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Magischer Realismus

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Der magische Realismus (spanisch realismo mágico) ist eine künstlerische Strömung, die seit den 1920er-Jahren vor allem im Gebiet der Malerei und der Literatur in einigen Ländern Europas sowie Nord- und Südamerikas vertreten ist. Aufgegriffen und weitergeführt wurde der magische Realismus später auch in den Bereichen Filmkunst und Fotografie.

Magischer Realismus in der Malerei

Der magische Realismus stellt die Verschmelzung von realer Wirklichkeit (greifbar, sichtbar, rational) und magischer Realität (Halluzinationen, Träume) dar. Er ist eine „dritte Realität“, eine Synthese aus den uns geläufigen Wirklichkeiten. Der Übergang zum Surrealismus ist fließend.

Der Begriff wurde erstmals 1925 vom Kunstkritiker Franz Roh in seinem Buch Nach-Expressionismus: Magischer Realismus. Probleme der neuesten europäischen Malerei. verwendet.[1] Er bezeichnete einen postexpressionistischen Malstil von Bildern in der von Gustav Hartlaub bereits für 1923 geplanten Ausstellung Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus, die vom 14. Juni – 18. September 1925 in der Kunsthalle Mannheim gezeigt wurde. Der Begriff „Magischer Realismus“ wurde anfangs noch konkurrierend zu dem Terminus Neue Sachlichkeit verwendet und wird heute in seinem ursprünglichen Sinne neben dem Verismus und Klassizismus als eine dritte Richtung mit surrealistischen Anklängen der neuen gegenständlichen Malerei der Weimarer Republik angesehen.[2] Während die Bewegung der Neuen Sachlichkeit mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der nachfolgenden Gleichschaltung der Medien und der Kultur endete, etablierte sich der Magische Realismus in den 1930er-, 40er- und 50er-Jahren als eigenständige Strömung in ganz Europa und in Amerika.[3]

Nach dem Erscheinen von Rohs Text in der spanischen Zeitschrift Revista de Occidente 1927 fand der Begriff bald Einzug in die Intellektuellenkreise von Buenos Aires und wurde nach heftigen Diskussionen in den 1960er- bis 90er-Jahren auch auf Teile der lateinamerikanischen Literatur angewandt.[4]

Vertreter der Malerei

Deutschland:

Österreich:

Schweiz:

Niederlande (zu besichtigen u. a. in den Museen von Arnheim und Opmeer):

Belgien:

Italien:

USA:

Magischer Realismus in der Literatur

Der magische Realismus als literarische Form taucht Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland, Italien und im Flämischen auf und hat mit dem Umweg über Paris und Spanien schnell einen großen Einfluss auf die Literatur in Lateinamerika. Angewendet auf die lateinamerikanische Literatur wurde der Begriff erstmals 1948 von dem Venezolaner Arturo Uslar Pietri. Als eigentlicher Vater des magisch-realistischen Stils in Lateinamerika wird Miguel Ángel Asturias mit seinem Roman Hombres de maíz (Die Maismenschen) aus dem Jahre 1949 angesehen. In diesem Werk werden indigene Mythen (hier der Maya) mit der Wirklichkeit, Kultur und Geschichte Lateinamerikas aus der Sicht der indigenen Bevölkerung erzählt. Diese magische Wirklichkeitsauffassung führt dazu, dass die Legende die Begründung des Geschehenen als Reaktion auf die Unterdrückung der Indigenen durch die Weißen darstellt.

Mit dem Vorwort zu seinem Roman El reino de este mundo verfasste Alejo Carpentier sozusagen ein Manifest des magischen Realismus. Er grenzt dabei Lateinamerika stark von Europa ab. Nach ihm ist „dem Europäer“ die Fähigkeit des Erlebens des wunderbar Wirklichen durch die Aufklärung verloren gegangen, während Mythen- und Geisterglaube in Lateinamerika noch immer natürlich im Alltag integriert sind. Laut Carpentier ist der magische Realismus natürlich, nicht erzwungen; er ist die Einbettung des Wunderbaren in den Alltag.

Der magische Realismus vermischt die Grenzen zwischen Realität und Phantasie. Volkskultur, Mythologie, Religion, Geschichte und Geographie verschmelzen in den Texten und sind immer erkennbar. Er kombiniert zwei Konzepte, die in den Industrienationen als gegensätzlich gelten: Realität und Mythologie/Phantasie/Magie – doch der Gedanke ist, dass diese beiden im Sinne eines Balanceakts sehr wohl nebeneinander existieren können und nicht zwangsweise im Konflikt stehen. Gegenstück des magischen Realismus ist der realismo social oder soziale Realismus.

