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Kanton Neuenburg

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Republik und
Kanton Neuenburg

République et Canton de Neuchâtel
Wappen
Wappen
Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Kürzel/Kontrollschild: NE
Amtssprache: Französisch
Hauptort: Neuenburg
Grösster Ort: La Chaux-de-Fonds
Beitritt zum Bund: 1815
Fläche: 803 km²
Website: www.ne.ch
Bevölkerung
Einwohner: 176'241[1] (31. Dezember 2013)
Dichte: 217 Einw. pro km²
Ausländeranteil: 24,6 %[2] (August 2013)
Arbeitslosenquote: 5,3 %[3] (November 2013)
Lage des Kantons in der Schweiz
Lage des Kantons in der Schweiz
Karte des Kantons
Karte des Kantons
Gemeinden des Kantons
Gemeinden des Kantons
46.9976.7856

Neuenburg (schweizerdeutsch Nöieburg; französisch, italienisch und rätoromanisch Neuchâtel [nœʃɑtɛl, nøʃɑtɛl]), amtlich frz. République et Canton de Neuchâtel («Republik und Kanton Neuenburg»), ist ein französischsprachiger Kanton im Westen der Schweiz. Der Hauptort ist die gleichnamige Stadt Neuenburg, der grösste Ort ist La Chaux-de-Fonds.

Geographie

Der Kanton liegt in der geographischen Region des Schweizer Juras in der französischsprachigen Westschweiz und kann in vier Grossregionen unterteilt werden. Entlang des Neuenburgersees zieht sich ein flacher Uferstreifen, le Littoral genannt. Die gleichnamige Hauptstadt Neuenburg liegt am Seeufer. Nördlich davon, begrenzt durch den Chaumont, liegt das Val de Ruz.

Westlich von Neuenburg, noch in der Seeuferebene, befindet sich der Schwemmlandkegel an der Mündung der Areuse. Das Tal verengt sich weiter westlich zu einer schmalen Schlucht und öffnet sich dann zum Hochtal Val de Travers. Zwischen dem Val de Travers und dem Neuenburgersee befindet sich die Kette des Chasseron, die aber zum grössten Teil auf dem Gebiet des Kantons Waadt liegt. Der markante Felskessel des Creux du Van bildet das östliche Ende dieser Bergkette.

Nördlich des Val de Travers und des Val de Ruz zieht sich über die gesamte Länge des Kantons eine Bergkette, die ganz im Osten mit dem Chasseral ihren höchsten Punkt erreicht. Der wichtigste Passübergang ist die Vue des Alpes. Dahinter befinden sich das Vallée des Ponts und das Hochtal von La Chaux-de-Fonds. Die Schlucht des Doubs mit dem Lac des Brenets bildet einen Teil der Grenze zu Frankreich.

Bevölkerung

Sprache

Die Bevölkerung des Kantons Neuenburg ist in ihrer grossen Mehrheit (2010: 88,8 %[4]) französischsprachig.

Religion

In konfessioneller Hinsicht gehört Neuenburg zu den traditionell reformierten Kantonen; einzig die beiden Gemeinden Le Landeron – das im Ancien Régime unter der besonderen Schirmherrschaft Solothurns stand – und La Brévine haben eine katholische Prägung. Im Jahr 2010 gehörten der reformierten Kirche 25.5 % (1850: 91.8 %), der katholischen Kirche 25.1 % (1850: 7.9 %) der Bevölkerung an; 37,0 % gaben keine Religionszugehörigkeit an.[4][5]

Staat und Kirche sind seit 1941 vollständig getrennt. Ein im Jahr 2001 geschlossenes Konkordat zwischen dem Kanton einerseits und der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Neuenburg, der katholischen Kirche und der christkatholischen Kirche anderseits regelt die Beziehungen zwischen Staat und Kirche neu und anerkennt diese als «Institutionen von öffentlichem Interesse».

