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Jean Meslier

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Jean Meslier

Jean Meslier (geb. 15. Juni 1664 in Mazerny; gest. 17. Juni 1729 in Étrépigny) war ein französischer katholischer Priester (curé; abbé) im Zeitalter der Aufklärung, der eine radikale Kirchen- und Religionskritik verfasste.

Leben und Werk

Jean Meslier, der "Atheist im Priesterrock", ist für die Religionsgeschichte im Allgemeinen von grosser Bedeutung im Sinne eines nicht sklavischen Umgangs mit der "Heiligen Schrift" und als Beweis der Möglichkeit grosser gedanklicher Klarheit und Freiheit gegenüber Autoritäten und Gedankenpolizei, ein Held der Geistesgeschichte und zu Unrecht vergessen, auch wenn man seinen Schlussfolgerungen nicht immer zustimmen muss: Jean Meslier, geb. in Mazerny, gest. in Étrépigny (beides unbedeutende Nester in Nordfrankreich) war ein französischer katholischer Priester, der noch vor Julien Offray de La Mettrie (L'homme machine, 1748) von einem konsequent materialistischen, atheistischen Standpunkt aus eine radikale Kirchen- und Religionskritik schrieb.

Sein zu Lebzeiten nicht veröffentlichtes Manuskript zirkulierte im Verborgenen und übte so einen starken Einfluss auf die französischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts aus; eine ungekürzte Buchausgabe seines „Testaments“ konnte erst 1864 in Amsterdam erscheinen.

Jean Meslier wurde als Sohn eines Tuchhändlers in Mazerny in den Ardennen geboren. Im Alter von 25 Jahren wurde er Pfarrer des nahegelegenen Dorfes Étrépigny. Das Priesteramt übte er bis zu seinem Tod im Jahr 1729 aus. Meslier empörte sich über die schlechte Behandlung der Bauern seiner Gemeinde durch den adeligen Grundherrn de Toully und prangerte diese auch in seinen Predigten an.

Der Edelmann beschwerte sich beim zuständigen Bischof und postwendend erhielt der Pfarrer einen Verweis in Verbindung mit bestimmten Auflagen. Das änderte aber Mesliers Haltung und öffentliche Kritik nicht. Auf die erneuten Klagen des Grundherrn Toully hin wurde der Landpfarrer zum Erzbischof nach Reims zitiert und gründlich ins Gebet genommen, so gründlich, dass Meslier es nie wieder wagte, öffentlich Kritik zu üben (weiterhin offen antireligiös oder antifeudal aufzutreten, wäre lebensgefährlich gewesen, zu dieser Zeit endeten in Frankreich "Ketzer" noch auf dem Scheiterhaufen).

Der unter Druck gesetzte Dorfpfarrer dachte aber nicht daran, den Widerstand aufzugeben. Vielmehr fing er an, ein Doppelleben zu führen. Nach aussen tat er brav seinen Dienst, insgeheim aber sammelte er fleissig geistige Munition gegen das Ancien Régime: Tatsachen und Argumente, eigene und anderer Beobachtungen und Erfahrungen, Schlussfolgerungen. Im Laufe der Jahre wuchs das Manuskript auf weit über tausend Seiten an. Der Form nach eine Predigtreihe barocker Art, der Absicht nach ein Appell an alle "Leute von Geist und Autorität, die Partei der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu ergreifen und die schlimmen Irrtümer und Zustände, den abscheulichen Aberglauben und die ganze abscheuliche Tyrannei anzuprangern und zu bekämpfen, bis sie vernichtet wären". Seine Abrechnung hatte postum die Wirkung, die Meslier ihr zugedacht hatte. Er hatte dazu das Nötige getan: sein "Zeugnis der Wahrheit" eigenhändig vervielfältigt und erst kurz vor seinem Tod je eine Kopie in mehreren Pfarrämtern hinterlegt. Eine Zeitbombe, die pünktlich zündete. Schon bald kursierten Abschriften in Paris, natürlich klandestin. An die Drucklegung wagte sich niemand, denn das Buch wäre sofort beschlagnahmt und verbrannt worden. Für Leute mit Spürsinn und Geld war es dennoch nicht allzu schwierig, eine Abschrift zu ergattern.