Abgrenzung zu anderen Stilen

Magischer Realismus ist eine Untergattung der Phantastik und einige Autoren sehen zudem enge Übereinstimmungen zwischen magischem Realismus und (der nicht mit der Phantastik zu verwechselnden) Fantasy. In einem Interview definierte Gene Wolfe den magischen Realismus folgendermaßen: „Magischer Realismus ist von spanischsprachigen Menschen geschriebene Fantasy.“ (“Magic realism is fantasy written by people who speak Spanish.”)[5] Laut Terry Pratchett ist es „eine höfliche Art zu sagen, man schriebe Fantasy“ (“a polite way of saying you write fantasy”) und „für manche Menschen akzeptabler“ (“more acceptable to certain people”), sich als Autor dem magischen Realismus anstelle der Fantasy zuzuordnen.[6]

Alejo Carpentier sieht einen Gegensatz des magischen Realismus zu europäischen Stilen wie dem Surrealismus, der nach Carpentier das Wunderbare künstlich erzeugen muss. Dagegen sei der magische Realismus in Lateinamerika Alltag und zeige sich in spezieller Weise in der Integration des Wunders im täglichen Leben (z. B. Göttermythen).

Vertreter der Literatur

Im deutschsprachigen Raum:

Im sonstigen Europa:

In den USA:

In Lateinamerika:


In China:

In Japan:

Siehe auch

Literatur

  • Franz Roh: Nach-Expressionismus. Magischer Realismus. Probleme der neuesten europäischen Malerei. Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1925.
  • Franz Roh: Realismo Mágico. Post Espressionismo. Problemas de la pintura europea más reciente. Übersetzt aus dem Deutschen von Fernando Vela. Revista de Occidente, Madrid 1927 (Reprint: Alianza Editorial, Madrid 1997).
  • Franz Roh: Geschichte der deutschen Kunst von 1900 bis zur Gegenwart. F. Bruckmann, München 1958.
  • Franz Roh: Junge spanische Malerei. In: Das Kunstwerk. Bd. 13, Heft 7, 1960, ISSN 0023-561X, S. 13–22.
  • Andreas Fluck: „Magischer Realismus“ in der Malerei des 20. Jahrhunderts (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 28: Kunstgeschichte. Bd. 197). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1994, ISBN 3-631-47100-9 (Zugleich: Münster, Univ., Diss., 1992).
  • Michael Scheffel: Magischer Realismus. Die Geschichte eines Begriffes und ein Versuch seiner Bestimmung (= Stauffenburg-Colloquium. Bd. 16). Stauffenburg, Tübingen 1990, ISBN 3-923721-46-3 (Zugleich: Göttingen, Univ., Diss., 1988).
  • Reeds, Kenneth: Magical Realism: A problem of definition. In: Neophilologus 90(2), London 2006, S.175–196.
  • Durst, Uwe: "Begrenzte und entgrenzte wunderbare Systeme: Vom Bürgerlichen zum 'Magischen' Realismus", in: Lars Schmeink / Hans-Harald Müller (Hg.), "Fremde Welten: Wege und Räume der Fantastik im 21. Jahrhundert", Berlin / Boston 2012, S. 57-74.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Franz Roh: Nach-Expressionismus: Magischer Realismus. Probleme der neuesten europäischen Malerei. Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1925.
  2. Stefanie Gommel: Neue Sachlichkeit. In: Kunstlexikon, Hatje Cantz Verlag. 30. Januar 2013, abgerufen am 22. April 2015.
  3. What is Magic Realism Art, abgerufen am 22. März 2015
  4. Reeds, Kenneth: Magical Realism: A problem of definition. In: Neophilologus 90(2), London 2006, S.179.
  5. Gene Wolfe, Brendan Barber: Gene Wolfe Interview. In: Peter Wright (Hrsg.): Shadows of the New Sun. Wolfe on Writing, Writers on Wolfe. Liverpool University Press, Liverpool 2007, S. 132 (online).
  6. Linda Richards: January Interview: Terry Pratchett. In: January Magazine, 2002. Abgerufen am 24. Juni 2010.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Magischer Realismus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.