Erwerbsstruktur

Im Jahre 2008 arbeiteten 2,8 % der Kantonseinwohner im ersten Sektor, 38,5 % im zweiten Sektor und 58,6 % im dritten Sektor.[4] 1960, zur Blütezeit der Uhrenindustrie, waren noch 61.0 % im zweiten Sektor beschäftigt.[5]

Bevölkerungsentwicklung

Die Bevölkerung hat zwischen 1850 und 1970 von 70'753 auf 169'173 Einwohner zugenommen,[5] stagniert aber seither (Ende 2011: 173'183 Einwohner). Dies widerspiegelt die um 1970 einsetzende schwere Wirtschaftskrise, in welcher Neuenburg seine zentrale Stellung in der Uhrenindustrie an die Region Biel verlor und auch grosse Traditionsunternehmen wie Dubied und Suchard ihre Tore schlossen.

Verfassung und Politik

Die gegenwärtig gültige Kantonsverfassung datiert vom 24. September 2000 (mit seitherigen Änderungen).[6] Sie löste die Verfassung von 1858 ab.

Direktdemokratische Volksrechte

4500 Stimmberechtigte können eine Volksinitiative betreffend Erlass, Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes ergreifen; ihre Unterschriften müssen innert sechs Monaten gesammelt werden. Für die Einreichung einer Volksmotion bedarf es 100 Stimmberechtigter.

Ebenfalls 4500 Stimmberechtigte können verlangen, dass Gesetze, vom Gesetz definierte Ausgabenbeschlüsse sowie wichtige Staatsverträge der Volksabstimmung unterbreitet werden (fakultatives Referendum); für eine Teilrevision der Verfassung bedarf es 6000, für die Totalrevision 10'000 Unterschriften. Dem obligatorischen Referendum unterliegen Verfassungsänderungen sowie vom Grossen Rat abgelehnte Volksinitiativen.

Legislative

Gesetzgebendes Organ ist das Grosser Rat (Grand Conseil) genannte Kantonsparlament. Seine 115 Mitglieder (Grossräte) werden gemäss dem Proporzwahlrecht für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt.

Seit den Wahlen von 2013 gilt die folgende Sitzverteilung:

Partei Prozent Sitze Sitzverteilung
FDP.Die Liberalen (FDP) 28,70 % 35
Sitzverteilung des Grossen Rats 2013
Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) 26,50 % 33
Schweizerische Volkspartei (SVP) 16,90 % 20
Grüne Partei der Schweiz (GPS) 11,20 % 12
Partei der Arbeit der Schweiz (PdA) und Solidarités 7,70 % 9
Grünliberale Partei (GLP) 6,12 % 5
Christliche Volkspartei (CVP) 2,70 % 1

Im Vergleich zu den Wahlen von 2009 haben Sitze gewonnen die SVP (+6), die GLP (+5) und die CVP (+1); Sitze verloren haben die FDP (–6), die SP (–3), die GPS (–2) und die PdA (–1).

Exekutive

Oberstes ausführendes Organ ist die Staatsrat (Conseil d’État) genannte Kantonsregierung. Ihre fünf Mitglieder (Staatsräte) werden gleichzeitig mit dem Grossen Rat gemäss dem Majorzwahlrecht auf vier Jahre gewählt.

Die 2013 gewählten fünf Staatsräte sind:

Staatsrat Partei Departement
Laurent Kurth, Präsident (2013) SP Département des finances et de la santé (DFS)
Alain Ribaux, Vizepräsident (2013) FDP Département de la justice, de la sécurité et de la culture (DJSC)
Monika Maire-Hefti SP Département de l’éducation et de la famille (DEF)
Jean-Nathanaël Karakash SP Département de l’économie et de l’action sociale (DEAS)
Yvan Perrin SVP Département du développement territorial et de l’environnement (DDTE)

Judikative

Der Kanton Neuenburg hat aufgrund seiner 2010 erlassenen neuen Gerichtsverfassung die bisherigen Gerichte per Anfang 2011 auf drei konzentriert.[7]

Gerichte erster Instanz sind die beiden Regionalgerichte (Tribunaux régionaux), deren eines für den oberen (9 Richter) und deren anderes für den unteren Kantonsteil (13 Richter) eingerichtet ist und die je sieben nach Sachbereich definierte Sektionen haben. Eine dieser Sektionen ist das Vermittleramt (Chambre de conciliation), dessen Einzelrichter in Zivilrechtsfällen auf eine gütliche Einigung hinwirkt.