Voltaire, der gemeinhin als die Verkörperung der Aufklärung gilt, war reich und findig genug, ein komplettes Manuskript aufzutreiben, und es spricht für Voltaire, dass er den Wert des Fundes erkannte: Er liess das "Zeugnis der Wahrheit" unter den Enzyklopädisten zirkulieren. Im Jahr 1762 liess Voltaire, ohne sich als Herausgeber zu erkennen zu geben, Auszüge aus Mesliers Werk publizieren. Diese Passagen sind im Original so voll ätzender Kritik, dass der auch nicht gerade für seine Zimperlichkeit bekannte Voltaire sie umschrieb und abmilderte, was ihren ursprünglichen Inhalt zum Teil entstellte.

Mesliers ursprünglicher radikaler Atheismus findet sich in der Ausgabe Voltaires zum vorsichtigen Deismus verwandelt. Auch Baron d'Holbach veröffentlichte ein Werk über Meslier und sein Testament.

Das Testament des Abbé Meslier

Das „Testament des Abbé Meslier“ macht Meslier zu einem der herausragenden Vorläufer des Zeitalters der Aufklärung. In der Neuzeit war Meslier der erste, der einen kompromisslosen Atheismus vertrat; gleichzeitig entwickelte Meslier frühzeitig einen rigorosen Materialismus und eine von anarchistischen und sozialistischen Gedanken geprägte Konzeption der Gesellschaft.

Im Folgenden einige wenige Werkauszüge (zitiert nach der von Gustav Mensching veranstalteten Ausgabe, suhrkamp Frankfurt, 1976, in der Übersetzung von Angelika Oppenheimer):

Originaltitel: "Mémoire des pensées et des sentiments de Jean Meslier, prêtre, curé d'Etrépigny et de Balaives sur une partie des erreurs et des abus de la conduite et du gouvernement des hommes où l'on voit des démonstrations claires et évidentes de la vanité et de la fausseté de toutes les divinités et de toutes les religions du monde pour être adressé à ses paroissiens après sa mort et pour leur servir de témoignage de vérité à eux et à tous leurs semblables" = "Vermächtnis der Gedanken und Ansichten von Jean Meslier, Priester, Pfarrer von Etrépigny und Balaives, über einen Teil der Irrtümer und Missstände in der Lenkung und Leitung der Menschen, worinnen sich klare und deutliche Beweise für die Eitelkeit und Falschheit aller Gottheiten und aller Religionen der Welt finden, das nach seinem Tode seinen Pfarrkindern zukommen soll, damit es ihnen und ihresgleichen als Zeugnis der Wahrheit diene".

Inhalt [Ausgabe unvollständig]

1) Vorrede: Die Absicht des Werkes

2) Gedanken und Ansichten des Autors über die Weltreligionen

3) Alle Religionen sind nichts als Irrtümer, Einbildung und Betrug

4) Erster Beweis für die Eitelkeit und Falschheit der Religionen, die allesamt nur menschliche Erfindungen sind

5) Weshalb die Politiker sich der Irrtümer und der Täuschungen der Religionen bedienen

8) Der Ursprung des Götzendienstes

9) Zweiter Beweis für die Eitelkeit und Falschheit der in Rede stehenden Religionen. Der Glaube, der allen Religionen als Grundlage dient, ist nichts als blinde Gläubigkeit und das Prinzip allen Irrtums, aller Illusionen und allen Betrugs

10) Der Glaube ist darüber hinaus auch noch eine Quelle und unselige Ursache von Unfrieden und ewiger Zwietracht unter den Menschen

14) Über die Unzuverlässigkeit der sogenannten Heiligen Schrift, die gefälscht und immer wieder verändert wurde

16) Die sogenannte Heilige Schrift weist nicht die geringste Spur von Wissenschaft oder gar von mehr als menschlicher Weisheit auf

17) Über die Widersprüche in den Evangelien

29) Fünfter Beweis für die Eitelkeit und Falschheit der christlichen Religion anhand der Irrtümer ihrer Lehre und ihrer Moral

30) Erster Irrtum ihrer Lehre, der die Dreifaltigkeit eines einzigen Gottes zum Inhalt hat

31) Zweiter Irrtum, die Fleischwerdung Gottes zum Menschen betreffend

32) Über Geist und Persönlichkeit Jesu Christi

33) Über seine Predigten

34) Das Christentum war in seinen Anfängen nichts anderes als ein niederträchtiger und verachtenswerter Fanatismus

