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Salaspils (Lager)

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Ansicht des Lagers, Aufnahme einer SS-Propagandakompanie, 1941
Häftlingsappell, Aufnahme einer SS-Propagandakompanie vom 22. Dezember 1941

Ende 1941 wurde 18 km südöstlich von Riga das "Erweiterte Polizeigefängnis" und Arbeitserziehungslager Salaspils errichtet. Es wurde auch als Lager Kurtenhof nach einem Gutshof nördlich von Salaspils geführt. Planungen für den Ausbau des Lagers und dessen Häftlingsstruktur änderten sich mehrfach. Der Reichsführer-SS Heinrich Himmler erwog 1943 kurzzeitig, es förmlich zum Konzentrationslager umzuwandeln und dem Reichssicherheitshauptamt zu unterstellen, doch dazu kam es nicht.[1] Ende September 1944 wurde das Lager aufgelöst; die Häftlinge wurden mit Schiffen in das Konzentrationslager Stutthof verbracht.[2]

Ursprüngliche Planung

SS-Sturmbannführer Rudolf Lange, zunächst der Einsatzgruppe A beigeordnet, ab Dezember 1941 Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD und kurz darauf Teilnehmer der Wannseekonferenz, plante im Oktober 1941, in Salaspils eine Polizeihaftstätte und ein Lager für deutsche Juden einzurichten. Im Auftrag von Rudolf Lange richtete ab Oktober 1941 SS-Obersturmführer Gerhard Maywald zwanzig Kilometer südöstlich von Riga in der Nähe der Düna das Arbeitslager Salaspils ein. Der Ort war durch die Eisenbahnverbindung Riga – Daugavpils gut erreichbar; die Häftlinge sollten beim Torfabbau eingesetzt werden. Auch sämtliche „in Riga und Lettland übriggebliebene Juden“ sollten hier konzentriert werden, wobei Männer und Frauen getrennt werden sollten, um „eine weitere Vermehrung zu verhindern“.[3]

Lagerbau und Planänderungen

Überraschend eintreffende erste Transporte mit deutschen Juden, die im Oktober 1941 vom ursprünglichen Zielort Minsk nach Riga umgeleitet worden waren, konnten noch nicht in Salaspils aufgenommen werden und wurden notdürftig im KZ Jungfernhof oder wenig später im „freigemachten“ Ghetto Riga untergebracht.

Das Lagergelände wurde im Oktober 1941 von sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem Salaspilser Zweiglager Stalag 350/Z des Rigaer Stammlagers 350 und von deportierten tschechischen sowie wenigen deutschen Juden vom KZ Jungfernhof planiert. Mitte Januar 1942 arbeiteten beim Ausbau des Lagers mindestens 1.000 Juden mit, die größtenteils aus dem Ghetto Riga herbei geschafft waren. Unzureichende Unterbringung und sanitäre Verhältnisse, Mangelernährung und strenge Kälte verursachten eine außerordentlich hohe Sterblichkeit.

Eine neue Planung vom Februar 1942 sah den Ausbau des Lagers für 15.000 Menschen vor, um vorerst die aus dem Reich stammenden deutschen Juden aufzunehmen, die dann Ende des Sommers „weiter abgeschoben“ werden sollten. Ein Teil könne schon vorher als „erweitertes Polizeigefängnis“ benutzt werden, später das Lager ganz als „Polizeihaftlager des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD in Riga“ und zudem als „Arbeitserziehungslager“ dienen.[4] Auch dieser Plan wurde nicht so umgesetzt.

Im Herbst 1942 bestand das Lager aus 15 von 45 geplanten Baracken, in denen 1.800 politische Häftlinge untergebracht waren. Das „erweiterte Polizeigefängnis und Arbeitserziehungslager“ war nach eigenem Bekunden Langes einem deutschen Konzentrationslager vergleichbar „sowohl hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitseinsatzes und der Behandlung der Häftlinge, wie auch hinsichtlich der Art der Häftlinge.“[5] Ende 1942 befanden sich dort hauptsächlich politische Gefangene, die zuvor ohne Gerichtsurteil durch Schutzhaftbefehl in das Rigaer Zentralgefängnis eingewiesen worden waren, außerdem internierte Ausländer sowie lettische Rückkehrer aus altrussischem Gebiet, die politisch überprüft werden sollten. Ferner saßen „Arbeitserziehungshäftlinge“ und straffällig gewordene Angehörige der Schutzmannschaften dort ein. Im Lager befanden sich nur noch zwölf Juden; viele waren verstorben oder entkräftet nach Riga zurückgebracht worden.

Kinder in Salaspils

Als Folge der zwischen Januar bis März 1943 durchgeführten „Bandenbekämpfungsaktion“ (Operation Winterzauber) im lettisch-russischen Grenzgebiet wurden 2.288 Personen nach Salaspils verschleppt, das zu dieser Zeit mit 1.990 Häftlingen belegt war. Unter den neu eingewiesenen Personen befanden sich etwa 1.100 so genannte „Bandenkinder“, die größtenteils ohne ihre erwachsenen Angehörigen aufgegriffen worden waren.[6] Die Kinder sollten in Heime und Waisenhäuser verlegt werden; arbeitsfähige Jugendliche sollten auf Bauernhöfe vermittelt werden. Nach anderen Plänen sollten Kinder in einer abgesonderten Abteilung des Lagers Majdanek untergebracht werden; tatsächlich wurden sie später in das „Jugendverwahrlager Litzmannstadt“ eingewiesen.