Gericht zweiter Instanz ist das Kantonsgericht (Tribunal cantonal), das zwölf Richter zählt. Das Kantonsgericht besteht aus sechs nach Sachbereich definierten Höfen (courts).

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch das Kantonsgericht bzw. dessen Court de droit public ausgeübt.

Die Untersuchungsrichterämter sind in die Staatsanwaltschaft (Ministère public) integriert.

Die Richter werden vom Grossen Rat auf sechs Jahre gewählt; sie sind bis zu ihrer Pensionierung wiederwählbar. Die Oberaufsicht über die Gerichte übt der Richterrat (Conseil de la magistrature) aus.

Gemeinden und Bezirke

Die politischen Gemeinden sind im Rahmen der kantonalen Gesetzgebung autonom. Sie verwalten ihre Güter, führen die lokalen öffentlichen Dienste und nehmen diejenigen Aufgaben wahr, die ihnen der Kanton überträgt. Jede Gemeinde hat einen auf vier Jahre gewählten Generalrat als gesetzgebende Behörde und einen gleichzeitig gewählten Gemeinderat als vollziehende Behörde.

Die Bezirke dienen der Dezentralisierung der Kantonsverwaltung.

Geschichte

Einordnung

Der Kanton Neuenburg ist vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein in gewissem Sinne als Anachronismus in der Geschichte der Schweiz zu sehen. Während die meisten Orte der alten Eidgenossenschaft im Mittelalter ihre Abhängigkeit von Fürstenhäusern zu lösen vermochten, blieb dieser Kanton ein Fürstentum, dies zum Teil bis ins 19. Jahrhundert hinein. Er wurde von Alleinherrschern respektive von grossen europäischen Fürstenhäusern regiert; darin unterschied er sich auch von den in einigen Kantonen während des Absolutismus aufkommenden Herrschaftsformen einiger weniger in den Städten eingesessener aristokratischer Familien (Oligarchien). Beim Übergang an das Königreich Preussen anfangs des 18. Jahrhunderts spielte auch der Zufall eine nicht unwesentliche Rolle. Die Neuenburger Bevölkerung sah sich danach in der ungewöhnlichen Situation, sowohl zugewandter Ort der Eidgenossenschaft als auch Fürstentum in der Hand berühmter Hohenzollern wie des «Soldatenkönigs» (Friedrich Wilhelm I.) oder des «alten Fritz» (Friedrich II., «aufgeklärter Absolutismus») zu sein. Dass diese «Zufallsehe» mit Preussen eher lockerer Natur war, zeigt auch der nicht allzu grosse Widerstand, den der militärisch starke preussische Staat den verschiedenen Neuenburger Abspaltungs- und Demokratisierungs-Bestrebungen im 19. Jahrhundert entgegensetzte.

Ur- und Frühgeschichte

Archäologische Funde legen Zeugnis davon ab, dass das Gebiet entlang des Neuenburgersees und des Jurasüdfusses bereits Jahrhunderte vor den Römern von Megalithkulturen und keltischen Stämmen besiedelt war. Die neolithische Cortaillod-Kultur sowie die keltische Latènekultur sind nach den Ortschaften Cortaillod und La Tène im Kanton Neuenburg benannt.