35) Dritter Irrtum der christlichen Lehre: Götzendienst und Anbetung von Göttern aus Teig und Mehl in dem sogenannten Heiligen Sakrament

36) Vergleich der Weihe der Götter aus Teig und Mehl mit der Weihe von Göttern aus Holz und Stein oder Gold und Silber, die von Heiden verehrt werden

38) Vierter Irrtum, der die Erschaffung des ersten Menschen und die Erbsünde zum Inhalt hat

39) Fünfter Irrtum über die angebliche Lästerung und Beleidigung, welche die Menschen mit ihren Sünden Gott antun; über seinen angeblichen Unwillen und seinen Zorn, die sie dadurch erregen, und über die zeitlichen und ewigen Strafen, die er deshalb über sie verhängt

40) Die drei grundlegenden Irrtümer der christlichen Moral

41) Sechster Beweis für die Eitelkeit und Falschheit der christlichen Religion, hergeleitet aus den Missbräuchen, den rechtswidrigen Drangsalierungen und der Tyrannei der grossen Herren, die sie duldet oder gar rechtfertigt

42) Erster Missstand: das grosse und ungeheure Missverhältnis der Rangordnungen und Stände der Menschen, die von Natur aus alle gleich sind

43) Vom Ursprung des Adels

44) Zweiter Missstand, den die christliche Religion zulässt und rechtfertigt und der darin besteht, dass es so viele Arten von Rängen und Ständen fauler Leute gibt, oder solcher, deren Beschäftigungen von keiner Nützlichkeit auf dieser Welt sind, von denen einige nur dazu dienen, das Volk auszupressen, auszuplündern, zu unterjochen und zugrundezurichten

45) Ein weiterer Missstand, der darin besteht, dass die christliche Religion so viele Geistliche und namentlich so viele unnütze Mönche duldet und zulässt

46) Ebenso ist es ein Missstand zu dulden, dass diese Leute so viele gewaltige Reichtümer besitzen, obwohl sie Armut geloben

47) Ein weiterer Missstand: dass sie so viele Bettelmönche duldet, die doch arbeiten und sich selbst ernähren könnten

48) Der dritte Missstand besteht darin, dass die Menschen sich die Güter der Erde als Einzelne aneignen, anstatt sie gemeinsam zu geniessen, was eine Unzahl von Übeln und ungeheures Elend auf der Welt hervorbringt

49) Weiterer Missstand: die eitle und beleidigende Unterscheidung in Geschlechter und von den Übeln, die daraus erwachsen

50) Über den Missstand, der von der Unauflöslichkeit der Ehe herrührt, und die Übel, die er mit sich bringt

51) Über den grossen Nutzen und die grossen Vorteile, die alle Menschen davon hätten, wenn sie friedlich zusammenlebten und alle gemeinsam die Annehmlichkeiten und Gaben des Lebens nutzten

52) Die Gemeinschaft der ersten Christen ist heutzutage bei ihnenabgestorben

53) Der Missstand der Willkürherrschaft der Könige und Fürsten auf der ganzen Welt

54) Über die Gewaltherrschaft der Könige Frankreichs, die ihr Volk elend undunglücklich macht

59) Siebter Beweis für die Eitelkeit und Falschheit der Religionen, gewonnen aus der ebenso falschen Überzeugung der Menschen, die an die Existenz von Göttern glauben

64) Weder die Schönheit noch die Ordnung noch die Vollkommenheit der Werke der Natur sind auch nur der geringste Beweis für die Existenz eines Gottes, der sie geschaffen haben soll

66) Es ist unnütz, auf die Existenz eines allmächtigen Gottes zurückzugreifen, um die Natur und die Entstehung der natürlichen Dinge zu erklären

67) Das Sein, Raum und Zeit, wie auch die Ausdehnung können nicht geschaffen sein, und folglich gibt es keinen Schöpfer

68) Die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Dinge hängt nicht im geringsten vom Willen oder der Macht irgendeiner anderen Ursache ab

69) Auch die ersten und grundlegenden Wahrheiten sind ewig und hängen von keiner anderen Ursache ab

