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Kirchenrecht

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Kirchenrecht ist das selbst gesetzte Recht der Religionsgemeinschaften. Es regelt die Rechtsbeziehungen der Religionsangehörigen untereinander.

Davon zu unterscheiden ist das Staatskirchenrecht. Dabei handelt es sich im Gegensatz zum Kirchenrecht um – von der Warte der Religionsgemeinschaft her – fremd gesetztes Recht und regelt die Rechtsbeziehung der Religionsgemeinschaft zum Staat. Demgemäß beschränkt sich das Staatskirchenrecht entgegen dem Wortlaut nicht auf Kirchen, sondern erstreckt sich auf alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Geltungsbereich des jeweiligen Staatskirchenrechtes.

Sowohl zum Kirchenrecht wie zum Staatskirchenrecht gehören Staatskirchenverträge (Konkordate bzw. Kirchenverträge) bzw. analoge Vereinbarungen mit anderen Religionsgemeinschaften.

Wesen und Bedeutung

Das westkirchliche Kirchenrecht geht auf scholastische Traditionen (insb. Gratian und auch Thomas von Aquin) zurück. Historisch gesehen hat das römisch-katholische Recht lange Jahre Vorbildwirkung für das staatliche Recht ausgeübt. Zahlreiche Institute (z. B. der Dispens) wurden aus ihm entlehnt, das Studium „beider Rechte“ (so die Übersetzung des juristischen Doktortitels: Dr. utr[iusque]. iur[is].) war über Jahrhunderte Selbstverständlichkeit.

Die große Bedeutung, die das Kirchenrecht lange Zeit hatte, beruht primär darauf, dass bis in die Neuzeit das Personalitätsprinzip in der Rechtsprechung vorherrschend war und erst schrittweise vom Territorialprinzip abgelöst wurde. Während nach dem Territorialitätsprinzip das am Ort geltende Recht verbindlich ist, wird beim Personalitätsprinzip nach dem Recht der Körperschaft geurteilt, in der eine Person Mitglied ist. Das Personalitätsprinzip unterscheidet also zum Beispiel auch zwischen Bürgern und am Ort ansässigen Nichtbürgern. Entsprechend unterlagen Mitglieder des Klerus automatisch dem Kirchenrecht, ein Jurist musste also Kenntnisse des Kirchenrechts haben, sobald er mit Rechtsfällen zu tun hatte, in die auch Mitglieder des Klerus verwickelt sein konnten, was oft der Fall war. Erst mit der allgemeinen Durchsetzung des Territorialprinzips entfiel diese Notwendigkeit, auch in juristischen Alltagsfragen "beide Rechte" zu beherrschen.

Umstritten ist die Rechtsqualität des Kirchenrechts. Die von Johannes Heckel geprägte dualistische Kirchenrechtslehre hält kirchliches und weltliches Recht für wesensverschieden. Die wohl herrschende monistische Kirchenrechtslehre, die insbesondere von Hans Dombois vertreten wurde, sieht dagegen keinen solchen Unterschied, sondern in beiden Fällen verbindliche Normen mit Geltungsanspruch. In der Praxis spielt diese rechtsphilosophische Streitfrage keine Rolle.

Bedeutung für die römisch-katholische Kirche

Die römisch-katholische Kirche legitimierte sich als Institution in ihrem traditionellen Selbstverständnis über die Apostolische Sukzession, also die Kontinuität bis zu Petrus als erstem Papst und Bischof von Rom: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen“ (Mt 16,18). Dies erinnert deutlich an einen juristischen Übertragungstatbestand, etwa die Erteilung einer (Unter-)Vollmacht. Die kirchliche Identität ist damit für die römisch-katholische Kirche vor allem Rechtskontinuität, das Kirchenrecht für sie konstitutiv. Die Frage nach dem Verhältnis der Institution „Kirche“ zur Kirche als „Gemeinschaft der Heiligen“ im Sinne des dritten Glaubensartikels, des „Leibes Christi auf Erden“ (ecclesia invisibilis), stellt sich folglich für sie nur in sehr abgeschwächter Form. Sie kennt nicht nur menschengemachtes, sondern auch unmittelbar bindendes, unabänderliches göttliches Recht (ius divinum).