Wegen einer Fleckfieberinfektion und einer Lagersperre verblieben diese Kinder jedoch längere Zeit in völlig verwahrlostem Zustand in einer gesonderten Baracke im Lager Salaspils, wo „mehrere hundert eines elenden Todes starben.“[7] Nach Angaben einer sowjetischen „Außerordentlichen Staatskommission zur Untersuchung der deutsch-faschistischen Verbrechen“ von 1946 sollen hingegen im „Kinderlager“ von Salaspils etwa 12.000 Kinder inhaftiert gewesen sein, von denen mindestens 7.000 jüdische Kinder benutzt wurden, um deren Blut als Konserven in deutschen Lazaretts einzusetzen.[8][9][10][11]

Diese Behauptungen sind von den jüngsten deutschen Veröffentlichungen nicht übernommen worden und gehen mit deren Darstellung nicht überein. Die Materialien der „Außerordentlichen Staatskommission“ werden vielmehr wegen ihrer „relativ pauschalen Schätzungen zu Opferzahlen“ und ihres „starr vorgegebenen Untersuchungsschemas“ kritisiert. [12]

Opferzahlen

Das Alltagsgeschehen in Salaspils ist auch durch neue Forschungen „schwer rekonstruierbar“.[13] Vermutlich haben in der Zeit seines Bestehens 12.000 Häftlinge das Lager durchlaufen.[14] Neben den deutsch-jüdischen Opfern während der Aufbauphase kamen weitere 2.000 bis 3.000 Menschen hier um, wobei der Anteil von Kindern und Jugendlichen aus den „Bandengebieten“ besonders hoch sein soll.[15]

Ein Grund für die unterschiedlichen Angaben zu den Opferzahlen kann darin bestehen, dass in Salaspils zwei Lager existierten:

  • das „Arbeits- und Erziehungslager Salaspils“
  • das Zweiglager Stalag 350/Z

Wenige Kilometer vom Lager Salaspils entfernt kam es 1941 im Wald von Rumbula zur Erschießung von 25.000 Juden. 2002 wurde auch an dieser Stelle eine Gedenkstätte eingerichtet.

Nachgeschichte

Eingang zur heutigen Gedenkstätte
Platz der Gedenkstätte

Ab dem Jahre 1949 wurde gegen die verantwortlichen Täter im Rigaer Ghetto, im KZ Jungfernhof und in Salaspils ermittelt. Einige Angeklagte wurden zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt.[16]

Zur Erinnerung an die im Lager Umgekommenen wurde 1967 eine Gedenkstätte errichtet; ein Ausstellungsraum, mehrere Skulpturen und ein Marmorblock, in welchem ein Metronom an den Herzschlag der Toten erinnert und eingemeißelte Striche die Tage des Leidens zählen.

Zur Zeit der Sowjetunion hatte die russische Gruppe Singende Gitarren (russ. Поющие гитары) dem Kinderlager das Lied Salaspils (russ. Саласпилс) gewidmet.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: Lager Salaspils – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Andrej Angrick, Peter Klein: Die „Endlösung“ in Riga. Darmstadt 2006, ISBN 3-534-19149-8, S. 256f.
  2. Franziska Jahn: Salaspils. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel: Der Ort des Terrors. Band 9. München 2009, ISBN 978-3-406-57238-8, S. 548 und S. 553.
  3. Andrej Angrick, Peter Klein: Riga 1941–1944. In: Gerd R. Ueberschär: Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Primus, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-232-0, S. 197.
  4. Andrej Angrick, Peter Klein: Die „Endlösung“ in Riga. Darmstadt 2006, ISBN 3-534-19149-8, S. 246f.
  5. Peter Klein: Dr. Rudolf Lange als Kommandant der Sicherheitspolizei und des SD in Lettland. In: Wolf Kaiser (Hrsg.): Täter im Vernichtungskrieg. Berlin 2002, ISBN 3-549-07161-2, S. 129
  6. Andrej Angrick, Peter Klein: Die „Endlösung“ … ISBN 3-534-19149-8, S. 254f.
  7. Marģers Vestermanis: Die nationalsozialistischen Haftstätten und Todeslager im okkupierten Lettland 1941–1945. In: Ulrich Herbert u.a. (Hrsg): Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 1. Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-15516-9, S. 478f.
  8. Latvia Under the Nazi Yoke: Dokument Nr. 16, S. 64
  9. Dokument Nr. 17 Gerichtsmedizinische Untersuchungen der Staatlichen Sonderkommission zu Verbrechen im Lager Salaspils vom 28. April 1945 (russ: Акт судебно-медицинской экспертизы Государственной чрезвычайной комиссии о злодеяниях, совершенных в Саласпилском лагере 28 апреля 1945 г.) in: Lettland unter dem Joch des Naziregimes (russ: Латвия под игом нацизма)
  10. Salaspils, Historical background (englisch)
  11. Salaspils (russisch)
  12. Dieter Pohl: Die einheimischen Forschungen und der Mord an Juden in den besetzten Gebieten. In: Wolf Kaiser: Täter im Vernichtungskrieg. Berlin 2002, ISBN 3-549-07161-2, S. 206. Siehe auch Marģers Vestermanis: Die nationalsozialistischen Haftstätten … ISBN 3-596-15516-9, S. 476.
  13. Andrej Angrick, Peter Klein: Riga 1941–1944 … ISBN 3-89678-232-0, S. 199
  14. Franziska Jahn: Salaspils. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel: Der Ort des Terrors. Band 9. München 2009, ISBN 978-3-406-57238-8, S. 554.
  15. Andrej Angrick, Peter Klein: Die „Endlösung“ … ISBN 3-534-19149-8, S. 269. Ausdrücklich zurückgewiesen wird die Behauptung, dies sei ein Todeslager mit 53.000 Opfern gewesen
  16. Andrej Angrick, Peter Klein: Riga 1941–1944 … ISBN 3-89678-232-0, S. 201.
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