70) Die Schöpfung ist unmöglich und nichts kann geschaffen worden sein

71) Das Sein oder, was dasselbe ist, die Materie kann nur aus sich selbst Existenz und Bewegung erhalten haben

81) Zum Begriff der Kausalität

96) Schlussfolgerungen aus diesem ganzen Werk

97) Der Autor legt Berufung wegen Gewaltmissbrauchs ein gegen alle Beschimpfungen, schlechte Behandlungen und alle unrechtmässigen Verfahren, die man gegen ihn nach seinem Tode einleiten könnte, und er legt seine Berufung wegen Gewaltmissbrauchs allein bei dem Tribunal der unfehlbaren Vernunft, vor allen vernünftigen und aufgeklärten Menschen ein und lehnt als Richter in dieser Sache alle Unwissenden, alle Frömmler, alle Anhänger und Begünstiger von Irrtum und Aberglauben ab, ebenso wie alle Schmeichler und Günstlinge der Tyrannen und alle diejenigen, die in ihrem Solde stehen ...

Auszüge

  • " ... alles, was Eure Priester und Doctores Euch mit so viel Beredsamkeit über die Grösse, Erhabenheit und Heiligkeit der Mysterien, die sie Euch verehren lassen, predigen, alles, was sie Euch mit so viel Ernst und Gewissheit von ihren vorgeblichen Wundern erzählen, und alles, was sie Euch mit so viel Eifer und so vielen Beteuerungen vorschwätzen über die Fülle der himmlischen Belohnungen und die schrecklichen Strafen der Hölle, ist im Grunde nichts als Wahn, Irrtum, Lüge, Erfindung, Betrug, ausgedacht zunächst von listigen Politikern, weitergeführt von Verführern und Betrügern, schliesslich aufgenommen und blind geglaubt vom unwissenden und gemeinen Volk und dann endlich aufrecht erhalten durch die Autorität der Grossen und der Herrscher dieser Erde, welche Missbrauch, Irrlehren, Aberglauben und Betrug begünstigt, ja sogar durch ihre Gesetze sanktioniert haben, um damit die gesamte Menschheit am Zügel zu halten und mit ihr alles machen zu können, was sie wollen" (Kap. 2. S. 72)
  • " ... dies erinnert mich an den [vernünftigen] Wunsch, den ein Mann einmal äusserte, der weder die Wissenschaft kannte noch Bildung besass, dem es aber offensichtlich nicht an Urteilskraft mangelte, um all die ekelerregenden Missstände und verabscheuenswerten Willkürherrschaften, die ich hier anklage, richtig einzuschätzen; sein Wunsch und die Art, seinen Gedanken auszudrücken, zeigen, dass er recht scharfsinnig war und tief genug in dieses abscheuliche Mysterium der Bosheit, von dem ich gerade rede, eingedrungen war, da er so gut dessen Urheber und Förderer erkannte. Er wünschte, dass all die Grossen der Erde und alle Adligen mit den Gedärmen der Priester erhängt und erwürgt werden sollten" (Kap. 2, S. 74)
  • "Ich werde versuchen, so sage ich Euch, die Nichtigkeit und Falschheit von alledem offenbar zu machen. Mögen die Priester, die Prediger, die Doctores und alle die Förderer solcher Lügen, Irrtümer und solchen Betruges sich darüber ärgern, mögen sie sich nach meinem Tode darüber erzürnen, soviel sie wollen, und mich folglich als Ungläubigen, Abtrünnigen, Gotteslästerer und Atheisten beschimpfen, mögen sie dann auch so viele Flüche und Verwünschungen gegen mich aussprechen, wie sie wollen, so kümmert es mich wenig, denn es wird mich nicht im geringsten mehr beunruhigen; mögen sie auch mit meinem Körper machen, was sie wollen; mögen sie ihn zerreissen, in Stücke hauen, braten, frikassieren oder, wenn sie wollen, in einer ihnen genehmen Sauce gar fressen, ich mache mir darüber keine Gedanken; denn ich werde dann völlig ausserhalb ihrer Reichweite sein, nichts wird mehr in der Lage sein, mich in Angst zu versetzen ... " (Kap. 2, S. 83)
  • "Nun kann aber keiner unserer Gottesanbeter noch unserer Christgläubigen, welcher Bande, Sekte oder Religion er auch zugehören möge, durch klare, stichhaltige und überzeugende Beweise zeigen, dass seine Religion wahrhaft göttlichen Ursprungs ist. Ein schlagender Beweis hierfür ist, dass seit so langer Zeit, seit so vielen Jahrhunderten, während derer sie sich schon über diesen Gegenstand für die Aufrechterhaltung ihrer jeweiligen Meinung streiten und einander sogar mit Feuer und Schwert verfolgen, es noch keine Partei unter ihnen gab, der es gelungen wäre, die anderen gegnerischen Parteien durch solche Beweise der Wahrheit zu überzeugen und zu überreden, was sicher nicht der Fall wäre, wenn auf der einen oder anderen Seite Gründe, das heisst Belege und klare, stichhaltige und überzeugende Beweise für einen göttlichen Ursprung vorhanden wären ... " (Kap. 8, S. 103/104)
