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Rassenkampf

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Der Begriff Rassenkampf wurde in der darwinistischen Soziologie des 19. Jahrhunderts – am gründlichsten bei Ludwig Gumplowicz – benutzt, um die Konflikte zwischen gesellschaftlichen Gruppen in der Geschichte als soziale Prozesse zu erklären. Der Sozialdarwinismus gilt seit den 1920er Jahren als überholt, beeinflusste aber bis dahin die sozialpolitischen Diskussionen in erheblichem Maße, indem er Rassismus und Kolonialismus wissenschaftlich zu legitimieren versuchte. Er diente darüber hinaus als ideologische Basis der Eugenik. Die sozialdarwinistische Rassenkampf-Ideologie kann im Sinne eines Extremismus der Mitte als reaktionäres bürgerliches Gegenkonzept zur sozialistischen Bewegung des 19. Jahrhunderts aufgefasst werden.

„Rassenkampf“ vor Gumplowicz

Schon bald nach der Übertragung des Rassebegriffs auf den Menschen durch Arthur de Gobineau in dessen Essay Sur l’inégalité des races humaines (1853–1855), in dem er die Überlegenheit einer „arischen Rasse“ zu begründen versuchte, proklamierte dessen Pariser Zeitgenosse Moses Hess, ein Mentor und Mitautor von Karl Marx bei der Rheinischen Zeitung und Die deutsche Ideologie, in seinem Werk Rom und Jerusalem von 1862 die Notwendigkeit eines „letzten Racenkampfes“. Nach Moses Hess bewegte sich die Geschichte in Rassen- und Klassenkämpfen, wobei der „Rassenkampf“ das „Ursprüngliche“ und der Klassenkampf das Sekundäre sei. Die letzte „herrschende Rasse“ sei die „germanische“ gewesen, bis das französische Volk zu einer „Versöhnung des Racenantagonismus“ gelangt sei, indem es „die letzte herrschende Race in ihrem Chef enthauptet hat“. Dank der französischen Revolution sei im französischen Volk die „Rassenherrschaft“ zu Ende gegangen. Hess glaubte als Deutscher im Exil, ein letzter „Racenkampf schein(e) erst durchgefochten werden zu müssen, bevor den Deutschen die sociale, die humane Bildung ebenso in Fleisch und Blut übergegangen sein wird“. Darüber hinaus nahm Hess die Existenz einer ursprünglichen „jüdische(n) Race“ an, die in ihrem „Typus im Laufe der Jahrhunderte stets gleich geblieben“ sei.

„Rassenkampf“ bei Gumplowicz

Nach der Lehre von Ludwig Gumplowicz, der als einer der Väter der europäischen Soziologie gilt, sei es die Aufgabe der Soziologie Darwins allgemeine Entwicklungsgesetze auf den Menschen auf sein soziales Handeln anzuwenden. Die Soziologie ist nach Gumplowicz eine Lehre von den sozialen Gruppen, ihrem gegenseitigen Verhalten und ihren dadurch bedingten Schicksalen.

Der einzelne Mensch gilt Gumplowicz als soziales Atom, als passives Glied einer Gruppe und Produkt seiner Umwelt. Die Gruppe ist das die Menschen verbindende soziale Element. Soziale Erscheinungen sind nach Gumplowicz Verhältnisse, die durch das Zusammenwirken von Menschengruppen und Gemeinschaften zustande kommen. In den Gruppen herrschen definierte Regeln. Die soziale Tätigkeit ist nach Gumplowicz die Selbsterhaltung der Gruppe, [die] die Mehrung ihrer Macht, Begründung und Kräftigung ihrer Herrschaft oder doch ihrer sozialen Stellung in Staat und Gesellschaft zum Zwecke hat. Im Gegensatz zu Karl Marxhistorischem Materialismus nimmt Gumplowicz an, dass eine stetige historische Weiterentwicklung nicht existiere. Der einzige konstante Faktor der Geschichte sei der „Rassenkampf“. Das „soziale Naturgesetz“ besagt nach Gumplowicz: „[…] jedes mächtigere ethnische oder soziale Element strebt danach, das in seinem Machtbereich befindliche oder dahin gelangende schwächere Element seinen Zwecken dienstbar zu machen“ (so in: Der Rassenkampf, 1883). Im Gegensatz zum Marxismus betrachtete Gumplowicz Kampf und Krieg, Unterjochung und Ausbeutung als durchgängiges Motiv sozialer Bewegung, das nicht ausgelöscht werden könne.