Auf Höhe des A5-Tunnels in Hauterive, östlich von Neuenburg, liegt der Park Laténium, der an die Stelle des Musée cantonal d’archéologie getreten ist und latenezeitliche Funde zeigt. Der Pré de Riva, ein weiterer Archäologischer Park, liegt auf der südlichen Seite des Sees, nur etwa 26 Kilometer entfernt im Kanton Freiburg. Es ist die rekonstruierte Pfahlbausiedlung von Gletterens, bei Vallon.

Mittelalter

Im Mittelalter entstehen viele Städtchen und Siedlungen in den beiden Hochtälern Val de Ruz und Val de Travers, aber auch entlang des Sees, mit den für diese Zeit charakteristischen Kirchen und Burgen, von denen die meisten aus dem 12. und 13. Jahrhundert stammen.

Im Frühmittelalter war Neuenburg Teil des Königreichs Burgund, das von dem fränkischen Adelsgeschlecht der Welfen regiert wurde. Der letzte König von Burgund, Rudolf III. (993-1032), war ein schwacher, durch seine Vasallen bedrängter König. Da er kinderlos geblieben war, schloss er 1006 einen Erbvertrag mit dem Heiligen Römischen Reich unter Heinrich II., dem letzten der ottonisch-sächsischen Könige und Kaiser. Dieser war über seine Mutter Gisela ein Neffe Rudolfs III. Nach dem Tod Rudolfs III. im Jahr 1032 fiel das Königreich Burgund dann im Erbgang an den fränkischen Kaiser Konrad II. Fortan existierte es als Reichsgut mit formeller Selbständigkeit innerhalb des Heiligen Römischen Reiches.

Nach dem Erlöschen des alten Grafengeschlechts von Neuenburg und Valangin belehnte König Rudolf I. (Rudolf von Habsburg) 1288 Johann I. von Chalon-Arlay mit der Grafschaft Neuenburg. Durch Erbschaft ging das Lehen 1395 an die Grafen von Freiburg (im Breisgau), 1457 an die Markgrafen von Baden-Hochberg und 1504 über die Ehe Johanna von Hochbergs mit Ludwig von Orléans-Longueville an das Haus Orléans-Longueville. Die Regentenschaft der Dynastie Orléans-Longueville währte in Neuenburg bis 1707. Die Herrschaft Valangin im nördlichen Teil des heutige Kantons Neuenburg gelangte im 12. Jahrhundert an die Grafen von Aarberg. 1592 wurde Valangin mit der Grafschaft Neuenburg vereinigt. 1643 wurde Neuenburg zum Fürstentum erhoben.

Die Verbindung mit der Alten Eidgenossenschaft geht auf die Burgundische Eidgenossenschaft um die Stadt Bern zurück. 1308 verbündete sich Neuenburg erstmals mit Bern, 1383 folgte auch die Herrschaft Valangin. 1406 bzw. 1427 erlangten beide Gebiete den Status eines Zugewandten Ortes, es bestanden jedoch nur Bündnisverträge mit einzelnen eidgenössischen Orten.


Reformation

Statue des Reformators Guillaume Farel in Neuenburg

Unter dem Schutz Berns, das eine Art schiedsrichterlicher Gewalt über Neuenburg ausübte, bekannten sich unter dem Einfluss des Reformators Guillaume Farel 1530 die meisten Gemeinden der Grafschaft Neuenburg und der Herrschaft Valangin zur Reformation und die Église réformée évangélique du canton de Neuchâtel entstand. Der erste reformierte Pfarrer war Antoine Marcourt (1490–1561), ein französischer Exulant. Lediglich Cressier und Le Landeron blieben katholisch. Während der Wirren der Reformation wurden die dünn besiedelten Neuenburger Bergregionen zur Zuflucht vieler Hugenotten. Im Westfälischen Frieden wurde Neuenburg als souveränes Fürstentum unter dem Schutz der Eidgenossenschaft anerkannt. Die sanktionierte Verbindung mit der Eidgenossenschaft bestand darin, dass Neuenburg zu den zugewandten Orten gehörte. Seitens der Eidgenossen wurden die Fürsten von Neuenburg als «Landleute» der Schweiz und zugleich als «treue und liebe Eidgenossen» bezeichnet, obwohl Neuenburg weder Sitz noch Stimme auf der Tagsatzung hatte, sondern es bestand lediglich ein «ewiges Schutzbündnis» zwischen dem Fürstentum und der Eidgenossenschaft.