  • "Was also diese ... angeblich heiligen und göttlichen Bücher angeht, so ist es für jedermann, wie wenig aufgeklärt er auch sei, ein leichtes, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie, wie bereits gesagt, in sich selbst überhaupt kein Anzeichen göttlicher Autorität oder Eingebung enthalten. Man braucht sie nur zu lesen, und man wird sehen, dass es keinerlei Bildung, keine Spur von Wissenschaft, keinen tieferen Gedanken noch irgendeine andere Erzeugung des Geistes darin gibt, die die natürlichen und gewöhnlichen Kräfte des menschlichen Verstandes übersteigt. Im Gegenteil, man wird einerseits nur märchenhafte Geschichten oder Erzählungen darin finden, wie jene über die angebliche Erschaffung der Welt, über die Zeugung und Vermehrung der ersten Menschen, über ein angebliches Paradies auf Erden, über eine sprechende, vernünftige Schlange, die selbst schlauer und listiger war als der Mensch, über eine Eselin, die sprach und ihrem Herrn vorhielt, dass er sie ohne Grund misshandelt habe, über die sogenannte Sintflut und eine Arche, in der Tiere aller Arten eingeschlossen waren; wie auch jene über die Sprachverwirrung und Aufteilung der Menschen in verschiedene Völker, ganz zu schweigen von der grossen Menge anderer Berichte über lächerliche, armselige und nichtswürdige Gegenstände, die mitzuteilen ernsthaften Autoren zuwider wäre, Geschichten und Erzählungen, die sicher nicht weniger Märchenhaftes an sich haben als jene, die man über die Taten des Prometheus, die Büchse der Pandora oder den Krieg der Giganten gegen die Götter erfunden hat, wie auch andere ähnliche, die von den antiken Dichtern erdacht wurden, um die Menschen ihrer Zeit zu unterhalten. Andererseits wird man darin nur eine bunte Sammlung von mancherlei Gesetzen und Vorschriften antreffen oder aber sinnlose und abergläubische Verfahren für die Opferung und Reinigung, wie es das alte Gesetz vorschreibt, zum Beispiel die sinnlose Unterscheidung zwischen den Tieren, wobei die einen als rein, die anderen aber als unrein und unsauber bezeichnet werden, also Gesetze und Vorschriften, die nicht ehrwürdiger, aber auch nicht weniger eitel und abergläubisch sind als die der dem Götzendienst am tiefsten verfallenen Völker. Man wird darüber hinaus nur schlichte wahre oder falsche Geschichten von einigen Königen, Fürsten oder anderen Personen finden, die gut oder schlecht gelebt und einige gute oder schlechte Taten neben einer Vielzahl niedriger, gleichgültiger oder leichtfertiger Handlungen vollbracht haben, die in diesen Büchern gleichwohl berichtet werden, Geschichten also, wie sie zuhauf in der sogenannten Heiligen Schrift, sowohl im Alten wie im Neuen Testament stehen und deren Abfassung offensichtlich kein grosses Genie erfordert, so dass man dazu keine göttlichen Offenbarungen oder Eingebungen nötig hat. Es gereicht einem Gott wirklich nicht zur Ehre, wenn man ihn zum Autor so vieler schmutziger und dummer, so vieler nichtiger und lächerlicher Erzählungen macht; vergeudete er doch seine Zeit mit herzlich unwichtigen Dingen, wenn er sich damit abgäbe, derlei nichtiges, oberflächliches und lächerliches Zeug, wie es in jenen Büchern steht, ernsthaft zu offenbaren .. " (Kap. 16., S. 121/122)
  • " ... das Christentum macht sich ... lächerlicher als das Heidentum mit seinen Göttern, da die Heiden für gewöhnlich nur grossen Männern Göttlichkeit zugesprochen haben, nämlich hervorragenden Persönlichkeiten, die sich durch irgendwelche Tugenden oder durch die nützliche und seltene Meisterschaft in irgendeiner Sache ausgezeichnet hatten, die zum Beispiel Kunst und Wissenschaft bereicherten, der Allgemeinheit bemerkenswerte Dienste leisteten oder grossartige und edelmütige Taten vollbrachten ... usw. Wem aber sprechen unsere Christgottgläubigen Göttlichkeit zu? Einem erbärmlichen Menschen, der weder Talent noch Geist, Wissen oder eine besondere Fähigkeit hatte und der von der Welt gänzlich verachtet wurde. Wem verleihen sie denn Göttlichkeit? Ja, ich muss Euch sagen, dass