Auch das Zweite Vatikanische Konzil betrachtet zwar die Kirche als Volk Gottes, in der daher ein gemeinsames Priestertum aller Gläubigen walte, unter denen eine fundamentale Gleichheit besteht: alle haben am Dienst der Verkündigung, der Heiligung und der Leitung teil (Communio fidelium). Innerhalb der Christgläubigen werden aber weiterhin Träger besonderer Leitungsvollmacht (Papst und Bischöfe) unterschieden, deren Legitimation aus der Sendung des Zwölferkreises mit Petrus an der Spitze folgt (Communio hierarchica, vgl. oben). Dieses hierarchische Priestertum unterscheidet sich vom gemeinsamen nicht dem Grade, sondern dem Wesen nach: es ist keine Steigerung des gemeinsamen. Beide, communio fidelium und communio hierarchica, sind aufeinander bezogen und üben die eine Sendung der Kirche aus. Weil diese kirchliche communio eine organisch und synodal strukturierte Wirklichkeit ist, die auch eine rechtliche Gestalt verlangt, ist das Kirchenrecht auch nach dem Konzil nicht nur theologisch begründet, sondern auch notwendig.

Das kanonische Recht ist das Kirchenrecht der heutigen römisch-katholischen Kirche des lateinischen Ritus' sowie der katholischen Ostkirchen. Es regelt die internen Angelegenheiten der kirchlichen Gemeinschaft und sieht für viele Bereiche eine eigene Gerichtsbarkeit vor. Sein Name leitet sich von Griechisch/Lateinisch "canon" („Richtschnur“) ab. Die einzelnen Normkomplexe im Codex des kanonischen Rechtes werden als Canones bezeichnet.

Die Sammlung und Kodifizierung des Kirchenrechts begann im Mittelalter und führte zu der Sammlung des Corpus Iuris Canonici, das bis 1917 das maßgebliche Gesetzbuch der römisch-katholischen Kirche blieb. 1917 erschien für die lateinische Kirche erstmals der neubearbeitete Codex Iuris Canonici, der 1983 unter dem Einfluss des 2. Vatikanisches Konzil komplett überarbeitet wurde. Für die katholischen Ostkirchen wurde 1990 der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium erlassen.

Das Recht der katholischen Kirche trieb die Entwicklung des deutschen Prozessrechtes, namentlich des Strafprozesses, stark voran. Auch das Schuldrecht ist zum Beispiel durch den aus dem kanonischen Recht stammenden Grundsatz pacta sunt servanda („Verträge müssen eingehalten werden“) wesentlich beeinflusst worden, weil damit die strenge Förmlichkeit des römischen Rechts überwunden werden konnte. Im Eherecht schränkte es die Verwandtenheirat ein und begründete die gegenseitige eheliche Treuepflicht. Die Kanonistik war bei der Vermittlung des moraltheologischen Begriffs der Strafe an das weltliche Strafrecht von zentraler Bedeutung.

Bedeutung für die evangelischen Kirchen

Die evangelischen Kirchen in Deutschland haben sich mit der Reformation aus der Rechtskontinuität des katholischen Kirchenrechts gelöst und ein eigenes, positives Recht auf der Basis der Bekenntnisschriften (und auch des landesherrlichen Kirchenregiments) geschaffen: die sog. Kirchenordnungen. Da sie keine Trennung zwischen Priestern und Laien kennen („Priestertum aller Gläubigen“), fehlt es auch an jeder Grundlage für eine der Apostolischen Sukzession entsprechende Legitimation.

