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Tapferkeit

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Tapfer ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Zum österreichischen Gynäkologen siehe Siegfried Tapfer.
Die Tapferkeit (allegorische Darstellung von 1524)

Tapferkeit (lat. fortitudo, griechisch ἀνδρεία andreia) ist die menschliche Fähigkeit, als Individuum oder als Gruppe Gleichgesinnter einer schwierigen Situation furchtlos entgegenzutreten, meist mit der Überzeugung, für etwas Übergeordnetes zu kämpfen. Tapferkeit zeigt sich in dem Willen, ohne Garantie auf die eigene Unversehrtheit einen physischen oder mentalen Konflikt durchzustehen – im Allgemeinen mit der Motivation, einen Sieg zu erringen, und der Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang. Tapferkeit kann materiell und/oder immateriell belohnt werden, z.B. durch eine Beförderung, einen Geldbetrag, einen Orden („Tapferkeitsmedaille“) und/oder durch Anerkennung von Dritten (siehe auch Ehre, Ruhm).

Seit Platon zählt die Tapferkeit zu den vier Kardinaltugenden. Die Mesotes-Lehre des altgriechischen Philosophen Aristoteles definiert Tapferkeit als Mitte zwischen „Tollkühnheit“ und „Feigheit“.

Im heutigen Sprachgebrauch ist Tapferkeit ein Synonym für oder Teilaspekt von Mut.

Die Tugend der Standhaftigkeit steht in einem ähnlichen Kontext; sie bezeichnet mehr noch als die Tapferkeit den Willen, sich in aussichtslosen Situationen zu behaupten. Anders jedoch als der Mut hat die Standhaftigkeit ihre Wurzel in der Gewohnheit, mit der ein menschliches Individuum einer Gefahr gegenübertritt.

Aristoteles

Aristoteles behandelt in der Nikomachischen Ethik[1] die „ἀνδρεία“ (andreia).[2]

„ἀνδρεία“ wird im Deutschen mit Tapferkeit[3] oder – wohl zutreffender[4] – mit Mut[5] übersetzt, im Englischen mit courage.[6]

„ἀνδρεία ist eigentlich die ‚Männlichkeit‘, d.h. die Tugend, durch die ein Mann beweist, daß er ein Mann, ἀνήρ, ist.“[7]

Für Aristoteles ist der Mut eine „Tugend“ (arete), genauer eine ethische Tugend. Das „von Platon im Staat fixierte Schema der Kardinaltugenden [spielt] bei Aristoteles kaum eine Rolle“.[8] Erst am Ende der Überleitung zur Tugend der Besonnenheit (σωφροσύνη) heißt es, dass der Mut wie diese nach einigen (d.h. nach Platon) eine Tugend der „irrationalen Seelenteile“ (τῶν ἀλόγων μερῶν) sein soll.[9]

Sinn des Mutes/der Tapferkeit als Tugend ist die Verwirklichung des Guten: „Der Tapfere ist unerschrocken nach dem Maße des Menschen. Er wird nun auch die menschlicherweise furchterregenden Dinge fürchten; aber so wie es Pflicht ist und wie es die Vernunft will, wird er sie tragen um des Guten willen.“[10]

Auch für die Tapferkeit gilt, dass sie die μεσότης (Mitte im Sinne von rechte Mitte, Optimum) zwischen zwei Extremen ist (Mesotes-Lehre):[11]

„... ἡ ἀνδρεία μεσότης ἐστὶ περὶ θαρραλέα καὶ φοβερά ...“[12]

Dies wird übersetzt mit: Der Mut/die Tapferkeit ist eine/die Mitte zwischen „sinnloser Zuversicht“/„Zuversicht“/„Verwegenheit“ (θάρρη) (englisch: confidence[13]) und „Furcht“/„Angst“ (φόβος) (englisch: fear[14]).