Preussische Herrschaft

Mit dem Tod der kinderlosen Fürstin Marie de Nemours (1625–1707) am 16. Juni 1707 erlosch die über zwei Jahrhunderte währende Regentschaft des Hauses Orléans-Longueville über Neuenburg. Unter den 15 Bewerbern um die fürstliche Herrschaft in Neuenburg wurde nicht der Prinz Conti, ein Günstling Ludwigs XIV., gewählt, sondern der namentlich von Bern favorisierte preußische König Friedrich aus dem Hause Hohenzollern, Sohn der Prinzessin Luise Henriette von Oranien und einziger Erbe des Hauses Oranien. Nach langen Verhandlungen, an denen sich auch der Philosoph, Wissenschaftler und Diplomat Gottfried Wilhelm Leibniz mit einer Staatsschrift beteiligte, erfolgte am 3. November 1707 die förmliche Anerkennung der Rechte Friedrichs und seiner Erben an Neuenburg, die fortan auch den Titel «souveräner Fürst von Oranien, Neuchâtel und Valangin» führten. Ludwig XIV. erkannte ihn 1712 im Frieden von Utrecht ebenfalls als Fürsten von Neuenburg an, wodurch der Streit um Neuenburg einstweilig beigelegt war. Die preussischen Könige regierten das Fürstentum durch Gouverneure, die ihren Sitz entweder im Schloss von Neuenburg oder in Berlin hatten. Sie gewährten dem Fürstentum alle bisherigen Rechte und Freiheiten und mischten sich nur selten in die inneren Angelegenheiten ein.

Die Preussenherrscher wirkten im Sinne einer Justizreform und forderten die Abschaffung der Folter. Unter dem Schutz der Krone Preussens begann in den Neuenburger Landen der wirtschaftliche Aufschwung. Aus Bauernhöfen entstanden Manufakturbetriebe. Friedrich Wilhelm III. gründete durch Kabinettsorder vom 17. März 1838 die Académie, aus der 1909 die Université de Neuchâtel hervorging.[8]

Ende 1763 kam Jean-Jacques Rousseau auf der Flucht vor der Verfolgung durch die katholische Kirche in Frankreich und durch die protestantischen Herren in Genf und im Kanton Bern nach Neuenburg, wo ihm der Gouverneur George Keith in Abstimmung mit dem preußischen König Friedrich II. in Môtiers Asyl gewährte. 1765 wurde Rousseau jedoch auf Druck der Neuenburger Pastorengesellschaft, der Vénérable Classe ou Compagnie des Pasteurs, gezwungen, das Land wieder zu verlassen.

Französische Revolution

Die Nachwellen der Französischen Revolution schwappten auch nach Neuenburg über und im Jahr 1792 proklamierte Neuenburg, «hauptsächlich schweizerisch» zu sein. Es begab sich im Hinblick auf den zwischen Preussen und Frankreich bestehenden Kriegszustand 1793 unter den schützenden Mantel der Eidgenossenschaft. 1794 wurde La Chaux-de-Fonds durch ein Feuer fast vollständig zerstört. Der Wiederaufbau der Stadt wurde auf dem Reissbrett geplant mit dem Ziel, zukünftige Feuersbrünste zu vermeiden. Im Gefolge der Französischen Revolution fand die Familie des deutschen Schriftstellers und Demokraten Georg Forster Zuflucht in Neuenburg. Seine Frau Therese Forster geb. Heyne lebte in Bôle und heiratete nach Forsters Tod Ludwig Ferdinand Huber. Sie gehörte zum Kreis um die Schriftstellerin und Salonière Isabelle de Charrière in Colombier.