Aus dieser Situation entstand der Zwang, sich dennoch als (weltweite, alle Christen umfassende) Kirche verstehen zu können. Die Grundlagen legte die Confessio Augustana (CA) und deren Art. 7, der „Kirche“ als „Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden“ versteht. Damit lehnt sich die reformatorische Auffassung an den Gemeindebegriff von Apg 2,42 an: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“

Dem Kirchenrecht kommt neben diesem inhaltlich bestimmten Kirchenbegriff (Bibel – Beisammensein – Brotbrechen – Beten) eine der katholischen Kirche vergleichbare Bedeutung daher nicht zu: „(…) es ist nicht zur wahren Einheit der christlichen Kirche nötig, dass überall die gleichen, von den Menschen eingesetzten Zeremonien eingehalten werden“ (Art. 7 CA).

Damit stellt sich für die evangelischen Kirche aber die Frage des Verhältnisses der rechtlich existierenden Kirche zur „geistigen“ Kirche. Abhängig vom jeweiligen Kirchenverständnis wurde in der evangelischen Kirche die Existenz von Kirchenrecht sogar vollkommen geleugnet (Rudolph Sohm: „Das Kirchenrecht steht mit dem Wesen der Kirche im Widerspruch.“). Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, Recht könne überhaupt nur vom Staat gesetzt werden. Diese Ansicht gab die kirchlichen Strukturen freilich völlig dem staatlichen Zugriff preis.

Diese Ansicht wurde dann auch in der Erfahrung des Kirchenkampfes des Dritten Reiches dahingehend überwunden, dass die Notwendigkeit vom Staat unabhängiger Kirchenordnungen erkannt wurde (Barmer Theologische Erklärung) – der Kirche als Gemeinschaft konnte es eben doch nicht egal sein, wer ihre rechtlichen Strukturen lenkte (Nr. 3: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt (…) ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugung überlassen.“; Nr. 4: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und dürfe sich die Kirche abseits von diesem Dienst besondere, mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Führer geben und geben lassen.“). Eine kirchenlegitimierende Bedeutung hat das Kirchenrecht in der evangelischen Kirche aber dadurch nicht erlangt.

Das Kirchenrecht der Ostkirchen

In den Ostkirchen spielt der Rechtsgedanke insgesamt eine wesentlich geringere Rolle als in den westlichen Kirchen. Die stärkeren staatlichen Strukturen in ihren Gebieten machten die Entwicklung einer eigenen Gesetzgebungs- und Rechtsprechungstradition weniger notwendig. Das dortige Kirchenrecht besteht im Wesentlichen aus einer kleinen Zahl ausformulierter Regeln und einer großen Zahl Gewohnheiten, die meist sehr flexibel gehandhabt werden, in einigen Ländern und Zeiten flexibel bis zur faktischen Anarchie, zu Lasten von Rechtssicherheit und geordneten Verhältnissen.

Nationales

Deutschland

Als Konsequenz von Religionsfreiheit und der Trennung von Staat und Kirche ist in Deutschland das Recht der Religionsgemeinschaften, innere Angelegenheiten selbst zu regeln, in der Verfassung, dem Grundgesetz, verankert (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRVkirchliches Selbstbestimmungsrecht). Hat die jeweilige Religionsgemeinschaft den Status einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts (Körperschaftsstatus), so ist ihr internes Kirchenrecht Öffentliches Recht. Dabei nimmt das deutsche Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung an, die Rechtsetzungsbefugnis der Religionsgemeinschaften sei nicht vom Staat abgeleitet oder verliehen, sondern originär.