Nach Aristoteles hält der Mutige dem Furchtbaren stand. „Das Furchtbarste ist aber der Tod.“[15] Der Mut bezieht sich insbesondere auf den edlen Tod: „Im echten Sinn also darf als tapfer bezeichnet werden, wer keine Furcht hat vor dem Tod in Ehre und keine Furcht vor dem, was unmittelbar ans Leben geht: wir meinen aber damit vor allem die Gefahr im Kampfe.“[16]

Gegen die Tapferkeit als Tugend der Mitte kann in mehrfacher Hinsicht gefehlt werden: „Hierbei besteht ein Fehler darin, dass man sich fürchtet, da man nicht soll, weitere Fehler darin, dass dies geschieht, wie man oder wann man nicht soll, und in dergleichen mehr; dieselben Fehler gibt es in Bezug auf die Zuversicht.“[17]

Mut/Tapferkeit setzt voraus, dass man Furcht empfindet. Gegen den Mut/die Tapferkeit verstößt zum einen ein Übermaß an Furchtlosgkeit.[18] Dafür findet Aristoteles im Griechischen keinen Namen. Man könne den Betreffenden wahnsinnig[19], verrückt[20] bzw. unempfindlich[21], von dumpfer Empfindungslosigkeit[22] oder stumpfsinnig[23] nennen.

Ein Extrem des Mangels an Tapferkeit ist die Feigheit (ἡ δειλία; englisch: cowardice[24]):

„Wer sich übermäßig fürchtet, ist feig. Auf ihn trifft zu, dass er fürchtet was er nicht soll, und wie er nicht soll, und alles dergleichen.“[25]

Das andere Extrem ist die Tollkühnheit (Griech.: ἡ θρασύτης; englisch: rashness[26]):

„Wer durch ein Übermaß von Zuversicht dem Furchtbaren gegenüber fehlt, ist tollkühn.“[27]

Dabei steht die Tollkühnheit der Tapferkeit näher als die Feigheit.[28] Das Verhalten des Tollkühnen unterscheidet sich jedoch von dem des Tapferen (des Mutigen): „Die Tollkühnen sind voreilig und voll Entschiedenheit vor der Gefahr, in der Gefahr aber lassen sie nach. Die Mutigen aber sind bei der Tat wacker, vorher dagegen ruhig.“[29]

Als Quintessenz der Verortung der Tapferkeit wird festgehalten, dass Tapferkeit nach Aristoteles „die Mitte zwischen Tollkühnheit und Feigheit“ ist.[30]

Neuzeit

Søren Kierkegaard stellte die Tapferkeit der Angst gegenüber, während Paul Tillich den existenziellen Mut zum Leben dem Nichtsein entgegensetzte; er setzte ihn grundlegend mit der Religion gleich.[31]

J. R. R. Tolkien stellte 1936 in seiner Vorlesung Beowulf: Die Ungeheuer und ihre Kritiker eine nordische „Theorie von Tapferkeit“ auf.

Jacob Grimm stellte in seinem Werk Deutsche Mythologie fest, dass tugendhaftes heidnisches Heldentum oder Mut sich auf seine eigene Kraft verlässt. Männer, die ihrer heidnischen Religion angewidert den Rücken kehrten, setzten ihr Vertrauen in ihre eigene Stärke und Tugend.[32]

Ernest Hemingway definierte Tapferkeit als „Gnade unter Druck“. Er verstand darunter die Fähigkeit, eine Niederlage ohne Panik zu ertragen.[33]

Winston Churchill sagte: „Die Tapferkeit wird zurecht als die erste der positiven Eigenschaften des Menschen angesehen, weil sie diejenige ist, die alle anderen gewährleistet.“[34]