Napoleonische Zeit

Die verschiedenartigen Staaten, die bis 1797 auf dem Boden der heutigen Schweiz die Alte Eidgenossenschaft bildeten, schafften es zwischen dem Ausbruch der Französischen Revolution und 1797 nicht, ihre individuellen Verfassungen den Forderungen der neuen Zeit anzupassen. In der Folge kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Eidgenossen und Frankreich. Im Dezember 1797 besetzten französische Truppen Teile des Fürstbistums Basel nördlich von Neuenburg, im Januar 1798 das Waadtland südlich von Neuenburg und im März 1798 die Gebiete der heutigen Kantone Freiburg und Bern östlich von Neuenburg. Das Fürstentum Neuenburg blieb im Hinblick auf den zwischen Preussen und Frankreich am 5. April 1795 geschlossenen Frieden von Basel von einer Besetzung und einem Anschluss an die Helvetische Republik verschont. Erst 1806 überliess Friedrich Wilhelm III. von Preussen aufgrund des Pariser Vertrages vom 15. Februar 1806 das Fürstentum Neuenburg Napoleon I. Dieser setzte am 30. März 1806 seinen Feldmarschall Louis Alexandre Berthier als Fürsten von Neuenburg ein. Dieser besuchte nie das Fürstentum Neuenburg und liess die alte Ordnung unangetastet.

Der Erste Pariser Frieden wurde am 30. Mai 1814 nach dem Sturz Napoleons I. (11. April 1814) geschlossen und beendete vorläufig die Koalitionskriege, die auch als Russisch-Deutsch-Französischer Krieg von 1812 und 1815 bezeichnet werden. In diesem Friedensvertrag wurde den deutschen Staaten die Unabhängigkeit und die Vereinigung durch ein föderatives Band zugesichert und der Schweiz ihre Unabhängigkeit und Selbstregierung. Infolge des Ersten Pariser Friedens verzichtete Berthier durch Vertrag vom 3. Juni 1814 gegen eine lebenslängliche Rente von 34'000 Talern auf das Fürstentum Neuenburg zu Gunsten Preussens, welches sofort wieder davon Besitz ergriff. Der König von Preussen gab dem Fürstentum von London aus am 18. Juni 1814 eine neue Verfassung (Charte constitutionelle) nach dem Vorbild der Verfassung von Genf und erneuerte die Rechte des Fürstentums als eines für sich bestehenden, von preussischen Staatsinteressen ganz getrennten Staates. In der Folge wurde das Fürstentum Neuenburg auf Basis des Bundesvertrages vom 9. September 1814, der am 7. August 1815 in Kraft getreten ist, als Kanton in die Eidgenossenschaft aufgenommen. Vom Wiener Kongress (1815) wurde Neuenburg als «Schweizer Kanton und preussisches Fürstentum» anerkannt.

Wirtschaft und Industrialisierung

Mit den Hugenotten kamen die frühe Uhrenindustrie und Automationstechnik in das Land. Die Hugenotten brachten auch die Spitzenklöpplerei nach Neuenburg. Im 18. Jahrhundert stellten Kattundruck und die Herstellung bedruckter Stofftapeten die wichtigsten Exportartikel der neu entstandenen Neuenburger Industrie dar. 1826 liess der Chocolatier Philippe Suchard seine erste Schokoladenfabrik im Neuenburger Vorort Serrières bauen und begründete damit die bekannte Marke Suchard. 1833 wurde die Stadt Le Locle durch eine Feuersbrunst praktisch vollständig zerstört und nach dem Vorbild von La Chaux-de-Fonds wieder aufgebaut (La Chaux-de-Fonds wurde 1794 selbst bei einer verheerenden Feuersbrunst zu drei Vierteln eingeäschert und in der Folge mit einem rechtwinkeligem Grundriss neu aufgebaut). 1834 wurde in der Stadt Neuenburg die erste Akademie eröffnet und 1839 wurde der Wildbach Seyon, der die Stadt Neuenburg immer wieder überschwemmte, in Rohre verlegt und um die Stadt herumgeleitet. 1843 wurde in La Chaux-de-Fonds die erste Synagoge des Kantons eröffnet.