Rechtsquellen

Das Recht der römisch-katholischen Kirche (beziehungsweise eigentlich der lateinischen Kirche), das kanonische Recht, unterscheidet göttliches (ius divinum, durch göttliche Autorität gesetzte Normen)[1] und rein kirchliches Recht (ius humanum, ius mere ecclesiasticum, durch kirchliche Autoritäten erlassen oder zustimmend sanktioniert). Innerhalb des ius divinum wird nochmals unterschieden zwischen ius divinum positivum (in der Offenbarung enthalten, insb. die hierarchische Kirchenverfassung betreffend) und ius divinum naturale (aus der menschlichen Natur ohne Offenbarung verstehbar). Rechtsquellen des kirchlichen Rechts sind Gesetzgebung und Gewohnheit. Manche Rechtssätze gelten gesamtkirchlich (universal), andere sind nur partikulares Recht. Es gibt ein umfassendes Gesetzbuch, den auf Latein verfassten Codex Iuris Canonici von 1983 (CIC/1983). Davor galt der Codex Iuris Canonici von 1917 (CIC/1917), auch pio-benediktinischer Codex genannt. Man spricht auch vom altkodikarischen Recht im Gegensatz zum CIC/1983, der kodikarisches Recht genannt wird. Die mit Rom unierten Ostkirchen haben einen eigenen, von der lateinischen (römischen) Kirche abweichenden Kanon den Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium. Im 8. Jahrhundert entwickelte die irische Kirche eine eigene kanonische Rechtssammlung, die sich in Kopien über ganz Westeuropa verbreitete.

Das evangelische Kirchenrecht ist demgegenüber mangels einheitlicher Institutionen dezentraler. Die Rechtsetzung beschränkt sich auf die einzelnen Landeskirchen (mit darauf beschränkter Entfaltung von Gewohnheitsrecht). In Deutschland hat die EKD nur in wenigen Gebieten Kompetenzen zur Setzung unmittelbar anwendbaren Rechts. Verstärkt verständigen sich die Landeskirchen in den konfessionellen Bünden (UEK und VELKD) auf gemeinsame Rechtsetzungen, beispielsweise im Pfarrdienstrecht. Die Kirchenverfassungen und darauf gestützten Gesetze und Verordnungen unterscheiden sich dennoch in erheblichem Umfang. Bei der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich spricht man von Kirchenrecht und Kirchenordnung.[2]

In der orthodoxen Kirche bilden die Kanones, das heißt, die Beschlüsse der Ökumenischen Konzilien sowie einige Äußerungen der Kirchenväter, den Kernbestand des Kirchlichen Rechts. Orthodoxe Bischöfe dürfen hiervon aber abweichen, wenn die „kluge Haushaltung im Hause Gottes“ (Ökonomia) dies im Einzelfall verlangt.

Regelungsbereiche

Das Kirchenrecht regelt zunächst inneren Aufbau und Organisation der Religionsgemeinschaft (Mitgliedschaft, Kirchengemeinden, Leitungsorgane), also ihre Verfassung. Auf dieser Grundlage können kirchliche Gesetze und Verordnungen ergehen, die sich mit den unterschiedlichsten Themen befassen, beispielsweise Liturgie und Gottesdienstablauf („Agende“), Kasualien („Lebensordnungen“), Vermögensverwaltung und Steuern, Glocken-, Orgel- und Bauwesen, Dienstrecht und mehr.

Eine Besonderheit des römisch-katholischen Kirchenrechts ist das Eherecht samt kirchlichen Ehegerichten, das die evangelische Kirche nicht kennt. Die meisten evangelischen Kirchen verfügen dagegen über eigene Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit.

Für eine große Zahl von Arbeitnehmern in Diakonie und Caritas ist vor allem das Kirchliche Arbeitsrecht von großer praktischer Relevanz (Dritter Weg).

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. vgl. cc. 22, 24, 98, 113, 129, 145, 199, 207, 330, 375, 748, 1008, 1059, 1075, 1163, 1165, 1249, 1259, 1290, 1299, 1315, 1399, 1692
  2. vergl. Institut für Kirchenrecht und Evangelische Kirchenordnung, Evangelisch-Theologische Fakultät (ETF) der Universität Wien, TM: Projekte: ETF

Weblinks

Römisch-katholisches Kirchenrecht

Evangelisches Kirchenrecht

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