es ein Verrückter, ein Wahnsinniger, ein erbärmlicher Geistesgestörter, ein elender Galgenstrick ist; ja, meine lieben Freunde, einer solchen Person sprechen Eure Priester, Doktoren und Prediger Göttlichkeit zu, eine solche Person sollt Ihr als Euren liebenswerten und göttlichen Retter verehren, ihn, der sich selbst nicht vor der schmachvollen Strafe des Kreuzes retten konnte, zu der er verurteilt war und womit seine Tage ein erbärmliches Ende nahmen. Denn dieser Jesus Christus, den sie Euch als Gott verehren lassen, der angeblich um Euch zu retten und freizukaufen Mensch geworden ist, war sogar nach den Darstellungen seiner Evangelisten und Jünger nur ein schlechter Mensch, ein erbärmlicher Fanatiker, ein elender Galgenvogel, der ans Kreuz genagelt und gehängt wurde, und von dem man deshalb sagen könnte, dass er von Gott und den Menschen verflucht war, wie es in ihren eigenen heiligen Büchern steht, wo es heisst, ein Gehenkter sei verflucht bei Gott, maledictus a Deo est qui pendet in ligno (5. Mose 21,23). Es ist daher nicht nötig zu beweisen, dass er auf der Welt ein schlechter und verächtlicher Mensch war. Denn darüber hinaus, dass er selbst sagte, er habe keinen Ort, da er sein Haupt hinlege (Lukas 9,58), wisst Ihr sehr wohl, dass er in einem Stall zur Welt kam, Kind armer Eltern war, nur Sohn eines Schreiners, immer arm blieb und dass, als er auf der Welt von sich reden machen wollte, man ihn für einen Geistesgestörten, einen Verrückten, einen Besessenen und Verführer hielt, der immer verachtet und verspottet, verfolgt, ausgepeitscht und schliesslich ans Kreuz geschlagen wurde, wo er seine Tage elendiglich schloss ... " (Kap. 31, S. 157/158)
  • " ... liegt es auf der Hand, dass das Christentum in seinen Anfängen nur reine Glaubenswut war und obendrein gemeine und verabscheuungswürdige Glaubenswut, da es doch zunächst nur eine Sekte nichtswürdiger und verächtlicher Leute war, die bekannten, blind den falschen Gedanken, Einfällen, Maximen und Meinungen eines elenden und verächtlichen Fanatikers zu folgen, der aus dem niedrigsten unter allen Völkern stammte" (Kap. 33, S. 177)
  • " ... Wieso glauben sie [die Christen] ..., dass ihre eitle und nichtige sogenannte Consecration von nur vier Worten ["Dies ist mein Leib/Blut", wirksam "ex opere operato"], die sie über die armseligen kleinen Götzenbilder aus Teig und über einige Tropfen Weines sprechen, die Kraft habe, Brot und ein in Leib und Blut ihres Gottes Christus zu verwandeln? Woher gewönne sie diese angebliche Kraft und Gewalt oder die Macht, aus einem kleinen Gebilde aus Teig oder einigen Tropfen Weines einen allmächtigen Gott zu machen? Und, wie sie sagen, in einem Augenblick die ganze Substanz von Brot und Wein in Leib und Blut eines Menschen, der zugleich Gott ist, zu verwandeln? Oh, diese törichten Doctores! Wie können sie es nur wagen, derart lächerliche und verrückte Dinge öffentlich zu vertreten, ja sie überhaupt nur auszusprechen! Vorurteil und Gewohnheit, Geburt und Erziehung müssen wohl merkwürdige Auswirkungen auf den Geist der Menschen haben, dieweil sie dadurch in diesem Ausmass verblendet werden. Denn es ist gewiss nichts anderes als Vorurteil, Gewohnheit, Geburt und Erziehung, was jetzt noch dafür sorgt, dass derart lächerliche und verrückte Dinge blind geglaubt werden. Im ganzen Heidentum gibt es gewiss nichts Ähnliches, und es scheint so, als sei die christliche Religion nur erfunden worden, um zu zeigen, zu welchem Ausmass von Torheit die Menschen im Bereich der Religion fähig sind, denn es gibt nichts noch so Lächerliches oder Verrücktes, wovon unsere römischen Gottgläubigen nicht meinten, sie müssten es glauben, da doch ihr Glaube himmlischen Ursprungs sei. "Für die Christen", so sagt Montaigne, "ist es ein Grund zu glauben, wenn sie auf etwas Unglaubliches stossen; und je mehr dies der menschlichen Vernunft widerspricht, desto begründeter ist ihrer Ansicht nach ihr Glaube" (Essais II, 12)" (Kap. 36, S. 191/192)