Auszeichnungen für Tapferkeit

  • Das Victoria Cross (deutsch: „Victoria-Kreuz“) ist die höchste Kriegsauszeichnung der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs und einiger Staaten des Commonwealth. Es wird für herausragende Tapferkeit im Angesicht des Feindes verliehen.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Tapferkeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  1. Dies im Rahmen seiner Mesotes-Lehre im II. Buch, 8. Kapitel (II, 8) und im Näheren im III. Buch, im 9.–12. Kapitel (III, 9–12)
  2. Wer die ἀνδρεία hat, ist ἀνδρεῖος (tapfer) und heißt „ὁ ἀνδρεῖος“ (der Tapfere)
  3. z.B. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Übersetzt von Olog Gigon. Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2001, III, 9, S. 117; Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Franz Dirlmeier. Reclam, Stuttgart 2004, III, 9, S. 71
  4. Apel/Ludz, Philosophisches Wörterbuch. 6. Auflage. de Gruyter, Berlin / New York 1976, Aristoteles
  5. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Eugen Rolfes. 2. Auflage. Meiner, Leipzig 1921 (http://www.textlog.de/33444.html); P.-A. Gauthier: Der Starkmut. In: Arbeitsgemeinschaft von Theologen (Hrsg.): Die katholische Glaubenswelt – Wegweisung und Lehre. 3. Auflage. Herder, Freiburg [u.a.] 1960, Bd. 2: Moraltheologie, S. 831 (833)
  6. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von William David Ross. Clarendom Press, 1908 (Griech./Engl.) [1]
  7. P.-A. Gauthier: Der Starkmut. In: Arbeitsgemeinschaft von Theologen (Hrsg.): Die katholische Glaubenswelt – Wegweisung und Lehre. 3. Auflage. Herder, Freiburg [u.a.] 1960, Bd. 2: Moraltheologie, S. 831 (833)
  8. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Übersetzt von Olog Gigon. Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2001, Erläuterungen [zu III 9], S. 488
  9. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von William David Ross. Clarendom Press, 1908 (Griech./Engl.) [2], 1117b, 20 [III, 13]
  10. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Übersetzt von Olog Gigon. Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2001, III, 10; 1115b, S. 119; im Griechischen: „φοβήσεται μὲν οὖν καὶ τὰ τοιαῦτα, ὡς δεῖ δὲ καὶ ὡς ὁ λόγος ὑπομενεῖ τοῦ καλοῦ ἕνεκα· τοῦτο γὰρ τέλος τῆς ἀρετῆς.“ Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von William David Ross. Clarendom Press, 1908 (Griech./Engl.) [3], 1115b, 10
  11. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Franz Dirlmeier. Reclam, Stuttgart 2004, II, 8, S. 83
  12. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von William David Ross. Clarendom Press, 1908 (Griech./Engl.) [4], 1116a, 10; ebenso: „μεσότης ἐστὶ περὶ φόβους καὶ θάρρη“, a.a.O., [III, 8], 1115 a5
  13. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von William David Ross. Clarendom Press, 1908 (Griech./Engl.) [5]
  14. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von William David Ross. Clarendom Press, 1908 (Griech./Engl.) [6]
  15. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Übersetzt von Olog Gigon. Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2001, III, 9.
  16. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Franz Dirlmeier. Reclam, Stuttgart 2004, III, 9, S. 72
  17. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Eugen Rolfes. 2. Auflage. Meiner, Leipzig 1921 (http://www.textlog.de/aristoteles-ethik.html), III, 10; 1115b
  18. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Übersetzt von Olog Gigon. Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2001, III, 10; S. 121
  19. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Übersetzt von Olog Gigon. Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2001, III, 10, S. 121
  20. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Eugen Rolfes. 2. Auflage. Meiner, Leipzig 1921 (http://www.textlog.de/aristoteles-ethik.html)
  21. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Übersetzt von Olog Gigon. Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2001, III, 10, S. 121
  22. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Franz Dirlmeier. Reclam, Stuttgart 2004, III, 10, S. 71
  23. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Eugen Rolfes. 2. Auflage. Meiner, Leipzig 1921 (http://www.textlog.de/aristoteles-ethik.html), III, 10: Stumpfsinniger
  24. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von William David Ross. Clarendom Press, 1908 (Griech./Engl.) [7], II, 8
  25. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Eugen Rolfes. 2. Auflage. Meiner, Leipzig 1921 (http://www.textlog.de/aristoteles-ethik.html), III, 10; 1115b
  26. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von William David Ross. Clarendom Press, 1908 (Griech./Engl.) [8], II, 8
  27. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Eugen Rolfes. 2. Auflage. Meiner, Leipzig 1921 (http://www.textlog.de/aristoteles-ethik.html), III, 10; 1115b
  28. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Übersetzt von Olog Gigon. Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2001, II, 8, 1108b, S. 83: Die Tollkühnheit hat „eine gewisse Verwandtschaft zur Mitte“.
  29. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Eugen Rolfes. 2. Auflage. Meiner, Leipzig 1921 (http://www.textlog.de/aristoteles-ethik.html), III, 10; 1116a
  30. K. Wuchterl: Einführung in die Philosophiegeschichte, Bern u.a. 2000, S. 58
  31. Paul Tillich: The Courage To Be. Collins, London 1952, S. 152–183.
  32. Jacob Grimm: Deutsche Mythologie. Dieterich, Göttingen 1835
  33. Messages From a Divided Man New York Times – Books, 29. März 1981, Irwing Howe
  34. Courage is rightly esteemed the first of human qualities because it’s the quality which guarantees all others. Forbes Quotes
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