Republikanische Verfassung

Das historische Wappen des Fürstentums Neuenburg bis 1848

Nachdem Neuenburg als Kanton in die Eidgenossenschaft aufgenommen worden war, behielt der preussische König nur die Hoheitsrechte als persönlichen Besitz. Diese Doppelstellung Neuenburgs (Neuenburger Frage) war auf Dauer nicht haltbar. Bereits im September und im Dezember 1831 unternahmen Neuenburger Republikaner und Demokraten einen Versuch, das nach dem Wiener Kongress restaurierte Ancien Régime der Royalisten zu stürzen. Der Aufstand wurde jedoch niedergeschlagen und dem Gouverneur Ernst von Pfuel gelang es zunächst, die alte Ordnung aufrechtzuerhalten. Am 1. März 1848 rebellierte die Neuenburger Bevölkerung unter der Führung von Republikanern aus Le Locle und La Chaux-de-Fonds gegen den preussischen Monarchen. Etwa 1400 bewaffnete Bergbewohner marschierten von La Chaux-de-Fonds über die Vue des Alpes nach Valangin und nahmen die dortige Burg ein. Am Abend desselben Tages nahmen sie unter dem Jubel des Volkes das Schloss in der Stadt Neuenburg ein, wo die Regierung unter Ernst von Pfuel in aller Form abdankte und die Amtsgeschäfte einer neuen provisorischen Regierung übergab. Die preussische Regierung in Berlin begnügte sich mit einem Protest gegen diesen Übergriff und der König von Preussen entband die in Neuenburg gefangen gehaltenen Staatsräte des Eides der Treue. Ein Verfassungsrat erarbeitete in der Folge eine neue Verfassung im Geiste einer repräsentativen Demokratie, die vom Volk am 30. April 1848 angenommen wurde, und Neuenburg nannte sich fortan «République et Canton de Neuchâtel».

Royalistischer Putsch und Neuenburgerhandel

Eine kleine Fraktion von Royalisten hielt sich im Kanton Neuenburg beharrlich von allen Staatsgeschäften fern und versuchte mit allen Mitteln, eine Abspaltung Neuenburgs von der Schweiz zu erzwingen. An der Spitze dieser Fraktion standen der ehemalige Staatsrat von Petitpierre-Wesdehlen und der Graf Friedrich von Pourtalès-Steiger. Letztgenannter gab kurz nach der Rückkehr von einer Berlinreise am 29. August 1856 den Befehl zur Attacke, die in der Nacht vom 2. zum 3. September starten sollte. Der Befehl war «im Namen des Königs» unterzeichnet. Am Abend des 2. September 1856 drangen Hunderte von Royalisten in das Schloss von Neuenburg ein, besetzten es und hissten die schwarz-weisse Flagge Preussens auf dem Schlossturm. Am Morgen des 4. September 1856 drangen bewaffnete Republikaner in das Schloss und nahmen nach schwacher Gegenwehr die Führer des royalistischen Aufstandes gefangen. Der royalistische Putsch war gescheitert, doch die Affaire drohte zu eskalieren. König Friedrich Wilhelm IV. von Preussen verlangte die sofortige Freilassung der gefangenen Royalisten, wogegen sich die Schweiz jedoch mit Nachdruck widersetzte. Nachdem der Bundesrat eine Amnestie für die Royalisten verweigert hatte, bereiteten sich Preussen und die Schweiz auf einen Krieg vor. Der Schweizer General Guillaume-Henri Dufour entsandte Truppen zur Grenzsicherung an den Rhein. In Basel wurde kurzfristig eine temporäre strategische Brücke (Dufourbrücke) über den Rhein gebaut, um genügend Brückenkapazität für Truppenverschiebungen auf die rechtsrheinische Seite zu haben.