  • [die Christen behaupten, durch Konsekration] "Hunderte, Tausende, Millionen und Abermillionen dieser Teigbilder zu weihen wie ein einziges und es demzufolge für sie genauso leicht sein muss oder müsste, durch eben dieses Mittel Hunderte, Tausende, Millionen und Abermillionen von Göttern zu schaffen wie einen einzigen! Welche Torheit, überhaupt auf einen solchen Gedanken zu kommen! Könnten sie doch noch nicht einmal, diese nichtsnutzigen Menschen, diese Priester und Volksbetrüger, ja, könnten sie noch nicht einmal mit der ganzen angeblichen Macht ihres Gottes Christus auch nur die kleinste Fliege oder den armseligsten Wurm hervorbringen und glauben, Götter zu Tausenden schaffen zu können! Narren sind sie allesamt! Ihr sogenannter Christus sollte ihnen nicht die Kraft oder das Vermögen verliehen haben, auch nur ein einziges Weizen-, Gersten- oder Haferkorn zu schaffen noch die Kraft, auch nur den kleinsten Stein in Brot zu verwandeln oder einen Wassertropfen in Wein, und sollte ihnen dennoch die Kraft gegeben haben, wenn sie wollen, Götter zu machen und so viele, wie sie wollen? Und dies, indem sie mit vier Worten Brot und Wein in seinen Leib und sein Blut verwandeln? Man muss schon mit einer seltsamen Blindheit geschlagen sein und einer eigenartigen Befangenheit des Geistes, um so lächerliche und verrückte Dinge mit einer so hohlen Grundlage, wie es einige mehrdeutige Aussprüche eines Fanatikers darstellen, zu glauben und vertreten zu wollen ... " (Kap. 36, S. 194/195)
  • [Wie kann ein Gott Menschen in die Hölle schicken und tatenlos zusehen, wie sie für die geringsten Nachlässigkeiten gequält werden?] " ... ein Gott, der, wie man sagt, unendlich sanftmütig und gnädig, gütig und barmherzig ist, liesse sich niemals erweichen? Wird er denn nicht müde, solch entsetzlichen Qualen zuzusehen? Noch müde, das Wehklagen, das Geschrei und mitleiderregende Gestöhn dieser armen Unglückseligen zu hören? Wird er denn niemals von Mitleid für die weniger Schuldigen gerührt, nicht mehr und nicht weniger als für die Verworfensten? Ist ein Gott dazu fähig und tut wirklich solcherlei (was aber vollkommen unmöglich ist), dann wage ich zu sagen, ein solcher Gott verdiente, für immer gehasst, verachtet und verflucht zu werden, denn er wäre grausamer als selbst die grausamsten Tyrannen, die es jemals gab und geben wird: Seht selbst, ob man Derartiges von einem Gott sagen kann, das heisst einem unendlich vollkommenen, unendlich guten und unendlich weisen Wesen. Gewiss nicht" (Kap. 39, S. 223)
  • [über die Mönche etc. (sic / unklare Syntax)] " ... alle diese Leute sind ... nichts anderes als Blutsauger, da sie unter dem Vorwand, noch frömmer als andere den Dienst an einer eingebildeten Gottheit zu versehen und regelmässig alle Tage zu bestimmten Tageszeiten und auch in der Nacht andächtig diesen Gott aus Teig und Mehl anzubeten und ihm Weihrauch zu opfern, häufig Kniefälle und tiefe Verbeugungen vor ihm zu machen, Psalter und Choräle vor ihm zu murmeln oder zu singen, die er doch nicht hört, ja genausowenig hören kann, wie er die Verbeugungen sehen kann, die sie vor ihm machen, weil er keine Augen hat, um zu sehen, welche Ehren sie ihm erweisen, und auch keine Ohren, um die Lobpreisungen zu hören, die sie ihm darbringen, noch Nasenlöcher, um ihren Weihrauch und ihr Räucherwerk zu riechen; da sie sich also einbilden, genug zu tun, damit die einen all die grossen Güter, die sie besitzen, verdienen und die anderen die reichlichen und fetten Almosen, die man ihnen gibt, wenn sie landauf landab darum bitten, zu Recht erhalten, ohne zu irgendeiner anderen Arbeit verpflichtet zu sein. Deshalb sieht man auch, wie sie mit nichts anderem beschäftigt sind, als sich auszuruhen, zu promenieren, zu spielen, es sich in süssem und frommem Nichtstun wohlergehen zu lassen und Fett anzusetzen, nachdem sie nur wenige Stunden des Tages und der Nacht mit dem Dienst an ihrem Teiggott zugebracht haben ... " (Kap. 47, S. 258/259)
  • " ... Torheit, nichts als alberne Torheit ist das alles, eine einzige Stunde guter Arbeit ist mehr wert; selbst wenn von allen Mönchen und allen Priestern ein jeder zwanzig, dreissig, fünfzig oder sechzig Messen täglich abhielte, so wären sie alle zusammen nicht so viel wert wie ein einziger Nagel für den Blasebalg, wie die Redensart lautet; ein Nagel ist ein nützlicher und notwendiger Gegenstand und man kann bei vielem nicht leicht auf ihn verzichten ... " (Kap. 47, S. 260)

