben. Das Weltreich der Mongolen. Sonderband zur Ausstellung 2005/2006, S. 65.
  20. Vgl. M. Weiers: Gök-Türken. 1998 (PDF; 141 kB).
  21. 21,0 21,1 21,2 21,3 21,4 Vgl. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 6. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-703-3, S. 10 ff.
  22. Svenska forskningsinstitutet i Istanbul, Turcica et orientalia, 1988, S.54
  23. Werner Leimbach, Landeskunde von Tuwa. Das Gebiet des Jenissei-Oberlaufes, J. Perthes, 1936, S.98
  24. Götter und Mythen in Zentralasien und Nordeurasien. Käthe Uray-Kőhalmi, Jean-Paul Roux, Pertev N. Boratav, Edith Vertes ISBN 3-12-909870-4 Daraus: Jean-Paul Roux, Die alttürkische Mythologie, Der Wolf, S.204
  25. Peter Zieme: Die Alttürkischen Reiche in der Mongolei. In: Dschingis Khan und seine Erben. Das Weltreich der Mongolen. Sonderband zur Ausstellung 2005/2006, S. 67.
  26. The Pechenegs, Steven Lowe and Dmitriy V. Ryaboy
  27. 27,0 27,1 Vergleiche Sonderausstellung Linden-Museum Stuttgart: Der lange Weg der Türken. 13. September 2003 bis 18. April 2004 (Kopie bei archive.org).
  28. Vgl. Encyclopaedia Iranica: Ghaznavids. (Online-Version).
  29. Vergleiche Richard Hooker: The Ottomans: Origins. In: World Civilizations. 1996 (englisch; Kopie aus archive.org).
  30. Gerhard Doerfer Proto-Turkic: Reconstruction Problems. In: Belleten. 1975/1976.
  31. Brigitte Moser, Michael Wilhelm Weithmann: Landeskunde Türkei: Geschichte, Gesellschaft und Kultur. Buske Verlag, 2008, S. 173.
  32. Deutsches Orient-Institut: Orient. Band 41, Alfred Röper, 2000, S. 611.
  33. Heinz F. Wendt: Fischer Lexikon Sprachen. Kapitel Turksprachen, S. 317.
  34. Vgl. Turkologie, Gutenberg-Universität.
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