Rassenkampf, Antisemitismus und Nationalsozialismus

Eugen Dühring vertrat im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert die Position, dass die Aussaat von Classenhaß durch einen jüdischen Sozialismus zu allgemeiner Hetze und Rassenhass geführt habe. Er behauptete, dass ein „Rassenkampf“ als Vergeltung der Erregung von Classenhaß aufkommen werde, der im Ergebnis den sozialen Friede wiederherstellen werde, indem er die Haupturheber der Classenkämpfe mattsetzt. Als Gegenkonzept proklamierte Dühring einen arischen Sozialismus. Friedrich Engels setzte sich in seinem Werk Anti-Dühring kritisch mit seinen Theorien auseinander. Karl Eugen Dühring beeinflusste spätere Antisemiten wie Theodor Fritsch, Houston Stewart Chamberlain und Georg von Schönerer.

Houston Stewart Chamberlain, der Schwiegersohn Richard Wagners und Bekannter Hitlers, verschob den „Rassen“-Begriff aus der Soziologie stark in die Biologie und lieferte mit seinem Werk Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts von 1899 den „historischen Unterbau“ der Rassenkampf-Ideologie. Dieser interpretierte nun die Weltgeschichte als einen darwinistischen „Rassenkampf“ um Lebensraum. Die „arischen“ Völker wirkten kulturaufbauend, würden aber durch „Blutvermischung“ immer wieder unterwandert. Deren rassischer Gegner seien kulturgeschichtlich die „Semiten“ als Kulturzerstörer.

Auf dieser Basis aufbauend entwickelte Alfred Rosenberg 1920 den offiziellen Kommentar zum Parteiprogramm der NSDAP, „Wesen, Grundsätze und Ziele der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Das Programm der Bewegung“. Die Nationalsozialisten lehnten Standesdenken und Klassenkampf ab. Stattdessen strebten sie nach Ernst Piper danach, nationale und soziale Strömungen wieder zusammenzuführen. Den Marxismus lehnte Rosenbergs NS-Ideologie ab, da er zwar einerseits die Gleichheit der Völker hervorhebe, andererseits aber den Klassenkampf innerhalb des eigenen Volkes fordere. Die Marxisten würden nur vorgeben den Kapitalismus zu bekämpfen, seien aber in Wahrheit mit den Finanziers von Banken und Börsen verbandelt. Dies sei nach Piper ein ganz zentrales Ideologem nationalsozialistischer Welterklärung. Die scheinbaren Gegensätze Sozialismus und Kapitalismus, fielen laut Piper ineins, denn beider Führung befände sich in der Hand der Vertreter ein und desselben Volkes ...: in der Hand der Juden. Und diese wollten einen angesagten Macht- und Kulturkampf an alle Völker Europas ausfechten, sie würden im Ergebnis einen „Rassenkampf“ herausfordern. Nach Piper betrachteten sich die Nationalsozialisten daher nicht als Rechtsextremisten, sondern als Partei der Mitte, die eine vorgebliche Einseitigkeit von Sozialismus und Nationalismus aufheben wolle.

Diese offene Rassenkampf-Ideologie endete mit dem Holocaust und der Niederlage der NS-Diktatur im 2. Weltkrieg.

„Rassenkampf“ als Ideologie der „extremen Mitte“ in der Gegenwart

Im rechtsextremistischen „Lexikon der Neuen Front“ (Michael Kühnen) findet sich ein Eintrag zum Thema; rechtsextreme Literatur wie „Die Turner-Tagebücher“ vertreten weiterhin kriegerisch aggressiven Rassismus und Antisemitismus.

Dieter Rudolf Knoell betrachtete 1994 im soziologischen Sammelband Extremismus der Mitte „die rechtsradikale Position von vorgestern“ als „die politische Mitte von heute“. So entspreche z.B. der deutsche „Asylkompromiss“ der „realpolitischen Umsetzung des Hondrich’schen Programms“, und er sei „nahezu wörtlich, die Übernahme der entsprechenden Passagen des Parteiprogramms der Republikaner aus dem Jahr 1987“. So ist zwar noch kein neuer offener „Rassenkampf“ im Inneren ausgebrochen, die im Populismus immer noch lebendige Ideologie hat aber schon wieder politische Ergebnisse hervorgebracht.

Auch hinter dem westlichen „Kampf der Kulturen“ mit dem sogenannten „Islamofaschismus“ kann man, wie zuletzt 2005 Alan Posener, der Kommentator der WELT am SONNTAG, unter Verweis auf H.G. WellsGeschichte unserer Welt von 1922, einen „Rassenkampf“ annehmen.

Literatur

Quellen

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Rassenkampf aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.