Werkausgaben

  • Jean Meslier Oeuvres completes, Herausgeber: J . Deprun, R. Desne, A. Soboul, 3 Bände, Paris, 1970 bis 1972
  • Das Testament des Abbé Meslier, hg. u. eingel. v. Günther Mensching, übers. v. Angelika Oppenheimer. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1976 ISBN 3-518-06000-7; neu hg. u. eingel. v. Hartmut Krauss. Osnabrück: Hintergrund Verlag 2005 ISBN 3-00-015292-X

Literatur

  • Johann Haar: Jean Meslier und die Beziehungen von Voltaire und Holbach zu ihm. Diss. Hamburg 1928
  • Friedrich Hagen: Jean Meslier oder: Ein Atheist im Priesterrock. Leverkusen, Köln: Lit. Verlag Braun, 1977, ISBN 3-88097-046-7
  • Paul Heinrich Dietrich Holbach: Le bon sens du Curé Jean Meslier suivi de son testament. G. Olms, 1970
  • Günter Mager: Das Wissen des Jean Meslier. Über die wahre Entstehung der Aufklärung. Friedmann Verlag, 2006, ISBN 3-933431-75-1 (Roman)
  • Georges Minois: Geschichte des Atheismus: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Böhlaus Nachfolger 2000, ISBN 3-7400-1104-1 (über Meslier im 4. Teil, 10. Kapitel)
  • Lire Jean Meslier - Curé et athée révolutionnaire - Introduction au mesliérisme et extraits de son oeuvre. Éd. Serge Deruette. Bruxelles: Éd. Aden 2008, ISBN 978-2-930402-50-5
  • Hartmut Krauss (Hrsg.): Das Testament des Abbé Meslier. Die Grundschrift der modernen Religionskritik. Neuausgabe, Osnabrück 2005. ISBN 3-00-015-292-X. Hardcover. 406 Seiten

Weblinks


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