Unter Vermittlung von Napoleon III. wurde der Streit friedlich beigelegt, und der preussische König verzichtete im Vertrag von Paris am 26. Mai 1857 endgültig auf seinen Anspruch auf das Fürstentum Neuenburg. Im Gegenzug gewährten die Schweizer Bundesorgane im sogenannten Neuenburgerhandel den Rebellen eine Amnestie. Am 19. Juni 1857 entband der preussische König in einer feierlichen Proklamation die Neuenburger von ihrem Treueid. Damit endete staats- und völkerrechtlich die, mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 1806 und 1814, 150 Jahre dauernde preussische Herrschaft in Neuenburg, selbst wenn sie faktisch bereits durch die Ausrufung der Republik im Jahre 1848 beendet worden war.

Absinthverbot und Universitätsgründung

Am 7. Oktober 1910 wurde der Absinth in der Schweiz aufgrund einer Volksabstimmung vom 5. Juli 1908 verboten. Das Val de Travers verlor damit einen seiner wichtigsten Industriezweige. Die Familie Pernod verliess die Schweiz und baute ihre Fabriken zur Absinthproduktion im französischen Pontarlier unweit der Landesgrenze neu auf. Am 1. März 2005 wurde das Absinthverbot in der Schweiz aufgehoben. Im ersten Jahr nach der Legalisierung wurden im Val de Travers etwa 130'000 Liter Absinth hergestellt, die illegale Produktion zu Zeiten der Prohibition betrug nach Schätzungen der Eidgenössischen Alkoholverwaltung etwa 50'000 Liter pro Jahr.

1910 wurde die Neuenburger Académie in die Université de Neuchâtel umgewandelt.


Städte und Orte

Regionen des Kantons Neuenburg

Per 1. Januar 2013 fusionierten im Bezirk Val-de-Ruz 15 von insgesamt 16 Gemeinden zu einer einzigen Gemeinde namens Val-de-Ruz.

Nachfolgend aufgelistet sind Gemeinden mit mehr als 5'000 Einwohnern per 31. Dezember 2013:[1]

Ort Einwohner
La Chaux-de-Fonds 38'694
Neuenburg 33'641
Val-de-Ruz 1 16'172
Val-de-Travers 10'913
Le Locle 10'422
Peseux 5778
Colombier Ungültiger Metadaten-Schlüssel 6406

1 Die Gemeinde Val-de-Ruz entstand erst per 1. Januar 2013.


Bezirke

Bezirke des Kantons Neuenburg

Der Kanton ist in sechs Amtsbezirke und vier geographische Regionen gegliedert:

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Population résidante par district et par commune, République et Canton de Neuchâtel
  2. Bestand der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung nach Wohnkanton und Ausländergruppe Ende August 2013 (PDF; 132 kB). Bundesamt für Migration (BFM). Medienmitteilung vom 22. Oktober 2013. Abgerufen am 26. Dezember 2013.
  3. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt – November 2013 (PDF; 618 kB). Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Pressedokumentation vom 9. Dezember 2013. Abgerufen am 26. Dezember 2013.
  4. 4,0 4,1 4,2 Kennzahlen Neuenburg
  5. 5,0 5,1 5,2 Historisches Lexikon der Schweiz Bd. 9, S. 185.
  6. Verfassung von Republik und Kanton Neuenburg (Übersetzung)
  7. Pouvoir judiciaire
  8. Olaf Kappelt: Als Neuenburg und Valangin noch bei Preußen waren, vor 300 Jahren, Berlin-historica Verlag, Berlin 2008, 2. Auflage, ISBN 978-3-939929-08-6

Weblinks

 Commons: Kanton Neuenberg – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
 Wikisource: Kanton Neuenburg – Quellen und Volltexte
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